Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann überhaupt keinen Zweifel geben: Extremismus und Rassismus haben in der Polizei nichts zu suchen!

Polizistinnen und Polizisten sind Stellvertreter und Verteidiger des Rechtsstaates. Sie stehen für das Gewaltmonopol des Staates. Wer fremdenfeindliches und rechtsextremistisches Gedankengut in sich trägt und andere Menschen diffamiert, ist ein Feind unserer freiheitlichen demokratischen

Grundordnung. Jemand, der so etwas tut und von sich gibt, darf keine Polizeiuniform tragen. Da bin ich völlig klar, meine Damen und Herren.

Die jetzt in Nordrhein-Westfalen oder Berlin bekannt gewordenen Fälle sind erschreckend, schockierend und völlig inakzeptabel. Aber dazu müssen wir dann auch sagen, meine Damen und Herren: Wir in Niedersachsen tun bereits seit vielen, vielen Jahren sehr, sehr viel, um Derartiges in Niedersachsen, ich will nicht sagen: zu verhindern - das wird uns im Zweifel nicht gelingen -, aber weitgehend auszuschließen und zu erschweren.

Ich will nicht alles wiederholen, was hier dazu gesagt worden ist. Aber wir sind ständig dabei, uns weiter zu verbessern. Wir tun alles, was wir können, in der Aus- und Fortbildung und im täglichen Dienst, um extremistische Weltanschauungen in der Polizei - genauso wie übrigens in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen - zu erkennen und zu bekämpfen.

Meine Damen und Herren, Bürgernähe, Toleranz und das entschiedene Eintreten gegen Diskriminierung sind nach meinem und unserem Verständnis fest im Selbstverständnis unserer Polizei verankert. Diese Einstellung, diese Haltung, wird schon

bei der Einstellung - wir haben es gehört - intensiv geprüft. Während des Studiums an der Polizeiakademie Niedersachsen wird ein besonderer Fokus auf die Rolle der Polizei in einem demokratischen Rechtsstaat und auf berufsethische Aspekte gelegt. Zahlreiche Fort- und Weiterbildungen zu interkulturellen Kompetenzen haben sich ebenfalls längst - seit Jahren - etabliert.

Eine besondere Bedeutung - das will ich deswegen auch besonders hervorheben - hat auch unsere 2019 gestartete Initiative „Polizeischutz für die Demokratie“, die auch im Zusammenhang mit der GdP entstanden ist.

Lassen Sie mich noch ein Wort zur Ausbildung sagen. Als vor drei, vier Jahren in einigen Bundesländern gefordert wurde, Hilfspolizisten anzustellen - das wurde damals übrigens auch hier im Land gelegentlich gefordert - , habe ich mich sehr deutlich und konsequent dagegen gestellt, weil ich nichts davon halte, in einer „Schnellbesohlung“ Menschen mit einer pseudopolizeilichen Ausbildung auszustatten und dann mit einer Waffe auf die Straße zu schicken. Was daraus wird, kann man eindrucksvoll in den USA und anderswo sehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Becker zu?

Ja, gerne.

Bitte, Herr Kollege Becker!

Vielen Dank, Herr Pistorius, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Wir haben gerade einen ganzen Strauß von Maßnahmen und Vorschlägen gehört, die sich zwischen Prävention und repressiven Maßnahmen ausbreiten. Sie haben gerade erwähnt, dass sich die Polizei noch stärker bemühen müsste, rechtsextreme Strukturen zu erkennen. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Vorschlag, Messenger auf mobilen Geräten, die Polizistinnen und Polizisten mit sich führen, gezielt auszulesen, um dort solche Strukturen erkennen zu können?

Ich habe das schon vor einiger Zeit in einem anderen Kontext gelesen. Ich glaube, das war im Rundblick. Ich war einigermaßen darüber befremdet, anlasslos und ohne Verdachtsmomente auf Nachrichten auf dienstlichen oder privaten Geräten zuzugreifen. Das ist mit meinem Verständnis von Führung jedenfalls nicht vereinbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Uwe Schünemann [CDU]: Datenschutz!)

Zurück zum Projekt „Polizeischutz für Demokratie“. Ziel dieses Projektes ist es, die Widerstandskraft der Polizei gegen demokratiegefährdende Erscheinungen proaktiv weiter zu stärken. Wir haben dafür in Niedersachsen einen Oberbegriff - wenn Sie so wollen: ein Label - entwickelt, das inzwischen bundesweit von Experten als Fachbegriff genutzt wird und diese Widerstandskraft sehr schön bezeichnet. Wir sprechen von „demokratischer Resilienz“, meine Damen und Herren.

Ich will noch etwas hinzufügen: Seit Jahren machen wir in der Strategieentwicklung der Polizei hervorragende Erfahrungen damit, die Polizistinnen und Polizisten und übrigens auch das Personal in der Verwaltung bei der Entwicklung von Strategien einzubinden. Wir verbessern konkret seit Jahren unsere Fehlerkultur genau mit dem Anspruch, der beschrieben worden ist. Es gibt eine zunehmend offenere Kommunikation in der Polizei. Auch das ist Voraussetzung dafür, hier weitere wesentliche Schritte vorangehen zu können.

Aber alles das, meine Damen und Herren, ist keine Garantie und kein absoluter Schutz gegen inakzeptables Fehlverhalten von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Umso wichtiger ist es, jeden möglichen Fall von Rassismus oder Extremismus innerhalb der Polizei konsequent und genau zu untersuchen und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen: In Niedersachsen haben wir seit dem 1. Juli 2014 eine Beschwerdestelle im Innenministerium eingerichtet. Hier haben nicht nur alle Bürgerinnen und Bürger, sondern auch alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die Möglichkeit, auf Fehlverhalten in den eigenen Reihen aufmerksam zu machen.

Wichtig ist: Wir sprechen hier von einer unabhängigen Stabsstelle, die dem Staatssekretär zwar

zugeordnet ist, aber organisatorisch nicht an die Polizeiabteilung im Innenministerium angegliedert ist. Zudem evaluieren wir die Arbeit dieser Stelle und überprüfen, wo es Verbesserungspotenziale gibt, und zwar kontinuierlich und seit einiger Zeit. Ich freue mich, dass das hier auf breite Zustimmung zu stoßen scheint. Wir beschäftigen uns mit der Frage einer Anlaufstelle auch für anonyme Hinweise aus der Polizei, um ihnen besser und früher nachgehen zu können, um aber eben auch Beratung geben zu können. Wir sind also dauernd dabei, das Qualitätsmanagement innerhalb der Polizei und der Landesverwaltung als solcher auch im Sinne einer offenen Fehlerkultur weiter zu optimieren.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich betonen: Ich halte es für dringend angezeigt, diese oft sehr emotional geführte Debatte etwas mehr zu versachlichen. Dazu gehört - erlauben Sie mir den Hinweis -, dass solche Plakate der Grünen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenig hilfreich sind.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU - Der Redner zeigt ein Plakat mit der Aufschrift „Nach den Rechten sehen! Auch in der Polizei Nieder- sachsen“)

Das erweckt den Eindruck, als hätten wir ein riesiges Problem von Rechtsextremismus in der Polizei. Davon kann nun wahrhaftig keine Rede sein. Unsere Polizei ist bestens ausgebildet und steht auf dem Boden unserer Verfassung. Ich wiederhole gerne, was ich in letzter Zeit oft gesagt habe: Ich bin davon überzeugt, dass wir eine der besten Polizeien der Welt haben, meine Damen und Herren. Darauf sollten wir stolz sein.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Da ich glaube, dass wir immer noch besser werden können und dass wir in Niedersachsen seit Jahren auf dem richtigen Weg sind, habe ich übrigens schon vor zwei Wochen - die Studie selber ist schon länger im Gespräch, auch von mir - gemeinsam mit anderen Bundesländern den Vorschlag der GdP aufgegriffen, eine Studie über die Rahmenbedingungen des täglichen Alltags in der Polizei durchzuführen. Ich finde diesen Vorschlag gut. Er zeigt in die richtige Richtung. Er beleuchtet vielleicht noch nicht alles. Darüber wird zu reden sein. Aber klar ist: Herr Reul ist jetzt auch auf dem Dampfer angekommen, übrigens als erster

B-Innenminister. Ich freue mich sehr darüber. Es

wird Zeit, dass sich die anderen anschließen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Vorschlag der GdP ist gut, weil das nämlich einer von mehreren möglichen Ansätzen ist - ich betone: von möglichen weiteren Ansätzen -, um zukünftig deutlich breiter angelegte Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie es zu bestimmten Entwicklungen auch in der Polizei kommen kann: Rassismus, Extremismus, Racial Profiling. Es geht nicht darum, irgendjemanden an den Pranger zu stellen. Es geht nicht darum, einen Generalverdacht auszusprechen, sondern es geht darum, die Polizei von haltlosen Vorwürfen, wie wir sie in den letzten Monaten immer wieder gehört haben, zu entlasten und zu dokumentieren und zu beweisen, dass sie auf dem Boden unserer Verfassung steht.

Eine solche Studie sollte sich aber nicht nur auf Niedersachsen beschränken, sondern wir sollten hier im Konzert der Länder viel tun. Daher werde ich zunächst mit meinen Kollegen der SPDgeführten Ressorts Ende des Monats und auch bei der Herbst-IMK in Weimar im Dezember im Kreise der Minister gemeinsam mit Horst Seehofer sprechen, und zwar ohne Scheuklappen und ergebnisoffen. Ich bin sicher, wir werden zu einem guten Ergebnis kommen.

Aktuell kann ich sagen: Die niedersächsische Polizei ist beim Kampf gegen Rechtsextremismus und demokratiegefährdende Tendenzen sehr gut aufgestellt. Über unser Konzept und die vielen präventiven Maßnahmen wurde auch der Ausschuss für Inneres und Sport in der vergangenen Woche umfassend unterrichtet. Die Resonanz war - darüber habe ich mir sehr gefreut - sehr positiv.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Uns liegt ein Antrag auf zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 GO LT der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Frau Abgeordnete Hamburg, Sie erhalten 90 Sekunden Redezeit.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pistorius, wissen Sie: Wir als grüne Landtagsfraktion haben dieses Thema in den letzten Wochen mit großer Ernsthaftigkeit

diskutiert. Wir haben nicht gesagt: Die Polizei ist voller Nazis! Das liegt uns nämlich vollkommen fern. Social Media ist dazu da, etwas zu pointieren. Das wissen Sie auch. Und was wir damit pointieren wollten, ist, dass es nicht sein kann, dass gerade diese rechtsextremen Strukturen durch Zufallsfunde an die Öffentlichkeit kommen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

sondern dass hier hingeschaut werden muss - und zwar strukturell. Mit diesem Fernglas wollten wir zum Ausdruck bringen, dass man genau hinsieht - nicht mehr und nicht weniger.

Wir sind vollkommen einer Meinung, auch mit Ihnen, Herr Schünemann - wenn auch nicht in allen Fragen, aber in dieser -, dass wir strukturell etwas tun müssen, um die Fragen nach einem Qualitätsmanagement und nach strukturellen Verbesserungen - vielleicht auch nach belastenden Situationen im Einsatz und wie man mit Supervision damit umgeht, damit sich nicht bestimmte Schemata in den Köpfen festsetzen, was naturgemäß die Sache ist - zu beantworten. Gerne kommen wir mit Ihnen dazu ins Gespräch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das darf an dieser Stelle doch aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir genau hinsehen können,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und dass Nordrhein-Westfalen, Hessen und Berlin uns mahnen, die Entdeckung dieser Strukturen nicht dem Zufall zu überlassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern zu handeln. Denn wir reden hier von rechtsextremen Strukturen, die von uns an der Stelle auch Waffen bekommen. Selbst wenn es ein kleiner Teil ist, ist es an dieser Stelle ein Teil zu viel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie uns also an beiden Seiten anfassen und diese Debatte mit großer Ernsthaftigkeit führen! Wir hätten auch ganz anders agieren können und sagen können: Oho, das ist auch hier in Niedersachsen so, und Sie schauen nicht hin! - Aber all das haben wir uns gespart. Dass Sie jetzt hier so ein Plakat hochhalten, um uns in eine andere Richtung lenken, das - entschuldigen Sie! - lasse ich an dieser Stelle nicht zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ebenfalls um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 GO LT hat der Abgeordnete Herr Becker gebeten. Bitte, Herr Becker!

Liebe Frau Hamburg, auch Ihnen ist sicherlich aufgefallen, dass Sie sehr viel Mühe und sehr viel Zeit aufwenden mussten, um diesen Spagat zu erklären.