Diese Verordnung haben Sie innerhalb von 24 Stunden einfach mittels einer Presseerklärung wieder zurückbenommen. Allein schon diese Art und Weise des Umgangs mit den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger lässt einen fassungslos zurück, meine Damen und Herren.
Zusammen mit den Grünen mussten wir diese Landesregierung erst mithilfe des Staatsgerichtshofes zwingen, wieder zu einem verfassungsgerechten Verfahren zurückzukommen.
Nun haben wir eigentlich gedacht, dass diese Landesregierung aus diesen Fehlern gelernt hat. Doch dann haben Sie diesem Parlament dieses Artikelgesetz vorgelegt: Ein Sammelsurium von Änderungen unterschiedlichster Einzelgesetze. Auch dieser Gesetzentwurf strotzt nur so von Fehlern. Es sind auch keine Gründe dafür erkennbar, warum ein Gesetz von so einschneidender Wirkung und so großem Umfang im Schnellverfahren durch dieses Parlament gepeitscht wird.
Dass dieses Artikelgesetz mit heißer Nadel gestrickt wurde, sieht man bereits an den zum Teil haarsträubenden verfassungsrechtlichen Fehlgriffen.
Den Vogel, meine Damen und Herren, haben Sie aber mit der ursprünglich vorgesehenen Zwangsverpflichtung von medizinischem Personal abgeschossen. Das haben wir als FDP - übrigens auch in Nordrhein-Westfalen - immer abgelehnt. Ganz anders ist es aber bei der SPD.
In Nordrhein-Westfalen läuft die SPD gegen einen solchen Vorschlag Sturm und feiert bereits am 9. April bei Facebook unter dem Hashtag #keinarbeitszwang, diese Zwangsverpflichtung verhindert zu haben. Nur wenig später schlägt diese SPD-Ministerin in Niedersachsen genau diesen Arbeitszwang wieder vor. Meine Damen und Herren, desaströser kann ein Gesetzentwurf gar nicht sein.
Meine Damen und Herren, die Große Koalition musste diverse Fehler mit mindestens sieben Änderungsanträgen zu ihrem eigenen Gesetzentwurf korrigieren. Aber auch dadurch kam es zu diversen krassen Fehlgriffen wie z. B. die in Artikel 1 plötzlich vorgesehenen und völlig verfassungswidrigen Möglichkeiten zur Beschlagnahme von Schutzausrüstung, die dort hektisch wieder herausgenommen werden mussten.
Nun gibt es Beschlagnahmemöglichkeiten von Schutzausrüstung, die sich auf eine fast schon lächerlich theoretische Situation beziehen: In Niedersachsen herrscht eine pandemische Lage, bundesweit aber nicht. Andere Bundesländer und auch das Ausland liefern keine Ausrüstung nach Niedersachsen. Aber in Niedersachsen hat irgend
jemand genau die Ausrüstung, die man braucht, gibt sie aber nicht heraus. Und diese kann jetzt beschlagnahmt werden.
Meine Damen und Herren, angesichts der Eingriffstiefe in Eigentumsrechte und einer völlig konstruierten Situation ist diese Regelung nur noch unverhältnismäßig und überhaupt nicht mehr nachvollziehbar.
Auch die Änderung des Niedersächsischen Pflegegesetzes in Artikel 2 sind von niemandem mehr nachvollziehbar - auch nicht mehr vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Dieser formulierte in der Ausschusssitzung, dass die dort vorgesehen Abweichungen unklar sind, da nicht deutlich wird, wovon eigentlich abgewichen sind. Die Juristen des GBD machten deutlich, dass ihnen angesichts der kurzen Zeit keine den fachlichen Ansprüchen genügende Prüfung möglich war. Der Entwurf hätte eigentlich eine monatelange Abstimmung mit dem Sozialministerium notwendig gemacht. Nun würde unklar bleiben, ob die Regelungsziele überhaupt noch erreicht werden. Und das, meine Damen und Herren, ist für Ihren gesamten Gesetzentwurf bezeichnend.
Natürlich kommt von den Regierungsfraktionen gleich der Vorwurf, die Opposition würde lediglich einen Gesetzentwurf diskreditieren, und sie selber würden natürlich ihrer staatspolitischen Verantwortung nachkommen.
Ja, ganz sicher müssen auch Vorbereitungen für eine mögliche zweite Welle und möglicherweise auch für eine andere Pandemie getroffen werden. Aber dieses Sammelsurium an Normen, welches durch die Korrekturen des GBD in einen einigermaßen verfassungsrechtlich konformen Rahmen gepresst wurde, wird Ihrer staatspolitischen Verantwortung eben nicht gerecht, meine Damen und Herren.
Die FDP-Fraktion zieht daraus den Schluss, dass an dieser Stelle mehr parlamentarische Begleitung und eine höhere parlamentarische Hürde notwendig sind. Entsprechend legen wir Ihnen einen Änderungsantrag vor, der bereits bei einer ganz grundsätzlichen Frage beginnt:
Die grundsätzliche Feststellung einer epidemischen Lage hat die Folge, dass tiefgreifende Einschnitte in die Bürgerrechte der Menschen möglich werden. Aus diesem Grund sollte diese Feststellung auf Antrag der Landesregierung nicht mit einer nur einfachen Mehrheit des Landtages beschlossen werden können. In Anlehnung an die Vorschriften zur Aufhebung der Schuldenbremse schlagen wir daher eine notwendige Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten vor.
Konsequenterweise sollte dies auch für die entsprechende Feststellung durch den Bundestag gelten. Daher schlagen wir Ihnen einen Entschließungsantrag vor, der insoweit eine Bundesratsinitiative vorsieht.
Außerdem schlagen wir Ihnen vor, die Verlängerungsoption auf jeweils vier Wochen zu begrenzen. Nach vier Wochen - so hat es die Erfahrung gezeigt - ist die Datenlage wesentlich besser, sodass intensiv überprüft werden kann, welche Einschnitte in die Grundrechte noch notwendig und verhältnismäßig sind.
Zudem schlagen wir Ihnen vor, die Änderungen aus dem gesamten Artikelgesetz innerhalb von zwei Jahren zu überprüfen. Aufgrund des hektischen Zeitplans ist quasi garantiert, dass dieses Gesetzespaket weitere gravierende Fehler enthält, die ausgeglichen werden müssen.
Weitere Änderungen schlagen wir u. a. auf der kommunalen Ebene vor, um auch dort die Bürgerbeteiligung und die Transparenz zu erhalten.
Der GBD hat in einer der letzten Ausschusssitzungen formuliert, er habe versucht zu retten, was noch zu retten sei, und das, was nicht zu retten sei, in eine einigermaßen rechtmäßige Form zu bringen. - Das ist keine Einschätzung dieser Opposition, sondern der Juristen dieses Landtages! Dem ist kaum noch etwas hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, unser Änderungsantrag rettet, was an Ihrem Gesetzentwurf noch zu retten ist.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Genthe. - Für die CDU-Fraktion kann sich nun der Kollege Sebastian Lechner bereit machen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Genthe, erst einmal möchte ich festhalten, dass die Landesregierung nicht nur einen Nachtragshaushalt vorgelegt hat, mit dem in einem enormen Kraftakt
den Herausforderungen dieser pandemischen Lage entgegengetreten wird, sondern die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben auch noch ein Gesetzespaket vorgelegt, das viele sinnvolle Maßnahmen enthält, mit dem viele Probleme adressiert werden können und das am Ende dazu führen wird, dass wir in dieser pandemischen Lage besser und zielgenauer agieren können, als wir das vielleicht in den letzten Wochen konnten.
Frau Menge, es ist natürlich grob falsch dargestellt - so würde ich mal sagen -, wenn Sie sagen, wir hätten den Gesetzentwurf nicht intensiv beraten. Ich habe vorhin nachgeschlagen: Wir haben diesen Gesetzentwurf in vier verschiedenen Ausschüssen in oft mehr als zwei Sitzungen beraten. Wir haben 30 schriftliche Stellungnahmen von allen möglichen Verbänden und Institutionen entgegengenommen und gewertet, und wir haben fast 20 GBD-Vorlagen zu den Gesetzestexten beraten, intensiv geprüft und die Vorschläge daraus auch aufgenommen.
Wir haben sicherlich - das geben wir zu -, weil wir schnell reagieren wollten und mussten, auch Vorschläge gemacht, die wir - weil wir so intensiv beraten und darauf gehört haben, was dort vorgetragen wurde - korrigiert und in einer anderen Fassung vorgelegt haben. Am Ende - das muss man ehrlicherweise sagen - haben wir das sehr intensiv, sehr gründlich und verantwortungsvoll behandelt. Am Ende steht ein Gesetz, das auch nach Maßgabe des GBD in allen Bereichen verfassungsgemäß und insofern gutes Handwerk ist und das den Menschen helfen wird.
Man kann ja sagen, dass die Beratung nicht so zügig hätte durchgeführt werden müssen. Aber ich will an wenigen Beispielen klarmachen, dass es eben doch wichtig ist, dass wir jetzt zügig handeln.
Ich habe mich gewundert, dass FDP und Grüne insbesondere im Katastrophenschutzrecht Regelungen komplett aus dem Gesetzentwurf herausstreichen möchten. Ich will Ihnen sagen, welcher Fall uns da vorschwebt. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten Hilfsorganisationen erlebt, die sich in einer Art und Weise, für die man nur dankbar sein kann, haben mobilisieren lassen, obwohl kein Katastrophenfall ausgerufen worden war. Sie haben geholfen, Zelte aufgebaut, personell unterstützt. Das alles haben sie getan, obwohl es keine Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung und auch nicht im Hinblick auf die Freistellungsansprüche gibt. Wir schaffen in dem Artikel, den Sie streichen wollen, die Rechtsgrundlage für die Regelung von Kostenerstattungen und Freistellungsansprüchen. Das ist etwas Gutes für diese Hilfsorganisationen. Das ist wichtig, und es ist gut, dass wir das schnell und zügig schaffen.