Protokoll der Sitzung vom 16.09.2020

Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sommerzeit war ja meistens eine Zeit der eher schlechten Nachrichten, in der man die Zeitung mit ein paar Sorgenfalten aufgeschlagen hat. Am 30. Juli 2020 war das jedenfalls bei mir anders. Da habe ich nämlich die Braunschweiger Zeitung aufgeschlagen und gesehen, dass der Kollege Pantazis eine hervorragende Berichterstattung ausgelöst hat, indem er erklärt hat, dass er persönlich und auch die Wirtschaftspolitiker der SPD-Landtagsfraktion eine alte Forderung der FDP übernommen haben und sich der Gestaltung eines Rechts auf Homeoffice für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anschließen wollen.

Herr Kollege, das finde ich erst einmal super, das finde ich gut! Wir als FDP sind der Meinung, dass man dann durchaus Hoffnung haben kann, dass die Debatte im Landtag diesmal etwas anders

ausgeht als in der Vergangenheit, und wollen diese Debatte gerne mit Ihnen führen.

Und wir wollen sie etwas moderner machen, weil es aus unserer Sicht heutzutage nicht um das Recht auf Homeoffice geht, sondern darum, das Recht auf mobiles Arbeiten neu zu definieren. Denn Arbeiten muss heutzutage - auch wenn es von zu Hause aus geschieht - nicht in einem kargen Büro oder Zimmer stattfinden, sondern kann durchaus überall stattfinden.

Sie haben im Sommer durch Corona wahrscheinlich ja auch selber sehr viele Videokonferenzen im Homeoffice miterlebt. Bei gutem Wetter war man manchmal doch neidisch, wenn der Kollege im Garten saß, um es mal ganz ehrlich zu sagen. Ich war jedenfalls neidisch. Herr Kollege Grascha hat die Videokonferenzen relativ oft im Garten begleitet. Man war da schon neidisch, wenn man selber im Büro saß und es nicht so schön hatte. Deshalb geht es aus unserer Sicht nicht nur um ein Office, sondern um mobiles Arbeiten.

Wir sind außerdem der festen Überzeugung, dass es keine Pflicht geben sollte, ins Homeoffice zu gehen, sondern dass es das Recht des Arbeitnehmers sein sollte, einfach sagen zu können, er möchte ins Homeoffice bzw. mobil arbeiten, und der Arbeitgeber muss dann begründen, wieso das nicht geht. Der entsprechende Antrag soll also keine Begründungspflicht beim Arbeitnehmer auslösen, sondern der Arbeitgeber muss sagen: Es gibt folgende betriebliche Gründe, deswegen geht das so nicht oder nur in anderer Form.

Ich bin eh der festen Überzeugung, dass ein dauerhaftes Arbeiten von zu Hause, jeden Tag in der Woche, nicht funktionieren wird. Wir werden mehr hybrides Arbeiten sehen. Wir haben mit den Mitarbeitern bei uns in der Landtagsfraktion abgesprochen, wann wir uns hier persönlich treffen, um auch den Austausch von Angesicht zu Angesicht zu ermöglichen, und zu welchen Zeiten man gut ins Homeoffice gehen kann. Wir leben das tatsächlich so.

Es wäre auch unser Wunsch an die Landesregierung, das nicht nur mit einer Bundesratsinitiative umzusetzen, wie es die SPD vorschlägt, sondern tatsächlich auch mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Landesregierung hat in der Zeit der CoronaPandemie ja auch sehr viel möglich gemacht, was Homeoffice und mobiles Arbeiten angeht. Dies ist jetzt in ein attraktives Arbeitsleben in der Landesverwaltung umzuleiten und so zu gestalten, dass man tatsächlich vernünftige Bedingungen für die

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Beamtinnen und Beamten hat und die betrieblichen Abläufe für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf angepasst werden.

Wir dürfen uns da aber nichts vormachen: Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten und Kinderbetreuung gleichzeitig wird so nicht funktionieren.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! - Beifall bei den GRÜNEN)

Es kann aber dazu dienen, gewisse Zeiten - für die Wege in den Kindergarten, in die Schule, für Arztbesuche etc. - besser planen und aufeinander abstimmen zu können. Es geht nicht darum, gleichzeitig mit der Arbeit Kinderbetreuung zu leisten, das würde den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch nicht gerecht werden, und würde auch dem Arbeitgeber nicht nutzen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Und den Kindern auch nicht! - Zustimmung bei den GRÜNEN)

- Und den Kindern auch nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und dann müssen wir uns tatsächlich auch darüber Gedanken machen, wie es eigentlich mit den Arbeitsschutzregeln weitergehen soll. Ich glaube, man kann von niemandem, der mobil arbeitet, erwarten, das ganze Regelwerk der Arbeitsschutzverordnung einzuhalten. Um es mal so zu sagen, Frau Kollegin Wulf: Sie sitzen jetzt auf einem Stuhl, der fünf Beine hat. Das ist so erforderlich, das steht tatsächlich in unseren Arbeitsschutzregeln. Aber wollen wir denn wirklich, dass man sich zu Hause einen anderen Bürostuhl kaufen muss, wenn man einen mit z. B. nur vier Beinen hat? Ehrlicherweise ergibt das keinen Sinn. Wenn man im Privatleben nicht vom Stuhl runtergefallen ist, wird man das während der Arbeitszeit auch nicht tun. Sonst hat man den Stuhl ja auch in Benutzung, ohne sich dabei irgendwie schlecht zu fühlen. Von daher glaube ich, wir müssen da gemeinsam rangehen und auch unser Regelwerk an die neue Zeit anpassen, um zu schauen, welche Regeln aus gelebter Praxis der vergangenen Jahrzehnte übriggeblieben sind, und ob diese noch sinnvoll sind oder nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Diskussion würden wir gerne mit Ihnen führen und den Arbeitnehmer dabei immer im Fokus haben. Das bedeutet auch, dass die Kostenfrage - und der Finanzminister hat die Diskussion wahrscheinlich gerade auch mit den Kollegen, den Kolleginnen

und dem Bundesfinanzminister -, wie das eigentlich mit dem Arbeitnehmerpauschbetrag bei den Steuererklärungen ist, zu klären ist. Wie geht man damit in Bezug auf die Möglichkeiten, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Steuersystem haben, um ihre berufsbedingt anfallenden Kosten steuerlich geltend zu machen, um?

Es fallen auf einmal auch noch andere Kosten an. Strom wird beispielsweise massiv genutzt, und natürlich wird auch der Raum selbst genutzt. Es ist nicht so, dass man zwingend einen Raum nur für das Homeoffice vorhalten muss. Deswegen sind wir der Meinung, dass es hierfür eine entsprechende Prämie geben sollte, die man beim Finanzamt geltend machen kann, damit der Arbeitnehmer hinterher nicht auf den Kosten sitzen bleibt und seinen Arbeitgeber so sozusagen noch quersubventioniert. Das soll aus unserer Sicht nicht erfolgen.

Deshalb freuen wir uns, dass sich die SPD öffnet. Ich weiß nicht, wie es bei der CDU ist, da werden wir hoffentlich einen kleinen Einblick bekommen. Ich würde mich freuen, wenn wir an diesem Thema wirklich ergebnisoffen arbeiten, hier in Niedersachsen vielleicht eine gemeinsame Position finden, mit gutem Beispiel vorangehen und das dann auch in den Bund tragen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die SPDFraktion hat sich nun der Kollege Dr. Christos Pantazis zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege!

Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bode, es freut mich, dass ich Sie im Sommer glücklich machen durfte. Aber weil wir gerade über mobile Arbeit und Homeoffice sprechen, haben mein Kollege Watermann und ich uns eben gefragt, ob Sie die Zeitung aufgeschlagen haben oder ob Sie ein E-Paper gelesen haben.

(Jörg Bode [FDP]: E-Paper!)

Dass die Corona-Pandemie unser aller Leben und damit auch unser aller Arbeitsleben bereits massiv verändert hat und weiter verändern wird, ist sicher kein Geheimnis. Wir alle haben in den vergangenen Wochen und Monaten erlebt und - je nach

eigener Vorkenntnis - in Form eines quasi erzwungenen Großversuchs erlernen müssen, dass sich die beruflichen Anforderungen oft auch gut von zu Hause oder in Videokonferenzen erledigen lassen. Auch Sie haben das eben angesprochen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Entwicklung auch nach Corona Bestand haben und sich noch ausweiten wird. Homeoffice wird Teil einer Post-Corona-Normalität werden, ein Fakt, der sich auch nach Corona kaum zurückdrehen lassen wird. Die aktuellen Umfragen und jüngst veröffentlichten Studien von IGES, forsa und der DAK belegen: Über 70 % der Beschäftigten, die erst seit der Corona-Krise regelmäßig von zu Hause arbeiten, möchten dies zumindest teilweise beibehalten.

Die Corona-Pandemie hat infolgedessen bereits jetzt bei vielen Arbeitgebern zu einem Umdenken geführt. Auch auf kommunaler Ebene und in unserer Landesverwaltung ist diese Entwicklung aufgenommen und umgesetzt worden. Auch das haben Sie eben angesprochen. In einzelnen Bereichen wird bereits heute an zwei Tagen in der Woche daheim gearbeitet. Die Erfahrungen damit sind durchweg positiv.

Dass es daher richtig ist, bereits heute über die Arbeitswelt von morgen zu sprechen, steht außer Frage. Die Frage ist jedoch - damit komme ich zu dem hier in erster Beratung vorliegenden Entschließungsantrag -, welche politischen Schlüsse wir aus dieser neuen Situation ziehen möchten. Da liegen unsere Prioritäten und Schwerpunkte vielleicht etwas auseinander.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat es im Zusammenhang mit seiner bereits im Juli angekündigten Bundesinitiative zum Umgang mit

Homeoffice bereits richtig gesagt: Wir brauchen keine Pflicht zum Homeoffice, sondern ein Recht auf Homeoffice. Wir dürfen niemanden ins Homeoffice zwingen. Wir brauchen vielmehr klare Regeln, wie der Arbeitsschutz im Homeoffice zukünftig ausgestaltet werden soll.

In Ihrem Antrag, lieber Herr Bode, fordern Sie tatsächlich einige Regeln. Nur dienen diese größtenteils nicht dem Arbeitsschutz, sondern betreffen die Frage, wie das Homeoffice am besten dazu genutzt werden kann, Steuervorteile zu erzielen. Ich will das gar nicht negieren. Darüber lässt sich diskutieren. Beim Homeoffice geht es uns aber nicht allein und auch nicht zuallererst darum. Es ist ein Digitalisierungsschub eingetreten, der weiter an Fahrt gewinnt und gewinnen muss. An erster Stelle stehen optimaler Arbeitsschutz, optimale techni

sche Ausstattungen und feste Vereinbarungen zur Arbeitszeiterfassung.

Es mag der Fokussierung Ihrer Partei geschuldet sein, dass Sie den Schwerpunkt setzen, den Sie in Ihrem Antrag gesetzt haben. Hier kommt es allerdings auch zu Ungerechtigkeiten. Denn in vielen Berufsfeldern ist Homeoffice gar nicht praktikabel. Nicht jeder kann somit von den von Ihnen angepriesenen Steuervorteilen profitieren. Sie argumentieren daher aus meiner Sicht etwas einseitig und vergessen dabei insbesondere das produzierende Gewerbe und das Handwerk, das Rückgrat unserer Wirtschaft.

Auch wird aus Ihrem Antrag nicht deutlich, wie es aus Ihrer Sicht zukünftig mit dem Arbeitsschutz aussehen soll. Ich zitiere: Sie möchten die Regelungen des Arbeitsschutzes an „die üblichen Gegebenheiten im privaten Umfeld“ anpassen. Wäre es nicht besser, zu schreiben, dass es eine strikte Trennung von Privatem und Arbeit braucht?

Auch wenn die von mir eingangs zitierte Statistik klar aufzeigt, dass Homeoffice in der Bevölkerung auf eine positive Resonanz stößt: Es wäre blauäugig, zu glauben, dass nicht jeder von uns auch schon Situationen erlebt hat, in denen die Arbeitszeit im Homeoffice dann doch etwas weiter ausgelegt wurde als im Büro.

Wenn wir also über ein Recht auf Homeoffice diskutieren, dann doch bitte auch und zuvorderst über die dazugehörige arbeitsrechtliche Ausgestaltung! Denn wir wollen daran arbeiten, den Beruf mit der Familie vereinbar zu machen und nicht die Familie mit dem Beruf. Dazu findet sich in Ihrem Antrag leider wenig.

Lassen Sie uns daher diese einseitige Fokussierung beiseitelegen! Ich bin mir sicher, wir erzielen im Ausschuss - vielleicht fraktionsübergreifend - eine gute Entscheidung.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Ausschussberatungen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Pantazis. - Für die Fraktion der AfD hat sich der Kollege Peer Lilienthal zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Das mobile Arbeiten, das Kern dieses Antrags ist, ist natürlich durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen aufs Tapet gekommen. Das halten wir auch für richtig. Die Rahmenbedingungen, unter denen das mobile Arbeiten, das Homeoffice im Moment stattfinden, sind sicherlich verbesserungswürdig.

Die Beweislastumkehr, die jetzt im Raum

schwebt - dass man im Grunde genommen sagt, man kann grundsätzlich immer Homeoffice machen; wenn der Arbeitgeber das nicht will, hat er die Pflicht, zu beweisen, dass das nicht geht -, ist natürlich eine schwierige Geschichte. In den Niederlanden beispielsweise hat das am Anfang zu erheblichen Verwerfungen geführt. Mittlerweile geht das.

Aber es ist natürlich ganz schön bürokratisch, wenn jeder Arbeitgeber Musterverfahren entwickeln muss, unter welchen Bedingungen er das Homeoffice versagt. Das würde ja zunächst einmal für alle Arbeitgeber gelten, auch wenn der Antrag ganz deutlich von Büroarbeitskräften spricht. Grundsätzlich wäre jeder Arbeitgeber in der Pflicht, beispielsweise auch derjenige, der nur Maurer anstellt.

Der Antrag hat einen steuerlichen Schwerpunkt. Jedenfalls haben wir den aus ihm herausgelesen. Deshalb beantrage ich für meine Fraktion zunächst eine Mitberatung durch den Haushaltsausschuss - bevor ich das vergesse.

Das Steuerrecht ist ein ganz kleines bisschen wie das Spiel Jenga - Sie kennen vielleicht diese Bauklötze -: Wenn man irgendetwas an dem Gebäude verändert, droht es zusammenzubrechen.

So ganz durchschaut kaum einer unser Steuersystem. Es ist vielleicht auch gar nicht durchschaubar. Ein bisschen hängt alles mit allem zusammen. Fakt ist aber: Es ist nicht auf der Höhe der Zeit. Ich denke, das ist unstrittig. Das mobile Arbeiten gewinnt an Bedeutung, und diese Bedeutung ist im Einkommensteuergesetz und in den einschlägigen Vorschriften einfach nicht repräsentiert. Das ist überhaupt keine Frage.

Das Problem des Arbeitsplatzes bindet zudem Kräfte in der Finanzverwaltung. Das ist natürlich ein Prüfungspunkt. Die Absetzung des Arbeitsplatzes - ich sage es einmal mit Laienworten - ist ein beliebter Sport. Dem geht das Finanzamt dann nach. Das kostet unheimlich viel Kraft und spart

wahrscheinlich insgesamt wenig Geld. Da wäre eine Erleichterung für die Verwaltung nötig. Für die Steueranwärter und die Finanzanwärter müsste man dann natürlich eine andere Prüfungsfrage finden; denn bislang ist der heimische Arbeitsplatz ein Klassiker im ersten Teil des Studiums.