Protokoll der Sitzung vom 16.09.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie namens des Präsidiums herzlich begrüßen. Ich eröffne die 84. Sitzung im 31. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen

Landtages der 18. Wahlperiode.

Tagesordnungspunkt 24: Mitteilungen der Präsidentin

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Geburtstag hat heute der Abgeordnete Harm Rykena.

(Beifall)

Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des ganzen Hauses. Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr, Herr Rykena!

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit einer Unterrichtung durch Innenminister Pistorius zum Thema Moria. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Es folgt dann die Fortsetzung der Aktuellen Stunde. Die heutige Sitzung soll gegen 16.35 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Eilers mit. Bitte, Frau Eilers!

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für heute haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Herr Finanzminister Reinhold Hilbers ab der Mittagspause und Herr Kultusminister Grant Hendrik Tonne ab 11 Uhr, von der Fraktion der SPD Frau Sabine Tippelt und Herr Axel Brammer, von der Fraktion der CDU Herr Bernd Busemann ab 11 Uhr, Frau Laura Hopmann, Herr Marcel Scharrelmann, Herr Dirk Toepffer und Herr Christian Fühner, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Julia Willie Hamburg und Frau Miriam Staudte sowie von der Fraktion der AfD Frau Dana Guth.

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Ich rufe auf

Außerhalb der Tagesordnung: Unterrichtung durch den Innenminister zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland

Nun erhält Herr Minister Pistorius das Wort zur Unterrichtung. Bitte!

(Unruhe)

- Ich darf Sie alle um Aufmerksamkeit bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will Sie heute kurz unterrichten zur Haltung der Landesregierung zu der Entscheidung auf Bundesebene, angesichts der Brandkatastrophe in Moria weitere Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen.

Zunächst ist es mir aber wichtig, noch einmal deutlich zu betonen: Die furchtbaren Brände in den Flüchtlingsunterkünften auf Lesbos haben dazu geführt, dass rund 12 000 Menschen - Kinder, Jugendliche und Erwachsene - ohne Dach über dem Kopf teils auf Straßen campieren und übernachten müssen. Dieser Zustand dauert für viele dieser Flüchtlinge auch eine Woche nach den Bränden weiterhin an. Das muss uns alle beschämen, und wir in Europa sind verpflichtet, diesen Menschen aus humanitären Gründen zu helfen und sie sicher unterzubringen.

Sie alle wissen, dass eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union am Widerstand einiger Mitgliedstaaten scheitert, was ich ebenfalls beschämend finde. Das darf für uns aber kein Grund sein, tatenlos zuzuschauen. In Abstimmung mit anderen europäischen Ländern, die ebenfalls willig und bereit sind, schnell einen Teil der Menschen aufzunehmen, muss Deutschland vorangehen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Daher begrüßen wir als Landesregierung ausdrücklich, dass sich die Bundesregierung gestern bereit erklärt hat, den notleidenden Flüchtlingen aus Griechenland dringend benötigte Hilfe zukommen zu lassen. Nachdem der Bundesinnenminister am vergangenen Freitag erklärt hatte, von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen bis zu 150 aufnehmen zu wollen, sollen nunmehr insge

samt 1 553 Flüchtlinge aus Griechenland nach Deutschland geholt werden. Es handelt sich um 408 Familien mit Kindern, die in Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannt sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies ist ein dringend notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Diese Maßnahme wird erheblich dazu beitragen, eine Entlastung vor Ort und vor allem für die betroffenen Menschen zu schaffen. Ich kann nur jedes Land dazu aufrufen, dem Beispiel Deutschlands zu folgen und sich zu engagieren.

Bei meinen beiden Besuchen auf Lesbos war die Situation in Moria schon völlig inakzeptabel. Nach diesem Brand wird es Zeit, diesem unwürdigen und lebensgefährlichen Zustand rasch ein Ende zu setzen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP)

Die Europäische Union wird zu Recht daran gemessen, wie sie mit den schwächsten und hilfsbedürftigsten Menschen umgeht. Für die Niedersächsische Landesregierung ist jedenfalls klar, dass sie ihren Beitrag leisten wird. Wir sind darauf vorbereitet, und ohne dass es pathetisch klingen soll: Die Menschlichkeit verpflichtet uns, so zu handeln.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius, für die Unterrichtung.

Ich frage nun, ob eine Besprechung gewünscht ist. - Das ist der Fall. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat dies beantragt.

Herr Minister Pistorius hat drei Minuten Redezeit beansprucht. Nach unserem Ihnen bekannten Schlüssel bedeutet das zwei Minuten Redezeit für die Oppositionsfraktionen und drei Minuten für die beiden großen Fraktionen.

Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Menge das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das Parlament hier in Niedersachsen darf sich heute verbeugen und Danke sagen, dass diese Anstrengungen gelun

gen sind und dass wir dieses humanitäre Zeichen nach außen senden. Ich finde das jedenfalls in dieser Gemengelage und auch angesichts der Auseinandersetzung, die wir seit Monaten gewohnt sind, ein wichtiges und deutliches Zeichen. Ich bin froh, dass wir so reagiert haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Gleichwohl darf man nicht vergessen, dass wir in dem Moment nur über Zahlen geredet haben, als es darum ging, dass die Situation in Moria und den Lagern in Griechenland furchtbar und beschämend ist, und das seit Jahren. Wir dürfen nicht vergessen, dass Europa Griechenland diese Aufgabe zugemutet hat, als das Land wirtschaftlich am Boden lag und von anderen Ländern und deren Zuwendungen abhängig war. So einem Land diese Aufgabe zuzumuten und sich als europäisches Ausland zurückzuhalten und zu sagen: „Wir geben euch das Geld, ihr kriegt das irgendwie hin und kommt klar“, ist gescheitert. Dieses Modell hat nicht funktioniert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Aufgabe jemandem zuzumuten, der selbst wirtschaftlich am Boden ist, hat nicht funktioniert. Es hat offenbar auch nicht funktioniert - was ich sehr bedauere -, zu verhindern, dass nationalstaatliche Eitelkeiten und die Überzeugung, Geflüchtete nicht aufzunehmen, zu dieser Auseinandersetzung auf europäischer Ebene geführt haben. Deshalb ist es umso besser, dass Deutschland trotz der Auseinandersetzungen, die wir mit dem Bundesinnenministerium in dieser Frage haben, nun voranschreitet und ein Signal setzt. Das ist ein Deutlichmachen: Macht es uns nach! Viele Städte haben sich bereit erklärt, Geflüchtete aufzunehmen. Es ist auch für diese Städte eine wichtige Option, dass sie nun aktiv werden und ihre lang gefassten Pläne umsetzen und diese humanitäre Hilfe leisten können. Dass Kinder mit ihren Eltern auf Bordsteinen liegen müssen, weil Europa wegschaut, solche Bilder gehen gar nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Jetzt hat das Wort für die AfD-Fraktion Herr Abgeordneter Ahrends. Bitte! Auch für Sie: zwei Minuten!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel ist die Situation im Lager Moria auf der Insel Lesbos eine humanitäre Katastrophe, und Deutschland muss helfen. Die Frage ist, in welcher Art hier geholfen wird.

Wir als AfD sind hier für humanitäre Hilfe, d. h. Decken, Zelte, Medikamente, Nahrungsmittel,

Kleidung, alles das, was die Menschen jetzt dringend benötigen. Wir lehnen eine Aufnahme ab; denn die Situation in Moria ist eine außergewöhnliche. Das Lager ist durch Brandstiftung niedergebrannt worden; das erklärt die griechische Regierung. Die Löscharbeiten wurden behindert. Es gab dort praktisch Gesänge wie „Bye, bye Moria“. Eine Aufnahme hier in Europa wäre ein fatales Signal, das von Moria ausginge.

(Beifall bei der AfD - Widerspruch bei den GRÜNEN)

- Sie schütteln den Kopf.

In der letzten Nacht hat bereits ein weiteres Lager auf der Insel Samos, das Lager Vathy, gebrannt. Wenn wir Migranten aufnehmen, werden weitere Lager brennen. Das Signal, das von Moria ausgeht, ist: Brenn‘ dein Lager nieder, dann kommst du nach Deutschland! - Und das darf auf gar keinen Fall das Zeichen sein.

Hier ist die Türkei in der Pflicht. Es gibt ein Rücknahmeabkommen. Die Türkei hat 6 Milliarden Euro bekommen, um sich um diese Menschen zu kümmern, und die Türkei hat diese Menschen mit Bussen an die griechische Grenze gebracht. Deswegen sind die Lager so voll. Europa muss hier eine Sprache sprechen. Die Türkei muss verpflichtet werden, die Menschen zu versorgen. Das ist ihre Pflicht. Das ist das Rücknahmeabkommen. Sie darf keine weiteren Menschen nach Moria bringen. Auch das wird wieder geschehen. Das Lager wird in wenigen Wochen wieder gefüllt sein. Und dann wird es wieder brennen. - Das ist das Zeichen, das Sie setzen, wenn Sie Menschen nach Deutschland holen, nachdem sie ihr Lager niedergebrannt haben.

Die AfD sagt Nein zu einer solchen Politik. Wir sagen Ja zu humanitärer Hilfe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Wir fahren fort. Das Wort für die SPD-Fraktion erhält nun Herr Abgeordneter Watermann. Bitte, Herr Kollege!