Liebe Frau Joumaah, ich darf Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzlich zu Ihrem Geburtstag gratulieren und wünsche Ihnen für das kommende Lebensjahr alles Gute, Glück, Wohlergehen, Gesundheit.
Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 13; das ist die Aktuelle Stunde. Die heutige Sitzung soll gegen 20.51 Uhr enden.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für heute haben sich entschuldigt: von der Fraktion der SPD Herr Axel Brammer und Frau Sabine Tippelt, von der Fraktion der CDU Herr Uwe Dorendorf, Frau Laura Hopmann, Herr Marcel Scharrelmann, Herr Ulf Thiele und Herr Dirk Toepffer, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Julia Willie Hamburg und Frau Miriam Staudte sowie von der Fraktion der AfD Frau Dana Guth.
a) ASP rückt näher: Wie ist Niedersachsen auf die Afrikanische Schweinegrippe vorbereitet? - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 18/7395
Herrn Kollegen Dammann-Tamke erteile ich das Wort. Ich darf Sie alle um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Bitte, Herr Kollege!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Mit dem ASP-Nachweis von vergangener Woche ist die Globalisierung endgültig beim europäischen Wildschwein angekommen. Was meine ich damit? Wie der Name Afrikanische Schweinepest schon sagt, ist dieses Virus ursprünglich in Afrika beheimatet und bei der dortigen Wildschweinpopulation, den Warzenschweinen, bereits seit sehr langer Zeit nachgewiesen. Im Rahmen der Evolution haben diese Warzenschweine eine Resistenz entwickelt, was allerdings nicht für unser europäisches Wildschwein gilt.
Vermutlich über Lebensmittelreste fand irgendwann in Georgien eine Anlandung statt. Auf offenen Müllkippen haben unsere europäischen Wildschweine dieses Virus vermutlich aufgenommen. Seitdem verbreitet sich dieses mit einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von ca. 30 km per anno von Osten nach Westen. Es wird ausschließlich über direkten Körperkontakt, im Wesentlichen über Körperflüssigkeiten, Speichel oder auch Blut, weitergegeben, ist hoch ansteckend, und im Falle einer Infektion tritt bei 90 % einer Population der Tod nach 48 Stunden ein.
In den vergangenen drei Jahren hat dieses Virus große territoriale Sprünge gemacht, vermutlich über Lebensmittelreste nach Tschechien, nach Belgien oder auch in das Gebiet von Westpolen. Seit vergangenem Mittwoch ist es, wie gesagt, auf deutschem Staatsterritorium angekommen.
Besonnenheit in Bezug auf die Gefahr eines Ausbruchs in Niedersachsen. Wir reden hier vor allen Dingen über Prävention. Dabei sind wir sehr gut aufgestellt. Seit Jahren sind alle sensibilisiert, entsprechende Übungen haben stattgefunden, die niedersächsischen Jägerinnen und Jäger haben im vergangenen Jahr mit über 70 000 erlegten Wild
schweinen eine Rekordstrecke aufgestellt, 11 000 dieser 70 000 erlegten Wildschweine, also nahezu jedes sechste, ist über Blutproben auf ASP untersucht worden, 600 verunfallte bzw. tot in Niedersachsen aufgefundene Wildschweine wurden
Besonnenheit auch deshalb, weil unsere niedersächsischen Schweinehalter sehr wohl wissen, dass es über entsprechende Biosicherheitsmaßnahmen möglich ist, dieses Virus aus unseren Hausschweinebeständen herauszuhalten. Mir hat ein erfahrener Kreisveterinär dieser Tage gesagt: ASP in den Hausschweinebeständen bekommt man nicht, das holt man sich. - Will sagen: über mangelnde Hygiene und Fahrlässigkeit.
Sorge dahin gehend, dass die Auswirkungen auf die Märkte sehr wohl gravierend sind. Das gilt sowohl für Deutschland als auch für Europa und auch für die Drittmärkte. Obwohl es in Deutschland keine infizierten Hausschweine gibt, haben unsere Drittmärkte entsprechend den Lieferbeziehungen ihre Märkte sofort für deutsche Ware geschlossen. Das ist nicht unerheblich. Wir haben im ersten Halbjahr dieses Jahres allein aus Deutschland 1,4 Millionen t Schweinefleisch und Schwei
nefleischprodukte exportiert, zwei Drittel davon innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, ein Drittel in Drittländer, vor allem nach China.
Warum werden wir auch zukünftig auf diese Exporte angewiesen sein? Wir Deutschen verwerten von einem Schlachtkörper in etwa 65 %. Etwas übertrieben gesagt, essen wir Deutschen den Schinken, das Kottelet, das Filet und zur Grillsaison vielleicht noch das Nackensteak. Alle anderen Teile eines Schweins finden beim deutschen Verbraucher nicht mehr die Wertigkeit, wie es früher der Fall war, und Pfoten, Ohren, Schwänze, Bauchspeck, Leber und andere Innereien finden auf Drittmärkten ihren Absatz.
China als weltweit größter Schweinehalter sitzt selbst voll mit ASP. Die Chinesen haben in den letzten zwei bis drei Jahren etwa 50 % ihrer Hausschweinbestände verloren bzw. gekeult, weil sie mit ASP vollsitzen. Gleichwohl haben sie jetzt sofort ihre Märkte zugemacht. - In Deutschland wurde bei nur einem Wildschwein ASP nachgewiesen. - Warum haben sie ihre Märkte zugemacht? Weil die Chinesen natürlich auch Geschäftsleute sind und sehr wohl wissen, dass es, wenn die Märkte hier in Turbulenzen geraten, zu einem Preisverfall
kommt - denn wo es Verlierer gibt, gibt es auch Gewinner - und sie sich in Zukunft auf europäischen Märkten, in Spanien, den Niederlanden oder Dänemark, wesentlich günstiger mit dieser Ware eindecken können.
Jedes dritte Schwein - das wissen wir - wird in niedersächsischen Ställen gehalten. Die Wertschöpfungskette entlang des Nutztiers Schwein ist in Niedersachsen ausgesprochen stark ausgeprägt. Daher sind die Sorgen natürlich auch auf die gesamte Wertschöpfungskette zu beziehen.
Was ist zu tun? - Weiter konsequent an der Prävention arbeiten und internationale Märkte weiter bearbeiten! Im Gegensatz zur polnischen und anderen Volkswirtschaften muss es uns als Bundesrepublik Deutschland gelingen nachzuweisen,
dass wir dieses Virus von unseren Hausschweinen fernhalten und dass wir deshalb die internationalen Märkte weiter mit gutem Gewissen bedienen können. Die Nachfrage ist da.
Sorgen vor allem bezüglich der Ferkelerzeuger. Denn durch das Auftauchen des Virus wird der Strukturwandel der letzten zehn Jahre bei der Ferkelerzeugung nochmals enorm an Fahrt gewinnen. Ich befürchte für unsere Ferkelerzeuger leider Schlimmes.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Fall, den alle schon seit Jahren voraussagten, ist nun eingetreten. Die Frage war nicht, ob die ASP nach Deutschland kommt, sondern wann. Das Wann ist nun gekommen. Deutschland besitzt aktuell nicht den Status, seuchenfrei zu sein. Durch diese Tatsache erhöht sich natürlich die Gefahr der Übertragung auf das Hausschwein. Dies betrifft vor allem Niedersachsen, da in unserem Bundesland viele Schweine
halter angesiedelt sind. Im Vergleich zu anderen Seuchen sind wir für diesen Fall aber vorbereitet. Die Kernbotschaft muss sein: Seid wachsam!
Wir als Niedersachsen müssen nun unsere bereitgestellten materiellen und personellen Ressourcen auf ihre sofortige Einsetzbarkeit überprüfen. Die zusammen mit den Gebietseinheiten durchgeführten Übungen geben uns die Verlässlichkeit, diesem Virus gut entgegenzutreten. Wir sollten den Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg bei Bedarf unsere Unterstützung anbieten; denn am Ende sitzen bei der ASP alle Bundesländer gemeinsam in einem Boot. Zusätzlich sollten wir die Situation in Brandenburg genau beobachten, damit wir die aktuell theoretischen Krisenpläne der sich eventuell entwickelnden Realität anpassen können.
Seid wachsam in Bezug auf unsere Landwirte! In den über 5 000 Betrieben in Niedersachsen löste die Nachricht der letzten Woche Entsetzen aus. Es gilt, die schon vorhandenen Hygienemaßnahmen in den Betrieben nun noch sensibler zu beachten. Zu den richtigen Sicherheitsmaßnahmen gehört, dass in den betroffenen Gebieten nun leider keine Hofbesichtigungen oder dergleichen stattfinden können.
Unsere Landkreise und kreisfreien Städte müssen ebenso wachsam sein. Die Landkreise sind mit ihren Veterinärämtern durch die Übungen zusammen mit dem Land vorbereitet. Die Krisenpläne liegen vor Ort vor. Einige Kreise, z. B. der Landkreis Gifhorn, haben veranlasst, präventiv Schutzzäune zu erwerben, um schnell auf einen Tatverdacht bzw. Tatbestand reagieren zu können. Eine funktionierende Früherkennung von möglichen Einschleppungen stellt hohe Anforderungen an Schweinehalter, Tierärzte und Jäger dar, um der Tierseuche im Falle eines Falles möglichst wenig Zeit für die Weiterverbreitung zu geben. Deshalb sollte die Kampagne zur Prävention der ASP weiter verstärkt betrieben werden.
Die Bevölkerung und die Jäger müssen wachsam sein. Bitte werft keine Lebensmittel an den Straßenrand oder in den Wald, vor allem kein Fleisch und keine Wurst! Wenn man Urlaub in Osteuropa macht: Bitte keine Fleisch- oder Wurstwaren mit nach Hause nehmen! - Das ist der Appell an die Bevölkerung.
Jäger und Waldspaziergänger müssen gefundenes Fallwild im besten Falle sofort abtrassieren und dem zuständigen Veterinäramt melden. Ich bitte alle Verantwortlichen in der Jägerschaft, die vor
handene Motivation hoch zu halten, weiter das Schwarzwild zu bejagen. Dies dient direkt dazu, die Übertragungswege bei den Wildschweinen zu erschweren.
Seid wachsam bei den wirtschaftlichen Folgen! Es liegt an uns, in der öffentlichen Kommunikation auf ein regionales Aufkommen hinzuweisen, sodass unsere Absatzwege einigermaßen aufrechterhalten werden können. Parallel sollte trotzdem nach neuen Absatzwegen gesucht werden und sollten diese erschlossen werden. Oberstes Ziel muss sein, den europäischen Absatzmarkt zu erhalten.
Vielleicht zeigt uns diese Seuche auch eine Zeit zum Umdenken auf. Ein Weg könnte sein, die Gesamtzahl der Tiere in Deutschland zu senken und den betroffenen Betrieben Alternativen anzubieten, um ihren Job weiter betreiben zu können. Wenn wir den Eigenversorgungsgrad in den Fokus nehmen, sehen wir, dass wir z. B. beim Schweinfilet ein wenig unterversorgt sind, in vielen Teilen sind wir aber überversorgt. Eine Senkung der Gesamtzahl würde sich positiv auf den Nährstoffeintrag und den CO2-Ausstoß auswirken und somit zu den Klimazielen beitragen. Aber eines steht fest: Die ASP wäre trotzdem nach Deutschland gekommen. Mit dieser Maßnahme könnten wir jedoch eventuell das wirtschaftliche Risiko senken.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Meyer das Wort. Bitte!