Protokoll der Sitzung vom 27.02.2018

Ja, gerne.

Bitte, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Althusmann, die Bundesregierung bereitet sich ja auf ein Urteil zu möglichen Fahrverboten vor. Sie lehnen das gänzlich ab. Heißt das, dass Sie sich als niedersächsischer Verkehrsminister über ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil, das Fahrverbote erlaubt, hinwegsetzen würden? Oder wie müssen wir das verstehen?

Sehr geehrter Herr Schulz-Hendel, ob ich mich möglicherweise über dieses oder jenes hinwegsetzen würde, liegt im Bereich der Spekulation. Warten wir, bitte, das Urteil des heutigen Tages ab! Wir werden in Niedersachsen dann adäquat handeln. In diesem Bundesland werden die Grenzwerte wahrscheinlich alsbald komplett unterschritten. Damit dürfte das dann gar kein niedersächsisches Problem mehr sein.

(Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung bei der SPD und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will die Maßnahmen, die die FDP im Bereich der grünen Welle als intelligente Verkehrssteuerung bezeichnet, grundsätzlich gutheißen. Intelligente Verkehrssysteme sind sinnvoll, gerade für die Ballungszentren, aber auch im ländlichen Raum.

Ich will aber auch darauf hinweisen, dass weitere Maßnahmen hinzukommen müssen und auch schon hinzugekommen sind. In Deutschland ist der Verkauf von Elektrofahrzeugen deutlich gestiegen: plus 117 % in den letzten Monaten. Allein in Niedersachsen werden inzwischen 2 200 neue Schnell- und Normalladestationen für Elektrofahrzeuge gefördert. Über diese Förderungen ist bereits entschieden. Der größte Automobilhersteller der Welt, VW, hat im vergangenen Jahr 150 000 Fahrzeuge der Euronormen 1 bis 4 gegen neue Fahrzeuge eingetauscht. Für 2018 planen wir in Niedersachsen darüber hinaus ein ÖPNV-Sonderprogramm zur Anschaffung von emissionsarmen Omnibussen.

Die Landesregierung versucht, mit allen möglicherweise betroffenen Kommunen, aber auch mit allen anderen Kommunen schnellstmöglich ein Gesamtmaßnahmenpaket auf den Weg zu bringen, um die Belastungen in den Städten und Gemeinden in unserem Land zu senken.

Vor diesem Hintergrund will ich Ihren Blick auf ein Projekt der Firma Bellis in Braunschweig lenken, das zusammen mit der Stadt Braunschweig durchgeführt wird. Dieses Projekt berücksichtigt besonders, dass die Konzentration von Stickstoffdioxiden in der Luft zum Teil sehr stark variiert, also auch vom Wetter abhängig ist. In Braunschweig gibt es bereits eine intelligente Steuerung; sie regelt den Verkehrsfluss in die Stadt hinein und arbeitet gleichsam mit einem System von Pförtnerampeln. Wir werden uns die ersten Ergebnisse dieses Modellprojekts mit Blick auf das Verkehrsmanagement in Niedersachsen sehr genau anschauen und wollen in diesem Zusammenhang einen Beitrag dazu leisten, pauschale Verbote zu vermeiden.

Ich werde im Übrigen im Rahmen des Ausbaus der Digitalisierung in Niedersachsen sehr konkret, sowohl mit Blick auf die Ballungszentren als auch auf den ländlichen Raum, darauf achten, dass wir die sogenannte Konnektivität der Fahrzeuge im ÖPNV, bei den Gewerbebetrieben, aber auch im Privatbereich weiter vorantreiben. Das Thema Konnektivität kann in anderen europäischen Ländern sehr genau beobachtet werden. Ich nenne hier nur das Stichwort Aarhus. Dort werden Ver

kehre bereits sehr intelligent gesteuert. Damit können Park-Such-Verkehre in erheblichem Ausmaß vermieden werden. Auch die Bundesregierung hat sich dem Thema intelligente Verkehrslenkung als wichtige Maßnahme zugewandt. Sie wird im Rahmen des Sofortprogramms „Saubere Luft“ 500 Millionen Euro für Fördermaßnahmen im Bereich der Digitalisierung zur Verfügung stellen.

Die von der FDP beworbene grüne Welle ist richtig und gut. Sie wird aber als alleinige Maßnahme wahrscheinlich nicht ausreichen, weil wir gerade im innerstädtischen Bereich mehrere Verkehrssysteme haben. Wir werden erkennen, dass Querverkehre, unterschiedliche Geschwindigkeiten der Fahrzeuge und eine generelle Überlastung des gesamten Straßenverkehrs in unseren Städten einem gleichmäßigen Verkehrsfluss entgegenstehen und wir zum Teil auch in Konkurrenz zum ÖPNV stehen. Wenn der ÖPNV eine Vorrangberechtigung haben soll, dann wird das in Konkurrenz zum Individualverkehr stehen. Das wird bei einer intelligenten Verkehrslenkungsmaßnahme gelöst werden müssen. Wir müssen also beide Problembereiche im Blick haben.

Der wichtigste Punkt wird am Ende sein, wenn grüne Wellen oder andere intelligente Verkehrssysteme in Niedersachsen auf den Weg gebracht werden, dass wir den tatsächlichen Anstieg von Verkehren in Echtzeit und auch die Bedarfe von verkehrslenkenden Maßnahmen erfassen. Das wird nur in den neuen Generationen der Fahrzeuge möglich sein, die zum Teil schon heute auf den Weg gebracht werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das eCall-System für alle Neufahrzeuge ab 2018, das wir hier in Hannover vorgestellt haben. Dabei kann im Falle eines Unfalls mit dem Wagen Kontakt aufgenommen und direkt kommuniziert werden.

Das heißt, wir werden am Ende intelligente Fahrzeuge mit intelligenten Verkehrssystemen in Niedersachsen kombinieren können. Das ist eine gute Vision für unser Land. Dann spielt das Thema Fahrverbote nach meiner Auffassung für unser Land gar keine Rolle mehr.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung von Jörg Bode [FDP])

Vielen Dank, Herr Minister Althusmann. - Meine Damen und Herren, zur Aktuellen Stunde der FDP zur grünen Welle liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir übergehen können zu dem Punkt

b) Niedersachsen ist sicher - Aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik bestätigt erneut den innenpolitischen Kurs der Landesregierung! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 18/396

Ich eröffne die Besprechung. Gemeldet hat sich der Kollege Karsten Becker, SPD-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In den zurückliegenden Jahren haben wir unsere gemeinsame Sorge um die innere Sicherheit in Niedersachsen hier in durchaus unterschiedlicher Art und Weise zum Ausdruck gebracht und über die Frage gestritten, wie die innere Sicherheit am besten zu organisieren und gewährleisten ist.

Die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2017, die Innenminister Pistorius gestern der Öffentlichkeit vorgestellt hat, sorgt in dieser Frage nun für erfreuliche Klarheit, meine Damen und Herren. Sie belegt nämlich eindrucksvoll, dass die Reaktionen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden auf die veränderte Sicherheitslage wirksam und angemessen waren.

Meine Damen und Herren, so sicher wie gegenwärtig war es in Niedersachsen noch nie. Die Anzahl der registrierten Straftaten ist um 6,4 % auf 526 120 Fälle zurückgegangen; das sind 35 843 Straftaten weniger als im Vorjahr. Gleichzeitig konnte die Aufklärungsquote erneut um einen Prozentpunkt auf 62,3 % verbessert werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang der bundesweite Durchschnitt, der bei ungefähr 55 % liegt. Einen starken Rückgang von nahezu 17 % gab es auch bei der Zahl der Wohnungseinbrüche, die von 16 405 Fällen auf 13 595 Fälle zurückgegangen ist.

Zudem scheitern Einbrecher immer häufiger an gut gesicherten Fenstern und Türen. Die Abbruchquote bei Einbruchsversuchen in Wohnungen und Häuser liegt bei ca. 40 %. Auch das, meine Damen

und Herren, ist ein großartiger Erfolg der gezielten Präventionsarbeit der niedersächsischen Polizei.

(Zustimmung von Belit Onay [GRÜNE])

- Ja, ich glaube, es ist angemessen, unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten an dieser Stelle einen Dank auszusprechen.

(Beifall)

Auch das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, ist deutlich gesunken. Die Anzahl der registrierten Straftaten liegt mit 6 321 Fällen pro 100 000 Einwohner bei einem Wert, der seit 1981 - und damit seit fast 40 Jahren - nicht mehr erreicht werden konnte.

Meine Damen und Herren, trotz dieser positiven Bilanz besteht natürlich kein Grund, jetzt die Hände in den Schoß zu legen. Handlungsbedarf bleibt insbesondere bei der Entwicklung der Jugendkriminalität und hier insbesondere bei den tatverdächtigen Kindern.

Ebenso unbefriedigend sind die erneut gestiegenen Fallzahlen bei Gewalttaten, die gezielt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte gerichtet werden; Gewalttaten also, die sich gegen jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten, die mit ihrer engagierten Arbeit zuallererst zu dem Sicherheitsgewinn für die Menschen in Niedersachsen beigetragen haben, den wir hier gerade würdigen.

Meine Damen und Herren, die insgesamt sehr erfreuliche Entwicklung des Kriminalitätsgeschehens in Niedersachsen ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist das subjektive Sicherheitsempfinden. Immer noch gilt, dass die objektive Sicherheitslage nur sehr wenig mit dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger zu tun hat. Denn wer aufgrund seiner persönlichen Lebensumstände von Kriminalitätsängsten besonders betroffen ist, dem kann mit einer bloßen Intensivierung von Ermittlungstätigkeiten nur sehr eingeschränkt geholfen werden.

Es ist so. Fühlen sich die Menschen unsicher, hat dies ganz reale, objektive Konsequenzen, und zwar nicht nur für den Einzelnen, sondern für das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben. Die Furcht vor Kriminalität ist immer auch eng mit anderen gesellschaftlich relevanten Problemen und Themen verbunden, wie etwa der Integration von Minderheiten, dem Vertrauen gegenüber Fremden und Migranten und letztlich auch dem Vertrauen in Staat, Justiz und Polizei.

Darum, meine Damen und Herren, ist es richtig, dass das LKA neben den objektiven Kriminalitätsdaten auch das Dunkelfeld erfasst und die subjektiven Bewertungen der Menschen zu ihrer individuellen Kriminalitätsfurcht hinterfragt. Wir müssen feststellen und auch ernst nehmen, dass der Anteil der Bevölkerung mit einem geringeren Sicherheitsgefühl in den Jahren von 2015 bis 2017 von 9,1 % auf 12,3 % gestiegen ist.

Meine Damen und Herren, welche Schlüsse ziehen wir nun daraus? - Zunächst einmal ist die niedersächsische Polizei auf einem guten Weg, den wir so fortsetzen werden. Dazu gehört insbesondere die weitere Verbesserung des Personalbestandes unserer Sicherheitsbehörden. Das ist die richtige Antwort, auch wenn wir nicht der simplen Arithmetik folgen, dass mehr Polizei automatisch weniger Straftaten bedeutet. Es ist nämlich auch die richtige Antwort, um die Präsenz der Polizei in den schwächer besiedelten ländlichen Bereichen auch zukünftig sicherzustellen und damit das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen in Niedersachsen zu stärken.

Wir wollen auch in Zukunft gewährleisten, dass die Menschen in Niedersachsen nicht nur sicher sind, sondern sich auch sicher fühlen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Jetzt folgt Kollege Belit Onay für Bündnis 90/Die Grünen. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident!

(Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz übernimmt den Vorsitz)

Jetzt: Frau Präsidentin! Es hat ein Wechsel stattgefunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte vorweg eines deutlich machen: Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist keine Kriminalstatistik im eigentlichen Sinne, sondern eine Statistik über die polizeiliche Tätigkeit in der Strafverfolgung. Das hängt ganz stark davon ab, wie die Anzeigebereitschaft in der Bevölkerung ist.

Deshalb ist es wichtig - und das begrüße ich ausdrücklich -, dass der Minister zusammen mit dieser

Statistik bereits zum dritten Mal auch eine Dunkelfeldstudie veröffentlicht. Auch wenn der Minister gerade nicht da ist, möchte ich trotzdem die Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass seit 35 Jahren in Niedersachsen die niedrigste Kriminalitätsbelastung herrscht, wie der Minister gestern verkünden konnte. Das ist wirklich erfreulich.

Ich glaube, lieber Boris Pistorius, man kann rückblickend sagen: Dies ist auch ein Verdienst der wirklich unaufgeregten, sehr zielstrebigen und mit Augenmaß betriebenen inneren Sicherheitspolitik, die wir in Niedersachsen unter Rot-Grün betrieben haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Darauf kann man schon stolz sein. Ich erinnere mich - Ulrich Watermann wird sich auch noch sehr gut erinnern - an die Debatten, die wir hier geführt haben, an die teilweise sehr aggressiven Debatten, angezettelt von einer sehr panischen CDUFraktion, die sich sogar dazu hat hinreißen lassen, den damaligen und heutigen Innenminister zum „größten Sicherheitsrisiko in Niedersachsen“ zu küren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, heute wäre eine Entschuldigung dafür angebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Also, wenn ihr das macht …!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zurück zur Dunkelfeldstudie: Diese fördert - das hat Karsten Becker sehr gut beschrieben - auch noch einen weiteren Punkt zutage, nämlich die Entkoppelung der tatsächlichen inneren Sicherheitslage von dem, was die Menschen fühlen, die Entkoppelung von Fakten und Wahrnehmung. Die Reaktionen fallen in Teilen der Bevölkerung panisch aus.

Ein sehr sichtbares Beispiel ist der Kleine Waffenschein. Eine Bundestagsanfrage der Fraktion der Grünen hat ergeben, dass Ende 2017 insgesamt knapp 560 000 Kleine Waffenscheine beantragt und ausgegeben wurden. Im Januar 2016 waren es hingegen gerade einmal 300 000. Da ist innerhalb von zwei Jahren ein Plus von insgesamt knapp 85 %. Da kann man wirklich von einer regelrechten Aufrüstung aufgrund von Panik sprechen.