Protokoll der Sitzung vom 27.02.2018

(Widerspruch von der SPD)

Sie erheben sich gemeinsam über den Willen von niedersächsischen Wählern, und genau das ist der einzige Grund, warum meine acht Kollegen und ich hier in diesem Gremium sitzen.

(Beifall bei der AfD)

Sie stricken in panischer Hast einen fehlerhaften Gesetzentwurf, und es ist Ihnen auch nicht im Geringsten peinlich, in trauter Einigkeit aller vier Parteien - der GaGroKo, wie mein Kollege Klaus Wichmann eben so schön sagte - diesen Gesetzentwurf einzubringen, uns den Änderungsantrag dazu vorzuenthalten - den haben wir eben hier am Tisch bekommen;

(Zuruf von den GRÜNEN: Das stimmt nicht! - Zurufe von der SPD)

- genau so ist es; das können Sie bei Ihren Kollegen nachfragen;

(Zurufe von der SPD)

- schreien Sie doch nicht so dazwischen; ich höre Sie ja -, ohne jede fachlich saubere Vorarbeit, mit einer Beratung im Ausschuss, die diese Bezeichnung nicht verdient.

Das alles spielt für Sie keine Rolle mehr. Und warum? - Um einen einzigen Vertreter einer Ihnen nicht gefälligen Partei in einem Stiftungsgremium zu verhindern.

Sie setzen hier ein tolles, großartiges, gemeinsames Zeichen: ein Zeichen der Hilflosigkeit.

(Beifall bei der AfD)

Wie viel Angst müssen Sie vor uns haben? Wie viel Angst müssen Sie vor der AfD haben, dass Sie hier auf Gedeih und Verderb bereit sind, Regelungen außer Kraft zu setzen, die in diesem Haus seit Jahrzehnten Gültigkeit hatten?

(Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

Sie sprachen über das Säen von Hass. Die einzigen Herrschaften, die hier Hass säen, sind Sie. Seit wir hier sitzen, Hass gegen neun gewählte Abgeordnete.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung haben Sie mit uns noch nie gesucht. Hier sitzt nicht Herr Höcke, hier sitzt nicht Herr Gauland.

(Zuruf von Wiard Siebels [SPD])

Hier sitzen schwer arbeitende Menschen, die ihre Steuern bezahlt haben, die ihre Kinder großgezogen haben und die jetzt aufgrund des Wunsches der niedersächsischen Wähler hier im Parlament sitzen. Sie können das nicht verhindern.

(Beifall bei der AfD - Zurufe von der SPD)

Natürlich gibt es auch Rechte. Die Oppositionsrechte sind ja in den letzten Monaten hier sehr gestärkt worden.

(Zuruf von der SPD)

Gemäß Artikel 54 Nr. 3 der Niedersächsischen Verfassung besteht ja das Recht einer Normenkontrollklage vor dem Staatsgerichtshof. Aber wir sind uns heute schon sicher: Da man dafür ein Fünftel der Mitglieder des Niedersächsischen Landtages braucht, werden Sie uns auch verwehren, dieses Gesetz auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Damit verlassen Sie den Boden demokratischer Grundregeln; denn Sie nehmen uns dann das Recht, das jeder Bürger hat, das kleinste Recht in einer Demokratie, nämlich seinen eigenen Rechtsanspruch juristisch prüfen zu lassen.

(Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, das wird ein Pyrrhussieg für Sie. Sie können heute diese Entscheidung treffen. Sie können dieses Gesetz verabschieden. Der niedersächsische Wähler wird es Ihnen danken, und wir freuen uns, dass Sie sich selbst die

Maske der Demokratie, unter der Sie hier segeln, vom Gesicht reißen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Lachen bei der SPD - Zuruf: Das ist ja abenteuerlich!)

Danke, Frau Kollegin Guth. - Das Wort hat jetzt Herr Minister Grant Hendrik Tonne. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Guth, ich habe mich gerade dabei ertappt, dass ich, als Sie nach vorn gegangen sind, gedacht habe: Jetzt sagen Sie doch noch etwas Inhaltliches zum Thema. Aber Sie sind Ihrem Vorredner treu geblieben, nicht ein einziges Wort zum Thema zu sagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der SPD: So ist es!)

Meine Damen und Herren, in Niedersachsen ist seit den 1980er-Jahren auch dank des hohen zivilgesellschaftlichen Engagements vor Ort eine bundesweit einmalige Gedenkstättenlandschaft entstanden. Ich sage - Herr Wagner, nehmen Sie es bitte mit für Ihr gesamtes Team - ganz ausdrücklichen Dank für diese gute und wertvolle inhaltliche Arbeit, die hier gemacht wird.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Diese Gedenkstättenlandschaft zeichnet sich aus durch regionale Tiefe, nationale Ausstrahlung und internationale Bedeutung. An insgesamt 17 Orten mit historischem Bezug zur NS-Verfolgung werden umfassend und exemplarisch alle wesentlichen Themen der nationalsozialistischen Verfolgung abgebildet. Das ist Teil unserer Geschichte. Und daraus erwächst Verantwortung für all die, die handeln - gestern, heute und morgen.

Damit sind Gedenkstätten und Gedenkorte zur Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen unverzichtbare Lernorte einer historisch fundierten Demokratieerziehung. Sie leisten einen grundlegenden Beitrag zur wertebildenden Sensibilisierung aller Bevölkerungsschichten, insbesondere von Jugendlichen, in der Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit und ihrer Folgen.

Ich sage es Ihnen auch ganz deutlich - der Kollege Limburg hat dankenswerterweise eben schon das eine oder andere Zitat gebracht -: Solange wir tatsächlich in der Öffentlichkeit Debatten über 180Grad-Kehrtwenden und Ähnliches führen, wird die Notwendigkeit dieser Lernorte wieder und wieder belegt, sodass wir sie erhalten müssen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Innovative Gedenkstättenarbeit, die sich an den Erfordernissen unserer von Vielfalt geprägten Gesellschaft orientiert, kann eben auch entscheidend dazu beitragen, ein kritisches historisch-politisches Bewusstsein bei jungen Menschen zu schaffen. Sie können Wissen erwerben über Mechanismen, die zu Ausgrenzung, Entrechtung, Rassismus und Antisemitismus führten und führen.

Ich sage Ihnen: Je mehr daran teilnehmen, desto weniger fallen auf platte, auf oberflächliche und populistische Parolen herein, die man neuerdings immer wieder versucht, gesellschaftsfähig zu machen. Auch deshalb brauchen wir diese wertvolle Arbeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir wollen und wir müssen alles dafür tun, Jugendliche für die Gefahren unserer Demokratie heute zu sensibilisieren und sie zu ermutigen, sich auf der Grundlage eines kritischen Geschichtsbewusstseins für Menschenrechte und für Demokratie zu engagieren. Gedenkstätten wie Schulen gemeinsam haben hierbei eine bedeutende bildungspolitische Aufgabe.

Insofern ist Erinnern ein Prozess, der Vergangenheit auf Gegenwart und Zukunft bezieht. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Es gibt kein Ende des Erinnerns. Es darf kein Ende geben.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Das können sich einzelne Teile unserer Gesellschaft, eine kleine, geschichtsvergessene Gruppe, noch so sehr wünschen - es ist und es bleibt unsere Aufgabe und Verantwortung.

Ziel des heute abschließend zu beratenden Gesetzentwurfes ist es auch, die Arbeitsfähigkeit des Stiftungsrates als Organ der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten dauerhaft zu sichern. Um dies zu erreichen, soll die Anzahl der Abgeordneten, die den Landtag im Stiftungsrat vertreten, auf vier begrenzt werden.

Herr Wichmann, wenn Sie sich alles so gut und genau angeguckt haben, ist Ihnen sicherlich auch aufgefallen, dass es dann vier Vertreter der Legislative und vier Vertreter der Exekutive gibt - so, wie es vorher war. Es ist vernünftig, dieses Gleichgewicht zu halten. Das wird Ihnen nur entfallen sein, nehme ich an.

Ich begrüße, dass mit der künftig vorgesehenen Wahl der Vertreterinnen und Vertreter des Landtages aus seiner Mitte die demokratische Legitimation der Entsendung in den Stiftungsrat steigt.

(Zustimmung von Julia Willie Ham- burg [GRÜNE])

Die Bedeutung des Wahlaktes kann in unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht hoch genug geachtet werden. Auch deswegen ist dieser Entwurf richtig.

Ich danke den Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP für diesen Gesetzentwurf. Die Gedenkstättenarbeit ist unverzichtbarer Bestandteil der politischen Bildungsarbeit. Die gute Zusammenarbeit mit den Verbänden der Überlebenden und der Opfer ist unverzichtbar. Der Respekt vor diesen Verbänden gebietet eine offensive Auseinandersetzung mit der AfD an dieser Stelle. Genau dieser Respekt gebietet es, ihnen eine Konfrontation im Stiftungsrat zu ersparen. Der AfD fehlt dieser Respekt gegenüber den Verbänden. Auch deshalb ist der Gesetzentwurf richtig. Ich bitte um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister.