Protokoll der Sitzung vom 27.02.2018

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Grupe. - Die nächste Wortmeldung für die CDU-Fraktion: Herr Kollege Dammann-Tamke. Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Kollege Grupe, anders als bei der klassischen Schweinepest, die Mitte der 90erJahre in Deutschland und insbesondere in Niedersachsen wütete, die hochvirulent war und die über die Luft über mehrere Hundert Meter - auch von Stall zu Stall - weitergetragen wurde, handelt es sich bei der Afrikanischen Schweinepest um eine Viruserkrankung, die, was die Übertragungswege angeht, relativ moderat verläuft.

Es ist festzustellen, dass das Thema Afrikanische Schweinepest in diesem Parlament erst in den letzten Wochen aufgeschlagen ist. Allerdings wütet die Afrikanische Schweinepest schon seit Jahren in Osteuropa und im Baltikum. Sie hat sich in der Vergangenheit mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 km im Jahr gen Westen ausgebreitet. Wenn wir dieses Szenario einmal zugrunde legen, den Durchschnittswert 25 bilden, die Ausbreitung allein auf die Wildschweine beziehen und die Ausbreitungsgeschwindigkeit beibehalten würden, dann hätten wir mit Blick auf die Entfernung zwischen Warschau und Frankfurt (Oder) noch 19 Jahre Zeit, bis die Afrikanische Schweinpest, weitergetragen durch die Wildschweinpopulation, deutsches Territorium erreichen würde. Wenn wir von

Niedersachsen ausgehen - Luftlinie Warschau– Helmstedt: 725 km - würden, hätten wir noch 29 Jahre Zeit.

Was sollen diese einfachen, nüchternen Zahlen? - Ich möchte hier deutlich machen, dass derzeit in Bezug auf den Ausbruch der ASP in Deutschland oder Niedersachsen das größte Risiko vom Faktor Mensch ausgeht und nicht von den Wildschweinen, Herr Kollege Grupe.

Deshalb bitte ich alle hier im Saal, nicht in die allgemeine hektische Betriebsamkeit zu verfallen, an der sich Medienvertreter in den letzten Monaten landauf, landab ergötzt haben.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Wer hat denn damit angefangen?)

Es gilt, die Afrikanische Schweinepest besonnen und engagiert anzugehen und aufgrund dessen, dass das größte Risiko vom Menschen ausgeht, als erstes beim Faktor Mensch anzusetzen. Deshalb gilt es aufzuklären: bei Fernfahrern, bei Reisenden und im Zusammenhang mit jedwedem Verkehr zwischen Osteuropa und der Bundesrepublik Deutschland. Wir müssen darauf aufmerksam machen, dass von Fleisch und Wurstwaren, die unsachgemäß in der freien Natur entsorgt werden, ein enormes Risiko ausgeht und dass ein volkswirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe auf uns zukommen könnte. Das ist erst einmal die Grundvoraussetzung in Bezug auf Prävention.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus sprechen Experten heute beim Thema ASP von einer Bodenseuche. Was ist damit gemeint? - Wenn dieses Virus uns in Niedersachsen denn einmal erreicht hätte - beispielsweise über die Wildschweinpopulation -, wäre es über Monate im Waldboden weiter virulent. Und Wildschweine haben nun einmal die Angewohnheit, den Waldboden mit ihrem Rüssel zu durchpflügen, und würden dieses Virus ständig wieder aufnehmen.

Deshalb liegen Sie richtig, Herr Kollege Grupe, wenn Sie das Thema Reduktion der Wildschweinbestände beherzt angehen wollen - aber bitte mit tierschutzgerechten Mitteln und bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten! Deshalb sind Anträge, dass wir die Freigabe von Nachtsichtzieltechnik brauchen, absolut kontraproduktiv.

(Hermann Grupe [FDP]: Das steht da doch gar nicht!)

Das ML hat besonnen reagiert. Es wird demnächst eine kleine Novelle des Jagdgesetzes auf den Markt kommen mit dem Ziel, dass das Instrumentarium Nachtsichtzielgeräte im Fall eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest hier bei uns in Niedersachsen ohne Zweifel zur Verfügung steht - aber nur im Falle eines Ausbruchs der ASP; das muss man unterscheiden.

Fakt ist aber auch: Es spielt überhaupt keine Rolle, ob dieser ASP-Ausbruch in Niedersachsen, in Bayern, in Brandenburg oder in Sachsen auftritt. Der volkswirtschaftliche Schaden träte sofort ein, sobald wir den ersten Nachweis auf deutschem Territorium haben, weil die internationalen Exportmärkte sofort gegenüber Waren aus Deutschland dichtmachen würden. Diese hektische Betriebsamkeit hat sich in den letzten Monaten - zum Teil auch in Verlautbarungen aus Landwirtskreisen - gezeigt, als ein Aufschrei durch die Lande ging, dass es doch wohl nicht sein könnte, dass jetzt ein großes Discounter Wurst- und Fleischwaren aus Polen hier vertreibt, obwohl wir alle doch wissen, dass in Polen die ASP wütet.

Entschuldigung, Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bode?

Der Kollege Bode möchte etwas dazulernen. Deshalb darf er gerne fragen.

Herr Kollege Dammann-Tamke, genauso ist es, ich möchte wirklich etwas dazulernen. Als jemand, der kein anerkannter Experte in dem Thema ist,

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Ach was!)

möchte ich gern etwas zu Ihren Ausführungen zu den Nachtzielgeräten wissen.

Sie wollen diese zur Bejagung einsetzen, wenn der erste Fall der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland aufgetreten ist, wenn also die Seuche ausgebrochen ist. Ist das denn nicht zu spät? Hat die erhöhte Bejagung denn nicht das Ziel - so habe ich es jedenfalls immer verstanden -, den Bestand vor dem Ausbruch zu reduzieren, damit es gar nicht erst zum Ausbruch kommt? Ist das nicht ein Ansatz, der eigentlich viel früher kommen müsste? Wäre dann nicht noch ein Beratungszeitraum von mehreren Monaten im Landtag erforderlich, sodass die Zielgeräte quasi erst nach Ende des Ausbruchs eingesetzt werden könnten?

Herzlichen Dank, Herr Bode. Das waren eine ganze Menge Fragen. Aber ich nehme an, dass Herr Dammann-Tamke sie alle beantworten möchte. Bitte schön!

Wenn ich ausreichend Redezeit bekomme, möchte ich Herrn Bode gern aufklären.

Herr Bode, beim Schwarzwild handelt es sich um eine hochintelligente Spezies. Ich möchte nicht den Vergleich mit dem Homo sapiens anstellen oder vielleicht unterstellen, dass auf Augenhöhe mit dem Homo sapiens agiert werden könnte. Aber eines steht fest - das hat Herr Kollege Grupe auch nicht ganz verstanden -: Mit dem Einsatz von Nachtsichtzieltechnik haben wir eine andere Situation.

Herr Grupe, Sie sagten, sie wollten nicht das Licht in die Nacht bringen. Aber wenn das Mondlicht nicht zur Verfügung steht, der Jäger Nachtsichtzieltechnik nutzt und damit die Nacht zum Tag machen kann, weiß das Schwarzwild instinktiv, dass es die beste Feindvermeidungsstrategie ist, das beste Sinnesorgan des Schwarzwildes zu nutzen, den ganzen Komplex einmal zu umschlagen, um Wind zu holen - was über mehrere Hundert Meter geht - und mitzukriegen, ob dort ein Jäger sitzt, um dann dort gar nicht mehr aufzutauchen.

Deshalb macht es Sinn, die Nachtsichtzieltechnik erst dann einzusetzen, wenn wir wirklich einen akuten Ausbruch haben. Dann macht es Sinn, Sperrmaßnahmen zu ergreifen und einen Bezirk abzuriegeln, um in diesem abgeriegelten Bezirk möglichst kurzfristig und schnell, auch unter Zuhilfenahme von Nachtsichtzieltechnik, zu versuchen, die Population partiell zu eliminieren. Das versuchen im Übrigen gerade die Tschechen auch unter Einsatz von Militär. Deshalb ist Nachtsichtzieltechnik nicht per se auszuschließen, und das ML liegt hier richtig.

Sie wollen in Ihrem Antrag allerdings den Einsatz von Nachtzielgeräten mittels Sondergenehmigungen erlauben. In Niedersachsen gibt es 60 000 Jagdscheininhaber. Wollen Sie 60 000 Sondergenehmigungen schaffen? - Das ist nicht praktikabel.

(Zuruf von Hermann Grupe [FDP])

Ihr Antrag geht völlig an der Realität vorbei. Ich habe versucht, deutlich zu machen, dass Nachsichtzieltechnik zwar im ersten Moment sehr charmant klingt und suggeriert, dass die Effektivität der

Bejagung erhöht werden könnte. Dieser Ansatz geht aber ins Leere, weil die Schwarzwildpopulation etwas intelligenter ist, als man gemeinhin meint.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Dammann-Tamke. - Das Wort hat nun für die AfD-Fraktion Frau Kollegin Guth. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Das Thema ASP begleitet uns jetzt bereits seit Beginn der Legislaturperiode. Allen hier Anwesenden ist klar, welches Risiko mit einer Ankunft bzw. Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland einhergeht. Gerade Niedersachsen hätte das als eine Katastrophe zu verzeichnen.

In der Vergangenheit wurden bereits diverse Maßnahmen diskutiert, und der Antrag der FDPFraktion greift einige wichtige Punkte auf. Wir sehen aber durchaus noch Ergänzungsmöglichkeiten in diesem Bereich, die wir mit unserem Änderungsantrag gerne einbringen würden.

Die Reduzierung des Schwarzwildbestandes wird als elementarer Bestandteil des Schutzes vor einer Ausbreitung der ASP angesehen. Hier kommen vor allem Möglichkeiten wie z. B. revierübergreifende Drückjagden infrage. Auch das Anlegen von Bejagungsschneisen wird grundsätzlich befürwortet und könnte ein wichtiges weiteres Element sein.

Ein sich derzeit abzeichnendes Problem, das sich nicht wegdiskutieren lässt, ist die Abnahme und Vermarktung der erlegten Tiere. Mit einer Lösung, die zwar das Abschießen, jedoch nicht die angemessene Verwertung des waidgerecht erlegten Schwarzwildes sicherstellt, degradiert man die Jägerschaft zu Schädlingsbekämpfern, und das kann keineswegs das Ziel sein.

Mit unserem Änderungsantrag fordern wir die Landesregierung auf, ein Garantie-Abnahme-System zu etablieren, welches sicherstellt, dass die Jäger erlegtes Schwarzwild zu einem moderaten Preis verkaufen können, dass kein Wild umsonst geschossen wird. Das könnte auch zu tierschutzrechtlichen Problemen führen - von einer Verletzung des Prinzips der Waidgerechtigkeit ganz zu schweigen.

Wenn eine Abnahme über zentrale Sammelstellen erfolgen kann, z. B. über die Forstämter, und die Vermarktung in Zusammenarbeit mit der Landesjägerschaft, der DEHOGA und dem Wildhandel durchgeführt wird, sollte es möglich sein, eine adäquate Verwertung sicherzustellen. Um eine weitere Verzögerung der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen zu vermeiden, ist eine derartige Lösung unerlässlich.

Ein weiterer wichtiger Faktor - um nicht zu sagen: der entscheidende - in der Bejagung von Schwarzwild ist der Einsatz von Jagdgebrauchshunden. Hundeführer und Nachsuchenführer leisten hierbei einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung von jagdlichen Mindeststandards. Neben den Kosten für Haltung und tiermedizinische Versorgung entstehen hohe Kosten für die Ausbildung eines Jagdhundes, und im Rahmen von Drückjagden auf Schwarzwild besteht für die Hunde ein hohes Verletzungsrisiko. Wenn eine erhöhte Bejagung von Schwarzwild stattfinden soll, geht dies mit einem erhöhten Einsatz der Hunde einher. Um die finanziellen Risiken für die Hundehalter abzufedern, wäre es notwendig, diesen eine Einsatzprämie von 50 Euro pro Hund und Jagd zuzusichern. Diese Prämie könnte nicht zuletzt für Schutzausrüstungen für die Hunde, z. B. Kevlar- oder Kettenwesten, den Abschluss von entsprechenden jagdlichen Versicherungen oder im Ernstfall auch tierärztliche Behandlungskosten eingesetzt werden.

(Beifall bei der AfD - Jens Nacke [CDU]: Wer soll das bezahlen?)

Die Einführung eines Prämiensystems für das Auffinden und Melden von Fallwild ist als Präventivmaßnahme ebenso notwendig wie die Anschaffung und Vorhaltung von entsprechenden Behältnissen zur seuchenschutzsicheren Verbringung von Kadavern oder Aufbruch.

Die Nutzung von Saufängen lehnt die AfD-Fraktion aus jagdethischen Gründen ab. Hier bedarf es, glaube ich, keiner weiteren Erklärung.

Selbstverständlich ist es unerlässlich, über mehrsprachige Aufklärungskampagnen z. B. Fernfahrer, Saisonarbeitskräfte und Touristen zu sensibilisieren. Das Aufstellen speziell gesicherter Mülleimer und geeigneter Absperrmaßnahmen gegen Schwarzwild auf öffentlichen Parkplätzen an den Ost-West-Transitstrecken bildet einen wichtigen weiteren Baustein für die Prävention.

Zum Schutz der niedersächsischen Schweineerzeuger möge sich die Landesregierung für eine Wiederaufnahme von Grenzkontrollen starkmachen. Schärfere Einfuhrkontrollen für tierische Erzeugnisse in Kombination mit den bereits angeregten Aufklärungskampagnen könnten in diesem Fall das oft zitierte Wurstbrot des osteuropäischen Lastwagenfahrers ein kleineres Risiko werden lassen.

Grundsätzlich muss es möglich sein, solche Maßnahmen zur Seuchenprävention - umso mehr, wenn sie das Risiko mit sich bringen, Schäden in ungeahnter Höhe für einen ganzen Wirtschaftszweig zu verursachen - zumindest temporär umzusetzen.

Wir bitten Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke, Frau Kollegin Guth. - Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion der Kollege Tobias Heilmann. Bitte schön!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)