Protokoll der Sitzung vom 30.06.2020

(Beifall bei der FDP)

Auf meine Nachfrage bei der Unterrichtung durch die Landesregierung hin wurde meine Sicht durchaus bestätigt. Es wurde aber gesagt, diesen Herstellungspfad wolle man nicht betrachten; man wolle sich erst einmal auf eine andere Sache fokussieren.

Einer Pressemitteilung auf der Internetseite der Salzgitter AG ist zu entnehmen:

„Bei erfolgreichem Ergebnis der Machbarkeitsstudie ist im Anschluss die gemeinsame Umsetzung des Vorhabens vorgesehen. Es wird perspektivisch angestrebt, 2 Millionen t direktreduziertes Eisen pro Jahr zu erzeugen“.

Nur um Ihnen eine gewisse Vorstellung davon zu geben, wohin die Reise geht: Dem Geschäftsbericht ist zu entnehmen, dass in Salzgitter in den letzten Quartalen jeweils 1,7 Millionen t Rohstahl erzeugt worden ist. Es wird also weitaus mehr grüner Wasserstoff benötigt, als vorgegeben ist. Da es in Deutschland noch größere Stahlwerke gibt, ist von einem zusätzlichen Mindeststrombedarf von 120 bis 140 Milliarden kWh auszugehen.

Wichtig ist die Umstellung, weil die Stahlindustrie 67 Millionen t CO2-Äquivalente emittiert. Aktuell stehen dem Zertifikatpreise von 24 Euro/t gegenüber. Sie sehen also, dass es hier um viel Geld geht.

Aber es gibt das CO2-Reduktionsziel von 49 bis 51 % für die Industrie bis 2030, dem wir uns verschrieben haben. Dies ist nur mit dem heute hier in Rede stehenden grünen Wasserstoff zu realisieren. Aber nur aus der Elektrolyse, wie es im Antrag vorgesehen ist, ist es eigentlich zu teuer.

Deshalb haben wir gefordert - ich hatte es eingangs gesagt -: Binden Sie die Biomasse als Wasserstofflieferanten mit ein. Außerdem sollte der Wasserstoff über Gasleitungen weitergeleitet werden; so könnte man auch beim Netzausbau sparen.

Dem hätten wir zugestimmt. So müssen wir uns leider enthalten.

Ich bedanke mich fürs Zuhören.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kortlang. - Die nächste Wortmeldung, die mir vorliegt, kommt aus

der AfD-Fraktion von dem Abgeordneten Stefan Wirtz. Bitte, Herr Wirtz!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es eben gehört: Die Elektrolyse soll das Allheilmittel und der Kern dieses Antrags sein - mit zwei Grundannahmen: dass Strom im Überfluss erhältlich ist und dass dieser Strom günstig ist.

Ich denke aber, Sie wissen, wie die Realität aussieht: Strom haben wir nur begrenzt. Wir produzieren den Strom, den wir verbrauchen. Er kommt aus Kraftwerken und ist deshalb verlässlich. Und er hat seinen Preis; er ist teuer. Teureren Strom werden Sie auf diesem Kontinent und auf dieser Welt kaum erhalten können; denn die deutschen Strompreise sind die höchsten.

Das ist gemeint, wenn es um regulatorische Hemmnisse geht. Es geht nicht darum, dass irgendwelche Gesetze im Weg stehen. Es geht darum, dass Wasserstoff bei den bestehenden Gesetzen nicht wirtschaftlich sinnvoll erzeugt werden kann. Das ist die Wahrheit, die leider hier nicht zur Sprache gekommen ist, obwohl Sie alle praktischerweise die schriftlichen Ausarbeitungen zur Verfügung hatten. Alle Ausarbeitungen enthielten aber ein Kernwörtchen: das Wörtchen „aber“. Das müssen Sie alle überlesen haben; denn danach wurde es interessant.

Es ist nicht möglich, große Mengen Wasserstoff günstig zu erzeugen - um es noch einmal zu sagen. Allein das Beispiel von den Praktikern aus der chemischen Industrie: Für die Herstellung von sechs Grundchemikalien bräuchte man 624 TWh Strom, um den Wasserstoff zu erzeugen, und der Strom sollte nicht teurer als 4 Cent sein.

Sie können mal zuhause auf Ihre Stromrechnung schauen. Manche Politiker machen das noch und kennen die Preise. Die Experten haben gesagt: Zielpreise von 4 bis 4,5 Cent sind das Maximum, um eine Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Es ist Ihnen sicherlich aufgefallen, dass das nicht so einfach gehen wird, selbst mit der regulatorischen Aufhebung z. B. der EEG-Umlage, der Energiesteuer.

Und das steckt ja dahinter. Sie müssen diesen Strom billiger machen, oder Sie nutzen die andere Variante: Sie machen alles andere teurer. Auch das ist in Ihrem Antrag enthalten, aber nicht klar ausgesprochen. Sie sagen es aber trotzdem ziem

lich unverhohlen: CO2-Bepreisung, CO2-Steuer. - Das macht dann die anderen Energien teurer. So wird der Strom möglicherweise nicht billiger - denn es ist in diesem Ausmaß nicht möglich -, sondern Sie verteuern die Optionen, die wir zurzeit haben.

Wasserstoff wird nicht zu unserer Basis, sondern es sind die fossilen Brennstoffe, die wir hier immer noch brauchen - gerade auch in der Chemieindustrie; denn da empfiehlt man ganz klar: Wenn wir Wasserstoff erhalten können, dann benutzen wir ihn als Material. Dann verfeuern oder verstromen wir ihn nicht. Wir nutzen ihn auch nicht als Energiespeicher für vorher zur Erzeugung von Wasserstoff verwendetem Strom.- Elektrolyse ist also eine schöne Idee. Sie hat nur einen großen Nachteil: Sie ist nicht effizient, sie ist teuer und nicht wirtschaftlich.

Wenn das so eindeutig ist, dann gibt es auch Zahlen. Auch die haben Sie gelesen; denn sie waren in den Anhörungsschriftsätzen zum „Reallabor Emsland“ vorhanden - Sie sind ja stets Verfechter von Reallaboren -: 3 bis 15 Euro - je nach Herstellungsweise - für das Kilogramm grünen Wasserstoff.

Für den grauen Wasserstoff, der mehr oder weniger als Beifang in anderen, konventionellen Produktionsarten erzeugt wird, liegt der Wert bei 1 bis 2 Euro/kg. Sie sehen die Dimensionen.

Es geht also nicht nur um das Dreifache, es geht um das Vielfache. Ich könnte es den Grünen mal in Eiskugeln umrechnen - das erspare ich mir aber. Es ist aber wesentlich unwirtschaftlicher und unpraktischer, diesen Wasserstoff so zu erzeugen.

Die Windstromcharakteristik in unserem Land hat auch noch einen Nachteil: Der Wind weht manchmal - und dann heftig. In diesen Phasen - auch das war in den Unterlagen; das sind keine AfD-Zahlen - müssen viele überzählige Anlagen diesen Wind in kurzer Zeit aufgreifen und daraus Strom erzeugen; denn danach gibt es lange Zeit keinen Strom mehr. Dieses Abräumen der Windspitzen, um Energie zu erzeugen, erzeugt eines: Man braucht viele Windräder. Das werden wir auch im nächsten Beitrag noch hören.

Sie gehen diesen Weg. Wir gehen ihn nicht mit. Ausgerechnet ich muss hier die Deutsche Umwelthilfe zitieren; denn auch sie hat es geschrieben - nicht wörtlich, aber eindeutig lesbar -:

(Glocke der Präsidentin)

Machen Sie lieber alles andere, bevor Sie versuchen, grünen Wasserstoff zu erzeugen; denn Wasserstoff fußt auf dem Prinzip Hoffnung.

Herr Wirtz, kommen Sie zum Schluss!

Er ist der flüchtigste Stoff, den es gibt - so flüchtig, dass es sich nicht lohnt, sich damit in großem Maßstab abzugeben. Die Verlustraten, die es da geben wird, werden alles schlagen, was bis jetzt fehlgeplant wurde.

Wir lehnen das ab.

Danke sehr.

(Beifall bei der AfD)

Nun gibt es einen Wortbeitrag aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Abgeordnete Imke Byl, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wasserstoff ist ein wichtiger Bestandteil aller „100 % erneuerbare Energien“Szenarien. Doch die entscheidende Frage ist nicht: „Wasserstoff - ja oder nein?“, sondern: „Wo und wie viel?“ Je mehr Wasserstoff wir einplanen, je mehr Wasserstoff Anwendung finden soll, desto mehr Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen wir logischerweise.

Mittlerweile gibt es immer mehr Stimmen, die erklären: Dann importieren wir Wasserstoff einfach aus dem Ausland - alles gut! - Das ergibt aber nur bei Ländern Sinn, die zu 100 % erneuerbar versorgt sind. Mir ist jedoch kein einziges bekannt.

Wasserstoff ist in der Tat ineffizient und teuer. Das bedeutet für uns alle hier, dass wir Wasserstoff zwar einplanen müssen, aber eben nur dort, wo es wirklich nötig ist und nicht anders geht. Was sind das für Sektoren und Bereiche? - Das ist z. B. der Flugverkehr. Im Bereich des Fliegens wird es ohne Wasserstoff nicht gehen. Das Gleiche gilt für den Schiffsverkehr. Aber das entlässt uns nicht aus der Pflicht, Suffizienzmaßnahmen zu ergreifen. Das heißt: weniger Flugverkehr, weniger kleine, regionale Flughäfen und langsamer fahrende Schiffe.

(Beifall bei den GRÜNEN - Martin Bäumer [CDU]: Noch langsamer?)

Auch ich möchte auf die schriftliche Anhörung verweisen, in der es Lob für den Antrag der Großen Koalition gab und dafür, dass das wichtige Thema Wasserstoff aufgegriffen wird. Aber es gab nicht nur Lob, Herr Kollege Senftleben, sondern auch Kritik. Denn das A und O - und das vernachlässigen Sie in diesem Antrag leider sträflich - auch beim Thema Wasserstoff und generell bei der Energiewende sind doch die Themen Energiesparen und Energieeffizienz, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe Sie im Ausschuss schon entsprechend gewarnt, aber doch gehofft, dass Sie nach der Anhörung noch eine Änderung an Ihrem Antrag vornehmen. Ich möchte Sie auch hier noch einmal warnen - denn das Thema Wasserstoff wird uns ja auch in Zukunft begleiten -: Tappen Sie nicht in die Bequemlichkeits- oder die hier aufgestellte Lobbyfalle! Erklären Sie den Leuten nicht, dass sie ihre Gasheizung weiter benutzen können und diese irgendwann mit grünen, bezahlbaren Gasen gefüttert wird. Diese werden auch in Zukunft nicht zur Verfügung stehen; denn sie werden für den Privatverbraucher und die Privatverbraucherin zu teuer sein. Auch das von vielen so geliebte Dieselauto sowie den Benziner werden wir in Zukunft nicht mehr haben können. Den Leuten zu erzählen, dass sie Green Liquids in ihr Auto füllen und dann mit ihrem Diesel einfach weiter fahren können, ist zwar sehr bequem, aber es ist auch ein Märchen. Das wird so nicht funktionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung heute enthalten. Wir sind aber ganz gespannt, ob die GroKo endlich auch mal Antworten auf die entscheidenden Fragen liefert: Wie wollen wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien vorankommen? Und vor allen Dingen: Wie wollen Sie den Energieverbrauch auch in Niedersachsen endlich senken?

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Byl. - Zum Schluss der Debatte hat sich Umweltminister Olaf Lies zu Wort gemeldet. Herr Minister Lies, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte hat gezeigt, wie schwierig es wird, wenn Leugner des Klimawandels über Wasserstofftechnologien reden. Dabei kann nichts Vernünftiges herauskommen, und das haben wir ja auch deutlich gemerkt.

Ich finde es aber auch schwierig, wenn wir über grünen Wasserstoff reden und gleichzeitig die Stichworte Energieeffizienz und Energieeinsparung in die Diskussion bringen. Nein, jetzt geht es um den grünen Wasserstoff, und ich glaube, dass man beides auch sehr gut voneinander trennen kann.

(Imke Byl [GRÜNE]: Nein, das kann man nicht!)

- Es ist doch selbstverständlich, dass man immer an Energieeffizienz und vor allem daran denken muss, dass wir auch die erneuerbaren Energien haben müssen, mit denen wir den grünen Wasserstoff erzeugen. Aber man muss doch auch einmal in der Lage sein, ein Thema für sich zu betrachten und zu überlegen, welche Rolle es bei einer Gesamtbetrachtung, bei der wir hoffentlich weniger Energie als heute brauchen, einnehmen kann. Und das wird ja leider immer wieder vergessen: Wir brauchen 2 500 TWh und nicht nur 600 TWh wie im Strombereich. Der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sollte nicht nur 65 % betragen, sondern es müsste viel mehr sein. An der Stelle sind wir überhaupt nicht auseinander. Es ist völlig richtig. dass wir mit der erneuerbaren Energie, von der wir noch nicht genug haben, sorgfältig und vernünftig umgehen müssen.

Wichtig ist - und das wird auch in dem Antrag deutlich -, dass wir kluge und intelligente Lösungsansätze bekommen, die sich in eine internationale Strategie einreihen. Ich war gestern mit Vertretern der Region Emsland im Bundeswirtschaftsministerium. Dort hatten wir die Gelegenheit, gemeinsam zu überlegen, wie die Förderstrategie des Bundes zu den Zielen passt, die wir in der Region Emsland haben. Das könnte man auch für viele andere Regionen unseres Landes überlegen.