Protokoll der Sitzung vom 10.11.2020

Da gibt es aus unserer Sicht sehr einfache Möglichkeiten, z. B. dass man die Meldung an die App automatisiert und das Ganze gegebenenfalls mit einem Widerspruchsrecht versieht. Hier lassen sich Datenschutz und die Funktionsfähigkeit der App sehr wohl zusammenbringen. Das müssen wir endlich voranbringen, damit diese auch ein effektives Instrument zur Pandemiebekämpfung wird.

Schließlich, meine Damen und Herren: Niedersachsen ist in der Forschungslandschaft schon ziemlich stark aufgestellt. Auch das ist eine Diskussion, die wir schon einmal im Frühjahr geführt haben. Wir haben viele unterschiedliche Initiativen an Standorten unserer wissenschaftlichen Einrichtungen. Aber was fehlt - und das ist in der Anhörung im Wissenschaftsausschuss auch noch einmal deutlich geworden -, ist eine übergreifende Betrachtung. Wir brauchen jemanden - ein Institut für Aerosolforschung oder Ähnliches -, der die Dinge zusammenführt - die Medizin, die Physik, alles, was damit zu tun hat -, um diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der Frage, wie man sich sicher miteinander in Räumen aufhalten kann, tatsächlich voranzubringen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss auf ein für uns sehr zentrales Thema kommen, nämlich zu der Frage, wie wir in diesem Hause damit umgehen.

Der Ministerpräsident hat der Bitte der FDP-Fraktion, hier eine Regierungserklärung abzugeben, diesmal nicht entsprochen. Er hat darauf verwiesen, dass sich die Ministerpräsidenten in der nächsten Woche mit der Bundeskanzlerin treffen würden, dann würde man weitersehen. Das heißt, man will daran festhalten, wie es bisher gelaufen ist: Die Exekutive, die Ministerpräsidenten, treffen sich am Mittwoch mit der Bundeskanzlerin, die verabreden etwas, das erfahren wir dann am Mittwochnachmittag, am Donnerstag wird das in Verordnungsentwürfe geschrieben, und am Freitag, spätestens am Montag, tritt es in Kraft.

Meine Damen und Herren, offensichtlich ist nicht gewollt, über das, was man dort als Szenarien oder Ähnliches hat, vorher hier im Parlament zu sprechen. Viel deutlicher, Herr Ministerpräsident, als mit Ihrer Antwort konnte man nicht machen, dass Ihnen die parlamentarische Beteiligung egal ist.

(Beifall bei der FDP)

Aber was mich am meisten wundert, ist, wie die Regierungsfraktionen damit umgehen. Es sollte doch eigentlich hinreichend klar sein, welche Integrationskraft in Zeiten einer solchen Pandemie ein Parlament haben kann und wie es zur Akzeptanz von Maßnahmen führen kann, wenn man sich hier aktiv und ernsthaft beteiligt. Aber was die Regierungsfraktionen machen, ist die Verweigerung der Übernahme von Verantwortung - nichts anderes!

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Unverschämt! - Widerspruch von Wi- ard Siebels [SPD])

- Frau Modder, Sie haben hier nicht einen einzigen Antrag zur Corona-Politik eingebracht, genauso wenig wie die CDU. Eingebracht haben Sie einen gemeinsamen Gesetzentwurf, aber der war eine Formulierungshilfe für die Landesregierung. Herr Toepffer fordert die Opposition auf, inhaltliche Vorschläge zu machen. Die tut das das seit Wochen und Monaten, aber Sie haben nicht einen einzigen Vorschlag gemacht!

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Zurufe von Johanne Mod- der [SPD] und Wiard Siebels [SPD])

Die einzige Funktion, die Sie bei sich sehen, ist, sich schützend vor die Landesregierung zu stellen und Diskussionen abzublocken. Das ist zu wenig. Aus meiner Sicht haben gerade die Regierungsfraktionen die Verantwortung, diese Debatte hier selbst mit eigenen Ideen zu führen.

(Johanne Modder [SPD]: Genau! Ver- antwortung! Das ist das richtige Stichwort!)

- Frau Modder, Sie können ja gleich reden. Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf!

Unser Vorschlag steht nach wie vor im Raum. Der ist nicht damit abgetan, dass der Landtag zustimmen muss, dass es einen Zustimmungsvorbehalt gibt. Es ist nicht damit getan, dass wir unsere Arbeit anders organisieren. Da sind gute Vorschläge dabei, die in die richtige Richtung gehen. Aber worum es geht, ist doch das Zusammenspiel zwischen Regierung und Parlament. Es geht darum, dass sich die Regierung hier verantworten muss, dass das Parlament seine Vorschläge hier entsprechend beschließt und sich zu dem, was die Regierung, die Exekutive, macht, entsprechend verhält. Das sind die Verordnungen. Diese Grundlage wollen wir erhalten, wir stellen es nur unter einen Zustimmungsvorbehalt. So gehen Pandemiebekämpfung und parlamentarische Legitimation zusammen.

Ich nehme aber zur Kenntnis, dass Sie das nicht wollen und nicht bereit sind, diese Verantwortung zu übernehmen. Wir hingegen nehmen diese Verantwortung wahr. Wir haben das heute mit unserem Entschließungsantrag bewiesen, genauso wie die Fraktion der Grünen sehr konkret sagt, was

Sache ist. Wir würden gern mal hören, wo Sie stehen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Das war sozusagen die zweite Einbringung. Wir gehen jetzt in die volle Beratung über. Der erste Redner ist Kollege Nacke von der Fraktion der CDU. Bitte sehr!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Jörg Bode [FDP]: Da haben wir schon mal mehr Beifall gehört! - Gegenruf von Ulf Thiele [CDU]: Warte mal ab, bis er fertig ist!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bewältigung der Corona-Pandemie stellt unser Land vor eine Herausforderung, die sich ihm so noch nie gestellt hat. Die Corona-Pandemie ist eine echte Bewährungsprobe für unser Gemeinwesen. Sie ist eine Bewährungsprobe für den Parlamentarismus. Sie ist eine Bewährungsprobe für den Föderalismus. Sie ist eine Bewährungsprobe für den Staat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie es mich für die CDU-Fraktion gleich zu Beginn ganz klar sagen: Deutschland und Niedersachsen haben diese Bewährungsproben bislang gut bestanden. Wir können froh sein, dass mit Angela Merkel eine erfahrene und besonnene Kanzlerin das Heft des Handelns in der Hand hält.

(Beifall bei der CDU)

Wir können froh sein, dass die Länder ihre Verantwortung übernehmen. Es ist das Zusammenspiel der gemeinsamen Absprache und der föderalen Verantwortung für die Umsetzung, das unser Land bislang besser durch die Krise kommen lässt als alle anderen Staaten Europas.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es für diese These noch eines Beleges bedurft hätte, zitierte ich gern den ersten Satz aus der Begründung der Grünen für eine ganze Menge ihrer Anträge. Dort heißt es:

„Die Entscheidung der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom 28.10.2020 zur Verschärfung

der Corona-Schutzmaßnahmen war grundsätzlich richtig und notwendig.“

Insofern ist auch die Niedersächsische CoronaVerordnung vom 30. Oktober 2020 grundsätzlich angemessen.

(Volker Bajus [GRÜNE]: Das ist doch kein Persilschein!)

Und ich zitiere auch aus dem Antrag der FDP:

„Auf gesundheitspolizeiliche Ge- und Verbote kann nicht gänzlich verzichtet werden.“

Und später:

„Die Bewältigung der Pandemie wird auch künftig wesentliche Eingriffe in Grundrechte notwendig machen.“

Dem ist nicht viel hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Lob für die Maßnahmen der Regierung durch FDP und Grüne ist verständlich. Schließlich tragen diese Parteien außerhalb Niedersachsens in dem einen oder anderen Bundesland Regierungsverantwortung. Dort haben sie die Maßnahmen auf Basis des Infektionsschutzgesetzes des Bundes schnell umgesetzt. Die Bedenken der niedersächsischen Opposition hinsichtlich einer fehlenden Parlamentsbeteiligung werden offensichtlich von deren Parteifreunden in Regierungsverantwortung nicht geteilt.

(Beifall bei der CDU - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das stimmt nicht! Baden-Württemberg hat so ein Ge- setz! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Unzu- treffend!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich will an dieser Stelle gern einräumen, dass Sie die richtigen Fragen stellen,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Im- merhin! Das ist sehr großzügig!)

Fragen, die auch die CDU-Fraktion bewegen, Fragen, die das ganze Land bewegen. Die wichtigsten sind wohl: Ist es richtig, landesweit ganze Branchen zu schließen, damit die Menschen keinen Anreiz haben, das eigene Haus zu verlassen, damit sie nur wenig Kontakte haben, obwohl die einzelne Einrichtung alles getan hat, das Infektionsrisiko zu minimieren? Ist es richtig, Kontaktregeln aufzustellen, die es einzelnen Menschen sehr schwer machen, mit anderen Menschen Zeit zu verbringen? Ist es richtig menschliche Bedürfnisse

nach Kultur und Geselligkeit deutlich hinter Arbeit, Produktivität und Schulpflicht zurückzustellen? Und vor allem: Ist es genug, um die Ausbereitung der Krankheit einzudämmen und Menschenleben zu schützen?

Aber weil Sie in Niedersachsen eben nicht regieren, belassen Sie es bei den Fragen. Ihre Antworten bleiben im Unklaren. Ihre Forderungen sind beliebig. Mal fordern Sie ein schnelles Handeln ein, mal wollen Sie ein umfassenderes Beteiligungssystem. Mal wollen Sie mehr Kontrolle der Einhaltung der Verbote, mal mehr Eigenverantwortung der Bürger.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das eine schließt das andere doch nicht aus!)

Mal sollen Einrichtungen wieder geöffnet werden, mal andere geschlossen werden.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist eben differenziert!)

Meine Damen und Herren, die Art und Weise, wie wir heute hier im Parlament diese Frage diskutieren, finde ich gut. Aber ich will einräumen: Die mediale Wucht, mit der Sie Ihre Beteiligung an Entscheidungen der Landesregierung einfordern, steht in einem merkwürdigen Widerspruch zu Ihren unkoordinierten und wenig durchdachten Vorschlägen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wie bitte?)

Ich will Ihnen Beispiele nennen:

Der Gesetzentwurf der Grünen stellt bei der Corona-Verordnung eine umfassende Beteiligung sämtlicher betroffener Verbände, Vereinigungen und religiösen Körperschaften in Aussicht. Das ist eine Forderung, meine Damen und Herren, die wir nicht einmal bei umfassenden Gesetzesvorhaben erfüllen. Seriös ist das nicht.

Die FDP will Corona-Schnelltests einsetzen, damit die Schulen, die Kitas, die Krankenhäuser, die Senioren- und Pflegeheime, die Dienstleistungsbranche, die Veranstaltungsbranche, die Reisebranche, die Sportbranche und die Kulturbranche für jeden offengehalten werden können. Machbar ist das nicht.

(Jörg Bode [FDP]: Das steht da ja auch nicht drin!)