Protokoll der Sitzung vom 15.09.2020

Weitere 1,2 Milliarden Euro setzt das Land zur Mitfinanzierung der steuerlichen Entlastungen der niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger ein. Dieses Konjunktur- und Krisenpaket ergänzt die im Ersten Nachtragshaushalt dieses Jahres bereits vom Parlament beschlossenen 1,4 Milliarden Euro.

Meine Damen und Herren, das war ein bisher noch nie dagewesener Kraftakt. Noch nie vorher hat das Land eine so große Höhe an Schulden beschlossen. Angesichts der anhaltenden Notsituation konnte die Ausnahmemöglichkeit vom grundsätzlichen Verbot der Neuverschuldung in Anspruch genommen werden. Man kann nur sagen: Gut, dass wir die Schuldenbremse noch so in der Form verankert haben!

Noch nie vorher haben wir solche Investitionsprogramme aufgelegt.

Von diesen Kraftanstrengungen werden wir noch in den Jahren 2021 und 2022 profitieren. Daher ist es richtig, dass der Ministerpräsident mit der Vorlage des Haushaltsplanentwurfes 2021 gesagt hat:

„Wir konzentrieren uns voll und ganz auf die Bekämpfung der Krise. Das ist die Grundlage dafür, dass wir in den Folgejahren auch wieder andere Schwerpunkte angehen können.“

Das hat soeben auch der Finanzminister in seinen Ausführungen noch einmal sehr deutlich gesagt.

Meine Damen und Herren, mit den Beschlüssen zum Zweiten Nachtragshaushalt 2020 haben wir bereits starke Impulse für eine hoffentlich anziehende Wirtschaft, für den Ausbau der Digitalisierung und für den Innovationsschub des Landes gegeben. Das muss aber erst einmal wirken. Das wird also nicht in zwei Monaten möglich sein.

Ich will das hier gerne insbesondere für den Kollegen Limburg kurz in Erinnerung rufen: 1,9 Milliarden Euro zur Stabilisierung und nachhaltigen Gestaltung der Wirtschaft, 1,1 Milliarden Euro für den kommunalen Rettungsschirm, 646 Millionen Euro für das Gesundheitssystem und für Vorsorgemaßnahmen und immerhin 700 Millionen Euro für vielseitige gesellschaftliche Bereiche - Sie sprachen das gestern an: Kulturbereich, Soloselbstständige, gemeinnützige Organisationen und Sport.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aber die Briefe sind ja trotzdem da!)

- Das hat ja keiner bestritten. Sie haben nur gestern gesagt, wir würden gar nichts machen und es gar nicht erwähnen. Ich kann Ihnen das auch noch einmal in Schriftform geben, damit Sie das nachlesen können.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ich habe Ihnen ja zugehört!)

- Wunderbar!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ich versu- che nur zu erklären - - -)

Herr Limburg, bitte stören Sie die Rednerin nicht!

Die zum Ende der letzten Woche veröffentlichte Steuerschätzung gibt uns etwas Hoffnung für das laufende Jahr. Die Mindereinnahmen werden in 2020 nicht ganz so hoch sein wie befürchtet und um etwa 966 Millionen Euro weniger stark ausfallen. Allerdings - auch darauf hat der Minister hingewiesen - ist das eine Verschiebung auf die nächsten Jahre.

Ich hoffe, dass die Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene wirken und wir 2021 wieder wirtschaftliches Wachstum generieren können. Zarte Hinweise darauf gibt es bereits.

Leider haben wir in einigen Branchen aber auch zu befürchten, dass Corona erst in den nächsten Monaten die wahren Folgen zeigen werden. So haben in den ersten Monaten der Krise die Unternehmen noch von ihren Rücklagen und von dem hohen Wachstum der Jahre 2018 und 2019 profitieren können. Doch die Probleme werden immer deutlicher. In einigen Unternehmen steht die Existenz auf dem Spiel.

Meine Fraktion ist der Landesregierung dafür dankbar, dass sie sich insbesondere auch der Problematik der Schiffsindustrie und der Automobilzuliefererindustrie widmet. Ebenso erwarten wir, dass die Richtlinien für die kleinen und mittelständischen Unternehmen und die Kreativwirtschaft sowie die Soloselbstständigen - ich habe gestern selber noch einmal darauf hingewiesen - und auch Schausteller schnellstmöglich greifen können.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung verzichtet in dem Haushaltsplanentwurf 2021 und der mittelfristigen Finanzplanung auf neue Vorhaben. Das tut an der einen oder anderen Stelle auch sehr weh. Das gebe ich unumwunden zu. Ich will hier ausdrücklich noch einmal auf den Ausbau des Medizinstandortes Oldenburg, auf die European Medical School, verweisen. Ich kann aber zumindest für meine Fraktion sagen: Wir bleiben da im Gespräch. Wir haben große Hoffnung, dass uns da noch etwas gelingt. Der Ministerpräsident hat heute im Rahmen der Befragung dazu Stellung bezogen.

Insgesamt 380 Millionen Euro aus dem Jahresabschluss 2019 investieren wir für Klima-, Arten- und Waldschutz: 150 Millionen Euro sind vorgesehen für notwendige Maßnahmen zum Klimaschutz, für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und für die Klimafolgenanpassung in den Bereichen Wassermanagement und Hochwasser.

Im Bereich Artenschutz sollen mit insgesamt 120 Millionen Euro Maßnahmen finanziert werden, die sich aus der Vereinbarung der Landesregierung mit den Umweltverbänden, dem „Niedersächsischen Weg“, u. a. für die Landeskofinanzierung der GAK-Mittel zum Insektenschutz und zur Finanzierung der Managementmaßnahmen für Natura2000-Gebiete ergeben.

Meine Damen und Herren, der SPD-Fraktion ist es besonders wichtig, dass wir auch in Krisenzeiten an der Zukunftsaufgabe des Klima- und Artenschutzes weiterarbeiten. Dass diese Mammutaufgabe angegangen werden kann und die Maßnahmen im Dialog mit den Akteuren sowohl auf der

Seite des Umweltschutzes als auch auf der Seite der Landwirtschaft gemeinsam erarbeitet wurden, ist wohl in der Geschichte Niedersachsens einzigartig. Dafür danke ich ausdrücklich allen, die an diesem „Niedersächsischen Weg“ mitgearbeitet haben: den Verbänden, der Landwirtschaft, aber auch unserem Umweltminister Olaf Lies und seiner Kollegin, der Landwirtschaftsministerin Bärbel Otte-Kinast.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Aber wir leisten noch mehr für unsere Natur mit diesem Haushaltsentwurf 2021: Im Bereich Forstwirtschaft sollen 110 Millionen Euro bereitgestellt werden. Diese Mittel sollen ebenfalls teilweise in die Landeskofinanzierung der GAK-Mittel zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel fließen. Ein Teil ist für ein klimaangepasstes Wiederaufforstungsprogramm der Anstalt Niedersächsische Landesforsten vorgesehen.

Wir investieren in den sozialen Wohnungsbau. Wir fördern Krankenhausinvestitionen. Und wir investieren in unsere Hochschulen.

Meine Damen und Herren, es ist schon eine Leistung an sich, dass wir in dieser schwierigen Zeit nicht zu pauschalen Kürzungen kommen müssen. Vor dem Hintergrund des enormen Krisen- und Konjunkturpaketes von insgesamt fast 10 Milliarden Euro in den beiden Nachtragshaushalten hat sich die Landesregierung im Haushaltsentwurf 2021 auf eine Fortsetzung der bisherigen Schwerpunkte beschränkt. Gleichzeitig werden aber vielfältige Angebote in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen gesichert. Diese Angebote sind umso wichtiger, als sie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land stehen.

Meine Damen und Herren, Verlässlichkeit in der Krise ist mit diesem Haushaltsentwurf bereits gut gelungen.

Ich freue mich auf die Beratungen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Modder.

Ich hatte eigentlich Herrn Dr. Birkner auf dem Plan. Er hat sich aber zu TOP 14 gemeldet.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das war ein Versehen!)

Davon sind wir fest ausgegangen; denn den Tagesordnungspunkt 14 haben wir heute Vormittag bereits behandelt. Gut gestärkt sind Sie jetzt an der Reihe. Bitte sehr!

Herr Präsident, vielen Dank für die wohlwollende Auslegung meiner Wortmeldung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushaltsplanentwurf zeigt einmal mehr, wie diese Landesregierung - wenn auch jetzt unter neuen Vorzeichen - Politik macht.

In den letzten Jahren ist es dieser Landesregierung immer gelungen, die Differenzen, die in der Politik zwischen SPD und CDU bestehen - auch naturgemäß bestehen -, nicht dadurch zu beheben, dass man sich auf eine gemeinsame Politik einigt. Vielmehr hat man einfach angesichts des vielen Geldes, das man aufgrund der hohen Steuereinnahmen zur Verfügung hatte, alles gemacht, was man irgendwie für wünschenswert gehalten hat.

Bisher war es nicht notwendig, echte Prioritäten im Sinne einer gemeinsamen Idee für Niedersachsen zu entwickeln, weil man ja das Geld der Steuerzahler hatte, mit dem man die politischen Gräben, die einen eigentlich trennen, zuschütten konnte.

Das hat sich jetzt aber geändert. Die Pandemie hat die Kassen leergespült. Jetzt sind hohe Ausgaben notwendig, um die Auswirkungen der Pandemie zu bewältigen, die uns als Haushaltsgesetzgeber vor Herausforderungen bei den Haushaltsberatungen stellen.

Statt jetzt tatsächlich Prioritäten zu setzen und damit zu beginnen, wofür Sie meines Erachtens in der Verantwortung sind, nämlich echte Politik zu machen, indem man sagt, was man wirklich will und was man vielleicht auch nicht will, machen Sie im Prinzip eigentlich so weiter wie bisher. Sie haben auch selbst gesagt, dass Sie das alles ein bisschen weiter finanzieren. Dann kommt eine Globale Minderausgabe, und man geht wie mit dem Rasenmäher vor. Aber eine echte inhaltliche Prioritätensetzung, Frau Kollegin Modder, ist nicht zu erkennen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Herr Hilbers, auch Sie waren gestern bei dem Parlamentarischen Abend der Universitätsmedizin. Es wäre interessant gewesen, zu sehen, wie die Ver

treter der Universität Oldenburg reagiert hätten, wenn Sie denen genauso deutlich gesagt hätten, dass die EMS in der Finanzplanung nie vorgesehen gewesen ist. Ich hatte den Eindruck, die Vertreter der Universitätsmedizin Oldenburg hatten einen anderen Eindruck und andere Erwartungen gegenüber der Landesregierung. Sie haben nämlich im Gegensatz zu Ihnen Ihren Koalitionsvertrag ernst genommen.

Sie haben es nicht einmal für nötig erachtet, die EMS in der Finanzplanung abzusichern. Es ist schon bemerkenswert, wie Sie die Menschen ein Stück weit täuschen, indem Sie auf der einen Seite etwas versprechen, dies auf der anderen Seite aber nicht mit den nötigen finanziellen Mitteln unterlegen. Jetzt muss der Wissenschaftsminister zusehen, wo er 40 Millionen Euro - der Kollege Wenzel hat dies schon gesagt - findet. Als Haushaltsgesetzgeber sind wir ziemlich überrascht, was plötzlich alles so möglich ist.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Ich bitte, zu einer seriösen Haushaltspolitik zurückzukehren.

Nach unserer Auffassung kann es in den diesjährigen Haushaltsberatungen nicht darum gehen, einfach die Lieblingsprojekte weiterzufinanzieren, sondern es muss darum gehen, mit den wenigen Mitteln, die vorhanden sind, punktuell wichtige Akzente zu setzen und gleichzeitig generationengerecht zu agieren. Das heißt vor allem auch, so wenig Schulden zu machen wie möglich. Aber die Schuldenbegrenzung funktioniert bei der Landesregierung nur eingeschränkt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal einen Blick auf die Corona-Mittel werfen. Wir haben im Zusammenhang mit den Nachtragshaushalten schon die Debatte darüber geführt, dass in großem Stil Projekte unter dem Corona-Vorzeichen finanziert werden sollen, die mit Corona originär nichts zu tun haben. Das gilt z. B. für die Gebäudesanierung, für die Fuhrparkerneuerung und für den Radwegebau. Das alles sind Dinge, die mit Corona-Politik nichts zu tun haben.

Sie dienen nicht - allenfalls mittelbar, wenn man das denn überhaupt so konstruieren mag - der Bewältigung der Krise. Am Ende tun Sie nichts anderes, als sich zulasten künftiger Generationen zu bedienen, um Ihre Wahlversprechen noch zu finanzieren, und das unter dem Deckmantel der Corona-Bewältigung. Das ist unseriös und zeigt,

dass es Ihnen - anders, als Herr Hilbers versucht, den Eindruck zu erwecken - nicht darum geht, die Schulden zu begrenzen. Vielmehr gehen Sie selbstverständlich gerne in neue Schulden, um diese Projekte noch finanzieren zu können. Auch das halten wir nicht für richtig.

(Beifall bei der FDP)