Protokoll der Sitzung vom 27.02.2018

Damit verschieben Sie die Diskussion in den nächsten Landtagswahlkampf. Sie sorgen dafür, dass wir die Diskussion um die Inklusion, die wir jetzt im Wahlkampf geführt haben, auch in fünf Jahren wieder im Wahlkampf führen werden. Und daraus, liebe Kollegen von der SPD, machen die CDU-Kollegen vor Ort ja auch gar kein Geheimnis! Sie sagen: „Das ist unsere Absicht. Wir diskutieren in fünf Jahren wieder über die Inklusion und den Fortbestand der Förderschule Lernen.“ Und wenn sie dann mit der Mehrheit der Stimmen gewählt worden sind - woran man zwar zweifeln kann, aber das ist zumindest ihr Ziel -, wollen sie die Förderschule Lernen wieder dauerhaft verankern.

So viel zu Ihrer Kompromissbereitschaft! Man weiß am Ende gar nicht mehr, wer sich eigentlich von wem über den Tisch hat ziehen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Es ist doch eine Mär, dass dies irgendetwas in Sachen Inklusion verbessert. Die FDP tritt für den Fortbestand der Förderschule Lernen ein, aber wir würden nie argumentieren, dass das bei der Umsetzung der Inklusion hilfreich ist. Bei der Umsetzung der Inklusion haben Sie bisher überhaupt nichts geliefert, meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und CDU.

(Zustimmung von Julia Willie Ham- burg [GRÜNE])

Kein Plan für multiprofessionelle Teams, keine Antwort auf die Frage der sonderpädagogischen Grundversorgung oder darauf, wie man überhaupt genügend Sonderpädagogen bekommt! Mit solchen Maßnahmen würden Sie die Inklusion in der Schule verbessern, aber nicht über den Fortbestand der Förderschule Lernen.

Es ist auch ein Irrglaube, dass die Flexibilisierung des Einschulungsalters zu einem Schulfrieden führen wird. Wir werden nicht nur erleben, dass es einen holprigen Start ins neue Schuljahr geben wird - weil die 500 Vollzeitlehrereinheiten aus der vorschulischen Sprachförderung eben nicht dazu beitragen werden, dass sich die Unterrichtsversorgung an den Grundschulen flächendeckend verbessert -, sondern auch, dass es einen ähnlich

holprigen Start in das neue Kindergartenjahr geben wird. Die Kommunen sind gerade völlig überfordert, weil sie überhaupt keine Planungsgrundlage haben.

Besuchen Sie einmal Ihre Kommunen und fragen Sie Ihre Bürgermeister, wie viele zusätzliche Kindergartengruppen sie im nächsten Kindergartenjahr brauchen! Das kann Ihnen die Kommune nicht beantworten, weil sie nicht weiß, wie sich die Eltern entscheiden. Dort, wo die Situation angespannt ist, werden zwischen dem 1. Mai und dem Beginn des Kindergartenjahres am 1. August ad hoc zahlreiche Kindergartengruppen neu gebildet werden müssen. Und Sie haben noch nicht einmal die Antwort darauf, wie das investiv abgebildet werden soll, geschweige denn darauf, wie die Kommunen überhaupt ausreichend Personal dafür finden sollen.

Gleichzeitig wollen Sie die Beitragsfreiheit im Kindergarten. Dabei wissen Sie ganz genau, dass das zu einem Anstieg der Nachfrage bei den Ganztagsplätzen führen und damit auch einen erheblichen Personalbedarf in den Kindertagesstätten auslösen wird. Aber auch hier haben Sie keine Antwort darauf gefunden, woher die Kommunen das Personal holen sollen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Herr Försterling, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Weritz zu?

Bitte!

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Schätzungen des Kultusministeriums gehen davon aus, dass im nächsten Jahr ungefähr 2 800 Kinder von der Regelung Gebrauch machen könnten, sich später einschulen zu lassen. Diese Zahl ist auch von den Verbänden bestätigt worden. Das sind insgesamt 4 %. Von daher meine Frage: Wo sehen Sie ganz konkret ein Problem, wenn ein oder zwei Kinder in den Kindergärten länger bleiben?

Das kann ich Ihnen sagen, Herr Kollege. Wenn Sie sich einmal hier in der Landeshauptstadt Hannover umschauen, werden Sie feststellen, dass die Gruppen schon jetzt rappeldicke voll sind. In meiner Heimatkommune, der Stadt Wolfenbüttel, sieht es ähnlich aus. Dort rechnet man damit, dass bis zu 70 Kinder zusätzlich das letzte Kindergartenjahr besuchen werden. Dafür braucht man drei zusätzliche Gruppen.

Von den Regierungsfraktionen konnte niemand darlegen, wie man eigentlich auf die Zahl von 2 800 Kindern gekommen ist. Sie haben in Ihrer Frage zu Recht gesagt, dass das eine Annahme ist. Aber genauso unsicher, wie Sie es gerade sind, wenn es darum geht, die Zahl 2 800 zu belegen, sind es eben auch die Kommunen. Die Kommunen werden von Ihnen im Stich gelassen. Es wäre folgerichtig gewesen, mit der Einführung einfach noch ein Jahr zu warten, um den Kommunen Planungssicherheit zu geben und die Möglichkeit zu verschaffen, den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu erfüllen.

Es muss einer Großen Koalition doch zu denken geben, wenn die kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung sagen, der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz könne im nächsten Kindergartenjahr nicht mehr gewährleistet werden. Da hätten bei Ihnen doch die Alarmglocken läuten müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Heiligenstadt hat heute Morgen in der Haushaltsdebatte munter erzählt, wie schön das Leben sein wird, wenn der Kindergartenplatz da ist.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das wird auch schön! - Gegenrufe von der FDP und von den GRÜNEN: Ja, im Phan- tasialand!)

Aber möglicherweise wird es gar keinen freien Kindergartenplatz mehr geben! Das ist das Problem. Aber das negieren Sie, genauso wie Sie die negativen Folgen des Abzugs der Lehrkräfte aus der vorschulischen Sprachförderung negieren. Es ist schon traurig festzustellen, dass Sie das, was Kultusminister Busemann nach 2003 erfolgreich eingeführt hat - nämlich die Sprachstandsfeststellung ein Jahr vor der Einschulung sowie gezielte Sprachförderung für die schwächeren Kinder, die Sprachdefizite haben -, jetzt mit der Behauptung einstampfen, das alles würde mit einer alltagsintegrierten Sprachförderung einhergehen.

Aber Sie weigern sich, die Situation in den Kindertagesstätten vom Personal und vom Betreuungsschlüssel her so zu verbessern, dass die Erzieherinnen und Erzieher auch in der Lage sind, mit den Schwächsten eine gesonderte Sprachförderung zu betreiben. Das gewährleisten Sie nicht! Ihnen geht es an dieser Stelle überhaupt nicht mehr um die Kinder, sondern Ihnen geht es darum, zum 1. August 2018 die statistische Unterrichtsversorgung schönzurechnen.

Wir würden uns wünschen, dass die Kinder im Mittelpunkt Ihrer Politik stehen - und nicht die Statistik!

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Da war jetzt nicht wirklich ein eigener Vorschlag für die Lösung von Proble- men drin!)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Stefan Politze. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war ja durchaus spannend, was wir gerade von der Opposition hören konnten. Herr Försterling, Sie haben versucht, einen Spaltpilz zwischen die Regierungsfraktionen zu treiben. Aber dieser Versuch ist ins Leere gelaufen, weil Ihre Anwürfe allesamt nicht tragen. Sie haben uns zwar vorgeworfen, wir würden mit unserem Schulgesetzentwurf keine Antworten auf die Probleme geben, sind diese Antworten aber selbst schuldig geblieben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben in Ihren Debattenbeiträgen nur Behauptungen aufgestellt, aber keine Qualität und keine Inhalte geliefert.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich stelle mir gerade vor, dass die FDP mitregieren würde. Das wäre bei der bildungspolitischen Geisterfahrt, die Sie, Herr Försterling, gerade eben und auch schon heute Morgen in der Haushaltsdebatte vollzogen haben, schon abenteuerlich. Sie haben sie aber auch mit Ihrem Gesetzentwurf vollzogen; denn der war ja die Alternative zu dem Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben. Es wäre abenteuerlich geworden, wenn man Ihren Gesetzentwurf übertragen hätte: Dann hätten wir die Förderschule Lernen wieder eingeführt und

dauerhaft neben dem inklusiven System laufen lassen.

(Beifall bei der FDP)

Wir würden dauerhaft Mittel binden, die überhaupt nicht vorhanden sind. Ihr Schulgesetzentwurf entbehrt an der Stelle jeder Grundlage.

(Christian Grascha [FDP]: Was ist wichtiger? Kinder oder Geld?)

Sie hätten antiquierte Dinge wie die Schullaufbahnempfehlung, die Versetzung und eine Reihe von anderen Parametern wieder eingeführt, die bisher noch in jeder Anhörung im Kultusausschuss von den Verbänden als absurd bezeichnet worden sind. Das wäre Ihre Alternative zu unserem Schulgesetzentwurf gewesen, Herr Försterling.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Sie wollten unseren Gesetzentwurf doch gar nicht beraten!)

Was ich ernst nehme, ist, dass dieser Schulgesetzentwurf relativ schnell verabschiedet werden musste. Wir wollten relativ schnell Rechtssicherheit für die Eltern und die Kommunen schaffen, und deswegen hat es nur ein sehr kurzes Anhörungsverfahren gegeben. Dafür übernehmen wir die Verantwortung. Wir haben bedauert, dass es so kurz war. Gleichwohl ist es bei dieser schlanken Gesetzesänderung gerechtfertigt gewesen.

Frau Kollegin Hamburg, der Kompromiss, den wir eingegangen sind, ist gerechtfertigt, weil all das, was wir mit der Inklusion auf den Weg gebracht haben, in der Praxis nicht überall funktioniert hat. Deswegen ist es gerechtfertigt, den Schulträgern vor Ort die Möglichkeit zu geben, die Förderschulen Lernen weiterlaufen zu lassen. Dabei geht es ausdrücklich nicht um ihre Wiedereinführung, wie es die FDP, Ihr vermeintlicher Bündnispartner, will.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das will die Union eigentlich auch!)

Von daher würde ich an der Stelle eine Trennlinie ziehen.

Was die Flexibilisierung des Einschulungsalters anbelangt, ist das Ergebnis der Anhörung ziemlich eindeutig gewesen: Fast alle haben gesagt, dass sie diese Flexibilität gerne wollen. Viele haben auch gesagt, dass die Regelung möglichst mit einem Stichtag hinterlegt werden sollte. Das haben wir getan, und dieser Stichtag ist auch praktikabel, wenn das Gesetz heute verabschiedet wird.

Im Übrigen haben auch die Praktiker vor Ort gesagt, dass sie mit der Vertragsgestaltung darauf reagieren werden. Es werden also nicht reihenweise Verträge für die Kitas geschlossen, ohne dass man dieses Gesetz zur Kenntnis nimmt, sondern die Träger werden sehr wohl darauf achten. Für alles andere wird diese Regierung flexible Lösungen schaffen; denn die 2 800 prognostizierten Kinder werden nur in diesem Jahr zum Tragen kommen, und ab dem nächsten Jahr setzt das regelmäßiges Verfahren ein. Deswegen ist es richtig, dass wir in diesem Jahr diese Gesetzesänderung auf den Weg bringen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Was die vorschulische Sprachförderung anbelangt, kann ich FDP und Grüne allerdings überhaupt nicht mehr verstehen. Die alltagsintegrierte Sprachförderung kann nun einmal nur in Kitas und nirgendwo anders stattfinden; denn dort sind die Kinder im Alltag. Sie sind in der Kita, nicht in der Schule. Von daher ist die Förderung dort richtig aufgehoben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Nicht bei so wenig Personal! - Zuruf von An- ja Piel [GRÜNE])

- Frau Piel, lassen Sie mich doch ausreden! Sie können sich doch noch zu Wort melden. Es bringt doch nichts, dazwischenzuquatschen.

Die Kräfte sind damit nicht überfordert. Sie sind dafür ausgebildet. Sie machen schon jetzt nichts anderes.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Es geht nicht darum, dass sie es nicht können! Sie sind überlastet!)

Sie bekommen jetzt Mittel dazu, und wir haben die Qualität aufwachsen lassen. Wir haben mit dem 60-Millionen-Euro-Programm, das über die Mittelfristplanung festgeschrieben ist, die Möglichkeit gegeben, dass deutlich mehr Kräfte in den Kitas ankommen. Der Einstieg in die dritte Kraft ist faktisch schon erfolgt, aber mit befristeten Verträgen, die auslaufen können. Das Gleiche gilt für die Teilzeitkräfte, die derzeit in den Kitas tätig sind; sie können aus dieser Teilzeittätigkeit heraus in eine Vollzeitbeschäftigung gehen. Damit ist an der Stelle auch ein Beschäftigungsprogramm gegeben.

Es ist richtig, die vorschulische Sprachförderung denen zu geben, die bestens dafür ausgebildet sind. Das hat etwas mit Qualität zu tun.

(Beifall bei der SPD - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wenn Sie genug Personal haben!)

Der letzte Punkt: Es hieß, wir hätten in der Anhörung nicht zugehört. Dazu will ich nur sagen: Wir haben die Evaluation wieder aufgenommen, und damit auf das reagiert, was in der Anhörung gesagt worden ist. Der Zeitpunkt ist auch richtig gewählt, nämlich zuzuwarten, bis die Evaluation stattfinden soll. Der Weg ist richtig. Wir haben den Stichtag aufgenommen; auch das ist ein Ergebnis aus der Anhörung. Und wir haben das Konzept Sprache mit aufgenommen.

Wir werden flexibel und zeitnah alles auf den Weg bringen, damit zum 1. August nicht das von Ihnen prognostizierte Chaos eintritt, sondern wir vor Ort gute Möglichkeiten für all die schaffen, die in der Praxis tätig sind.