Ich halte das für falsch, und ich halte das für eine Verklärung der Umstände und warne davor, diese Sichtweise in den aktuellen Prozess hineinzutragen, weil das zu Belastung und Unglaubwürdigkeit führt.
Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Der zweite Redner für die FDP-Fraktion ist Herr Kollege Försterling. Bitte, Herr Försterling! Ihnen stehen noch 10:30 Minuten zur Verfügung.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte eigentlich von der Regierungserklärung des Herrn Minister Lies erwartet, dass er tatsächlich, wie es der Kollege Bosse getan hat, auch etwas zur aktuellen Diskussion um die Asse sagt. Aber zur Asse wurde lediglich gesagt, die
Beides ist eben aktuell nicht der Fall. Asse wiederholt sich an der Asse gerade selbst, indem nämlich das Bundesumweltministerium in Person der Parlamentarischen Staatssekretärin Schwarzelühr
Sutter mitgeteilt hat, dass die Entscheidung um ein Zwischenlager getroffen worden ist und man nicht erwartet, dass es eine weitere Diskussion gibt, und man nicht das Begehren - nicht nur der Bürgerinitiativen vor Ort, sondern auch der Kommunalpolitik vor Ort, des gesamten Begleitprozesses und auch der Wissenschaftler im Begleitprozess - aufgreifen will, auch noch mal zwei Asse-ferne Zwischenlager zu untersuchen.
Dabei geht es gar nicht um die entscheidende Frage, dass man vor Ort zu 100 % zwingend ein Zwischenlager verhindern will. Aber man will eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf die Frage, ob die Strahlenexposition bei neu konditionierten Abfällen für diejenigen, die den Transport durchführen, tatsächlich so hoch ist, dass es schädlicher wäre, die Abfälle an einen Asse-fernen Standort zu transportieren, als die Bevölkerung in Remlingen, in Vahlberg, im gesamten Landkreis Wolfenbüttel, über Jahre und Jahrzehnte einer möglichen Strahlenexposition durch das Zwischenlager auszusetzen. Ich finde, die Landesregierung müsste doch eigentlich die Forderung übernehmen und sagen: Genau das wollen wir wissenschaftlich untersucht haben.
Es wird sich vor Ort nie jemand dagegenstellen, wenn dann das Ergebnis kommt, dass die Strahlenexposition beim Transport tatsächlich so hoch ist, dass man das niemandem zumuten kann. Klammer auf: Dann müsste ich im Übrigen sämtliche Transporte von radioaktiven Abfällen durch diese Republik infrage stellen. Klammer zu.
Dann nehmen wir das auch vor Ort hin, weil die Rückholung das oberste Ziel ist. Aber ohne diese Untersuchung wird hier vonseiten des Bundesumweltministeriums und der BGE versucht, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben, in die Bevölkerung vor Ort zu treiben, weil jetzt eine Diskussion aufkommt, die die Menschen führen: „Wollt ihr, dass der Müll dort unten bleibt, oder wollt ihr tatsächlich diese Rückholung? - Dann seht ihr diese Konditionierungsanlage, dieses Zwischenlager mit
200 000 m3 radioaktiver Abfälle in einer Fläche von 400 mal 400 m.“ Dieses Zwischenlager mit Konditionierungsanlage wird ungefähr so groß sein wie Klein Vahlberg als nächstgelegener Ort.
Das ist eine Gefahr, bei der ich die klare Positionierung der Niedersächsischen Landesregierung erwarte, auf welcher Seite sie steht: auf der Seite des Bundesumweltministeriums, der BGE und der Basta-Politik oder auf der Seite der Bürgerinnen und Bürger. Wenn man den Endlagersuchprozess befürwortet und die Bürgerbeteiligung hochhält, dann muss das auch für die Menschen im Landkreis Wolfenbüttel gelten.
Vielen Dank, Herr Försterling. - Für die CDUFraktion hat nun Herr Abgeordneter Bäumer das Wort. Bitte, Herr Kollege!
„In den Genehmigungsverfahren werden die Behörden eine strenge Prüfung vornehmen, ob der Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung der ionisierenden Strahlen innerhalb und außerhalb der Anlage uneingeschränkt gewährleistet ist.“
„Die Landesregierung lehnt in Fragen der Sicherheit, die Vorrang vor allen anderen Überlegungen haben muss, jeden Zeitdruck ab.“
„Die Landesregierung sichert zu, die gesamte Öffentlichkeit über jede Prüfungsphase umfassend zu informieren.“
Diese drei Sätze, meine sehr geehrten Damen und Herren, klingen sehr aktuell und könnten aus dem Jahr 2020 stammen. Das tun sie aber nicht. Alle drei Sätze stammen aus der Pressemitteilung des Niedersächsischen Ministerpräsidenten vom 22. Februar 1977. Sie sind also mehr als 43 Jahre alt.
Der damalige Tag war ebenfalls historisch; denn damals wurde die vorläufige Standortauswahl für Gorleben getroffen. Aus 14 möglichen Standorten wurde damals Gorleben schlussendlich ausgewählt. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Viele Jahre und einige Milliarden Euro später wurde das Projekt beendet.
Das Aus für Gorleben wurde in diesen Tagen vor Ort kräftig gefeiert. Aber das darf ehrlicherweise nicht darüber hinwegtäuschen, dass weite Teile des Wendlands -, wie man sieht, wenn man sich die Karte der BGE anschaut - nach wie vor aktuelles Endlager sein könnten.
Aber anders als vor 43 Jahren ist das Wendland heute nicht allein. Nachdem es bis zum 27. September 2020 eine weiße Landkarte gab, sind seit dem 28. September mehr als 54 % der Fläche Deutschlands nach aktuellem Stand potenziell als Endlager geeignet.
Wegen unserer geologischen Vielfalt sind zumindest theoretisch in Niedersachsen fast alle Landkreise oder kreisfreien Städte betroffen. Salz, Ton oder Granit - alles ist bei uns in Niedersachsen vorhanden, und zwar reichlich.
Die Veröffentlichung der aktuellen Suchräume hat in vielen Teilen Niedersachsens für große Betroffenheit gesorgt. Wer hätte gedacht, dass auch vor seiner Haustür nach einem Endlager gesucht werden könnte? Auch ich hätte ehrlicherweise nicht geglaubt, dass mein Grundstück zum Suchraum gehören könnte.
Aber wenn wir für diese und alle kommenden Generationen den Anspruch erheben, dass wir den bestmöglichen Standort finden wollen, kann es keine Tabus geben. Dann gehört quasi jeder Stein umgedreht, um nachzuschauen, ob der Boden darunter für ein atomares Endlager geeignet ist oder nicht.
Ich bin froh, dass nach den Karten der BGE auch Bayern und Baden-Württemberg Suchräume haben. Denn nach dem politischen Sankt-FlorianTheater aus Bayern hätte es der Glaubwürdigkeit dieses Suchprozesses massiv geschadet, wenn der Eindruck entstanden wäre, man könne per Kabinettsbeschluss aus dem Suchverfahren ausscheiden.
Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Grundlage für ein Ausscheiden aus dem Suchprozess liefert diesmal allein die Wissenschaft und nicht die Politik.
Wie sehr die aktuelle Karte die Politik in Bayern überrascht hat, kann man erahnen, wenn man liest, dass ein bayerischer Bundestagsabgeordneter die Bundesgesellschaft für Endlagerung, die BGE, als „durchgeknallte Narren“ bezeichnet - so gefunden im Traunsteiner Tagblatt vom 4. Oktober 2020.
Aber auch in Niedersachsen - der Kollege Dr. Birkner hat es vorhin schon erwähnt - werden das Standortauswahlverfahren und die aktuelle Karte von Grünen-Landtagsabgeordneten schon mal als „sehr schlechte Nachricht für die Menschen in der Region“ bezeichnet oder wird behauptet, es sei „schwer vermittelbar, dass wir jetzt auch noch möglicher Endlagerstandort sein könnten“.
Beide Äußerungen tun etwas, vor dem ich dringend warnen möchte. Sie stellen nämlich das Verfahren an sich infrage. Vielleicht sind sie in Teilen politischer Unerfahrenheit geschuldet. Aber ich sage ganz deutlich: Die Suche nach einem atomaren Endlager eignet sich nicht für populistische Debatten oder politische Spielchen. Wer dieses Spiel spielt, läuft Gefahr, das Spiel kaputt zu machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle Regierungen, ob auf der Bundesebene oder auf der Landesebene und egal in welcher farblich-politischen Zusammensetzung, haben von der Existenz der Kernenergie profitiert. In Lingen kann man das übrigens sehr deutlich sehen. Die dort entstandenen Kraftwerke haben ganz massiv zum wirtschaftlichen Aufschwung des Emslandes beigetragen.
Es gab in der Vergangenheit unter uns Diskussionen darüber, wann wir die Laufzeit der Atomkraftwerke beenden wollen. Aber diese Frage ist entschieden. Es ist jetzt unsere Aufgabe, den Atommüll sicher zu verwahren. Vor dieser Aufgabe stehen weltweit viele, viele Staaten. Niemand macht sich die Beantwortung dieser Frage leicht. Davon haben wir Politiker uns bei verschiedenen Besuchen im Ausland überzeugen können.
Erstens. Wir können diese Aufgabe nicht denen hinterlassen, die nach uns kommen. Generationengerechtigkeit, wie sie von jungen Menschen in Sachen Klimapolitik eingefordert wird, bedeutet in Sachen Atommüll, dass derjenige, der ihn gemacht hat, auch für seine sichere Verwahrung sorgen muss.
Zweitens. Weil der Atommüll hier bei uns im Land, in Deutschland, angefallen ist, muss er auch in unserem Land verwahrt werden. Das Ausland oder der Mond - ich habe das schon im SeptemberPlenum gesagt - kommen für mich nicht infrage.
Dies konsequent zu Ende gedacht, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat natürlich Konsequenzen. Wenn irgendwo auf der Welt noch deutscher Atommüll herumsteht, dann gehört er zurück ins Land gebracht, ohne dass sich, wie oft in der Vergangenheit, Menschen vor diesen Transportwegen anketten.
Wir haben in der Vergangenheit - das klang vorhin an - sehr viele Castortransporte nach Gorleben erlebt. Ich persönlich bin, wenn ich eingeladen worden bin, immer sehr gerne dorthin gefahren, um mir, wie es die Kollegin Staudte vorhin gesagt hat, selber ein eigenes Bild zu machen. Ehrlicherweise ist mir aufgefallen, dass wir sehr viel Geld dafür ausgegeben haben, dass am Ende des Tages die Castoren dann doch im Zwischenlager in Gorleben standen.
Bei dem Versuch, liebe Kollegin, die Vergangenheit zu betrachten, haben Sie in meinen Augen einen Fehler gemacht. Sie fordern bei der Diskussion um die Daten der Unternehmen vollständige Transparenz. Aber Sie haben hier, was die Vergangenheit und den Widerstand gegen die Castortransporte angeht, einiges ausgeblendet. Herr Dr. Birkner hat es vorhin gesagt. Ich glaube, das tut uns nicht gut.
Mein Kollege Hillmer hat mich vorhin gewarnt und gesagt: Martin, mach bitte keine Vergangenheitsbetrachtung.
Aber zur Ehrlichkeit und zum kompletten Bild, liebe Kollegin, gehört halt dazu, dass es in Gorleben auch einen Schwarzen Block gab. Ich habe mich vorhin noch einmal beim Kollegen Dorendorf erkundigt.
Er hat mir von einem Stahlunternehmer berichtet, bei dem sich die Castorgegner aus diesem Schwarzen Block regelmäßig mit Eisenstangen versorgt haben, die sie mit der Flex in kleine, handliche Größen geschnitten haben, um das dann als Munition für ihre Schleudern zu verwenden.
Das gehört an der Stelle zur Wahrheit dazu. Wir sollten, wenn wir den Blick nach hinten richten, alles erwähnen.