Protokoll der Sitzung vom 15.09.2020

(Beifall bei der SPD)

Denn die Voraussetzungen haben sich für viele Betriebe in der Corona-Situation nun einmal deutlich verschlechtert. Viele waren vom Lockdown betroffen, und in der beruflichen Bildung war das Problem, dass nicht nur die berufsbildenden Schulen geschlossen waren, sondern auch Betriebe nicht arbeiten konnten, in der Veranstaltungswirtschaft faktisch sogar von einem Berufsverbot betroffen waren. Gastronomie und Teile des Einzelhandels waren über Wochen geschlossen, und im produzierenden Gewerbe und in der Industrie waren Lieferketten unterbrochen, sodass die Auszubildenden natürlich in doppelter Hinsicht darunter gelitten haben: Sie konnten nicht in die berufsbildenden Schulen, und sie konnten auch nicht im Betrieb tätig sein. Das hat dazu geführt, dass Ausbildungen unterbrochen wurden, dass Prüfungen

nicht abgelegt werden konnten, dass Prüfungen verschoben werden mussten. Das hat leider auch bei einzelnen Auszubildenden dazu geführt, dass sie die Prüfung unter diesen erschwerten Bedingungen nicht bestanden haben.

Auch wenn sich die Stellenlage im Bund wie auch in Niedersachsen erst einmal gar nicht so dramatisch darstellt, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zum einen weniger Stellen gibt, aber zum anderen auch weniger Bewerberinnen und Bewerber. Deswegen ist es natürlich umso wichtiger, dass Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, die den Fachkräftebedarf decken helfen und den jungen Menschen einen guten Start ins Berufsleben ermöglichen - auch in Zeiten, in denen niemand weiß, ob es pandemiebedingt nicht doch wieder zu Einschränkungen des öffentlichen Lebens kommt. Ob es noch einen weiteren Lockdown geben wird - das hoffen wir alle nicht -, wissen wir eben nicht.

Nun zu den Eckpunkten des Aktionsplans, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht darum, Ausbildungsbetriebe zu unterstützen. Deshalb gibt es Prämien für Betriebe, die Ausbildungsverträge verlängern, gerade wenn die Ausbildung pandemiebedingt unterbrochen war. Diese Prämie beträgt 500 Euro. Es gibt zudem eine Prämie für Betriebe, die zusätzliche Ausbildungsverträge abschließen, insbesondere mit Jugendlichen mit Vermittlungshemmnissen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Zusammenhang mit beruflicher Bildung war auch immer wieder in der Diskussion, dass wir bislang - bis hin zu Corona am Anfang des Jahres - eine Situation hatten, in der es auf der einen Seite Ausbildungsplätze gab, die unbesetzt waren, und wir auf der anderen Seite aber immer noch unversorgte Jugendliche hatten, insbesondere die mit Vermittlungshemmnissen, wie das so schön heißt. Das sind, auf Deutsch gesagt, einfach diejenigen, die keinen geraden Schulweg, keine gute Schulkarriere hatten, aber trotzdem einen guten Start ins Berufsleben haben müssen. Im Sinne dieser Jugendlichen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir unterstützen also nicht nur die Betriebe, sondern wir unterstützen auch die überbetriebliche Lehrlingsausbildung. Sie ist insbesondere im Handwerk, der Landwirtschaft und der Bauwirtschaft ein ganz entscheidender und wichtiger Baustein, und da wird der Landesanteil zusätzlich zu den Bundesmitteln deutlich erhöht.

(Beifall bei der SPD)

Wir unterstützen aber auch die Auszubildenden. Durch das Programm „Brücke in Ausbildung“ werden an den berufsbildenden Schulen bis zum 1. Dezember 2020 alle Kräfte gebündelt, um noch nicht vermittelte Jugendliche in Ausbildung zu bringen. Auch das wird finanziell abgesichert.

Und wir belohnen Mobilität und Flexibilität bei den Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz annehmen, der weiter als 45 km von zu Hause entfernt ist, mit einer Prämie von 500 Euro. Hier sei gesagt, dass das kein Ersatz für kostengünstige Schülerfahrkarten im Sek-II-Bereich, wie sie im Koalitionsvertrag stehen, ist, sondern eine kurzfristige Maßnahme, um die Mobilität von Jugendlichen zu unterstützen, und das ist, denke ich, ein richtiger Schritt in diesem Zusammenhang.

Diese Maßnahmen ergänzen das Paket „Schutzschirm für Ausbildung“, welches auf Bundesebene geschnürt wurde. Die Sozialpartner IHK, Handwerkskammer, Unternehmerverbände und der DGB begrüßen das Paket. Ich glaube, das zeigt, dass wir mit unseren Maßnahmen an der richtigen Stelle angesetzt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Abschließend bleibt festzuhalten: Für eine gute Perspektive am niedersächsischen Ausbildungsmarkt müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Die Arbeitgeber müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein und weiter ausbilden, die Jugendlichen sollten bei ihrer Berufswahl offen und flexibel sein, Lehrkräfte sowie Berufsberaterinnen und Berufsberater sind im Hinblick auf Berufsorientierung und Vermittlung mehr denn je gefragt, und Politik muss unterstützen und gute Voraussetzungen schaffen, wie wir das mit diesem „Aktionsplan Ausbildung“ machen.

Eines bleibt festzuhalten: Es darf keine verlorene „Generation Corona“ am Ausbildungsmarkt geben, denn der Wohlstand unseres Landes hängt maßgeblich vom Fachkräftenachwuchs ab.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bratmann. - Für Bündnis 90/Die Grünen hat sich die Kollegin Eva Viehoff gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Erfolgsmodell „dua

le Ausbildung“ ist in der Krise, und das nicht erst seit Corona. Der Ausbildungsmarkt ist seit vielen Jahren angespannt. Denn nur noch ein Fünftel der Unternehmen bilden tatsächlich aus, unabhängig von der Pandemie.

Das liegt natürlich auch daran, dass wir es immer noch nicht geschafft haben, die Gleichwertigkeit akademischer und dualer Ausbildung hinzubekommen. Da hilft es auch nicht, wenn man auf Bundesebene entscheidet, dass der Meister sich jetzt auch Master nennen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Trotzdem sind die Klagen über den Fachkräftemangel groß. Dass die Pandemie die Gesamtsituation noch einmal verschlechtert hat, ist klar.

Meine Damen und Herren, gerade in den ausbildungsstarken Bereichen gab es 2020 ein Viertel weniger Ausbildungsplätze in Niedersachsen. Das betrifft besonders die Bereiche Gastronomie, Handel und Tourismus.

Wie sieht es denn aktuell aus? - Die Handwerkskammer meldet einen Rückgang der Zahl der Ausbildungsverträge um 20 %, auch die IHK einen Rückgang um rund 20 % und die Landwirtschaftskammer einen Rückgang um 5 bis 10 %.

Die Folgen der Pandemie sind aber, wie schon erwähnt, nicht der alleinige Grund für die Krise am Ausbildungsmarkt, meine Damen und Herren. Niedersachsen hat schon lange eine unbefriedigende Angebot-Nachfrage-Relation. Sie liegt in Niedersachsen bei 90 %, und das nicht erst seit 2020. Damit belegt Niedersachsen den letzten Platz unter den Flächenländern. Mit einer solchen Relation haben Jugendliche eben nicht die Auswahl für ihren Wunschberuf. Denn dafür braucht es eine Angebot-Nachfrage-Relation, die deutlich über 100 % liegt. Davon ist Niedersachsen schon lange weit entfernt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Selbstverständlich geht das Angebot an Lehrstellen zurück. Im gleichen Zeitraum nimmt auch die Zahl der Bewerbungen ab. Das hat, wie erwähnt, viel mit der nicht hergestellten Gleichwertigkeit zu tun.

Die schlechten Ausbildungschancen in Niedersachsen haben Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit. So ist sie 2020 für die Menschen unter 25 Jahren um 28,8 % gestiegen.

Nun hat die Große Koalition mit dem Zweiten Nachtragshaushalt und dem Aktionsplan Ausbildung auf diese Situation zu reagieren versucht. Leider, meine Damen und Herren, ist es nicht ein Wumms, sondern nur ein Wümmschen geworden. Von den vier Punkten ist nach unserer Ansicht einzig und allein lobenswert, dass es tatsächlich eine finanzielle Unterstützung für noch ausbildende Betriebe gibt, damit es nicht zu erzwungenen Ausbildungsabbrüchen kommt. Das ist richtig und gut.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Doch, meine Damen und Herren, wer zusätzlich ausbilden soll, dem helfen einmalig 1 000 Euro nicht. Solch eine Ausbildung dauert drei Jahre. In der Krise ist man da mit 1 000 Euro noch nicht wirklich mit dabei.

Auch das Programm „Brücke in Ausbildung“ greift zu kurz. Nur Schule reicht nicht. Es dient einzig und allein dazu, die Statistik zu schönen; diese Jugendlichen gehen nicht in die Statistik der nicht versorgten Jugendlichen ein. Wichtig wäre, den jungen Menschen die Perspektive einer betrieblichen Ausbildung zu bieten. Und ehrlicherweise fragt man sich: Woher kommen eigentlich all die Lehrkräfte her, die jetzt die zusätzlichen, an den berufsbildenden Schulen geparkten Schülerinnen und Schüler unterrichten sollen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Land Bremen macht es vor und investiert tatsächlich 13 Millionen Euro, um einen trägergestützten, überbetrieblichen Ausbildungsverbund

einzurichten. Bremen parkt die Jugendlichen nicht, sondern sichert ihnen eine möglichst schnelle betriebliche Ausbildung zu. Das ist eine Zukunftsperspektive.

Vollkommen unverständlich bleibt für uns die Mobilitätsprämie. Viel besser wäre hier das von uns lange geforderte Azubi-Ticket gewesen, das auch von den Gewerkschaften und allen Jugendverbänden gefordert wird. Diese Mobilitätsprämie ist weder nachhaltig noch ökologisch, noch ist sie zielführend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Krise wahrnehmen, dann aber halbherzig und nicht nachhaltig agieren - das ist auf vielen Politikfeldern inzwischen ein Markenzeichen dieser Landesregierung. Die Krise auf dem Ausbildungsmarkt wird so nicht überwunden werden.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Viehoff. - Für die Fraktion der AfD hat nun der Kollege Stefan Henze das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! „Kurs halten in der Krise: Ausbildung weiter stärken!“ - so der Titel dieser Aktuellen Stunde. Ja, was denn sonst, liebe SPD?

Die Ausbildung zu stärken, ist angesichts verschiedener politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen ohnehin oberstes Gebot und eigentlich politische Daueragenda, zum einen weil alle Ausbildungsberufe - ob in Industrie, Handwerk oder Dienstleistungsbereich - aufgrund der zunehmenden Abiturientenzahlen unter Attraktivitätsdruck stehen - das wissen Sie alle -, zum anderen weil die demografische Entwicklung zu einem Fach- und Führungskräftemangel führt. Das ist uns klar. Daran sollten wir arbeiten. Davon sehe ich allerdings weder hier noch in der Bundespolitik allzu viel.

All das wissen die Regierenden seit Jahrzehnten. Der Weg in das Dilemma wurde von ihnen sogar politisch befeuert. Ich greife einmal den europäischen Aspekt heraus: Längst nicht alle EU-Länder kennen und wollen die duale Ausbildung, die - da werden Sie mir zustimmen - wirklich Teil der deutschen Erfolgs-DNA ist. Die Europapolitik erzeugt also zusätzlichen Druck auf unsere Ausbildungsmärkte.

Wer regiert denn schon seit vielen Jahren in Berlin und auch hier? - SPD und CDU. Wenn sie über Jahre einen Kurs der Vernunft, der auch die Verteidigung und Implementierung deutscher Errungenschaften in Europa beinhaltet hätte, eingeschlagen und auch durchgesetzt hätten, wäre die heutige Aktuelle Stunde zumindest in Teilen überflüssig.

Zum Glück gibt es uns als konstruktive Opposition. Wenn Sie sich jetzt Sorgen um die gute Ausbildung junger Menschen machen, dann ist das sicher richtig.

Ich muss Ihnen auch sagen: Sie haben uns 2015 erzählt, es kämen viele Menschen zu uns, die sozusagen unseren Arbeitsmarkt füllen, die den Fachkräftemangel beheben. Das ist nicht passiert. Denn Deutschland als Einwanderungsland ist für

Einwanderer, die „plug and play“ beherrschen, total unattraktiv geworden. Auch das müssen Sie selber so sehen.

Bei der Corona-Pandemie jedenfalls kann man bei genauer Analyse die Schuld nicht abladen. Lassen Sie das bitte bleiben!

Der Berufsbildungsbericht 2020 liefert aktuelle Erkenntnisse aus dem Jahr 2019. Demnach ist die Zahl der Anfänger in der Berufsausbildung leicht angestiegen, besonders im sozialen Bereich. Der Rückgang der Zahl abgeschlossener Ausbildungsverträge in den Berufen der HWK und der IHK setzt sich weiter fort. Immer weniger Ausbildungsplätze können besetzt werden, besonders in Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern. Betriebe dieser Größenklasse stellen aber das Gros der Arbeitsplätze, auch hier in Niedersachsen.

Wie sich die Pandemie - statistisch belastbar - auf die Ausbildungsmärkte auswirken wird, das sehen wir natürlich erst, wenn die Statistiken für dieses Jahr vorliegen werden. Ich denke, wir werden schlechte, schlechte Zahlen sehen.

Überdies wurden viele Ausbildungsverhältnisse aufgrund Ihrer Corona-Politik, verehrte SPD - ich spreche Sie jetzt an, weil Sie den Bundesarbeitsminister stellen -, bereits zu Anfang der Pandemie gekündigt. Da haben Sie nicht rechtzeitig reagiert.