Wir sollten um Himmels willen nicht so tun, als sei unsere Polizei so, wie Sie das vorhin in Ihren Bildern gezeichnet haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir als Politiker anfangen und nicht damit aufhören, Polizei ständig zu kritisieren, dann legen wir damit die Axt an die Wurzeln dieses Staates.
Aber da ich es ja mit Albert Einstein halte, der einmal gesagt hat: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben“, will ich mich um den entstandenen Atommüll kümmern und mit Ihnen darüber diskutieren, worauf es jetzt ankommt.
Wir sind uns einig, dass wir ein Endlager suchen wollen. Dann dürfen wir wissenschaftlich von oben nach unten und von links nach rechts alles hinterfragen. Aber hinter all diesen Fragen - und das ist mir persönlich sehr ernst - muss auch der feste Wille stehen, ein Endlager zu finden.
Es gab mal einen Bundesumweltminister, der den Anwohnern des Zwischenlagers eine maximale Lagerung vor Ort versprochen hat. „Die Aufbewahrung der abgebrannten Brennelemente ist auf maximal 40 Jahre befristet. Dadurch wird gewährleistet, dass aus Zwischenlagern keine Endlager werden können“, heißt es in der Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums aus dem Jahr 2003.
17 Jahre, also fast die Hälfte der Zeit von 40 Jahren, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind jetzt bald um, und ein Endlager ist bislang nicht gefunden worden. Es klang vorhin bei Umweltminister Lies an: Was sagen wir den Anwohnern in Grohnde, in Gorleben und in Lingen, wenn der Müll in 23 Jahren dort immer noch steht? Das Lager in Gorleben ist von den Atomkraftgegnern und
auch von Abgeordneten der Grünen hier im Landtag immer mal wieder gerne als „Kartoffelscheune“ bezeichnet worden. Wer diesen Zustand beenden will, muss sich mit viel Motivation in den Suchprozess für ein Endlager einbringen. Dieser Prozess besteht aus mehreren Schritten. Das können Sie überall nachlesen, und wenn Sie meinem Kollegen vorhin zugehört haben, wissen Sie ganz genau Bescheid.
Die entscheidende Zeit für uns wird vermutlich bis Mitte des nächsten Jahres sein; denn dann wird die Frage beantwortet werden, wo in Deutschland, wo in Niedersachsen auch konkret obertägig erkundet werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt können wir alle für das Verfahren sehr viel tun.
Ich fordere und appelliere an jeden Bürger, der Interesse hat, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Jede Information, die einen möglichen Standort noch konkreter beurteilen lässt, ist dabei hilfreich. Auch wenn wir in Niedersachsen mit Schacht Konrad und der Asse eine besondere Betroffenheit bei der Atommülllagerung haben, darf uns das, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht dazu verleiten, stets darauf hinzuweisen, Politik zu machen. Wir suchen ehrlicherweise in diesem Verfahren nicht den Standort, der möglichst weit weg von anderen Standorten ist; denn das wäre eine politische Entscheidung, wie man sie der Politik im Zusammenhang mit Gorleben immer wieder vorgeworfen hat. Gesucht wird - der Umweltminister hat es vorhin in seiner Rede gesagt - der Standort, der die bestmögliche Sicherheit für diese Abfälle bieten kann.
Mit Blick auf die Asse will ich den Blick auf eine besonders wichtige Forderung lenken. Das Suchverfahren muss reversibel sein. Wir müssen an jeder Stelle des Verfahrens die Möglichkeit haben, auch noch mal anders zu denken. Wenn man sich die Lagerung der Fässer in der Asse anschaut, dann erkennt man, dass das schon zu dem Zeitpunkt nicht mehr reversibel war, als die Fässer die Frontladerschaufel verlassen haben, obwohl -
auch das gehört zur Wahrheit dazu - man die Lagerung damals in einem Bergwerk als einen großen Fortschritt gegenüber der Tatsache empfand, dass man die Fässer vorher auf das offene Meer gefahren und sie dann irgendwo versenkt hat. Den Müll, den man damals im Meer verklappt hat, kann man heute nicht mehr wiederfinden. Beim AsseMüll wissen wir wenigstens, wo er ist. Dass die Bergung trotzdem schwierig ist, können wir daran sehen, dass man heute immer noch die Voraus
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben hier gestern Abend im Landtag gemeinsam mit Thomas de Maizière den 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Ich persönlich habe das Glück, dass ich an diesem Tag Geburtstag habe. In diesem Jahr bin ich 53 Jahre alt geworden. Vielleicht wird die Standortauswahlentscheidung noch in meiner aktiven politischen Zeit getroffen, vielleicht auch nicht. Aber den Beginn der Einlagerung werde ich mir bei realistischer Betrachtung vermutlich von der Tribüne aus anschauen.
Deshalb appelliere ich ganz besonders an die junge Generation, sich in diesem Feld ganz besonders zu engagieren. Wir brauchen euch, liebe junge Leute, in allen Fragen, die mit der Endlagerung zusammenhängen. Viel zu lange haben wir so getan, als würden wir euch nicht brauchen. Wir brauchen euch, weil ihr diejenigen seid, die heute anfangen und am Ende vielleicht auch erleben werden, dass etwas passiert. Deswegen bin ich froh, dass mit einer personellen Entscheidung der BGE dafür gesorgt worden ist, dass ein relativer junger Mann die Chance hat, dieses Verfahren möglichst lange zu begleiten.
Ich will auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Viel zu lange - und das war auch in Teilen des Parlaments politischer Konsens - haben wir so getan, als würden wir Atomexperten, also die Menschen, die mit Kernenergie umgehen können, nicht brauchen. Es war ja Mode, all das, was irgendwo universitär geforscht worden ist, zu kürzen, abzuschaffen, woanders hinzugeben. Aber das Gegenteil ist der Fall, und die aktuelle Corona-Pandemie hat uns sehr deutlich gezeigt, wie das sein kann, wenn man die Experten nicht mehr im eigenen Land hat. Deswegen müssen wir auch an der Stelle universitär - über das Wissenschaftsministerium - alles dafür tun, dass wir junge Menschen ausbilden, die in der Lage sind, mit diesen Stoffen umzugehen. Ich - ehrlicherweise - kann das nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es war vorhin schon die Rede davon, dass wir hier in Niedersachsen froh sein können - oder auch nicht, je nachdem wie man es betrachtet -, dass wir aus Gorleben Erfahrungen haben. Ich bin auch froh, dass sich diese Landesregierung auf den weiteren Suchprozess - nach meiner Auffassung und der meiner Fraktion - sehr gut vorbereitet hat. Anders
als vor 43 Jahren müssen wir Pressemitteilungen heute nicht mit Schreibmaschine schreiben. Vorhandene Daten - das ist ein Riesenvorteil - können heute mit einem Knopfdruck elektronisch mit vielen, vielen Menschen geteilt werden. Die Teilnahme an Konferenzen, an Fachkongressen muss heute nicht mehr körperlich erfolgen, man kann das auch emissionsfreundlich per Livestream gestalten. Das wird die Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger deutlich verbessern.
Lassen Sie mich zum Schluss bei dem Thema Partizipation aber noch einen Aspekt einbringen, bei dem ich hoffe, dass wir darüber auch mal emotionslos bzw. emotionsfrei reden können.
Wir reden hier in diesem Parlament sehr häufig über das Thema Windenergie. Allen Beteiligten ist klar, dass man natürlich für die Kommune, in der eine solche Windkraftanlage entsteht, einen finanziellen Ausgleich schaffen muss. In Rede stehen da aktuell 1 % oder 2 % vom Umsatz. Das ist klar, das erwarten wir.
Aber wWie ist das eigentlich eines Tages mit dem Standort, an dem das Endlager entstehen wird? Muss nicht auch in irgendeiner Weise vom Staat Geld dorthin fließen, wie das im Ausland möglich ist? - Ich weiß, dass bei dieser Frage mancher aus der Anti-Atomkraft-Bewegung aufjault und sagt: Oh Gott, oh Gott! Das ist moderner Ablasshandel. Das kann doch gar nicht wahr sein. Da wird sich was erkauft.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen wir uns Gorleben an! Ein Teil des Protestes dort vor Ort, der über Jahre gewachsen ist, hat damit zu tun, dass man das Gefühl hatte: Wir bekommen jetzt den Müll, aber alle anderen Fragen, die wir hier gerne geklärt haben möchten, werden nicht diskutiert. - Deswegen werbe ich intensiv dafür, dass wir uns das anschauen, was andere Länder machen, die, was das Infrastrukturelle angeht, eine ganz besondere Verantwortung für die Orte, die als Endlager ausgesucht werden, wahrnehmen, ohne dass das dort irgendjemandem vor Ort aufstößt. Deswegen werbe ich dafür, dass wir bei dem Thema Partizipation auch dieses mitdenken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der 28. September 2020 war in der Tat ein historischer Tag, und wir leben, was das Thema Standortauswahl angeht, in historischen Zeiten. Aber bei aller Euphorie müssen wir uns immer wieder vor Augen halten, dass die erste Suche nach einem Endlager gescheitert ist. Auf eine dritte Chance sollten wir
Vielen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Jetzt spricht der fraktionslose Kollege Stefan Wirtz. Herr Wirtz, ich erteile Ihnen das Wort für eineinhalb Minuten. Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Minister, wir sind es zwar in diesem Jahr und in diesem Hause gewohnt, dass Regierungserklärungen weniger erklären oder selbst erklären als vielmehr Zustandsbeschreibungen sind. Wenn wir Glück haben, sind es nüchterne Zustandsbeschreibungen. Ihre war so eine.
Wir haben eine Stunde Null, einen Nullpunkt erreicht. Da gibt es nichts zu feiern. Es ist möglich - Herr Bäumer hat es schon gemacht -, die Regierungserklärungen oder die Presseerklärungen von vor 43 Jahren vorzulesen, und sie klingen aktuell wie heute. Wir fangen wieder von vorne an. Das ist kein Positivum, das ist keine besondere herausragende Leistung.
Wir haben offensichtlich neu das aufsetzen müssen, was in anderen Ländern relativ undramatisch und schmerzfrei läuft. Auch das klingt hier immer wieder an. Es wird darüber diskutiert, wie man es besser machen kann. Wir müssen in unsere Nachbarländer gucken. Da läuft es wesentlich einfacher. Die Länder, die wir besucht haben, sind auch deutlich weiter.
Was haben wir also hier? - Vor allen Dingen eine Erleichterung, möchte ich in Richtung all derer anmerken, die jetzt gesprochen haben. Viele sind offensichtlich erleichtert. Es wird das eigene Alter genannt und dass sie selber in dieser Frage vielleicht nichts mehr entscheiden und beschließen müssen. Ich glaube, einige fühlen sich dabei relativ wohl.
Bei dem Berufen auf die Wissenschaft, bei dem neutralen Entscheiden wird es aber nicht bleiben. Wir haben schon wieder Anklänge gehört. Sowohl die Kollegen aus der Region Braunschweig/Wolfenbüttel als auch ich sprechen weiter über ihre
Endlager oder Zwischenlager vor Ort. Leider wird niemand der Wissenschaft diese Themen völlig neutral überlassen. Wir können nur zuversichtlich sein, dass wir in dieser Frage zukünftig relativ neutral entscheiden. Das Thema wird immer wieder aufkommen. Wir werden kein ruhiges Jahrzehnt haben.
Herr Bosse, Sie sagen, unsere Nachbarn bauen neue Kernkraftwerke. Was machen die alle eigentlich falsch und wir richtig? - Sie haben ihre Entscheidung getroffen, mit der Kernenergie weiterzufahren.
Danke schön, Herr Kollege Wirtz. - Als nächster Redner darf sich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Stefan Wenzel präparieren. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fehler zu machen, ist zutiefst menschlich. Das wissen wir alle. Das gilt individuell, aber das gilt auch kollektiv. Wir können stolz darauf sein, dass es unser demokratisch verfasster Rechtsstaat geschafft hat, hier einen Fehler zu korrigieren.
Erstaunlicherweise war man sich hier im Haus in weiten Teilen einig. Aber es gab doch einen Disput über die Frage, ob es Sinn macht, in der Geschichte zurückzuschauen, lieber Marcus Bosse.
Ich will ausdrücklich an den Kommissionsbericht erinnern, der auf den Seiten 61 und 315 ganz deutlich sagt: Auch die Aufarbeitung, die Sicherung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Auseinandersetzungen um
die Kernenergie, die kritische historische Analyse und Aufarbeitung der Endlagerforschung und der damit verbundenen gesellschaftlichen und politischen Prozesse gehören dazu. Nur dann können wir aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen und sicherstellen, dass wir die Fehler nicht wiederholen.
Die Kommission hat auch geschrieben, dass sie sich eine Wertschätzung für kritische Wissenschaft und eine Diskussionskultur wünscht, in der die gegenläufige Meinung als notwendige fachliche Herausforderung gesehen und nicht als Störfaktor ausgeblendet wird. Auch das wird, denke ich, noch wichtig sein.
Insofern gibt es viele Lehren aus diesem Prozess zu ziehen. Ich bitte, auch bei meinem Kollegen Volker Bajus immer den Gesamtkontext zu berücksichtigen und nicht verkürzt zu zitieren. Wir werden viele Diskussionen in den Regionen führen. Wir werden auf viele Ängste und Sorgen stoßen. Das müssen wir ernst nehmen. Das wissen wir aus den Prozessen der letzten Jahrzehnte.