Problematiken, die bei einer solchen Aufarbeitung möglicherweise auftreten sollten, müssten dann in der Evaluation hier behandelt werden. Das könnten wir eigentlich frühestens nächstes Jahr tun. Aber genau für diese Situation sind diese Instrumente, Herr Kollege Lechner, geschaffen worden.
2007 wurde eine länder- und ressortübergreifende Krisenmanagementübung, die sogenannte LÜKEX durchgeführt. Dieser Übung lag das Szenario einer bundesweiten Grippeepidemie zugrunde. 33 % der Bevölkerung wären erkrankt, 400 000 Krankenhauseinweisungen und 100 000 Todesfälle hätte es nach diesem Szenario gegeben. Obwohl die letzte Auswertung - sprich: der vollständige Bericht - unter Verschluss ist, gab die Landesregierung auf Anfrage meines Kollegen Jens Ahrends an, dass Teile der Auswertung der LÜKEX 07 in die Pandemieplanung in Niedersachsen mit eingeflossen sind. Interessanterweise gaben Sie ebenfalls an, dass diese Erkenntnisse dabei geholfen hätten, einer Influenzapandemie im Jahre 2009 gut zu begegnen. Sprich: Wir hatten bereits eine Übung, aus der einige Erkenntnisse gezogen wurden, aufgrund derer eine Pandemie im Jahre 2009 gut hätte bewältigt werden können.
Warum wir jetzt aufgrund eines sehr viel milderen Verlaufs einer Corona-Pandemie, den wir in Niedersachsen nun mal hatten, zahlreiche Rechtsvorschriften ändern, ist kaum nachvollziehbar. Am Ende - da möchte ich Ihnen im Wesentlichen widersprechen - hat es in den Kommunen in den letzten Wochen und Monaten auch ohne eine Änderung von Rechtsvorschriften hervorragend funktioniert. Das müssen Sie einräumen.
Am Ende ist auch der Shutdown, der aus der Corona-Pandemie entstanden ist, nicht aufgrund mangelnder Kompetenzen dieser Landesregierung entstanden. Diese Landesregierung hatte jede Menge Kompetenzen. Man hätte es vorher gar nicht für möglich gehalten, was über das Infektionsschutzgesetz alles geht. Der Shutdown ist entstanden aufgrund mangelnder Erkenntnisse über den Epidemieverlauf und aufgrund eines Mangels an Schutzausrüstung. Da sind wir wieder bei der Pandemieplanung. Wäre diese Landesregierung ihrem Pandemieplan gefolgt, hätten Sie für ausreichend Schutzausrüstung sorgen müssen, und dann hätte es wahrscheinlich gar keinen Shutdown gegeben.
Daher scheint für uns zu diesem Zeitpunkt eine Änderung der Rechtsvorschriften nicht notwendig zu sein. Was wir brauchen, ist eine gezielte Aufarbeitung des Gesamtgeschehens. Wir brauchen einen Corona-Ausschuss. Wir müssen von vorne bis hinten durcharbeiten, was hier passiert ist. Dann können wir an unsere Instrumente gehen. Dann können wir den Katastrophenschutz evaluieren und reformieren. Dann können wir auch die Pandemieplanung an das jetzige Geschehen an
passen. Was Sie machen, wirkt auf mich, als wenn Sie diese Rechtsvorschriften aus einer gewissen Panikreaktion heraus ändern. Die Änderung der Rechtsvorschriften, die Sie jetzt vornehmen, ändert nichts an der Gesamtlage. Sie hilft kurzfristig niemandem. Ich sage voraus, dass sämtliche Rechtsvorschriften, die wir heute ändern, nächstes Jahr wieder geändert werden müssen, weil sie den Praxistest nicht bestehen werden.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Bothe. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich die Kollegin Meta Janssen-Kucz zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin! Ihnen stehen noch gut sechs Minuten zur Verfügung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich in die Einzelheiten einsteige: Wir waren uns als Grüne einig, dass es aufgrund der COVID-19Pandemie eine Notwendigkeit gibt, Änderungen an niedersächsischen Rechtsvorschriften vorzunehmen. Aber was dann von den Regierungsfraktionen geliefert wurde, war - ich kann es einfach nur so sagen - eine Zumutung, nicht nur für uns als Opposition, nein, auch für den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst.
Lieber Kollege Lechner, Sie haben eben gesagt, Sie seien da mit sehr viel Selbstbewusstsein hineingegangen. Ich kann Ihnen nur sagen: Sehr viele Menschen kommen durch zu viel Selbstbewusstsein ins Straucheln. Ich glaube, bei dem Gesetzentwurf sind Sie ins Straucheln gekommen.
Man könnte die ganze Gesetzesberatung unter die Überschrift packen: Gewollt, aber nicht gekonnt oder vielleicht nicht so ganz fähig. - In meinen Augen sehen parlamentarische Beratung und parlamentarische Beteiligung anders aus. Ich habe sie hier auch immer anders kennengelernt.
Die größten Baustellen und Verwirrungen gab es in dem gesamten Bereich Pflegegesetz, Niedersächsisches Krankenhausgesetz und öffentlicher Gesundheitsdienst. Der erste Aufschlag seitens
der Fraktionen der SPD und der CDU war ein absoluter Affront gegenüber all denjenigen, die seit Beginn der COVID-19-Pandemie im pflegerischen und medizinischen Bereich in vorderster Reihe ihren Mann und ihre Frau gestanden haben. Sie haben rund um die Uhr ausgezeichnete Arbeit gemacht, und das machen sie heute noch. Sie sorgen für die Gesundheit und Pflege der Menschen. Viele Freiwillige haben sich in dieser Phase gemeldet und wollten mithelfen. Doch statt ihnen Anerkennung entgegenzubringen - den Pflegebonus haben wir heute zumindest teilweise auf den Weg gebracht -, wurde die Zwangsverpflichtung in den Gesetzentwurf aufgenommen. Das war nicht nur ein Affront, sondern das war eindeutig verfassungswidrig und ein Eingriff in die freie Berufswahl. Zumindest an der Stelle haben Sie ja dann die Reißleine gezogen und die geplante Zwangsverpflichtung ad acta gelegt.
Aber ich muss Ihnen sagen: Sie haben damit ein weiteres Stück Vertrauen der medizinischen und pflegerischen Fachkräfte in Niedersachsen mehr als verspielt. Ihnen traut man da nichts mehr zu.
Meine Damen und Herren, gut ist, dass Sie sich jetzt endlich zu dem Freiwilligenregister bekannt haben, das wir von Anfang an wollten und das durch die Standesvertretungen - die Ärztekammer, die Pflegekammer - für den Fall erstellt wird, dass wir zur Bewältigung des Gesundheitsnotstands zusätzliches Personal brauchen. Es ist gut, dass das jetzt wirklich vollständig auf Freiwilligkeit aufbaut.
Aber schauen wir uns noch einmal das Pflegegesetz an. Auch dort gibt es verfassungsrechtliche und haushaltsrechtliche Bedenken. Es wurde echt herumgedoktert; es wurden Haushaltstitel geschaffen. Die Systematik ist mehr als kompliziert. Es müssen unterschiedliche Vergleichszeiträume geschaffen werden, und dann ist natürlich noch ein kleiner Abzug von 10 % vorgesehen.
Meine Damen und Herren, hier liegt doch der Hase im Pfeffer; denn das Sozialministerium hat sich bei der Kürzungsregelung daran orientiert, wie üblicherweise die Pflegesätze in den Pflegeeinrichtungen seitens der Kostenträger kalkuliert werden. Aber genau diese Kalkulation ist seit Jahr und Tag strittig und führt dazu, dass immer mehr ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen in den Ruin getrieben werden. Das ist für uns so auch nicht akzeptabel. Es kann doch nicht angehen, dass die
COVID-19-Pandemie dazu führt, dass die Strukturen, die entscheidend dafür sind, dass die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen in der Pflege in Niedersachsen so sind, wie sie sind, weiter zementiert werden. Meine Damen und Herren, das geht nicht.
Schauen wir uns noch die Änderungen betreffend § 22 des Krankenhausgesetzes an. Auch mit der Aufnahme der Reha- und Vorsorgeeinrichtungen und der Behelfskrankenhäuser in den niedersächsischen Krankenhausplan wird absolutes Neuland betreten. Da wird ein zweiter Ring zur Erweiterung der Krankenhauskapazitäten gebildet. Aber hier handelt es sich um verschiedene Finanzströme. Die Länder sind für die Planung im Bereich der Krankenhäuser und für die Investitionsmittel und die gesetzliche Krankenkasse ist für die Behandlungs- und Betriebskosten zuständig. Die klarste Regelung wäre, wenn der Bund seine Zuständigkeit verlängern würde. Jetzt übernehmen wir als Land im Falle einer epidemischen Lage von landesweiter Tragweite auch die Krankenhausleistungen in diesen Einrichtungen und mischen froh und fromm, sage ich einmal, im SGB V mit. Die Ausnahmeregelung kann dazu führen, dass sich der Kuchen zur Krankenhausfinanzierung auf noch mehr Antragsteller verteilt, mit fatalen Folgen für die Krankenhausplanung, die schon jetzt unterfinanziert ist.
Zum Schluss, meine Damen und Herren, zu der Regelung im öffentlichen Gesundheitsdienst und zu der geplanten Beschlagnahmung von medizinischem Material, medizinischen Geräten. Bis zum Schluss konnte die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung nicht geklärt werden. Dann griffen Sie in die Trickkiste und haben im Katastrophenschutzgesetz eine Auffanglösung geschaffen, obwohl die Kommunen, die für den Katastrophenschutz zuständig sind, deutlich gemacht haben: Wir wollen im Herbst eine Generalüberarbeitung des Gesetzes. - Da haben Sie in die Trickkiste gegriffen. Fakt ist doch: Sie brauchen gar keine landeseigene Regelung, da dies in § 5 des Bundesinfektionsschutzgesetzes schon geregelt ist. Bevor wir weiter über bundesweite Regelungen nachdenken, sollten wir an europäischen Lösungen in Sachen Materialbeschaffung arbeiten. Der bundesweit verfüg
te Ausfuhrstopp hat deutlich gemacht, dass wir nicht in Kleinstaaterei verharren dürfen, sondern nach europäischen Lösungen suchen müssen.
Fazit: Dieses Bündelungsgesetz kann man in der Summe nur ablehnen. Es ist echt niedersächsisches kleines Karo und verfassungsrechtlich bedenklich. Es mischt sich in Rechtskreise und damit in das Verhältnis von Bund und Land ein. Es schafft mehr Verwirrung als Klarheit für die Beteiligten. Zielgenauigkeit sieht anders aus, Herr Lechner!
Vielen Dank, Frau Kollegin Janssen-Kucz. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die SPDFraktion hat sich nun der Kollege Ulrich Watermann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben aufgrund einer Situation, mit der wir alle so nicht gerechnet haben, einen Entwurf für ein Artikelgesetz gemacht. Wir mussten feststellen - das haben in der Beratung im Wesentlichen alle eingeräumt -, dass wir Regelwerke haben, die mit den Anordnungen, um die Gefahr in den Griff zu bekommen, nicht d’accord sind.
Die Kollegen der AfD sind inzwischen davon abgerückt. Sie haben festgestellt, dass es diese Notlage nicht gibt. Sie hatten nur einmal Panik und hatten jemanden, der mit Tauchermaske in den Ältestenrat gekommen ist.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Landesregierung unter der Federführung des Innenministeriums gut vorgearbeitet hat. Frau Sachs hat das hervorragend zusammengestellt. Das Sozialministerium und andere Ministerien haben die Dinge gut vorbereitet.
ziehen, wenn ich einen früheren Verhandlungspartner hier höre. Sie alle wissen, wenn Sie schon einmal Verantwortung getragen haben, dass die Situation viel schwieriger ist, als wenn man das in der Opposition begleitet. Deshalb bin ich froh, dass wir die kritischen Punkte auch in Zusammenarbeit mit dem Kollegen Lechner und den Kollegen aus dem Sozialausschuss bearbeitet und nach Alternativen gesucht haben, wie bestimmte Dinge zu regeln sind.
Jeder von uns weiß, dass die kommunale Seite Regeln braucht, weil die parlamentarische Begleitung durch Räte und Kreistage schwer gestört war. Jeder weiß, dass wir den Voralarm im Katastrophenschutz brauchen. Jeder weiß, dass wir Lösungen für die Personalräte brauchten. Warum verwehren wir den kommunalen Parlamenten, was wir uns hier selbst einräumen? Wir haben ja auch für uns Regeln geschaffen, wie wir hier Ausschusssitzungen und Plenarsitzungen abhalten können. Warum wollen wir ihnen das verwehren? Warum ist es denn so kritisch, dass man Dinge verbessert, wenn man in einer Gesetzesberatung erkennt, dass sie nicht so gut sind? Viel schlimmer wäre es ja, wenn sie dann nicht geändert würden. Einem dies zum Vorwurf zu machen, finde ich - gelinde gesagt - ein bisschen merkwürdig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns bemüht, alle Dinge anzufassen. Wir haben deutlich gesagt, dass das, was zu überprüfen ist, am Ende auch überprüft wird. Dann wird man sehen, ob bestimmte Regelungen, die wir im Kommunalbereich angepackt haben - wie sie im Katastrophenschutz auch in die Novelle zum Katastrophenschutzgesetz kommen -, vielleicht auch dauerhaft die Kommunalpolitik unterstützen können. Hier mussten wir aber begleitend ein Gesetz schaffen, um bestimmte Dinge zu regeln, die ansonsten aus dem Ruder laufen würden.
Ich kann nur dafür werben, dass Sie das mit großer Mehrheit mittragen. Die Wichtigkeit dieser Regelungen liegt in unserem täglichen Leben auf der Hand, wenn Sie mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Beschäftigten im Gesundheitswesen reden. Klar, es ist sinnvoll, das Freiwilligenangebot zu machen. Wenn es um die Beschlagnahme geht, wenn auf einmal eine Not eintritt, würden Sie uns ja vorwerfen, dass wir dafür keine Regelungen getroffen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, auch bei den Oppositionsfraktionen,
die sehr gut mitgearbeitet haben, aber vor allem auch beim Regierungspartner, der CDU, dafür bedanken, dass wir den Gesetzentwurf in dieser Art und Weise vorlegen können. Mein ausdrücklicher Dank noch einmal an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst! Dieser hatte wirklich große Herausforderungen. Ich bin dankbar, dass wir den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst haben, auch wenn es manchmal für uns ein schwieriges Miteinander ist, weil man um die richtige Lösung ringen muss.
Deswegen sage ich am Ende: Dies ist ein guter Gesetzentwurf. Der Landtag hat eine gute Beratung gemacht, und er hat bewiesen, dass er auch in kritischen Situationen zügig vernünftige Regelungen herbeiführen kann. Ich finde, das ist ein Mehr für die Demokratie. Herzlichen Dank dafür!
Herzlichen Dank, Herr Kollege Watermann. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Pistorius gemeldet. Bitte schön, Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei den Regierungsfraktionen für die Einbringung dieses überaus wichtigen Gesetzentwurfes sowie für die schnelle Befassung in den Ausschüssen herzlich bedanken.
Meine Damen und Herren, die COVID-19-Pandemie stellt uns alle - und insbesondere auch die Verwaltungen - vor enorme Herausforderungen. Der Gesetzentwurf greift viele durch die Pandemie verursachte oder sichtbar gewordene Probleme auf, denen das Land durch die Änderung seiner eigenen Rechtsvorschriften begegnen kann und - ich füge hinzu - auch begegnen muss.
Ja, es stimmt: Der Gesetzentwurf musste in hohem Tempo beraten werden, und zwar deshalb, meine Damen und Herren, weil die Änderungen in den unterschiedlichen Gesetzestexten pandemiebedingt jetzt notwendig sind und keinen langen Aufschub dulden.
Wenn hier gesagt wird „Lass uns doch den Sonderausschuss in aller Ruhe abwarten“ - wie lange der auch immer arbeiten mag - „und die Evaluation, die Überprüfung der Krise und der getroffenen Maßnahmen, der Fehler, die gemacht wurden!“ - ja, diese Aufarbeitung ist notwendig. Sie ist sogar hilfreich und ganz sicher lehrreich. Aber wir haben