Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, nur um sicherzugehen, dass ich Sie richtig verstanden habe, was die Zahlen angeht: Wenn Sie mich fragen, wie alt ich bin, und ich „24“ sage, dann ist das nach Ihrer Definition richtig, ich habe nur die Zahl „40 Jahre“ nicht aktualisiert?
Das war aber nicht die Frage, Herr Minister. Die Frage ist: Wenn wir uns einig sind, dass es in Niedersachsen 240 Wölfe gibt, und der Deutsche Jagdverband sagt, es gibt 1 800 Wölfe - unabhängig von dem Zahlenspiel an die EU -, dann wissen wir, dass schon seitdem eine Anzahl von 1 000 Wölfen erreicht ist, schon eine gesicherte Population vorhanden ist, dass die EU oder die Bundesregierung in Aktion mit der EU hätte schon längst einen anderen Status feststellen können - - -
Würden Sie mir zustimmen, dass wir auf der realistischen Basis von 1 800 Wölfen längst einen anderen Status hätten und dann die Wolfsproblematik ganz anders angehen könnten?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Grupe, es steht mir nicht zu, über Ihr Alter zu urteilen. Aber wahrscheinlich würde Sie niemand für über 24 schätzen; da bin ich mir ziemlich sicher. Insofern passt das dann schon zu der Zahl.
Ich möchte die Zahlen noch einmal darstellen. Die Grundlage der Berechnung ist die Anzahl der erwachsenen Tiere. Das ist unproblematisch, weil aus den heute noch nicht erwachsenen Tieren mit zunehmender Zahl der Population erwachsene Tiere werden.
Das Einzige, worüber wir reden könnten, wäre die Frage: Bildet der heutige Betrachtungszeitraum der erwachsenen Tiere zusammen mit den heute schon existierenden jungen Tieren nicht genau die Situation ab, die wir in zwei oder drei Jahren ohnehin haben werden? Denn aus den Einzeltieren werden Paare und diese bilden dann wiederum Rudel. Man hat sich aber darauf verständigt, die erwachsenen und damit die eher überlebensfähigen Tiere als Grundlage der Bewertung zu nehmen.
Ich betone noch einmal: Entscheidend ist nicht nur die absolute Zahl - sie ist auch interessant, aber nicht entscheidend -, sondern entscheidend ist auch die Populationsentwicklung. Wenn es keine positive Populationsentwicklung gäbe, würden wir Gefahr laufen, dass sich der Bestand möglicherweise wieder reduziert. Diese Zahl wird gemeldet.
Ich habe vorhin beschrieben, warum der Begriff der Obergrenze in der Öffentlichkeit eine Rolle spielt, weil nämlich eine Situation des Unwohlseins entsteht. Die Frage nach der Untergrenze, um einen günstigen Erhaltungszustand zu sichern und die Population nicht wieder zu gefährden, spielt eine ganz entscheidende Rolle.
Dann wird es aber ein bisschen komplizierter. Wenn man die Untergrenze der Population sichert, muss man berücksichtigen, dass wir eine zentraleuropäische Flachlandpopulation haben, die in einem großen Bereich von Belgien bis Polen reicht, und würden wir dann überlegen, in welcher Region wir uns befinden. Dabei muss man zwischen den biogeografischen Regionen unterscheiden. Dann stellt man fest: Es gibt eine biogeografische Region, die von Teilen Nordrhein-Westfalens,
Genau in dieser Prüfung befinden wir uns, welche Zahl die entscheidende ist. Denn wenn wir z. B. die Gesamtkriterien für Deutschland nehmen würden - der Staat selber muss melden -, dann stellt man fest, wenn man die flächige Ausbreitung des Wolfes nimmt, dass es in großen Teilen Deutschlands keinen Wolf gibt. Jetzt kann man sagen: Okay, dann müsst ihr in Niedersachsen damit leben, dass die Population der Wölfe extrem anwächst, bis der Wolf überall angekommen ist! - Das halten wir für falsch. Genau diese Abwägung und diese Prüfung finden statt.
Noch einmal völlig losgelöst von der Frage, welche Zahlen an dieser Stelle an die EU gemeldet werden: Ich habe auch in den letzten Sitzungen immer wieder gesagt, die Feststellung dieses günstigen Erhaltungszustands obliegt nicht der EU, sondern die Feststellung dieses günstigen Erhaltungszustandes kann - dabei bleiben wir erst einmal - der Bund vornehmen. Insofern sind eigentlich nicht die Zahlen entscheidend, die der Bund an die EU meldet, sondern die Zahlen, die der Bund zur Bewertung dieses günstigen Erhaltungszustandes heranzieht.
Danke sehr, Herr Minister. - Seine zweite Zusatzfrage stellt der Kollege Grupe für die FDP-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, diese Obergrenze interessiert mich schon sehr. Wir müssen ja von dem Bestand ausgehen, den wir haben. Wir wissen, dass die Population um etwa 30 % pro Jahr steigt. Wenn wir in Deutschland jetzt 1 800 Wölfe haben, dann werden wir bereits in acht Jahren und nicht erst in 50 Jahren 14 000 Wölfe haben. Der Zuwachs pro Jahr wären in naher Zukunft, in acht Jahren, etwa 3 500 Wölfe pro Jahr. Deswegen stellt sich die Frage: Wann glauben Sie, den Wolfbestand überhaupt noch regulieren zu können, wenn er explodiert, weil sich die Wölfe wie die Ratten vermehren?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Grupe, es geht schon um eine besondere Art. Bei aller Sorge, die in der Bevölkerung und auch bei den Nutztierhaltern bestehen mag, sollten wir nicht den Eindruck erwecken, als sei der Wolf keine schützenswerte Art. Er trägt natürlich dazu bei, dass wir eine besondere Art der Biodiversität haben.
Es ist nur für uns als Gesellschaft schwer zu begreifen, dass ein großer Beutegreifer wieder mitten unter uns lebt; denn das kannten wir nicht. Wir haben es zwar mit dem Luchs erlebt; da ist es unproblematischer. Wir hören da sehr selten etwas. Der Wolf als großer Beutegreifer ist aber aus vielfältigen Gründen tatsächlich schwieriger.
Deswegen müssen wir den Schutz der Menschen im Blick haben, der ohne Frage eine ganz große Rolle spielt. Ich werbe aber sehr dafür, den Versuch zu unternehmen, dabei sachlich zu bleiben. Ich habe Verständnis für die Sorge. Aber eine Diskussion über wolfsfreie Dörfer hilft uns nicht weiter. Denn was ist die Antwort darauf? - Ich weiß, wie das ist. Ich erlebe die Emotionalität jederzeit mit. Meine Bitte ist aber, dass wir versuchen, es zu versachlichen.
Der eine Aspekt betrifft den Schutz der Menschen. Der zweite Aspekt ist: Wir müssen dafür sorgen, dass die Weidetierhaltung in unserem Land weiterhin erhalten bleibt und die Weidetierhalter nicht sagen: Ich sehe keine Perspektive, keine Existenzgrundlage mehr, deswegen verlagere ich die Tiere in den Stall und bewirtschafte nur noch die Flächen! - Das darf uns nicht passieren. Das ist die Grundlage.
Ich finde, dass wir an vielen Stellen des Landes schon erhebliche Probleme haben. Wir sehen das jetzt nach langer Zeit wieder bei dem Thema Pferdehalter in Nienburg, wo wir handeln müssen. Das ist im Moment die Maxime.
Meines Erachtens hilft es nichts, den Menschen zu erklären: Es gibt eine Zahl, die ich dir nicht genau benennen kann, über die sich alle streiten, ob sie eintritt. - Wir werden vielmehr mit der heutigen Situation leben müssen zu sagen: Wir handeln erstens nach den Möglichkeiten, die uns das Gesetz gerade im Rahmen der Verordnung bietet, die wir umsetzen. Zweitens - das halte ich für wichtiger - definieren wir eine Untergrenze für einen günstigen Erhaltungszustand. Wir sagen nicht, wie
viele Wölfe es sein können, sondern wir sagen - darum haben wir den Bund gebeten, das zu klären -, was der günstige Erhaltungszustand ist.
Dabei ist in einer wissenschaftlichen Untersuchung, in der das ausgerechnet worden ist, etwas herausgekommen, was wohl uns alle gewundert hat - wir haben darüber schon diskutiert -: Ich lege das einmal über ganz Deutschland und gucke dann theoretisch, wie groß der Umkreis des Wolfes ist, nehme dabei München und Berlin heraus, und dann kommt eine bestimmte Zahl von Wölfen heraus. - Diese Zahl habe ich verdrängt, weil sie einfach unglaublich ist. - Das ist nicht gemeint. Das ist kein günstiger Erhaltungszustand. Das ist die theoretische Anzahl von Wölfen, die wir in unserem Land haben. Die will ich gar nicht wissen, weil sie völlig unrealistisch und völlig inakzeptabel ist.
Die Zahl, die wir brauchen und die auch fachlich vom Bund bewertet werden muss, ist: Wie viele Tiere brauchen wir, die sichert, dass die Population und der Fortbestand des Wolfes nicht gefährdet sind?
Deswegen müssen wir trennen zwischen der Frage, wie viele Wölfe es insgesamt sein dürfen, und der Frage, wie viele Wölfe es sein müssen. Diese Zahl möchte ich vom Bund haben. Ich möchte wissen, wie viele Wölfe es sein müssen. Dann können wir auch darüber reden, wie wir diese Zahl durch ein kluges Management gesichert halten, wenn sie erreicht ist.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage kommt wiederum von Herrn Hermann Grupe für die FDP-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, Sie wollen die Untergrenze klären. Ich dachte, die wäre mit einer Population von etwa 1 000 Wölfen geklärt, die weit über Deutschland hinausginge. Wenn wir jetzt wissen, dass wir in Deutschland selbst schon über 1 800 Wölfe haben, dann wissen wir, dass die Untergrenze längst um das Doppelte überschritten ist. Wenn es dabei noch Klärungsbedarf gibt, möchte ich Sie wirklich bitten, das zu klären.
Die Frage, die ich Ihnen gestellt habe, haben Sie nicht beantwortet: Was ist denn, wenn diese Untergrenze lange überschritten ist, wie wir anneh
men? Wie soll die Zahl der Wölfe bei weiter exponentiellem Wachstum irgendwann eingegrenzt werden, damit andere Wildtierarten oder die Weidetierhaltung darunter nicht so leiden, dass sie ausgerottet werden bzw. sie unmöglich wird?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Grupe, ich habe vorhin deutlich zu machen versucht, die Zahl 1 800 betrifft die Gesamtzahl. Grundlage sind aber die erwachsenen Tiere. Wir haben natürlich nicht 1 800 erwachsene Tiere. Wenn wir 30 Rudel in Niedersachsen haben, wie ich vorhin dargestellt habe, haben wir vielleicht 70 oder 75 erwachsene Tiere. Das ist die Grundlage. Es hilft nicht, immer zu sagen, es seien ja mehr. Ich glaube, wir müssen uns irgendwann auf dieses Level beschränken und sagen: Das ist die Zahl, die wir werten.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wo der günstige Erhaltungszustand liegt. Noch einmal: Ich habe gesagt, das ist ein bisschen schwierig, weil das gemeinsame Populationsmonitoring von Polen und
Deutschland aus meiner Sicht gescheitert ist, weil Polen kein Interesse an einem gemeinsamen Monitoring hat. Der Wert für Deutschland ist vielleicht noch gar nicht die alleinige Frage, weil wir die biogeografischen Regionen auch noch einmal trennen müssen.
Genau diese Frage, wie groß die Zahl ist, die diesen günstigen Erhaltungszustand, die Untergrenze definiert - egal ob für Deutschland, ob für Deutschland und Polen insgesamt oder für die biogeografischen Regionen -, muss der Bund beantworten. Er muss sie wissenschaftlich-fachlich beantworten. Sie muss auch rechtssicher beantwortet werden, weil sich davon die Aussage ableitet, die ich 2018 schon in der Bundesratsinitiative gefordert habe. Dann müssen wir einen Plan für ein Management entwickeln.
Ich werbe an dieser Stelle noch einmal für einen weiteren Punkt, den ich auch schon 2018 in der Bundesratsinitiative gebracht habe. Das machen z. B. die Franzosen. Sie wollen sicherstellen, dass die Population weiter anwächst. Sie haben definiert, welches Ziel sie gemeinsam erreichen wol
Das ändert nichts daran, dass man nicht einfach willkürlich Wölfe erschießen kann. Das wird es nicht geben. Man wird leichter zu Entscheidungen und Ausnahmen kommen, um handeln zu können, wenn es zu Situationen wie einer Annährung am Deich oder dem Riss von Schafen am Deich kommt, die noch nicht als Grundlage für eine Ausnahmegenehmigung ausreichen. Das muss sauber gemonitort werden, weil sichergestellt sein muss, dass die Populationsentwicklung weiter positiv bleibt.
Mit solchen Instrumenten werden wir arbeiten müssen, und mit solchen Instrumenten werden wir auch weiter im Bund diskutieren müssen, damit wir das Thema Akzeptanz für den Artenschutz, aber auch den Artenschutz selbst wirklich auf einem vernünftigen Level halten können.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Stefan Wirtz für die AfD-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Minister Lies, zur öffentlich aufgestellten Forderung der CDU, den Wolf 2021 in das Jagdrecht zu nehmen, interessiert mich, ob das einvernehmlich und womöglich mit Ihrem Umweltministerium abgesprochen worden ist.