Außerhalb der Tagesordnung: Unterrichtung durch die Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur aktuellen Lage im Schlachthof Sögel
Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie gestern der Presse entnehmen konnten, ist es aktuell wieder zu mehreren größeren COVID-19-Ausbruchsgeschehen in niedersächsischen Schlacht- und Zerlegebetrieben für Schweine in den Landkreisen Emsland und Cloppenburg gekommen.
Der Landkreis Emsland hat entschieden, den Schlacht- und Zerlegebetrieb in Sögel ab Sonntag für mehr als drei Wochen zu schließen.
Der Landkreis Cloppenburg ist diesen Weg noch nicht gegangen, sondern hat vorerst die Arbeit des Betriebs in Emstek nur eingeschränkt. Auch dort schließt man die zeitweise Stilllegung des Betriebes jedoch nicht aus.
Sollte es dazu kommen, würden - zumindest zweitweise - Schlachtkapazitäten von 120 000 Schweinen in der Woche in Niedersachsen entfallen. Wie gravierend dieser Ausfall ist, lässt sich daran ablesen, dass beide Betriebe zusammen etwa 40 % der Schlachtkapazitäten für Schweine bei uns in Niedersachsen vorhalten.
Die Ereignisse zeigen, dass die Auswirkungen der Pandemie uns weiterhin massiv betreffen und keinesfalls an ein „Weiter so“ zu denken ist. Wir sind im engsten Austausch mit den anderen Bundesländern und den Unternehmen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Eine vollständige Kompensation dieses Ausfalls an Schlacht- und Zerlegekapazitäten durch andere Schlachtbetriebe ist in Niedersachsen und angrenzenden Bundesländern jedoch nicht zu erwarten.
Alle größeren Schlachtbetriebe in Deutschland haben ihre Pandemiepläne nach dem großen Ausbruch in Rheda-Wiedenbrück überarbeitet und in diesem Zusammenhang auch ihre Schlachtkapazitäten reduzieren müssen. Hatten wir vor Corona noch Überkapazitäten in den Schlachthöfen, so herrscht nun eine deutliche Unterversorgung, die Niedersachsen besonders massiv betrifft.
Als Konsequenz auf dem Ausbruch in RhedaWiedenbrück wurde bekanntlich eine verpflichtende, regelmäßige Untersuchung aller Mitarbeiter in Schlacht- und Zerlegebetrieben auf COVID-19 eingeführt, um frühzeitig Infektionsfälle zu erkennen und dann auch Infektionsketten zu unterbrechen.
Welche Kraft die Pandemie zurzeit in Deutschland entfaltet und mit welcher Geschwindigkeit sich neue Infektionsketten aufbauen, zeigt sich nun in den Schlachtbetrieben.
Nach allem, was wir wissen, wird uns diese Pandemie noch viele Monate begleiten. Ich werde alles daransetzen, die Auswirkungen der Pandemie auf die systemrelevante Ernährungswirtschaft in Niedersachsen so gering wie möglich zu halten, und hoffe dabei auch auf die Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen im Kabinett.
So sind wir derzeit im Gespräch, den Betrieben flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen, um Pandemiepläne einhalten zu können. Es wird darüber nachgedacht, an Sonn- und Feiertagen schlachten und zerlegen lassen zu dürfen.
Meine Damen und Herren, die Erwartung der Schweinehalter in Niedersachsen, dass alles rasch wie früher ist, werden wir jedoch nicht erfüllen können.
Aus vielen persönlichen Gesprächen weiß ich, dass die Verzweiflung bei den Tierhalterinnen und Tierhaltern in Niedersachsen sehr groß ist. Mich erreichen Telefonate von weinenden Frauen und Männern von den Höfen, die nicht mehr ein und aus wissen. Die sagen: Ich töte meine Schweine, und ich werde mich umbringen. - Das ist die Situa
Und, meine Damen und Herren, ich wäre froh, wenn ich diesen Menschen sagen könnte, dass das Schlimmste bereits überstanden ist. Aber genau das kann ich nicht.
Meine Erwartung an die Schweinehalter in Niedersachsen ist daher, dass sie jetzt sofort ihre Produktion auf den vermutlich länger anhaltenden Engpass bei der Schlachtung, Zerlegung und Vermarktung anpassen. - (Die Ministerin weint) - Entschuldigung, aber ich bin ein bisschen angefasst.
Meine Damen und Herren, jetzt ist die Zeit, die Ferkelerzeugung zu drosseln; denn auch in vier Monaten wird es noch pandemiebedingte Einschränkungen geben. Da, meine Damen und Herren, erwarte ich auch Solidarität von den Tierhaltern.
So ist es für mich schwer nachvollziehbar, warum im letzten Monat noch mehr als 400 000 Mastferkel aus Dänemark und den Niederlanden in niedersächsischen Tierhaltungen aufgestallt wurden, während zahlreiche niedersächsische Sauenhalterinnen und Sauenhalter keine Abnehmer mehr für ihre Tiere fanden.
Wir werden möglicherweise in den nächsten Wochen ein gravierendes Tierschutzproblem in vielen Ställen bekommen. Lassen Sie uns deswegen bitte gemeinsam nach Lösungen suchen, um Tierschutzverstöße im Vorfeld zu verhindern!
Und, meine Damen und Herren, die Gesunderhaltung der Bevölkerung und damit der Schutz vor der weiteren Ausbreitung des Virus werden weiterhin oberste Priorität bei allen Entscheidungen und Maßnahmen der zuständigen Behörden haben. Dafür bitte ich bei den niedersächsischen Tierhalterinnen und Tierhaltern trotz der bestehenden Sorgen um ihre berufliche Existenz auch an dieser Stelle um Verständnis.
Das Wort hat Frau Staudte, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte, Frau Staudte! Die Unterrichtung hat sechs Minuten gedauert. Sie erhalten vier Minuten Redezeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Das ist tatsächlich eine dramatische Situation sowohl für die Tierhalterinnen und Tierhalter als auch für die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter in den Schlachthöfen.
Es ist eben ja dieses Bild gezeichnet worden: Wir stehen in Niedersachsen relativ gut da. Wir haben verhältnismäßig gut reagiert. - Das teilen wir im Grundsatz auch. Aber wir müssen auch feststellen: Bei den Schlachthöfen versagt diese Landesregierung leider auf ganzer Linie.
Es kann nicht sein, dass wir uns quasi daran gewöhnen, dass mit erschreckender Regelmäßigkeit immer wieder diese großen Ausbrüche in den Schlachthöfen bekannt werden. Das sind ja auch nicht 5 oder 6, sondern immer gleich 100 oder jetzt über 60 Infektionen an den einzelnen Standorten. Da frage ich mich natürlich: Dieses Konzept des Testens scheint ja nicht zu funktionieren. Wenn angeblich täglich getestet wird, müsste man das doch nach und nach mitkriegen. Die 113 Personen haben sich doch nicht alle an einem Tag infiziert. Da haben wir wirklich viele Fragen.
Es kann doch nicht sein, dass jetzt quasi gesagt wird: Na ja, wir kriegen im Bund dieses Verbot der Werkverträge usw. Ab dem 1. Januar 2021 wird der Hubertus Heil das schon irgendwie regeln. - Wir brauchen jetzt Maßnahmen hier in Niedersachsen! Es kann nicht sein, dass wir für diese Menschen z. B. immer noch keine Unterbringungen in Einzelzimmern haben.
Ich finde es auch unerträglich, dass von einigen Landräten verbreiten wird: Na ja, die haben sich irgendwo in der Raucherecke angesteckt. - Nach dem Motto: Die sind irgendwie selber schuld, die halten sich selbst nicht an Vorgaben. - Das sind Menschen, die wirklich unter den schlimmsten Bedingungen arbeiten. Wer in einem Schlachthof
war, hat das gesehen. Sie kommen aus Ländern größter Armut, sie sind hinsichtlich ihrer Arbeitnehmerrechte quasi rechtlos, und sie sind den Subunternehmern immer noch schutzlos ausgeliefert. Ich kann nicht erkennen, dass hier wirklich agiert wird. Das hat dann diese schlimmen Auswirkungen, wie Sie sie gerade eben geschildert haben, Frau Ministerin.
Noch ein Punkt: Ich kann nicht verstehen, dass jetzt weiter geschlachtet werden darf, auch wenn es nur ein paar Tage sind, dass bis Freitag und dann noch bis Sonntag zerlegt werden darf, obwohl es so viele Fälle gibt. Stellen Sie sich mal vor: Hier im Landtag würde festgestellt werden, dass 20 Leute infiziert sind. Würde da irgendjemand sagen: Tagen Sie bitte noch zu Ende? - Das kann nicht sein! Wir müssen diese Menschen schützen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Für die SPDFraktion spricht nun Frau Abgeordnete Logemann. Bitte, Frau Kollegin, für Sie sechs Minuten!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Bärbel Otte-Kinast, liebe Ministerin, erst einmal ganz, ganz herzlichen Dank für die schnelle und umfangreiche Unterrichtung. Das ist immer wichtig. Die Presse bringt es hoch und runter. Von daher war das vollkommen richtig. Herzlichen Dank dafür!
Wir befinden uns in diesem Bereich in einem enormen Spannungsfeld. Das ist schon gesagt worden. Mich wundert immer wieder, dass man mir in Gesprächen mit diesen Unternehmen sagt: Frau Logemann, wir haben selber ein ureigenstes Interesse daran, dass es zu keinen Ausbrüchen kommt. - Und für mich sind die Unternehmen maximal in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass genau das, was jetzt passiert, nicht passiert!
Es ist genauso, wie Frau Staudte sagte: Es ist immer noch nicht geregelt, dass die Unterkünfte so dargeboten werden, dass die Infektionskreisläufe unterbrochen werden können. Auch das Stehen an den Bändern ist nach wie vor durchaus ein Problem. Denn es ist ganz logisch: Stehen mehr Personen an einem Band, kann man wesentlich grö
Wir stehen in einem Spannungsfeld. Die Landkreise stehen in der Verantwortung dafür, dass es bei ihnen keine weiteren Ausbreitungen gibt. Gerade an den Landkreisen Vechta und Emsland sehen wir jetzt, wie unterschiedlich das durchaus bewertet wird.
Sie haben sicherlich der Presse entnommen, dass die Entscheidung des Landkreises Emsland, dort erst einmal zu schließen - ab Sonnabend, wenn ich das richtig gelesen habe -, von der betroffenen Firma Tönnies so nicht akzeptiert wird und man gerichtlich dagegen vorgehen will. Das ist das Recht eines solchen Unternehmens. Ich würde mir wünschen, dass es sein Engagement, seine Kraft und alles, was ihm zur Verfügung steht, mehr dafür einsetzen würde, die Situation auf den Schlachthöfen zu verändern.
Ein weiterer Teil des Spannungsfeldes ist tatsächlich - das hat die Ministerin dargestellt - die Situation in unseren Ställen. Corona ist das eine. Wir haben es mit ASP-Ausbruch zu tun, der natürlich weiterhin dafür sorgt, dass unsere Schweine nicht in dem Maße exportiert werden können, wie es sonst der Fall ist, sondern in den Ställen verbleiben. Das ist in der Tat ein Riesenproblem. Was sollen die Landwirte machen? Die können nicht einfach die Ställe aufmachen und „Husch, husch, raus!“ rufen. Aber die Schweine werden größer. Und da ist auch schon das Problem: nicht, dass sie etwas länger leben, sondern dass sie einfach nicht genügend Platz in den Ställen haben. Das ist unerträglich. Man steht hier vor einer gigantischen Aufgabe.