Gleiches gilt im Übrigen für Beweisprobleme. Natürlich ist es schwierig, eine Tat nach vielen Jahren zu rekapitulieren. Nur, das Problem haben wir doch auch schon vor Eintritt der Verjährung, wenn es keine DNA-Spuren gibt. Und, um auf das beliebte Beispiel Mord zurückzukommen: Ohne Zeuge, ohne Leiche ist die Aufklärung Jahrzehnte später natürlich schwierig. Trotzdem wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, und zwar völlig zu Recht.
Auch ich halte den Rechtsfrieden für ein hohes Gut, und das nicht nur zum Schein. Nur, wenn jemand vor 40 Jahren eine Körperverletzung begangen hat, mag das per heute wieder gut sein. Aber wenn jemand vor 40 Jahren seine strafrechtlich relevante sexuelle Neigung nicht im Griff hatte, dann ist diese sexuelle Reaktion auch heute noch präsent.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion freut sich sehr über die rechtspolitische Beweglichkeit unseres Koalitionspartners. Die Durchsetzung
höherer Strafen setzt die Beseitigung aller vorherigen Hindernisse, insbesondere die Abschaffung der Verjährung, voraus. Man kann nicht zu einer höheren Bestrafung kommen, wenn die Tat sofort verjährt. Wer A sagt, muss in diesem Fall auch B sagen. Wir wollen ein Gesamtpaket. Wir wollen nicht nur reden, sondern handeln.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den vergangenen Wochen und Monaten haben die Missbrauchsskandale von Lügde, Bergisch Gladbach und Münster - um nur die namhaften zu nennen - die Öffentlichkeit und sicherlich uns alle zutiefst erschüttert. Sich an kleinen und schwachen Menschen zu vergehen, ist nicht nur widerlich, sondern verletzt unsere Kinder schwer, und das vielfach für ein Leben lang. Die Bekämpfung von Kindesmissbrauch geht uns alle an. Darum bin ich für diese Aktuelle Stunde sehr dankbar.
Lassen Sie mich in diesem Kontext die aktuell zur Diskussion stehenden rechtlichen Fragestellungen kurz skizzieren und etwas dazu sagen.
Sollte der Strafrahmen für sexuellen Missbrauch von Kindern erhöht werden, und sollten solche Taten als Verbrechen eingestuft werden? - Ich bin auf jeden Fall dafür. Verbrechen sind - im Unterschied zu Vergehen - solche Straftaten, für die gesetzlich eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr angedroht ist. Eine Ahndung etwa mit einer Geldstrafe ist grundsätzlich nicht möglich. Sexueller Missbrauch von Kindern soll eben nicht in einer Reihe stehen mit einer Beleidigung oder einem Ladendiebstahl.
Ermittlungs- oder Strafverfahren wegen eines Verbrechens haben ein erheblicheres Gewicht. Ermittlungsbehörden und Gerichte haben deshalb den Vorwürfen immer auf den Grund zu gehen.
Natürlich wird eine Veränderung des Strafrahmens das Problem nicht aus der Welt schaffen. Das ist uns allen klar. Ich halte es aber für ein wichtiges Signal für den Schutz unserer Kinder und auch für ein wichtiges Signal an die Täter; denn diese können zukünftig nicht darauf hoffen, dass sie mit
Sollte sexueller Missbrauch von Kindern nicht mehr verjähren? - Die Verfolgung von Straftaten unterliegt grundsätzlich der Verjährung. Das liegt auch daran, dass die Beweismittel im Laufe der Zeit oftmals nicht mehr zur Verfügung stehen. Insbesondere Zeugen können sich wegen verschwimmender Erinnerungen häufig nicht mehr genau genug erinnern. Bisher einzige Ausnahme: der Mord; der verjährt nicht.
Frau Kollegin Osigus hat unsere Gespräche schon grob skizziert, obwohl sie sie viel böser dargestellt hat, als sie es waren. Ich habe immer gesagt, ich begrüße diesen Vorschlag und bin da gesprächsbereit, damit wir auf Bundesebene am Ende zu einer guten Lösung kommen. Aber ich habe auch immer gesagt: Man muss juristisch genau hinsehen. Das Thema ist sehr komplex.
Wenn der Missbrauch nicht mehr verjährt, was ist eigentlich dann mit Totschlag oder anderen Tötungsdelikten oder mit der Vergewaltigung einer 18-Jährigen? Wie vermeiden wir Wertungswidersprüche? Wer will z. B. einer 14-Jährigen erklären, dass ein an ihr begangenes Sexualverbrechen verjährt, bei der 13-jährigen Freundin aber nicht? - Das heißt, wir müssen über das ganze Thema gesehen schauen, welche Folgen das Ganze nach sich zieht.
Im Übrigen - auch das will ich an dieser Stelle zur Klarstellung sagen - gelten bereits jetzt sehr lange Verjährungsfristen. Diese beginnen überhaupt erst zu laufen, wenn ein Opfer das 30. Lebensjahr vollendet hat. Die Dauer der Frist richtet sich nach der Schwere der Tat und liegt bei schwerem sexuellem Missbrauch bereits jetzt bei 40 Jahren.
Sollte eine strafbewehrte Anzeigepflicht eingeführt werden? - Sexueller Missbrauch von Kindern sind schwere Straftaten. Daran besteht kein Zweifel. Die Gesellschaft muss alles dafür tun, um solche Taten zu verhindern bzw. zu ahnden, und niemand sollte wegschauen dürfen. Wer von solchen Taten weiß, der soll sie anzeigen müssen, und wer wegsieht, sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
Grundsätzlich finde ich diesen Ansatz mehr als richtig. Für die Praxis muss man allerdings bedenken, dass wir sicherstellen müssen, dass Opfer sich auch weiterhin vertrauensvoll offenbaren können und Vertrauenspersonen nicht in eine Zwickmühle geraten. Ich denke in diesem Zusammen
hang z. B. an die überaus wichtigen Beratungsstellen. Wir müssen immer bedenken: Der weit überwiegende Teil der Taten spielt sich im sozialen Nahbereich ab. Die Kinder brauchen jemanden, an denen sie sich absolut vertrauensvoll wenden können.
Soll eine Strafverschärfung für die Verbreitung kinderpornografischer Schriften eingeführt werden? - Ja, auf jeden Fall! Sexueller Missbrauch von Kindern und die Herstellung und Verbreitung kinderpornografischer Schriften gehen oft Hand in Hand. Wer Kinderpornografie besitzt und verbreitet, gießt Öl ins Feuer; er fördert weiteren Missbrauch. Ich halte es deshalb für geboten, auch über eine Anhebung des Strafrahmens für die gewerbs- und bandenmäßige Verbreitung von kinderpornografischen Schriften zu diskutieren.
Müssen und sollen die strafprozessualen Kompetenzen der Ermittler gestärkt werden? - Unbedingt, meine Damen und Herren! Die Verbreitung von Kinderpornografie findet vor allem im Internet statt. Für die konsequente Verfolgung dieser Taten ist es unerlässlich, den Ermittlern genügend Möglichkeiten an die Hand zu geben, um ihre Arbeit machen zu können. Solange beispielsweise keine Speicherung und damit keine Abfrage und individuelle Zuordnung von IP-Adressen, Portnummern oder Anschlusskennungen möglich ist, wird der Verbreitung, dem Erwerb und dem Besitz kinderpornografischer Schriften Vorschub geleistet - und damit letztendlich auch den Missbrauchstaten, die für die Anfertigung des entsprechenden Bildmaterials begangen werden.
Das meine ich mit dem Satz: Datenschutz darf kein Täterschutz sein. Vor diesem Hintergrund muss es im Rahmen der morgen beginnenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft ein wichtiges Anliegen sein, eine solche Datenspeicherung rechtlich zu ermöglichen und so eine Verbesserung der Voraussetzungen für die Ermittler zu schaffen.
Tagesordnungspunkt 7: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Bestellung einer oder eines Beauftragten gegen Antisemitismus - Gesetzentwurf der Fraktion der AfD -
Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären, weil die Landesregierung inzwischen einen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens berufen hat.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass wir überhaupt in diesen Jahren wieder mit einem zunehmenden Antisemitismus konfrontiert sind und darüber debattieren müssen, wie man diesem mit aller Entschiedenheit entgegentritt, lässt einen eigentlich sprachlos zurück.
Einen kleinen Moment, Herr Emden! Einige Herren verlassen gerade den Raum. Wir warten ganz kurz, bis es ruhiger ist. - Bitte sehr!
Die AfD-Fraktion hat sich dieser Problematik in besonderem Maße in Ansehung des Umstandes angenommen, dass es Antisemitismus eben nicht nur von rechts gibt. Da gibt es ihn auch. Rechtsextremistischer Antisemitismus ist durchaus verbreitet, so schlimm das ist.
Es gibt ihn aber auch von links. Es gibt auch linksextremistischen Antisemitismus, und es gibt auch Antisemitismus von Menschen, die aus dem arabischen Raum in unser Land kommen. Das darf man nicht vergessen.
Insofern ist es ganz besonders wichtig, eine Stelle einzurichten, die nicht an einem Ministerium angesiedelt ist, sondern - wie wir es mit unserem Gesetzentwurf fordern - einen wirklich unabhängigen Antisemitismusbeauftragten zu schaffen, der mit weiter reichenden Befugnissen ausgestattet ist, als das jetzt der Fall ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben es beantragt. Es lag dann erst einmal eine Weile im Ausschuss. In der Zwischenzeit wurde in der Tat ein Antisemitismusbeauftragter seitens der Landesregierung berufen. Das geschah ein gutes halbes Jahr nach unserer Gesetzesinitiative. Und jetzt soll das Ganze erledigt sein.
Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, so einfach ist es nicht! Es ist ein Unterschied, ob ein Antisemitismusbeauftragter einem Ministerium
unterstellt und dort angesiedelt ist oder ob es ein eigenes Gesetz für eine unabhängige Behörde dieser Art gibt. Das verlangen und fordern wir weiterhin. Denn nur dann, meine sehr verehrten Damen und Herren - nur dann! -, ist der Bedeutung dieser Aufgabe dieses Beauftragten Rechnung getragen. Nur dann, wenn wir ihm die Kompetenzen zuschreiben, die wir in unserem Gesetzentwurf festgelegt haben, kann er auch in einem Maße effektiv wirken und arbeiten, wie es die Umstände leider, muss man sagen, erfordern.
Deshalb bleibt es dabei: Wir beantragen, dieses Gesetz durchzubringen, und hoffen, dass Sie sehen, dass das notwendig ist, und jetzt die nötige Unterstützung geben.
Danke sehr, Herr Emden. - Bei dieser Gelegenheit möchte ich den Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, Herrn Dr. Enste, in der Loge sehr herzlich begrüßen. Herzlich willkommen, Herr Dr. Enste!