Insofern gibt es viele Lehren aus diesem Prozess zu ziehen. Ich bitte, auch bei meinem Kollegen Volker Bajus immer den Gesamtkontext zu berücksichtigen und nicht verkürzt zu zitieren. Wir werden viele Diskussionen in den Regionen führen. Wir werden auf viele Ängste und Sorgen stoßen. Das müssen wir ernst nehmen. Das wissen wir aus den Prozessen der letzten Jahrzehnte.
Dabei hilft uns die Wissenschaft. Der Stand von Wissenschaft und Technik stellt enorm hohe Ansprüche an die Entwicklung unserer Forschungslandschaft, aber er nimmt uns keine Entscheidung ab. Am Ende müssen Parlamente entscheiden, von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Abgeordnete. Dieses Verfahren wird lange andauern. Dabei ist Sicherheit der kategorische Imperativ, nicht Schnelligkeit. Das sollte uns immer bewusst sein.
Ich würde mir wünschen, dass wir noch viel mehr mit unseren europäischen Nachbarn, aber auch international in den Erfahrungsaustausch gehen. Vielleicht schaffen wir es, jedes Jahr oder alle zwei Jahre eine wissenschaftliche Tagung durchzuführen, sodass wir uns im internationalen Kontext über diese Fragen austauschen können.
Vielen Dank, Herr Kollege Wenzel. - Im letzten Moment hat sich noch Kollege Bosse gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Da der Kollege Wenzel mich persönlich angesprochen hat und ich weiß, dass ich noch etwas Redezeit habe, möchte ich gerne darauf reagieren.
Lieber Stefan Wenzel, es geht mir nicht um das Zurückschauen. Ich denke, aus der deutschen Geschichte, auch aus der Geschichte von Gorleben und der Geschichte der Endlagerung kann man lernen. Aber was wir alle hier sein lassen müssen, sind persönliche Schuldzuweisungen gegenüber denjenigen, die zum Teil schon verstorben sind, aber auch gegenüber denjenigen, die noch leben.
Es geht mir nicht um Vergangenheitsbewältigung. Aus der Vergangenheit können wir lernen. Aber diese persönlichen Schuldzuweisungen müssen der Vergangenheit angehören.
Wir können viel aus dem Asse-Untersuchungsausschuss lernen, der anderthalb Jahre gedauert hat. Wir können mit Sicherheit auch aus den Prozessen des Gorleben-Ausschusses lernen. Wir müssen nach vorne schauen in diesem langen Prozess, der viele Jahre und Jahrzehnte andauern wird.
Ich habe es vorhin ganz deutlich gesagt, und so meine ich das auch: Der Prozess wird nicht nur die Landesregierung, sondern auch die Bundesregierung überleben. Darum müssen wir nicht nur in diesem Parlament, sondern auch in den anderen Landesparlamenten und erst recht im Bundestag geschlossen hinter dem Suchprozess und letzten Endes hinter dem Gesetz stehen. Dabei darf sich auch niemand davonstehlen.
Vergangenheitsbewältigung und aus der Vergangenheit lernen - ja! Persönliche Schuldzuweisungen - nein!
Weitere Wortmeldungen zur Regierungserklärung unter Tagesordnungspunkt 3 liegen mir nicht vor, sodass ich die Besprechung für abgeschlossen erklären kann.
Wie aus der Tagesordnung zu ersehen ist, hat der Ältestenrat die Aktuelle Stunde in der Weise aufgeteilt, dass heute die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD sowie morgen die Anträge der beiden anderen Fraktionen behandelt werden sollen.
Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich wie immer als bekannt voraus. Ich mache aus gegebenem Anlass darauf aufmerksam, dass das Rederecht in der Aktuellen Stunde nur den Fraktionen zusteht, also nicht den fraktionslosen Kollegen.
a) #Alarmstufe Rot - Wann kommen endlich wirksame Hilfen für Kultur und Veranstaltungen? - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/7585
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Gespräch beginnen, das ich in der letzten Woche in der musa in Göttingen geführt habe.
Die musa - ein soziokulturelles Zentrum in Göttingen - ist seit Mitte Mai bis auf wenige Ausnahmen geschlossen. Der Jugendkeller findet dort nicht mehr statt. Der Getränkeausschank ist geschlossen. Die Kreativen kündigen inzwischen ihre Arbeitsplätze im Co-Working-Space. Solokünstlerinnen und -künstler verdingen sich als Putzhilfen, damit wenigstens ein bisschen Geld reinkommt, und sind im zweiten Job oft auf Kurzarbeit.
Im Gespräch dort wurde mir sehr eindrücklich vor Augen geführt, dass die bestehenden und zum Teil gerade in jüngster Zeit angekündigten Programme nur sehr eingeschränkt greifen. Denn niemand meiner Gesprächspartnerinnen und -partner in Göttingen wird von den Programmen von Bund
Ich bin sicher, Sie alle haben die Mails und Hilferufe von Soloselbstständigen im Veranstaltungs- und Kulturbereich in Ihren Postfächern. Doch werden sie auch gehört? Ich möchte hier stellvertretend einige Menschen zu Wort kommen lassen, die ihre jetzige Situation beschreiben.
„Ich war selten so hilflos in meinem Berufsleben wie in der derzeitigen Situation und verstehe nicht, wie man glauben kann, dass die gestarteten Hilfsprogramme wirklich uns Soloselbstständigen nützen und helfen.“
„Das Problem ist weniger der Wegfall von traditionell mittelmäßig bezahlten Konzerten in kulturellen Institutionen; viel schwerer fallen die Absagen von im Vergleich deutlich besser bezahlten Auftritten auf privaten und geschäftlichen Feierlichkeiten ins Gewicht. Den Verlust dieser Einnahmen lassen die bisherigen Maßnahmen der niedersächsischen Landesregierung leider außer Acht. Ich habe den Eindruck, dass bisherige Maßnahmen ohne genauere Kenntnis der Lebenssituationen von Künstlern verabschiedet wurden.“
„leider auch zu unfassbaren Ereignissen inmitten unserer Gesellschaft: Immer wieder müssen wir Meldungen hören, nach denen sich Menschen in dieser ‚Deckungslücke der Programme‘ das Leben aus Existenznot und Perspektivlosigkeit genommen haben. Dieses Drama ist nicht Ergebnis von Corona, dies ‚ist Folge von Politik‘.“
Und noch einmal: Diese Menschen unterliegen seit März weitestgehend einem Berufsverbot. Ihnen sind auch Aufträge über mehrere Tausend Euro verlorengegangen - Einnahmen, mit denen diese Menschen bis zum 20. März fest gerechnet haben, Einnahmen, mit denen sie sehr wohl auch ihren Lebensunterhalt bestreiten können und wollen.
Wer z. B. den Weg in Arbeitslosenhilfe 1 oder den gewünschten Weg nach Hartz IV genommen hat, überlegt sich tatsächlich, ob er diese Aufträge, die es jetzt vielleicht gibt, überhaupt annehmen kann. Denn überschreiten die Einnahmen einen bestimmten Wert, ist man schnell von ALG 1 in Hartz IV. Und bei Hartz IV bleibt von dem sauer verdienten Geld, das eventuell sogar noch mit niedersächsischen Mitteln unterstützt worden ist, wie viel übrig, meine Damen und Herren? - Sage und schreibe 140 Euro Selbstbehalt bei Hartz IV!
Es ist sicher richtig, die Veranstalterinnen und Veranstalter jetzt zu unterstützen, damit sie auskömmliche Gagen zahlen können, weil das die Existenz der kulturellen Einrichtungen sichert, die jetzt schon auch bei Zuschüssen von Kommunen unter Druck stehen, weil die Kommunen bei den freiwilligen Leistungen kürzen.
Die Realität der Soloselbstständigen im Kultur- und Veranstaltungsbereich ist aber eine andere. Diese Menschen haben sich über Jahre hinweg in ihrer Arbeit, die sie lieben, aufgerieben. Sie waren immer bereit, Leistung zu bringen. Sie alle wollten und wollen arbeiten, aber dürfen das in der Regel aus den gegebenen Umständen und in dem Ausmaß, wie es nötig ist, um Geld für den Lebensunterhalt zu bekommen, nicht.
Herr Minister Thümler, Herr Minister Althusmann, ohne wirkliche, direkt bei den Soloselbstständigen ankommende Hilfen stirbt die Kultur in Niedersachsen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Viehoff. - Ich erteile jetzt zur weiteren Diskussion das Wort für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Hillmer. Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Branchen, die das Zusammentreffen von Menschen organisieren, geraten durch eine Pandemie in eine schwierige Situation. Betroffen sind zurzeit nicht nur die Künstler, sondern auch
eine Vielzahl von Dienstleistern, z. B. Messe-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter, Schausteller, Diskjockeys, Moderatoren, Eventmanager, Eventcaterer, Partyservices, Messebauer, Bühnenbauer, Zeltverleiher, Dienstleister im Bereich Veranstaltungstechnik, Tontechniker und viele, viele andere.
In Niedersachsen haben 2018 ca. 30 000 Beschäftigte ca. 7 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Die Branche schätzt selbst sogar 100 000 Arbeitsplätze, die mit dem Thema Veranstaltungen verbunden sind. Die Einbußen an Umsätzen sind von Branche zu Branche natürlich verschieden, aber liegen sicherlich in vielen Fällen über 50 %.