Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Wir behandeln heute nur eine Anfrage, und zwar die der Fraktion der CDU mit dem eben genannten Titel.

Die Anfrage wird von der Abgeordneten Mareike Wulf vorgetragen. Frau Wulf, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Laut der Studie „Sichere Digitalisierung im Mittelstand“ des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste von Januar 2020 halten Sicherheits- und Datenschutzbedenken viele gerade kleinere Unternehmen in Mittelstand und Handwerk davon ab, Digitalisierungsprojekte anzugehen. Es ist dabei festzustellen, dass für sie im Vergleich zu größeren Unternehmen der Zugang zu Forschungsergebnissen und der Transfer in praktische Anwendungen eher problembehaftet sind.

Mit der wachsenden Bedeutung von Künstlicher Intelligenz, Blockchain und Quantentechnologie wachsen die Herausforderungen an Datenschutz und Datensicherheit. Laut der 2018 veröffentlichen „Strategie Künstliche Intelligenz“ der Bundesregierung müssen Unternehmen „die Angriffssicherheit von KI-Systemen steigern und KI als Grundlage für die allgemeine IT-Sicherheit weiter ausbauen“. Eine bitkom-Umfrage aus dem Jahr 2018 belegt hohe Erwartungen an die Fähigkeit von Blockchain, um Sabotage, Datendiebstahl und Industriespionage wirksam zu bekämpfen.

Die angekündigte Kooperation des HelmholtzInstituts für Informationssicherheit (CISPA) mit der Leibniz Universität Hannover sowie dem Forschungszentrum L3S strebt an, durch eine Kombination von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung die digitale Transformation zu unterstützen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie kann der Transfer aus der anwendungsorientierten Forschung in die IT-Infrastruktur insbesondere kleinerer Unternehmen in Mittelstand und Handwerk weiter vorangebracht werden, und wird es hierzu Kooperationen mit Unternehmen geben?

2. Wie kann die Wirtschaftsförderinfrastruktur zur Verbesserung der IT-Sicherheit in Unternehmen so weiterentwickelt werden, dass Durchbrüche aus der anwendungsorientierten Forschung schnell auch in kleineren Unternehmen aus Mittelstand und Handwerk genutzt werden können?

3. Bei welchen Herausforderungen können niedersächsische Einrichtungen in Wissenschaft und Forschung diese Forschungskooperation insbesondere in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Blockchain und Quantentechnologie unterstützen?

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wulf. - Für die Landesregierung möchte Ihnen gerne der Wirtschaftsminister Dr. Althusmann antworten.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr gerne beantworte ich die Anfrage „Sichere Gestaltung der digitalen Transformation der Wirtschaft - Welche Rolle kann die Kooperation zwischen CISPA und Universität Hannover spielen?“.

Künstliche Intelligenz, meine Damen und Herren, ist ohne Frage eines der Themen unserer Zeit. Sie wird unser Leben nachhaltig verändern. Künstliche Intelligenz und lernende Systeme werden unsere Lebensweise, unsere Arbeitsprozesse, unsere Produktionsprozesse und unsere Kommunikationsprozesse nachhaltig verändern - voraussichtlich verbessern.

Künstliche Intelligenz wird über die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland, Europas und sicherlich auch Niedersachsen mit entscheiden. Forschung, Entwicklung und Anwendung werden einen tiefgreifenden Strukturwandel des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen in den nächsten Jahren mit ziemlicher Sicherheit zumindest begleiten, wenn nicht gar auslösen.

Künstliche-Intelligenz-basierte Geschäftsmodelle

werden die Wirtschaft prägen. Die Fragen der Wirtschaft und der Wissenschaft werden sich über dieses Thema immer enger miteinander verzahnen. Unsere Forschungszentren zur Künstlichen Intelligenz sind bereits seit Jahren eng mit der Industrie verbunden. Es ist ein ermutigendes Signal, wenn inzwischen in ganz Deutschland die Forschungs- und Entwicklungsaufgaben auf über 3,1 % des Bruttoinlandsprodukts gestiegen sind.

Allein rund 110 Milliarden Euro investieren die Industrieunternehmen des Wirtschaftsstandortes Deutschland, mit Schwerpunkt im Übrigen die Automobilindustrie.

Auch wir in Niedersachsen verfolgen und fördern diese Zukunftstechnologie, sowohl im Bereich der Forschung als auch ihre Einführung und Anwendung in Unternehmen. Entgegen so mancher Darstellung sind wir noch weit davon entfernt, dass eine Künstliche Intelligenz so leistungsfähig ist wie das menschliche Gehirn. Wir brauchen für unseren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt weiterhin die Kreativität und die Innovationsfreude talentierter junger Menschen. Deswegen ist das heute eine gute Gelegenheit, über das aktuellste Projekt der Landesregierung - die Ansiedlung des Center for IT-Security, Privacy and Accountability, kurz: CISPA - in Hannover zu berichten.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Wie kann der Transfer aus der anwendungsorientierten Forschung in die IT-Infrastruktur insbesondere kleinerer Unternehmen in Mittelstand und Handwerk weiter vorangebracht werden, und wird es hierzu Kooperationen mit Unternehmen geben? - Das CISPA hat sich bewusst für Niedersachsen als Standort für seine erste unselbstständige Niederlassung entschieden. CISPA-Forschende werden sich im Umfeld der Leibniz Universität Hannover austauschen und in verschiedenen Formaten einbringen. Sie werden eine sinnvolle Ergänzung zu dem vorhandenen Angebot der ortsansässigen etablierten Strukturen und abgedeckten Gebiete darstellen können. Denkbar und bewährt sind hier Vorträge, Diskussionsrunden, Unternehmensbesuche und Teilnahmen an Messen.

Zudem wird das CISPA im Bereich der Existenzgründungen nach Möglichkeit unterstützen und im Bereich von Ventures aktiv werden. Durch den Ausbau des Schwerpunktes der Cybersicherheit an der Leibniz Universität Hannover wird auch in der Hochschullehre das Angebot erweitert. Nachwuchskräfte, die für den Arbeitsmarkt in der lokalen Wirtschaft bereitstehen, werden in der Ausbildung entsprechende Kenntnisse erwerben. Also auch hier greifen Wirtschaft und Wissenschaft aufs engste zusammen.

Zu Frage 2: Wie kann die Wirtschaftsförderinfrastruktur zur Verbesserung der IT-Sicherheit in Unternehmen so weiterentwickelt werden, dass Durchbrüche aus der anwendungsorientierten

Forschung schnell auch in kleineren Unternehmen aus Mittelstand und Handwerk genutzt werden können? - Als Mitantragsteller des European Digital Innovation Hubs der Leibniz Universität Hanno

ver hat das CISPA bereits Input geliefert. Im Falle einer Förderung des Vorhabens wird es an der Umsetzung mitwirken.

Ein European Digital Innovation Hub ist ein Not-forprofit-Konsortium, das Unternehmen, insbesondere KMUs, sowie den öffentlichen Sektor bei der digitalen Transformation unterstützen wird. Es geht um eine ganzheitliche Beratung bis hin zu der Einrichtung eines Showrooms, das heißt, die Unternehmen haben einen tatsächlichen Anlaufpunkt und können sich technische Lösungen vor Ort aufzeigen lassen. Dabei sollen sie inhaltlich die Themenfelder High Performance Computing, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und andere bestehende innovative Technologien abdecken.

Für Niedersachsen bedeutet dies, bei den aktuellen Bestrebungen die vorhandenen Kompetenzen in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Sicherheit zu bündeln, zu erweitern und in die Wirtschaft zu transferieren. Mit den European Digital Innovation Hubs können gute Synergieeffekte erzielt werden, die es nun zu nutzen gilt.

Das CISPA ist bereit, auch weitere Initiativen dieser Art zu unterstützen. Dies betrifft Aktivitäten im Bereich des Wissenstransfers, insbesondere Beratung, Training in Cybersicherheit sowie die Erweiterung des bereits existierenden Gründungsinkubators für Start-ups im Bereich IT-Sicherheit.

Zu Frage 3: Bei welchen Herausforderungen können niedersächsische Einrichtungen in Wissenschaft und Forschung diese Forschungskooperation insbesondere in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Blockchain und Quantentechnologie unterstützen? - Es bestehen zahlreiche Anknüpfungspunkte zu weiteren, sehr anwendungsnahen Forschungs- und Transferschwerpunkten unserer niedersächsischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Richtung Wirtschaft.

Im Produktionstechnischen Zentrum Hannover der Leibniz Universität Hannover ist quasi der Grundstein für eines der entscheidenden Themen der Wirtschaft, Industrie 4.0, gelegt worden und wird weiterhin intensiv beforscht und in die Praxis überführt, z. B. im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hannover „Mit uns digital!“.

Das Niedersachsen-Labor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz arbeitet am Standort Osnabrück und am Standort Oldenburg. Das Institut für Informatik OFFIS sitzt ebenfalls in Oldenburg und ist u. a. in den Bereichen Energie, Gesundheit und Produktion aktiv.

Neu ist das DLR-Institut für Systems Engineering für zukünftige Mobilität, das ebenso wie das Niedersächsische Forschungszentrum Fahrzeugtechnik an der TU Braunschweig zu Themen des autonomen Fahrens arbeitet.

Das Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen sorgt mit seinen Zukunftslaboren Agrar, Energie, Gesundheit, Gesellschaft und Arbeit, Mobilität und Produktion für die Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis - auch und gerade mit dem niedersächsischen Mittelstand.

In all diesen Themen der angewandten Forschung zur digitalen Transformation ist eine übergreifende Herausforderung tatsächlich die Frage der ITSicherheit, seien es Produktionsprozesse, kritische Infrastrukturen oder die Frage der autonomen Mobilität. Je digitaler unser Leben wird, desto stärker durchzieht das Thema IT-Sicherheit alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Niedersachsen bietet ein hervorragendes Ökosystem, in dem sich das CISPA schnell vernetzen wird.

Meine Damen und Herren, wichtig ist, dass unsere Unternehmen kompetente Partner, zuverlässige Unterstützung und Beratung vorfinden. Ich konnte mich bei verschiedenen Gelegenheiten persönlich davon überzeugen, dass das CISPA eine großartige Ergänzung unserer Forschungslandschaft und damit auch der Wirtschaftslandschaft unseres Landes ist, aber auch Unterstützung für diese Unternehmen direkt bieten kann. Ich freue mich daher sehr, dass unser Wissenschaftsminister Björn Thümler und ich gemeinsam bei der Ansiedlung des CISPA an Bord waren, wir uns eng mit unserem Wissenschaftsministerium abgestimmt haben.

Wir schaffen mit dem CISPA in Hannover die Grundlage für eine dauerhafte, enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Informationssicherheit. Die Einrichtung steht Niedersachsens Forschungslandschaft und Wirtschaftslandschaft und dem Wirtschaftsstandort Niedersachsen gut zu Gesicht.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Althusmann. - Die Landesregierung hat nach Beantwortung der Anfrage noch eine Restredezeit von 6:07 Minuten.

Wir kommen jetzt zu der ersten Zusatzfrage für Bündnis 90/Die Grünen. Kollege Detlev SchulzHendel!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der Aussage, dass Forschungsergebnisse in die Wirtschaft transferiert werden sollen, frage ich die Landesregierung: Welche niedrigschwelligen, pragmatischen, aber professionellen Beratungsförderprogramme und -formate gibt es insbesondere bezüglich der digitalen Herausforderungen, die hier beschrieben worden sind, für kleine und mittelständische Unternehmen, insbesondere in ländlichen Räumen und für den regionalen Handel?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Herr Dr. Althusmann wird Ihnen antworten.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schulz-Hendel! Das große Interesse aus CISPA leitet sich dem Grunde nach aus den zahlreichen lokalen Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft und den zahlreichen Förderprogrammen ab. Wir versuchen, das CISPA-Labor bzw. die Forschungskooperation insbesondere durch eine entsprechende Anschubfinanzierung für Forschungsgruppen in Höhe von insgesamt 4,5 Millionen Euro für die Laufzeit von fünf Jahren durch das Land Niedersachsen aus den Mitteln des niedersächsischen VW-Vorab - als Verwendungsvorschlag jetzt seit Herbst 2020 vorgesehen - zu unterstützen. Darüber hinaus haben wir zahlreiche Förderprogramme für den Bereich der Digitalisierung.

(Ein Abgeordneter der CDU-Fraktion verlässt seinen Platz ohne Mund- Nase-Bedeckung)

Hallo! - Einen kleinen Moment, bitte! - Der Kollege ist ohne Maske vom Platz weggegangen.

Entschuldigung! Sie können fortfahren, Herr Minister.

Darüber hinaus haben wir mit Blick auf den Mittelstand den sogenannten Digitalbonus - ich meine, er ist inzwischen mit 35 Millionen Euro unterlegt -,

der den Unternehmen Beratung und Unterstützung anbietet.

Außerdem informiert die Digitalagentur in Niedersachsen über alle denkbaren Fördermöglichkeiten der Einführung neuer Sicherheitstechnologien, bis hin zu Kommunikationstechnologien, direkt die Unternehmen und zeigt ihnen die Förderwege auf. Wir haben zahlreiche Förderprogramme in diesem Bereich auf den Weg gebracht. Die konkreten Hardware-, Software- und Beratungsprogramme ergeben sich aus dem Digitalbonus.

Ich hoffe, ich habe damit Ihre Frage beantwortet.