Protokoll der Sitzung vom 13.05.2020

Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: Gründungsfreundliches Niedersachsen: Startups und andere Gründungen nachhaltig noch attraktiver machen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/6384

Zur Einbringung des Antrages der FDP-Fraktion hat sich der Kollege Christian Grascha zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir in diesen Tagen über Wirtschaftspolitik sprechen, dann geht es häufig um Soforthilfe, um Liquiditätshilfe, es geht um Kurzarbeitergeld und anderes. Das macht schon deutlich, dass wir in einer Krise sind.

Aber es lohnt sich meines Erachtens auch in der Krise, an das Morgen zu denken und an die Frage, wie der Staat es schaffen kann, die Wirtschaft und damit einen Aufstieg zu unterstützen. Denn es geht ja um die Frage: Wie kommen wir aus dieser Krise wieder heraus?

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wie schaffen wir dann einen Aufstieg? Wie können Arbeitsplätze entstehen, die auch in 10, 20 Jahren tatsächlich noch Bestand haben werden? Ich glaube, dass das eine Diskussion ist, die in der heutigen Zeit tatsächlich hier stattfinden sollte.

(Anhaltende Unruhe)

Entschuldigung, Herr Kollege Grascha! - Wenn da draußen jetzt jemand „Freibier!“ rufen würde, wäre die Hälfte draußen, aber wenn hier die Glocke erklingt, interessiert das niemanden. Das ist falsch. Sie hat schon eine gewisse Bedeutung.

(Heiterkeit - Christian Grascha [FDP]: Hat da jemand „Freibier!“ gerufen?)

Und Herr Grascha ist auch schon etwas unruhig; denn er hat gedacht, es hätte wirklich jemand

„Freibier!“ gerufen. Nein, das ist nicht der Fall. Das war nur ein Vergleich zur Untermauerung.

Ein paar Punkte haben wir noch, aber so lange dauert es nicht mehr. Ich bitte darum, dem Redner zuzuhören. Wenn Sie reden wollen, bitte ich Sie, rauszugehen. - Vielen Dank.

Bitte schön, Herr Kollege!

Aber dann müsste das Freibier zumindest von Einbecker kommen, dann würde ich in der Tat das Redepult verlassen.

(Heiterkeit)

Also: Es geht darum, schon heute über das Morgen zu diskutieren. Die Antworten, die bisher von der Landesregierung gekommen sind, sind mir da einfach zu wenig. Der Ministerpräsident hat seine Forderung nach einer Abwrackprämie gestern hier noch einmal untermauert. Das ist aus meiner Sicht nicht ausreichend. Statt über eine Abwrackprämie müssen wir doch eher über Aufstiegsprämien diskutieren - z. B bei der künstlichen Intelligenz, z. B. bei der Digitalisierung, z. B. bei moderner Mobilität wie mit Flugtaxis. Das wäre alles viel zukunftsträchtiger, als hier über Instrumente der 90er-Jahre zu diskutieren. Wir müssen hier über Arbeitsplätze und die Wirtschaft der Zukunft sprechen!

(Beifall bei der FDP)

Deswegen schlagen wir vor, eine neue Gründerzeit in Niedersachsen einzuläuten. Gründerzeit heißt für uns, dass wir uns insbesondere mit Innovationen und neuen Technologien beschäftigen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Wir brauchen sie aber auch, um gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und soziale Herausforderungen zu meistern. Denn tatsächlich kann man auch die häufig mit Innovationen bestehen.

Innovation heißt nämlich, dass wir die Aufgaben der Zeit lösen können, ohne dass es einen Wohlstands- und einen Freiheitsverlust geben muss. Ich nenne nur drei Beispiele:

Wie gut wäre es, wenn wir bei der aktuellen Pandemiebekämpfung schon alle digitalen Lösungen zur Verfügung hätten statt nur die Instrumente des Mittelalters! Dann könnten wir dieser Pandemie viel stärker und zielorientierter begegnen, als wir es heute tun. In Göttingen gibt es z. B. ein Start-up, das einen digitalen Antikörpertest entwickelt.

Ist es im Bereich des Klimaschutzes nicht viel sinnvoller, statt über Verbote über Innovationen zu sprechen, um damit die Klimaziele zu erreichen?

Ist es im Bereich der Pflege nicht viel sinnvoller, über technische und digitale Lösungen zu sprechen, die ein selbstbestimmtes Leben möglichst lange ermöglichen, statt über den dortigen Fachkräftemangel zu reden? Auch für diese Probleme gibt es innovative Lösungen.

Die gute Nachricht ist: Vielfach gibt es diese Ideen an unseren Hochschulen und Universitäten schon. Wir müssen nur ein Gründerökosystem, ein Klima schaffen, damit diese Ideen nicht in den Hochschulen und Universitäten verbleiben, sondern in der Wirtschaft zur Anwendung kommen.

Einerseits müssen wir Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft haben und andererseits die Finanzierung entsprechend sicherstellen. Bei der Finanzierung in Niedersachsen sehen wir enormen Nachholbedarf. Nach einer Studie von Ernst & Young befindet sich Niedersachsen hier nur im Mittelfeld. Bei manchen Kriterien taucht Niedersachsen sogar namentlich nicht auf, sondern ist unter „Sonstiges“ geführt. Hierbei gibt es in Niedersachsen also Nachholbedarf.

Bei den Schnittstellen zwischen der Wissenschaft und der Wirtschaft geht es beispielsweise darum, Unterstützungsangebote zu schaffen, Überlassungen für Labore und Werkstätten zu vereinbaren, um Start-ups und Gründer entsprechend zu unterstützen. Nach unserer Vorstellung sind diese Transferzentren, die es an den Universitäten und an den Hochschulen zum Teil schon gibt, auszubauen oder eben neu zu schaffen. Sie sollten auch zentral koordiniert werden. Wir sehen das schon als eine zentrale Aufgabe des Landes. Die Aktivitäten der regionalen Transferzentren sollten zentral, auf der Landesebene, gebündelt werden.

Herzstück unseres Antrages, wenn man so will, ist ein neuer Venturecapital-Fonds - wir haben ihnen „NSeed University“ genannt -, der als Dachfonds konstruiert werden sollte und dessen Teilfonds dann quasi an die Transferzentren angebunden werden sollten.

So ist es möglich, die Universitäten an den Investitionsentscheidungen, die getroffen werden, zu beteiligen. Das halten wir für wichtig, um einerseits den Gründern und Start-ups Wagniskapital zur Verfügung zu stellen und andererseits Standortbindung zu schaffen und die Universitäten an den Exits wirtschaftlich partizipieren zu lassen.

Kurz und gut: Wir wollen, dass der Wissenstransfer auf ein anderes Niveau, auf ein anderes Level gehoben wird. Wir wollen eine neue Gründerzeit in Niedersachsen einläuten, ein Stück weit aus dem Klein-Klein herauskommen und uns wirklich ernsthaft mit der Frage beschäftigen: Wie können wir die Arbeitsplätze der nächsten 10 bis 20 Jahre schon heute unterstützen und entwickeln?

Dafür haben wir einen Vorschlag gemacht. Ich freue mich auf die Diskussion dazu im Fachausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Grascha.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Zur Einbringung des gemeinsamen Antrages von SPD und CDU liegt eine Wortmeldung von Frau Dr. Dörte Liebetruth vor. Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gut, dass wir gerade in diesen Corona-Zeiten über ein gründerfreundliches Niedersachsen reden, dass wir darüber reden, Startups und andere Gründungen in Niedersachsen nachhaltig noch attraktiver zu machen. Denn gerade in der nun verdüsterten Wirtschaftslage kommt es darauf an, Mut zu machen, neue Unternehmen zu gründen und dafür zu sorgen, dass aussichtsreiche Geschäftsideen nicht Corona zum Opfer fallen. Deswegen an dieser Stelle vielen Dank an die Landesregierung für die Unterstützung, die Gründerinnen und Gründer schon in den vergangenen Wochen erhalten haben!

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich nun den gemeinsamen Antrag von SPD und CDU einbringe, möchte ich kurz auf den Startup-Begriff eingehen, weil nicht immer alle dasselbe meinen, wenn sie von Start-ups reden. Der gemeinsame Antrag von SPD und CDU begreift Start-ups als besonders innovative Gründungen, die ein hohes Wachstumspotenzial haben, meist technologiebezogen sind und nicht älter als zehn Jahre. Start-ups machen maximal 5 % der Gründungen aus.

Ich werde nun erst den gemeinsamen Antrag von SPD und CDU für ein gründerfreundliches Nieder

sachsen einbringen, der übrigens Anregungen vom Beirat startup.niedersachsen, aber auch aus bereits vorliegenden Anträgen von Grünen und FDP aufgreift. Ich werde dann kurz auf den neuen Antrag der FDP eingehen.

Unternehmensgründungen können nicht nur der Schlüssel für den Aufstieg Einzelner sein, von dem wir schon gehört haben, sondern auch für die Zukunftsfähigkeit Niedersachsens insgesamt. Davon geht unser Antrag aus. Denn in Gründungen fließt oft jede Menge Kreativität ein. Erfolgreiche Gründungen erfordern gute Geschäftsideen. Sie fordern etablierte Unternehmen heraus und tragen zur Modernisierung unserer Wirtschaft bei.

Ein Beispiel dafür, dass auch gesellschaftliche Herausforderungen bewältigt werden, ist das Braunschweiger Biotechnologie-Start-up Yumab - von dem wir in der Debatte heute Morgen schon mehrfach gehört haben -, das derzeit eine Antikörpertherapie gegen das Coronavirus entwickelt.

Andere Start-ups können uns bei der Bekämpfung des Klimawandels voranbringen.

Wiederum andere tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei, indem sie kreative Lösungen entwickeln, wie die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum gewährleistet werden kann.

Wo stehen wir heute in Niedersachsen mit der Förderung von Start-ups und anderen Gründungen? - Die von Minister Olaf Lies im Jahr 2017 ins Leben gerufene Start-up-Initiative, die seither fortgeführt wird, hat schon viel erreicht:

Der erste Baustein dieser Initiative ist die Förderung von Start-ups durch inzwischen zehn Startup-Zentren an acht Standorten: Hannover, Braunschweig, Hildesheim, Göttingen, Lüneburg, Osnabrück, Oldenburg und neuerdings auch Emden. Der zweite Baustein ist die Bereitstellung von Risikokapital über das Programm „NSeed“, der dritte ist das Gründungsstipendium für innovative Geschäftsideen, der vierte ist die Unterstützung bei der Vernetzung, z. B. auch durch die Verleihung des DurchSTARTer-Preises oder die Internetplattform startup.nds.de.

Zwischenfazit: Niedersachsen bietet eine vielseitige und gleichzeitig solide Gründungsförderung.

Leider musste die Landesregierung in ihrer kürzlich beschlossenen Innovationsstrategie - und müssen auch wir heute - dennoch feststellen: Die Gründungsintensität - also die Anzahl der Gründer je 10 000 Erwerbsfähige - ist rückläufig, und der An

teil weiblicher Gründer verharrt mit 35 % auf einem viel zu niedrigen Niveau.

Deswegen - und auch weil wir in Corona-Zeiten auf den Jobmotor Unternehmensgründung angewiesen sind - müssen wir die Chancen nutzen, die sich bieten, um Niedersachsen noch gründungsfreundlicher zu gestalten.

Mit dem heute eingebrachten Entschließungsantrag wollen wir die Rahmenbedingungen für ganz unterschiedliche Gründungen in Niedersachsen verbessern, seien es technologieaffine Start-ups oder kluge Gründungen, die analoge Geschäftsmodelle verfolgen.

Die Landesregierung wird deshalb gebeten, sämtliche gründungsbezogene Aktivitäten der Landesregierung ressortübergreifend noch besser zu bündeln. Das Wirtschafts- und das Wissenschaftsministerium arbeiten bei der Gründungsförderung - so ist mein Eindruck - schon sehr gut und eng zusammen.