Protokoll der Sitzung vom 15.07.2020

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Sie täuschen die Menschen darüber, was für Lasten hier auf sie zukommen, und die künftigen Generationen darüber, welche Lasten sie zu tragen haben werden.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Insofern findet genau das statt, was Sie angeblich verhindern wollten, nämlich eine Einschnürung der politischen Handlungsspielräume künftiger Generationen. Damit verabschieden Sie sich von dem Prinzip der Nachhaltigkeit.

(Beifall bei der FDP - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, in dieser Nachhaltigkeitsstrategie heißt es dann auch, dass das Ziel der Haushaltskonsolidierung „als Baustein einer nachhaltigen Finanzpolitik durch einen strikten Sanierungskurs erreicht“ wird, „ohne den politischen Handlungsspielraum durch inhaltliche Priorisierung zu verlieren“.

Ich will es noch einmal deutlich machen: Herr Ministerpräsident, hier steht „strikten Sanierungskurs“. Das heißt, Sie müssen sich selber anstrengen, in Ihren Verwaltungen auch einzusparen und das zu heben, was Sie tatsächlich an Potenzial haben.

An anderer Stelle machen Sie Ihre Haltung offenkundig: Die Sanierung von Haushalten findet auf der Einnahmeseite statt, nicht auf der der Ausgaben. - Das, meine Damen und Herren, ist der zweite Punkt, nämlich dass Sie sich mit dieser Nachhaltigkeitsstrategie offensichtlich nie identifiziert haben und dass Sie sich davon verabschiedet haben. Denn einen strikten Sanierungskurs wollen Sie ja gerade nicht fahren. Das ist Ihnen egal, und das zeigt sich auch beim Haushaltsentwurf für 2021, bei dem Sie eben nichts in dieser Richtung tun, sondern einfach sagen: Wir machen das so weiter und hoffen darauf, dass die Wirtschaft irgendwie wieder anspringt.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Das ist zu wenig, Herr Ministerpräsident! Sie müssen strikt sanieren, Sie müssen jetzt tatsächlich einmal ernsthafte Bemühungen angehen und Einsparungen vornehmen, und Sie dürfen nicht so tun, als habe das Ganze mit Ihnen nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Konjunkturbelebung und Stützungsmaßnahmen sind in der gegenwärtigen Situation richtig und notwendig. Deshalb tragen wir ja auch einen Teil dieses Nachtragshaushaltes mit, nämlich da, wo es darum geht, die Wirtschaft zu stützen, die Kultur zu stützen, das Gesundheitswesen und die Kommunen zu unterstützen. Letzteres ist auch zu Recht gesagt worden: Die Kommunen haben natürlich eine ganz wichtige und zentrale Funktion. Es geht um rund 5,7 Milliarden Euro, bei denen wir sagen: Jawohl, das ist tatsächlich notwendig. Diesen Weg gehen wir mit.

Nur, meine Damen und Herren, Frau Heiligenstadt, Sie suggerieren hier, dass man mit 5,7 Milliarden Euro tatsächlich die wirtschaftliche Situation irgendwie wieder in den Griff kriegen könnte. Das

reicht doch nicht aus, selbst wenn es 10 Milliarden wären. Da ist doch viel mehr nötig. Man muss doch sozusagen strukturelle Rahmenbedingungen

schaffen, damit die Wirtschaft sich auch erholen kann. Das heißt z. B., dass wir über Steuerentlastungen nachdenken müssen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland und Niedersachsen attraktiv wird, dass wir zu wirklichen Entbürokratisierungen kommen müssen, damit tatsächlich attraktive Investitionsgelegenheiten gegeben sind. Dazu sagen Sie aber nichts.

Der einzige, der sich ab und zu dazu einlässt, ist der Finanzminister. Der guckt mich schon so fragend an und fragt, ob ich ihn vergessen hätte.

(Minister Reinhold Hilbers: Ja, eben!)

Nein, Herr Hilbers, das habe ich nicht. Ich weiß, dass Sie das tun. Aber Sie sind ja sozusagen der einsame Rufer im Walde in dieser Landesregierung. Vom Ministerpräsidenten kommt doch gar nichts. Herr Althusmann versucht es vielleicht auch mal, aber das ist ja keine Politik dieser Landesregierung.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das ist richtig!)

Es ist vielleicht Politik eines Koalitionspartners, aber wo sind die Impulse einer gemeinsam getragenen Landesregierung, um tatsächlich Niedersachsen voranzubringen? Da passiert nichts. Da fällt Ihnen nichts Besseres ein, als Geld auszugeben, und das ist eben viel zu wenig.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Ein wirtschaftspolitischer Gestaltungswille seitens der Landesregierung ist überhaupt nicht erkennbar. Da hat der Ministerpräsident eben nichts zu liefern, abgesehen davon, wenn es darum geht, VW irgendwie zu helfen und zu unterstützen. Da ist er dann schnell bei der Sache. Das ist aber zu wenig im Hinblick auf die mittelständische Struktur, die wir gerade auch in Niedersachsen haben.

Meine Damen und Herren, zum Nachtragshaushalt.

Ich habe es eingangs schon gesagt: 1,2 Milliarden Euro sind für uns ohne Corona-Bezug, oder eben unter Umgehung des Budgetrechts - die berühmten 500 Millionen Euro. Frau Heiligenstadt, Sie haben es ja gesagt: Die sollen die Handlungsfähigkeit sicherstellen.

Also, das ist nun wirklich eine Kriegskasse, die Sie da anlegen. Ich finde es unfassbar, dass Sie sich einfach mal 500 Millionen Euro auf Vorrat anschaffen, und dann sagen, Sie müssten schnell reagieren können. Dieses Haus hat dieser Landesregierung beim ersten Nachtragshaushalt in kürzester Zeit gemeinsam getragen die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt, und jetzt sagen Sie diesem Haus: Um die Handlungsfähigkeit sicherzustellen, müssen wir auf Vorrat Mittel zur Verfügung haben. - Ich finde es eine Unverschämtheit, muss ich ehrlich sagen, wie Sie hier mit diesem Parlament umgehen und suggerieren, dass wir nicht handlungsfähig wären.

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD - Widerspruch von Frauke Heiligenstadt [SPD])

Da haben wir gemeinsam unterstützt. Das ist wirklich dokumentiertes Misstrauen in dieses Parlament, dass Sie das machen. Und da fragt man sich dann natürlich auch, wofür Sie das eigentlich alles brauchen.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])

Und wenn ich dann sehe, dass das alles bis 2022 laufen soll: Es ist doch völlig klar, dass das die Wahlkämpfe sind. Sie greifen nicht auf die Rücklagen zurück - auch hier ist die Handlungsfähigkeit das Argument. Natürlich greifen Sie darauf nicht zurück, weil Sie Ihre Projekte im nächsten Jahr schön durchfinanzieren müssen, damit Sie im Wahlkampf dann auch präsent sein können.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])

Und das ist etwas, das einen wirklich wütend macht. Denn das Ganze ist ja nicht Ihr Geld. Es ist nicht einmal das Geld der gegenwärtigen Steuerzahler, sondern es ist das Geld der künftigen Generationen, und das verbraten Sie, um am Ende gut dazustehen. Das halten wir für völlig verantwortungslos und nicht hinnehmbar in Bezug auf diese Dinge, die keinen Corona-Bezug haben oder wo es darum geht, sich eine Kriegskasse anzulegen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Heiligenstadt, Sie sagen, unsere Forderung, die Erhöhung der Ansätze für die Förderung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz - 240 000

Euro - zu streichen, sei nicht angemessen, das sei beschämend. Wissen Sie, was ich beschämend finde? Dass Sie nicht in der Lage sind,

240 000 Euro aus dem Haushalt des Sozialminis

teriums sofort zur Verfügung zu stellen, wenn das nötig ist, aber zulasten künftiger Generationen versuchen, es in einem solchen Haushalt unterzubringen. Das zeigt doch, welchen Wert dieses Thema für Sie hat. Sie sind nicht in der Lage, es abzuräumen und die Mittel sofort sicherzustellen. Ich finde es, ehrlich gesagt, beschämend, wie Sie mit einem solchen Thema umgehen. Und dann versuchen Sie auch noch, politischen Profit daraus schlagen.

(Beifall bei der FDP)

Es finden sich noch viele andere Punkte, bei denen kein Corona-Bezug besteht. Ich möchte das nur ganz kurz auszugsweise vortragen: Elektromobilität, Ladesäulen - 40 Millionen Euro. Ich weiß nicht, wie die Verbreitung der Elektromobilität das Coronavirus bekämpfen sollte. Herr Minister Lies, vielleicht können Sie uns dazu neue Erkenntnisse vortragen. Es besteht aber kein Corona-Bezug.

(Beifall bei der FDP)

Auch die Flottenerneuerung hat nichts unmittelbar mit Corona zu tun.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])

Eigentlich ist diese Liste eine Liste Ihres politischen Versagens in der Haushaltspolitik. Sie waren in den letzten Jahren nicht in der Lage, die Vorhaben, die Sie jetzt umsetzen, durchzusetzen, obwohl Sie sie für notwendig halten. Das haben Sie nicht geschafft, und jetzt bietet Ihnen Corona die Gelegenheit, das alles gleich mit abzuräumen. Genau das kritisieren wir hier und prangern wir an. Das hat mit Corona nichts zu tun!

Wenn Sie meinen, dass das richtig so ist, dann gehen Sie in ein normales Haushaltsaufstellungsverfahren. Lassen Sie uns das im Rahmen der Haushaltsberatungen 2021 oder im nächsten Jahr streitig diskutieren. Dann können wir sehen, wo die politischen Schwerpunkte liegen; dann können aber auch die Wählerinnen und Wähler sehen, wer wo steht.

Sie verschleiern das unter Corona. Sie versuchen, das mitzunehmen und so auch Ihre politischen Auseinandersetzungen im Kabinett zu vermeiden. Denn jeder kriegt alles! Corona macht es möglich! Corona sei Dank! Der Frieden in der Koalition ist wieder einmal gerettet - aber nur für ein paar Wochen und Monate. Man merkt ja, wie die Kräfte bei Ihnen so langsam auseinanderdriften.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für uns ist das, was Sie anlegen, in weiten Teilen eine Wahlkampfkasse auf Kosten künftiger Generationen. Das muss man so deutlich sagen, und das halten wir für verantwortungslos.

Wir halten es auch für absolut inakzeptabel, wie dieses parlamentarische Verfahren gestaltet war. Es ist nach wie vor kein überzeugender Grund genannt worden, warum wir heute mit den Haushaltsberatungen zum Abschluss kommen müssen. Der Ausschussvorsitzende hat in dem Bericht erwähnt, dass das thematisiert worden ist.

Warum ist es der heutige Tag? Warum beraten wir das nicht in einem Monat und nehmen uns die Zeit, in den Fachausschüssen ordentlich darüber zu beraten? Warum eigentlich nicht? Warum, Herr Ministerpräsident, sind die Ministerinnen und Minister eigentlich nicht gekommen? Warum hat sich keiner die Mühe gemacht, das, was Ihnen und der Landesregierung angeblich so wichtig ist, auch in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses persönlich zu erklären, nachdem es hier keine Einbringung gegeben hat, weil das alles so eilig war?

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])

Warum eigentlich nicht, Herr Ministerpräsident? Warum kamen die Minister nicht? - Sie wollen oder können dazu offensichtlich nichts sagen, weil es Ihnen total egal ist. Auch da zeigen sich wieder Ihre Haltung und Ihre Ignoranz gegenüber diesem Haus.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)