Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Ein weiterer Teil des Spannungsfeldes ist tatsächlich - das hat die Ministerin dargestellt - die Situation in unseren Ställen. Corona ist das eine. Wir haben es mit ASP-Ausbruch zu tun, der natürlich weiterhin dafür sorgt, dass unsere Schweine nicht in dem Maße exportiert werden können, wie es sonst der Fall ist, sondern in den Ställen verbleiben. Das ist in der Tat ein Riesenproblem. Was sollen die Landwirte machen? Die können nicht einfach die Ställe aufmachen und „Husch, husch, raus!“ rufen. Aber die Schweine werden größer. Und da ist auch schon das Problem: nicht, dass sie etwas länger leben, sondern dass sie einfach nicht genügend Platz in den Ställen haben. Das ist unerträglich. Man steht hier vor einer gigantischen Aufgabe.

Die Ministerin hat gesagt: Bitte seien Sie an meiner Seite, und helfen Sie mit, diese Problematik aufzulösen! - Frau Ministerin, seien Sie sich sicher: Die SPD-Landtagsfraktion ist an Ihrer Seite.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es folgt Ihnen für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Dammann-Tamke. Bitte, auch für Sie sechs Minuten!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich

möchte mich ausdrücklich bei der Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast für die heutige Unterrichtung bedanken.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Es ist deutlich geworden, dass die Situation an unseren Schlachthöfen durch das Krankheitsgeschehen Covid-19 bedingt ist.

In Richtung unserer grünen Freundin, der Kollege Staudte, möchte ich sagen: Sie haben hier heute die Aussage getätigt, diese 118 Mitarbeiter hätten sich nicht an einem Tag infiziert. Frau Kollege Staudte, wir alle haben in den letzten Monaten sehr viel lernen müssen bezüglich dieses Virus, bezüglich Covid-19, bezüglich Ansteckungswegen, Ansteckungspfaden. Eines haben wir auch gelernt: dass die Klimabedingungen an Schlachthöfen - Feuchtigkeit und niedrige Temperaturen - offensichtlich die Entwicklung von Bioaerosolen fördern, die dieses Virus weitertragen. Von daher sind Schlachthöfe sozusagen systemimmanent Hotspots in Bezug auf das Covid-19-Geschehen.

Das hat im ersten Moment nichts mit der Unterbringung zu tun, die auf jeden Fall, wie sie in der Vergangenheit gelaufen ist, zu kritisieren ist. Die Schlachthöfe als solche sind von ihren Produktionsbedingungen her Hotspots für dieses Virus.

(Zuruf von Christian Meyer [GRÜNE])

Ich habe keinerlei Anlass, hier die Entscheidungen der Landräte der betroffenen Landkreise zu kritisieren. Diese Entscheidungen sind sicherlich in enger Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden getroffen worden. Es ist auch das gute Recht von Schlachthofunternehmen, juristische Wege zu beschreiten.

Ich habe die Unterrichtung durch die Ministerin heute vor allen Dingen in eine Richtung verstanden. Die Wertschöpfungskette entlang des Lebensmittels Fleisch ist fünfgliedrig. An erster Stelle stehen die Nutztierhalter. Diese sind im Moment diejenigen, die den ganzen Druck dieser Situation aushalten müssen. Sie müssen ihn wirtschaftlich aushalten - das mögen gesunde Betriebe noch relativ lang ausstehen -, aber sie müssen ihn vor allen Dingen in Bezug auf ihre Tiere und die Unterbringung ihrer Tiere in Ställen aushalten.

Da müssen wir einfach festhalten: Es handelt sich nicht um eine industrielle Produktion. Man kann nicht irgendwelchen Zulieferbetrieben sagen: Mach mal 14 Tage Kurzarbeit! Drossele mal deine Pro

duktion! Oder lege deine Produktion auf Lager! - Nein, das Problem ist hier, dass auch in Niedersachsen jeden Tag neue Tiere geboren werden.

Die Ministerin hat angesprochen, wie träge das System in Bezug auf Sauenhalter ist. Wenn die heute aufhören würden, Sauen zu besamen, würde es nämlich vier Monate dauern, bis die Geburt von Tieren ausbleibt.

Aber das System ist noch viel träger. Eine Sau trägt drei Monate, drei Wochen und drei Tage - sagen wir einmal: vier Monate. Dann sind die Ferkel noch zwei Monate bei dem Ferkelerzeuger - dann sind wir schon bei sechs Monaten -, und dann sind sie vier Monate in den Mastbetrieben.

(Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

Selbst wenn wir heute die Besamung von Sauen in den Sauenhaltungsbetrieben stoppen würden, würden wir die Auswirkungen an den Schlachthöfen, an den Schlachthaken frühestens in zehn Monaten erkennen können. Zehn lange Monate, in denen die Bestände in den Ställen, auf den Betrieben anwachsen werden!

(Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

Liebe Kollegin Staudte, ich habe heute eine Bitte an die Grünen, die in der Vergangenheit immer sehr gerne mit NGOs sozusagen tierschutzwidrige Bedingungen in unseren Betrieben aufgedeckt haben: Bitte nehmen Sie in den nächsten Wochen und Monaten zur Kenntnis, dass diese Betriebe keine Chance haben, sich dagegen zu wehren, dass die Tiere in ihren Ställen jeden Tag mehr werden, dass die Tiere in ihren Ställen jeden Tag größer werden, dass der Platz in den Ställen jeden Tag weniger wird und dass der Viehhandel den Betrieben die Tiere nicht abnehmen wird, weil unsere Schlachthöfe nicht schlachten!

In diesem Sinne hat die Ministerin heute richtig unterrichtet, weil sie frühzeitig darauf aufmerksam machen wollte - sie hat es auch angesprochen -, dass wir sehenden Auges auf eine Situation zulaufen, in der wir vermutlich mit tierschutzwidrigen Bedingungen in unseren Ställen zu tun bekommen werden.

Die Landwirte sind in diesem Moment das schwächste Glied in der Produktionskette. Deshalb sollten wir hier seitens der Politik genau hinsehen und jede Form der Unterstützung - ich sage auch: wir müssen hier unkonventionelle Wege gehen - gewähren. Dazu brauchen wir kluge Beschlüsse. Dazu brauchen wir ein enges Zusammenspiel aller

in der Produktionskette. Ich erkenne, dass alle dazu bereit sind. Politik sollte hier verantwortlich hinschauen und diesen Weg konstruktiv begleiten.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dammann-Tamke. - Es gibt eine Kurzintervention zu Ihrer Rede von der Kollegin Staudte. Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Nur ganz kurz: Ich habe doch dargestellt, dass man Einfluss hätte nehmen können, wenn man am Anfang reagiert hätte. Es sind vielleicht sieben Monate, zehn nicht unbedingt. Aber diese Landesregierung hat eben nichts gemacht. Wir haben tausendmal gesagt: Es muss strenger kontrolliert werden, bei den Unterkünften muss etwas passieren, und, und, und. - Nichts ist passiert!

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU - Glocke der Prä- sidentin)

Jetzt schieben Sie das uns in die Schuhe und sagen, wir müssten in Zukunft weggucken.

(Ulf Thiele [CDU]: Das hat er über- haupt nicht gesagt!)

Wir sind sehenden Auges in eine schwierige Situation gekommen!

Das Gleiche gilt für die ASP. Vor drei Jahren habe ich hier gesagt: Wir müssen von der Exportorientierung wegkommen, weil irgendwann der Tag kommen wird, an dem uns diese Schweine nicht mehr abgenommen werden. Sie haben Prävention in Bezug auf Wildschweine betrieben. Aber das Schadensausmaß hat Sie nie interessiert, und jetzt kommt die Rechnung.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Dammann-Tamke möchte Ihnen antworten. Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr verehrte Kollegin Staudte, Sie vermischen hier im Moment zwei Dinge: zum einen die Situation von Mitarbeitern in Schlachthöfen, die Unterbringung dieser

Mitarbeiter und das Infektionsgeschehen an

Schlachthöfen und zum anderen - ich habe Sie gebeten, in Zukunft mit Nachsicht darauf zu schauen - die Situation auf den Höfen.

(Beifall bei der CDU)

Die Landwirte und Nutztierhalter auf unseren Höfen haben gegenwärtig keine Chance, aus dieser Situation herauszukommen, weil jeden Tag neue Tiere geboren werden.

(Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

Die Biologie - von der Besamung bis zum Schlachthaken - dauert elf Monate. Das dürfen wir hier nicht negieren.

(Beifall bei der CDU)

Verehrte Kollegin Staudte, Sie sprechen immer davon, dass wir so exportorientiert arbeiten. Wir produzieren auch Schweinefleisch, in einem gemeinsamen europäischen Markt.

Kennen Sie den Selbstversorgungsgrad unserer Nachbarn? - Dänemark: 650 %, Niederlande: 330 %.

(Zurufe von Miriam Staudte [GRÜNE] und Christian Meyer [GRÜNE])

Kennen Sie den Selbstversorgungsgrad in der Bundesrepublik Deutschland? - Zugegeben, es sind 120 %. Damit liegt Deutschland aber genau im europäischen Durchschnitt.

(Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

Und wissen Sie, dass dieser Selbstversorgungsgrad von 120 % im Grunde genommen eine Mogelpackung ist, weil der Deutsche nur zwei Drittel - 65 % - des Schlachtkörpers selbst isst? Das andere Drittel - es sind 35 % - müssen wir auf internationalen Märkten absetzen,

(Glocke der Präsidentin)