Protokoll der Sitzung vom 15.09.2020

(Beifall bei der FDP)

Das gilt mindestens auch für die 180 Millionen Euro notsituationsbedingte Kredite, die Sie hätten versuchen müssen einzusparen, was Sie auch durchaus hätten tun können.

Dass Sie keine Schwerpunktsetzungen in der Haushaltspolitik vornehmen - ich habe es eben schon angedeutet -, zeigt sich insbesondere dann, wenn Sie versuchen, auf der Gegenseite der Einnahmeseite, nämlich auf der Ausgabenseite, durch eine Globale Minderausgabe zu Reduktionen zu kommen. Globale Minderausgaben, Herr Minister Hilbers, sind doch gerade ein Zeugnis für die Verweigerung von Politik. Am Ende wirkt eine Globale Minderausgabe wie ein Rasenmäher, indem Sie jedem Ressort sagen: So viel weniger!

Der Wissenschaftsminister wird sich sicherlich noch gut an den Parlamentarischen Abend der Hochschulrektorenkonferenz vor etwa einem dreiviertel Jahr oder einem Jahr erinnern, auf der darauf hingewiesen wurde, dass die Globale Minderausgabe in diesem Bereich 1 : 1 bei den Universitäten ankommt. Damit wird doch deutlich, was passiert: Ihre Politik ist nicht auf Forschung und Wissenschaft, nicht auf die Förderung der künftigen Generationen ausgerichtet, weil Sie nämlich undifferenziert Einsparauflagen weitergeben. Das kommt 1 : 1 im Lehrangebot und bei den Ausstattungen der Lehrstühle der Universitäten an. Das ist die Politik, die Sie zu verantworten haben, wenn Sie keine Schwerpunkte setzen. Das ist die Folge Ihrer Uneinigkeit oder Ihrer Unfähigkeit, gemeinsam Prioritäten zu finden.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Zur Schuldenpolitik und zu der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen: Sie versuchen immer noch, uns zu erklären - auch heute haben Sie dies wieder getan, Herr Hilbers -, dass es einen Tilgungsplan gebe, der total seriös sei. Sie wollen in den nächsten 25 Jahren im Schnitt rund 325 Millionen Euro pro Jahr tilgen.

Herr Hilbers, Sie waren ja selber mal in der Opposition Haushaltspolitiker. Sie glauben doch selber nicht, dass Sie das nur eine Sekunde lang einem

niedersächsischen Finanzminister - egal welcher Couleur - geglaubt hätten?

(Zurufe von den GRÜNEN)

Wenn man sich die Haushaltspolitik der letzten Jahrzehnte in Niedersachsen anguckt: 325 Millionen Euro jedes Jahr über einen Zeitraum von 25 Jahren! Das kann man vielleicht leisten, wenn man so im Geld schwimmt, wie Sie das in den letzten Jahren getan haben. Aber doch nicht, wenn eigentlich eine Normallage herrscht, bei der man nicht über zehn Jahre eine Konjunktur hat, die die Haushaltskassen vollspült. Dafür gibt es eben keine Anhaltspunkte. Das kann nicht die Grundlage dafür sein. Deshalb ist das komplett unseriös und auch ein Zeichen dafür, dass es nicht ernst gemeint sein kann, was Sie dort tun.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Dass Sie das in den letzten Jahren nicht ernst gemeint haben, zeigt sich auch daran, dass Sie keine echten Konsolidierungsbemühungen in den eigenen Reihen vorgenommen haben. Wo bleibt denn die Verwaltungsreform? Wo bleibt denn eine Haushaltsstrukturkommission, die sich damit auseinandersetzt? Wo bleibt denn die Aufgabenkritik? - Nichts davon wird ernsthaft betrieben.

Wir haben eine Anfrage gestellt, wie viele Kommissionen usw. es gibt. Die Landesregierung hat darauf geantwortet. Aber was mir dabei fehlt, ist die Haushaltsstrukturkommission. Sie haben 50 Kommissionen. Das ist die ungefähre Größenordnung. Das mag auch alles gerechtfertigt sein. Die Haushaltsstruktur ist Ihnen das aber nicht wert gewesen. Es ist bezeichnend, dass es für alles etwas gibt, aber für die Haushaltsfragen am Ende nicht.

Stattdessen haben Sie die Verwaltung aufgebläht. Da sind die berühmten 100 Stellen zu Beginn der Legislatur, die Sie natürlich über die Jahre forttragen und die, solange sie vorhanden sind, weiterhin Kosten verursachen. Und der Landesrechnungshof hat herausgearbeitet - das ist ganz bemerkenswert und bestätigt das, was wir ohnehin beobachtet hatten -, dass Sie die Anzahl von Abteilungen und Referaten von 265 auf 311 erhöht haben.

Meine Damen und Herren, der Output dieser Landesregierung hat sich - ich würde sogar zum Teil sagen: glücklicherweise - nicht in diesem Maße erhöht. Was passiert da eigentlich? Ist die Verwaltung wirklich effizienter geworden? Stehen wirklich mehr Aufgaben dahinter? - Das ist doch nicht der

Fall! Sie haben zum Teil Referatsleitungen, Führungspersonen, die kaum Mitarbeiter haben, die es zu führen gilt. Was läuft denn da? - Wenn man da mal genauer hinguckt, ist es doch klar - im Kontext mit den 100 Stellen.

Wir können uns auch mal die Personalpolitik im MI angucken. Schauen wir uns die MinisterbüroGeschichten an: Da wird jemand Büroleiter mit B6. Dann wird er als Dezernent nach Braunschweig - als Abteilungsleiter, Herr Minister! - abgeordnet. Das riecht doch nach Ämterpatronage.

(Beifall bei der FDP)

Vielleicht gucken Sie sich die Personalien mal genauer an!

Das ist doch das Bild, das der Landesrechnungshof im Prinzip auch bestätigt: Die Verwaltung wird aufgebläht, ohne dass dies in Bezug auf die Aufgabenerfüllung, die dahinter stehen könnte, in irgendeiner Weise gerechtfertigt wäre.

All das zeigt, dass den Worten des Finanzministers zum Trotz hier in Niedersachsen eben nicht einer seriösen, auf Einsparungen bedachten, strengen Haushaltspolitik nachgegangen wird, sondern dass das eigentlich nur Worte sind. Bisher ist nicht so offensichtlich geworden, dass das so ist, weil man das viele Geld hatte. Das wird jetzt enger.

Meine Damen und Herren, wir sehen auch, dass man darüber hinaus - wie bereits gesagt - bei den Corona-Mitteln in die Vollen gegangen ist und sich damit im Prinzip die Taschen vollgesteckt hat. Schauen Sie es sich mal an: Bisher diente das alles nicht erkennbar zur Bewältigung der CoronaKrise, abgesehen von den Dingen, die ich ohnehin schon gesagt habe. Vom ersten Nachtragshaushalt sind bisher rund 40 % der Mittel nicht abgeflossen. Vom zweiten Nachtragshaushalt - rund 7 Milliarden Euro - sind bisher 152 Millionen abgerufen, zumindest für das Jahr 2020, und 58 Millionen der Mittel sind verausgabt. Damit sind mit 6,8 Milliarden noch über 97 % der Mittel verfügbar.

Das ist aus unserer Sicht nicht in Ordnung, weil Sie sich damit sozusagen einen Puffer, einen Vorrat schaffen, der insoweit dem Haushaltsgesetzgeber, was die weiteren Beratungen angeht, im Wesentlichen entzogen ist, zumindest was die konkrete Beschlussfassung darüber angeht. Das zeigt nach unserer Auffassung wiederum, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, dass Sie sich mit Blick auf die Wahlkämpfe und die sich verschlechternde Kassenlage hier schon einmal einen entsprechen

den Puffer geschaffen haben. Darauf werden wir weiterhin einen kritischen Blick haben.

(Beifall bei der FDP)

Wir erwarten von einer Landesregierung, dass sie eine seriöse Haushaltspolitik betreibt, die auch insbesondere die Haushaltskonsolidierung in den Blick nimmt, die tatsächlich Einsparungen in den Blick nimmt, die eine Verwaltungsreform angeht - dort, wo sie selbst etwas in der Hand hat -, die Ideen dazu entwickelt, wie sich die Steuersituation wieder verbessert, sodass sich die Investitionsbedingungen und die Wettbewerbsfähigkeit in Niedersachsen und in Deutschland wieder verbessern, und damit Finanz- und Wirtschaftspolitik aus einem Guss betreibt. Wir erleben bei dieser Landesregierung aber, dass das nicht der Fall ist.

Ich komme darauf zurück - ich habe es gestern in der Aussprache zur Regierungserklärung schon gesagt -: Finanzminister Hilbers macht Vorschläge, was die Unternehmenssteuerreform angeht, und spricht sich für Steuersenkungen aus. Das halten wir auch für den richtigen Weg, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und tatsächlich aus der Krise gestärkt herauszukommen. Und wenn man das noch mit Entbürokratisierung verbindet, besteht wirklich die Chance, mit einem bestmöglichen Ergebnis herauszukommen.

Das wird also auf der einen Seite verfolgt und, wie gesagt, von uns auch für richtig gehalten. Und auf der anderen Seite hört man Signale, dass der Ministerpräsident davon nicht so fürchterlich viel hält, er insbesondere aber die Vorschläge von Herrn Scholz, was Steuererhöhungen angeht, unterstützt.

Jetzt kann man ja für beide Seiten streiten, und man kann unterschiedlicher Auffassung sein. Das eigentliche Problem ist aber doch, dass die Landesregierung dabei keine geschlossene Positionierung hat. Was ist denn tatsächlich die wirtschafts- und finanzpolitische Linie, die diese Landesregierung gegenüber dem Bund vertritt? Damit stehen wir doch vor zwei Jahren der politischen Lähmung.

Der Wahlkampf ist offensichtlich eröffnet. Der Ministerpräsident hat schon gesagt, dass er am liebsten nicht mehr mit der CDU weiterregieren will und am liebsten mit den Grünen regieren will. Wohin das haushaltspolitisch führt, haben wir heute gehört. Das ist ein Weg, der völlig verantwortungslos ist, hier im Prinzip über Schattenhaushalte, über diese Investitionshaushalte, die da geplant sind, in die milliardenmäßige Neuverschuldung zu gehen.

(Zustimmung bei der FDP)

Das ist die politische Situation. Wir haben einen Ministerpräsidenten, der mit den Grünen regieren will. Wir haben eine CDU, die in dieser Frage ganz vernünftige Positionen vertritt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der CDU: Oh!)

- In dieser Frage ja.

Aber sie hat keine Chance, diese umzusetzen. Genau darum geht es. Mir geht es gar nicht so sehr darum, wer was will oder was parteipolitisch für wen besser ist. Mir geht es darum, was das Beste für das Land ist. Und da haben wir eine Landesregierung, die nicht in der Lage ist, eine gemeinsame Position zu vertreten und für Niedersachsen die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit zu erhöhen.

(Zurufe von der SPD)

Das müssten Sie eigentlich leisten. Im Prinzip ist dieser Haushalt ein Abbild dieser Unfähigkeit, eine priorisierte Haushalts-, Wirtschafts- und Finanzpolitik zu betreiben.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner.

(Johanne Modder [SPD]: Das hat die FDP nun auch nicht nötig! - Gegenruf von Dr. Stefan Birkner [FDP]: Was denn? - Johanne Modder [SPD]: Sich so zu präsentieren!)

Meine Damen und Herren, keine internen Dialoge bitte! Das kann man auch draußen machen, oder öffentlich, wie Sie wollen.

Jetzt ist die CDU-Fraktion dran. Kollege Jens Nacke, bitte sehr! Sie haben das Wort.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Finanzminister, es ist ja bekanntlich das Los der CDU in dieser Legislaturperiode, erst dann zum Haushalt sprechen zu dürfen, wenn der Finanzminister Reinhold Hilbers und auch die Fraktionsvorsitzende unseres nahezu gleichgroßen Koalitionspartners bereits alles gesagt haben.

(Heiterkeit - Johanne Modder [SPD]: Nahezu? - Weitere Zurufe)

Ich gebe zu, heute kommt mir das Ganze entgegen, weil sich der Kollege Toepffer, unser Fraktionsvorsitzender, der eigentlich hier jetzt das Wort ergriffen hätte, heute aufgrund einer Erkältung leider entscheiden musste, zu Hause zu bleiben, und auch der Kollege Thiele entschuldigt ist. Es ist das passiert, was dann immer passiert: Wenn man nicht mehr genau weiß, wer zuständig ist, dann sind die Parlamentarischen Geschäftsführer dran.

(Heiterkeit)

Vor einem Jahr hätte ich wohl an dieser Stelle gesagt: Bitte haben Sie Verständnis, dass der Kollege Toepffer seine Viren heute lieber in der Familie verteilt! Aber auch dieser Witz ist etwas aus der Zeit gefallen, also werde ich ihn heute nicht bringen.

Aber ich möchte mich nicht nur mit den bloßen Zahlen beschäftigen und hier an die Haushaltsreden anknüpfen, die der Fraktionsvorsitzende hier an dieser Stelle schon gehalten hat.

Der Haushalt ist gewohnt gründlich präsentiert worden. Und es ist nicht so, dass diese Zahlen und dieser Haushalt nicht wichtig wären. Ganz im Gegenteil! Die öffentlichen Mittel sind Geld, welches die Menschen in unserem Land erarbeitet und an den Staat abgeführt haben. Sie haben ein Recht darauf, dass wir sorgsam damit umgehen.

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei unserem Finanzminister Reinhold Hilbers und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Finanzverwaltung bedanken. Sehr oft steht der Finanzminister alleine jenen gegenüber, die berechtigte und gewünschte Ausgaben an ihn herantragen. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit, Herr Finanzminister!