Protokoll der Sitzung vom 10.11.2020

Ebenso zu begrüßen ist die Festsetzung des Beginns der Sammelfrist nach § 32 Abs. 5 Satz 2 und 3 durch die Vertretung in Verbindung mit der im hier vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Aufhebung der Dreimonatsfrist.

Aber auch die Bekanntmachung der zulässigen Bürgerbegehren, die Zusammenlegung mit den Wahlterminen, die Forderung nach objektiver Information der Bürger seitens der Kommunen und Informationen über Pro und Kontra dieser Begehren und auch die Einrichtung von Infoständen werden von mir genauso unterstützt wie die Abschaffung des Zustimmungsquorums.

Alles in allem ist der hier vorliegende Gesetzentwurf ein Weg hin zu mehr Bürgerbeteiligung und damit auch ein Weg hin zu mehr Demokratie. Als Demokrat muss ich diesen Weg unterstützen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Ahrends. - Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Bernd Lynack. Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jüngste Zeit hat uns wieder einmal ganz deutlich gemacht, dass Demokratie kein Selbstläufer ist, sondern stetig erneuert und auch verteidigt werden muss. Das gilt nicht nur für die Legitimation von Corona-Maßnahmen oder für die Wahl des US-Präsidenten. Auch abseits davon müssen wir unsere Demokratie stetig weiterentwickeln.

Ich muss nicht extra betonen, dass in meiner Partei der Ausspruch Willy Brandts „mehr Demokratie wagen“ eine sehr große Bedeutung hat. In diesem Sinne haben wir bereits in der Regierungsverantwortung in der letzten Legislaturperiode zusammen mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dafür gesorgt, dass sich dies auch in den Räten und Kreistagen unserer Kommunen widerspiegelt.

Neben den Verbesserungen zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden haben wir u. a. auch mit der Wiedereinführung der Stichwahlen dafür gesorgt, dass die Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamten eine breitere Legitimation bekommen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Entsprechend treten wir auch dafür ein, dass Menschen ab dem 16. Lebensjahr ihr Landesparlament wählen dürfen, so wie es bei den Kommunalvertretungen bereits der Fall ist. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Kontext stehen auch die Möglichkeiten der direkten Demokratie in den Kommunen. Die Bevölkerung muss auch zwischen den Wahlgängen die Möglichkeit haben, Themen anzustoßen und unter Umständen selbst demokratische Entscheidungen zu treffen.

Dabei gilt aber festzuhalten - das haben die Vorrednerinnen und Vorredner zum Teil auch schon deutlich gemacht -: Bürgerbegehren und -entscheide sollen in einer repräsentativen Demokratie, wie wir sie haben, immer nur eine wichtige Ergänzung sein.

Genau aus diesem Grund haben wir uns in der rotgrünen Koalition damit beschäftigt, wie wir Bürgerbeteiligung nachhaltig stärken können. Nach einer breiten Diskussion seinerzeit - ich erinnere mich noch gut daran - haben wir die nötigen Quoren erheblich gesenkt und es auch deutlich vereinfacht, direkte Bürgerbeteiligung anzustoßen. Das fand übrigens seinerzeit auch die Zustimmung Ihres damaligen innenpolitischen Sprechers und heutigen Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Hannover, Belit Onay.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Na klar! Unserer auch!)

Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, würde ich gern aus seiner Rede am 26. Oktober 2016 hier im Niedersächsischen Landtag zitieren: Dabei leisten die kommunalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ehrenamtlich einen immensen Beitrag für unsere Gesellschaft. Insofern wollen wir das bewährte System der repräsentativen Demokratie nicht ersetzen, aber wir wollen es um sinnvolle Elemente direkter Demokratie ergänzen.

Warum Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, den gemeinsamen Erfolg von 2016 in der Begründung dieses Gesetzentwurfs jetzt kleinreden wollen, erschließt sich mir leider nicht so ganz.

(Zuruf: Mir schon! - Widerspruch von Helge Limburg [GRÜNE])

Sie führen an, dass in Niedersachsen ein vergleichsweise hoher Anteil an Bürgerbegehren unzulässig sei. Die Schlussfolgerung, dass die Vorgaben zu hoch sind, ergibt sich daraus aber nicht. Es ist logisch, dass dort, wo die Anforderungen niedriger sind, mehr Begehren diese Hürde nehmen.

Ihre Begründung entspricht der Logik, dass es möglichst viele erfolgreiche Bürgerbegehren geben sollte. Das kann aber nicht das Ziel sein, und es ist sicherlich auch nicht demokratisch. Dass es dort Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt, hat der Kollege Hiebing, wie ich finde, sehr eindrucksvoll deutlich gemacht.

Wir haben Kommunalvertretungen, die gewählt sind, um zu entscheiden. Diese Vertretungen bilden eine Vielzahl von Meinungen und Ansichten ab. Hier wird gerungen, diskutiert und unter der Findung von Kompromissen mehrheitlich entschieden.

Daher ist es richtig und wichtig, dass Quoren erfüllt werden müssen, wenn eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern ein Anliegen einbringen möchte. Diese Quoren haben wir mit der letzten Reform bereits deutlich gesenkt. Sie jetzt pauschal noch einmal zu senken, damit noch mehr Bürgerbegehren und -entscheide diese Hürde nehmen können, führt den Sinn eines Quorums in unserer repräsentativen Demokratie ad absurdum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Menschen in den Räten und Kreistagen sind auf fünf Jahre gewählt. Sie sind auch bereit, in diesen fünf Jahren Verantwortung für ihre jeweilige Kommune zu übernehmen. Wenn wir unseren Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern jetzt immer wieder sagen: „Ihr müsst auf die Reservebank gehen“, dürfen wir auch nicht anschließend darüber klagen, dass immer weniger Menschen bereit sind, kommunale Verantwortung in den Räten und Kreistagen zu übernehmen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Noch eine Bemerkung zu Ihrem Ansinnen, den Kostendeckungsvorschlag gleich komplett zu streichen: Ganz ehrlich, das finde ich wenig seriös. Wenn die Bevölkerung der Vertretung eine Entscheidung abnehmen möchte, dann muss sie auch in der Lage sein, für die unmittelbaren Auswirkungen eine Idee zu präsentieren. Sie entscheiden doch auch nicht, ob Sie eine Wohnung kaufen oder mieten wollen, bevor Sie nicht wissen, was das überhaupt kostet.

Niemand verlangt dabei von den Bürgerinnen und Bürgern, die Arbeit von Haushaltspolitikern zu machen. Deshalb müssen auch nicht die Initiatoren eines solchen Antrags den Kostendeckungsvorschlag machen. Das machen die Gemeinde bzw. Kreise dann schon selbst. Wichtig ist, dass die finanziellen Risiken und Nebenwirkungen bekannt sind, so wie es letztlich auch in den Räten und Kreistagen der Fall ist, wenn über eine Entscheidung diskutiert und abgestimmt wird.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich über jede und jeden, die oder der sich im Rahmen eines Bürgerbegehrens für unsere

Demokratie einbringt. Von der Notwendigkeit, Unterstützung für das eigene Anliegen zu organisieren, kann man sie aber nicht befreien. Für seine Meinung zu streiten und andere davon zu überzeugen, ist letztendlich der Kern unserer Demokratie. Liebe Freundinnen und Freunde von den Grünen, ich denke, dass uns gemeinsam viel an dieser Demokratie und natürlich auch an bürgerschaftlichem Engagement liegt.

Eine Novelle zum NKomVG, die sicherlich auch die Bürgerbeteiligung berührt, hat uns die Landesregierung bereits angekündigt. Ich bin gespannt, was darin steht. Ich denke, diesen Zeitpunkt sollten wir auch abwarten.

Darüber hinaus arbeiten wir auch in der Enquetekommission zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements daran, wie wir die Kommunalpolitik für noch mehr Menschen attraktiv machen können. Vielleicht wäre diese Stelle sogar noch ein Stückchen besser geeignet, die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in den Kommunen zu beleuchten. Am besten lässt sich doch unsere Demokratie in einem breiten gesellschaftlichen Konsens verbessern.

Ich freue mich auf die Ausschussberatungen und danke Ihnen herzlich fürs Zuhören.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Lynack. - Nun hat für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Marco Genthe das Wort. Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Eine moderne, liberale Demokratie lebt von dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger, die entscheiden und sich einbringen möchten. Das schließt die Mitbestimmung unterhalb der repräsentativen Demokratie ausdrücklich ein.

Direkte Demokratie kann in einer Kommune eine gute Ergänzung zur Interessenvertretung der Bevölkerung durch die Ratsmitglieder sein. Wir stehen der Diskussion, die die Grünen mit diesem Gesetzentwurf noch einmal ins Plenum gebracht haben, sehr offen gegenüber und durchaus nicht so negativ wie die CDU.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es muss allerdings vermieden werden, dass sich die gewählten Vertreter aus der Verantwortung stehlen, um nicht mit unpopulären Entscheidungen in Verbindung gebracht zu werden. Im bereits mehrfach erwähnten Bayern passiert das schon, meine Damen und Herren.

Dabei machen die Art und Weise des Verlaufs der Abstimmung z. B. über den Brexit in Großbritannien oder das Minarettverbot in der Schweiz die Argumente für die repräsentative Demokratie noch einmal sehr deutlich.

Die Konsequenzen einer Entscheidung, die durch das Bürgerbegehren zustande kommt, müssen verständlich kommuniziert werden. Es macht daher auch Sinn, wenn man u. a. von den Initiatoren einer solchen Abstimmung verlangt, auch die finanziellen Folgen einer solchen Entscheidung aufzuzeigen. Die von den Grünen vorgeschlagene Abschaffung des Kostendeckungsvorschlages

lehnen wir daher konsequenterweise ab.

Meine Damen und Herren, abgesehen davon gibt es sicherlich Möglichkeiten, die Elemente der direkten Demokratie attraktiver zu machen. Dazu könnte man die Quoren zur Zulassung und zur Gültigkeit eines Bürgerbegehrens durchaus senken. Auch eine Erweiterung des Themenkatalogs halten wir durchaus für möglich. Allerdings darf man an dieser Stelle nicht überziehen.

Es macht wenig Sinn, die Kompetenzen der ehrenamtlich engagierten Kommunalpolitiker derart zu beschneiden, dass sie praktisch überhaupt nicht mehr in der Lage sind, strategische oder politische Entscheidungen zu treffen. Am Ende muss die direktdemokratische Beteiligung in einem vernünftigen Gleichgewicht zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Parlamenten sein. Eine moderne und lebendige repräsentative Demokratie muss im Einklang mit direktdemokratischen Elementen stehen.

Dazu bedarf es im Übrigen auch einer umfassenden politischen Bildung und vor allen Dingen der Transparenz über den Abstimmungsgegenstand. Das war bei der eben schon erwähnten BrexitAbstimmung nicht gegeben.

Es bleiben daher noch viele Fragen offen, die wir in den folgenden Ausschussberatungen diskutieren müssen. Aber, meine Damen und Herren, gerade in der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Situation ist es besonders wichtig, deutlich zu machen, wie wertvoll unsere Demokratie in Deutsch

land ist. Dafür gilt es auch an dieser Stelle zu arbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ganz herzlichen Dank, Herr Dr. Genthe.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann beenden wir die Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer dem so folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.