Protokoll der Sitzung vom 30.06.2020

Danke sehr, Herr Emden. - Bei dieser Gelegenheit möchte ich den Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, Herrn Dr. Enste, in der Loge sehr herzlich begrüßen. Herzlich willkommen, Herr Dr. Enste!

(Beifall)

Jetzt hat sich der Kollege Helge Limburg für Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Antisemitismus ist völlig inakzeptabel. Antisemitismus ist eine Bedrohung für unsere freie demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft. Deshalb ist es natürlich richtig und wichtig, dass wir auf allen Ebenen - Bund, Länder und Gemeinden - alles tun, um Antisemitismus in jeglicher Form entschlossen entgegenzutreten. Ein Baustein ist seit dem vergangenen Jahr der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, dessen Einrichtung natürlich auch wir unterstützen und begrüßen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Antisemitismus verstößt gegen die Menschenwürde, gegen grundlegende Menschenrechte. Das allein sollte genug Motivation sein, sich dem entgegenzustellen.

Herr Kollege Emden, ich war überrascht, wie entlarvend Ihr doch recht kurz gehaltener Redebeitrag war. Sie haben eingangs gesagt, Antisemitismus gebe es sicherlich von rechts; aber weil es ihn auch von links und von Menschen aus dem arabischen Raum gebe, sei es Ihrer Fraktion so wichtig, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das, Herr Emden, sagt dann doch alles über Ihre Motivation aus.

Wir sollten nicht in erster Linie schauen, woher Antisemitismus kommt und wie wir ihn dann bekämpfen, sondern man muss klarmachen: Antisemitismus, egal von wem und in welcher Form, ist inakzeptabel, und deshalb müssen wir ihn bekämpfen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP)

Herr Emden, natürlich gibt es Antisemitismus von links, Antisemitismus von Menschen mit Migrationshintergrund aus dem arabischen Raum und - darüber haben Sie gar nichts gesagt - Antisemitismus in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte. Auch das ist ein großes Problem und ein leider weit verbreitetes und tief verwurzeltes Phänomen. Auch dem muss natürlich begegnet werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Herr Emden, mit der Glaubwürdigkeit Ihrer Partei bei der Bekämpfung des Antisemitismus ist es allerdings nicht weit her. Das wissen Sie in Wahrheit auch. Ihr Ehrenvorsitzender Herr Gauland, Vorsitzender Ihrer Bundestagsfraktion und bis vor

Kurzem auch noch Bundesvorsitzender Ihrer Partei, hat - bis heute unwidersprochen aus Ihren Reihen und auch von ihm selbst nicht zurückgenommen - gesagt, man müsse wieder stolz auf die Leistungen der Soldaten der deutschen Wehrmacht sein.

Auf welche Leistungen der Soldaten der Wehrmacht? Auf die Leistung, durch die gewaltsame Besetzung und Unterwerfung Polens die Einrichtung der Vernichtungslager in Auschwitz, Majdanek und anderswo möglich gemacht zu haben? Oder vielleicht auf die Leistung der Wehrmacht, dass jüdische Politkommissare der Roten Armee sofort nach Gefangennahme erschossen worden sind? Wollen Sie auf die Leistungen der Wehrmacht bei den Massakern von Babi Jar in der Ukraine stolz sein, oder wollen Sie stolz darauf sein, wie die Wehrmacht immer wieder jüdische Zivilisten an die Waffen-SS ausgeliefert hat?

Nein, Herr Emden, man kann nicht auf die Leistungen der deutschen Wehrmacht stolz sein. Eine Partei, die das für sich reklamiert, ist bei der Bekämpfung von Antisemitismus eben nicht glaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider ist Antisemitismus nicht die einzige Bedrohung von Menschenrechten in unserer Gesellschaft. Wir wissen, dass es daneben viele weitere Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gibt, beispielsweise Islamfeindlichkeit, Antiziganismus oder auch Feindschaft gegen Menschen mit Behinderungen. Wichtig ist, dass auch diese Gruppen klare Ansprechpersonen haben, dass auch diese Personen Beauftragte haben, die sich um ihre Anliegen, um die Bedrohung ihres Lebens kümmern.

Hier erwarten wir von der Landesregierung in der Tat mehr, als sie bislang auf den Weg gebracht hat. Hier ist die Große Koalition dringend gefordert, allen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschlossen entgegenzutreten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Kollege Limburg. - Zu einer Kurzintervention auf Ihren Beitrag hat sich Herr Emden für die AfD-Fraktion gemeldet. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich derartige Reden halte, frage ich mich immer, in welche Richtung Sie, Herr Limburg, das wieder falsch verstehen und falsch interpretieren. Es ist richtig interessant, das zu sehen.

In diesem Fall haben Sie es auch wieder hinbekommen. Selbstverständlich habe ich nicht gesagt, dass wir einen Antisemitismusbeauftragten nur deshalb fordern, weil es Antisemitismus auch von links oder von Menschen aus dem arabischen Raum gibt. Nein, das ist natürlich völliger Blödsinn.

Aber ich habe darauf hingewiesen - was in der Diskussion gerade auch aus Ihrer Partei immer wieder viel zu kurz kommt -, dass es eben nicht nur rechtsextremistischen Antisemitismus gibt und dass es fatal ist, wenn man sich darauf beschränkt. Genau das machen Sie. Insofern war es nach dem Sprichwort, dass getretene Hunde aufjaulen, klar, dass Sie genau das aufgreifen und in einen falschen Hals bekommen mussten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich - das ist in der Tat ein wichtiger Punkt - gibt es sogar Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft. Richtig. Genau deshalb zeigt sich umso mehr: Es muss einen unabhängigen Antisemitismusbeauftragten geben. Es braucht ein Gesetz für diese Stelle. Die Aufgaben, die wir ihm auferlegen wollen, sind im Übrigen - ich wiederhole es noch mal - weiter reichend, als das nach dem Vorhaben und der Umsetzung des Gesetzentwurfs der Landesregierung der Fall ist. Nur so kann man wirklich effektiv Antisemitismus bekämpfen.

Ich fand es wiederum entlarvend - wenn Sie schon vom Entlarven sprechen, Herr Limburg -, dass im Hinblick darauf, was richtig ist, was man machen muss, um Antisemitismus in diesem Land zu bekämpfen, von Ihnen überhaupt nichts Substanzielles kam.

(Beifall bei der AfD)

Danke. - Herr Kollege Limburg wird erwidern. Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Emden, ich stelle fest, dass Sie auch Ihren zweiten Redebeitrag nicht genutzt haben, um sich einmal klar von den unsäglichen Äußerungen Ihres Eh

renvorsitzenden, Herrn Gauland, zu distanzieren. Das, Herr Emden, spricht für sich.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP)

Jetzt darf sich der Kollege Ulf Prange für die SPDFraktion auf den Weg machen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das, was Sie hier eben gesagt haben, Herr Emden, macht mich schon ein Stück weit sprachlos. Man hat den Eindruck, dass Sie den Antisemitismus hier für Ihre Zwecke instrumentalisieren wollen. Herr Limburg hat Zitate von führenden AfDPolitikern genannt. Diese Zitate haben das mit ausgelöst, was auch mit ein Grund war, die Position des Landesbeauftragten einzurichten, nämlich Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland. Dass Sie sich jetzt mit diesem Antrag den Kampf gegen den Antisemitismus auf die Fahnen schreiben, macht mich vor dem Hintergrund dieser Äußerungen wirklich fassungslos.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will Ihnen ein Zitat des Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland entgegenhalten, das Sie bei tagesschau.de nachlesen können. Ich zitiere:

„‚Die Verantwortung für die verschobenen roten Linien gebe ich vor allem einer Partei wie der AfD‘, so Schuster. Die AfD breche bewusst Tabus, ‚indem sie z. B. die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert‘. Mit derartigen Äußerungen verändere sich das gesellschaftliche Klima in Deutschland:

‚Menschen trauen sich, das zu sagen, was sie sich lange Zeit nicht getraut haben. In den vergangenen Monaten und Jahren wurden rote Linien verschoben. Und aus Worten wurden Taten.‘“

Da haben Sie eine kräftige Mitverantwortung. Vor diesem Hintergrund empfinde ich diesen Gesetzentwurf als zynisch.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das ist das eine. Das andere ist: Ich verstehe nach wie vor nicht, warum Sie diesen Gesetzentwurf nicht zurückgezogen haben. Wir haben mittlerweile seit letztem Jahr den Landesbeauftragten, den

auch ich hier recht herzlich im Namen meiner Fraktion begrüße. Dass Sie eben darauf abgestellt haben, dass Ihr Antrag in einigen Details von dem abweicht, was wir als regierungstragende Fraktionen gemeinsam mit den anderen demokratischen Fraktionen und der Landesregierung auf den Weg gebracht haben, ist doch auch ein Feigenblatt. Wir haben Gespräche mit den jüdischen Verbänden geführt.

Sie haben gesagt, Ihr Antrag habe überhaupt die Debatte ausgelöst und dieses Amt letztlich ergeben. Ich will daran erinnern, dass unsere Landtagspräsidentin, Frau Gabi Andretta, der ich dafür sehr dankbar bin, schon zu Beginn der Legislatur die Forderung aufgestellt hat, dass wir einen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und zum Schutz des jüdischen Lebens brauchen. Das ist dann von der Landesregierung aufgegriffen worden. Es sind intensive Gespräche mit den Verbänden über die Ausgestaltung geführt worden. Das ist also abgestimmt.

Das ist auch eine gute Lösung, weil wir im Justizministerium zum einen den Landespräventionsrat haben, der entsprechende Programme zur Antisemitismusprävention verantwortet. Wir haben dort die Anbindung an die Staatsanwaltschaften, die - auch dort haben wir jetzt mit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Göttingen gegen HateSpeech noch einmal nachgelegt - genau diese Themen im Blick haben und auch noch stärker - da gebe ich Ihnen recht, Herr Limburg - in den Blick nehmen müssen. Das muss staatlicherseits konsequent bekämpft werden.

Ich glaube, mit dieser Struktur haben wir eine gute Struktur. Ich will noch ergänzen, dass die Fraktionen neben dieser Struktur auch erhebliche Mittel zum Schutz jüdischen Lebens in Niedersachsen zur Verfügung gestellt haben, nämlich 2 Millionen Euro über den Haushalt. Damit tragen wir dem Rechnung, was wir feststellen mussten, nämlich dass es im Jahr 2019 einen rasanten Anstieg an antisemitischen Straftaten gegeben hat. Diese kommen nicht nur aus dem rechten Bereich. Ich will hier auch die unsägliche BDS-Kampagne und andere nennen. Sie sind aber auch sehr stark von rechtsextremem Gedankengut getrieben.

Auch bei dem Thema des Alltagsantisemitismus, der uns allen überall begegnet - auf Sportplätzen, auf Schulhöfen, an Stammtischen -, müssen wir alle Haltung zeigen. Dem müssen wir entgegenhalten. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe,

zu der wir als Politik aber auch einen wesentlichen Beitrag leisten können und müssen.

Ich will abschließend für die SPD-Fraktion sagen: Wir stehen an der Seite der 7 800 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Niedersachsen. Ich denke, das tun die anderen drei demokratischen Fraktionen auch. Und das ist gut so.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der FDP)

Danke sehr, Herr Kollege Prange. - Gleich erhält das Wort für die CDU-Fraktion der Kollege Timo Röhler.