Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie auf die Anfrage der CDU deutlich hervorgehoben haben, welche Bedeutung die Künstliche Intelligenz sowohl heute als auch in der Zukunft hat, und wie Sie daran arbeiten, diese in die Wirtschaft und in das Handwerk zu implementieren, frage ich die Landesregierung: In welchen Bereichen der Landesverwaltung selbst wird heute eigentlich auf das Thema der Künstlichen Intelligenz zurückgegriffen, und wo ist dieses in der Zukunft in der Landesverwaltung geplant?

Danke sehr, Herr Kollege Bode. - Herr Minister antwortet.

Herr Abgeordneter Bode, das ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage,

(Christian Grascha [FDP]: Ich denke, Sie sind gut vorbereitet!)

weil wir bisher als Land mit Hochdruck versuchen, das Onlinezugangsgesetz und damit Hunderte von Dienstleistungsprozessen des Landes digital zu übersetzen. Allein das Wirtschaftsministerium, das Sie bestens kennen, ist mit Blick auf die zahlreichen Prozesse der IHKen und der Handwerkskammern im Moment dabei, über 300 verschiedene digital gestützte Entscheidungswege entsprechend auf digitale Bearbeitung umzugestalten.

Insofern arbeitet die Niedersächsische Landesregierung mit Hochdruck daran, noch digitaler zu werden.

Wir haben - das will ich jetzt auch mit Blick auf die Pandemie sagen - eine sehr gute Erfahrung mit den Möglichkeiten digitalen Arbeitens und der digitalen Ausstattung des Wirtschaftsministeriums und der anderen Häuser gemacht. Ich kann sagen, dass zu Beginn der Pandemie mindestens 80 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - gerade die Referatsleitungen aller Abteilungen des Wirtschaftsministeriums - durch Zugriff auf das Intranet der niedersächsischen Landesverwaltung digital arbeiten konnten. Wir waren also auch in Pandemiezeiten in höchstem Maße arbeitsfähig und werden es auch zukünftig sein. Wir haben inzwischen nahezu alle Mitarbeiter, gerade die Referatsleitungen, mit Tablets ausgestattet. Sie sind also Homeoffice-fähig. Ich würde schon sagen, dass die gesamte Landesregierung inzwischen in hohem Maße in der Lage ist, digital zu arbeiten.

Gestatten Sie mir noch ein Beispiel aus meinem Ressortbereich. Bei uns laufen inzwischen neun Building-Information-Modeling-Projekte. Das heißt, das Planen, das Beantragen, das Bearbeiten von Bürgeranfragen mit einem Höchstmaß an Transparenz der Beteiligung im Wege von großen Infrastrukturprojekten wird zunehmend digital erledigt.

Von daher wird auch mit Blick auf die 13 regionalen Geschäftsbereiche des Landes Niedersachsen in absehbarer Zeit - ob wir es in dieser Legislaturperiode schaffen, kann ich im Moment nicht vorhersagen - die vollständig online erfolgende digitale Bearbeitung von Planungsvorgängen, was in der Vergangenheit noch mit großen Aktenbergen verbunden war, abgeschafft; ich würde sagen, das ist in den nächsten fünf Jahren abgeschlossen. Von daher sind wir da aus meiner Sicht auf einem guten Weg.

Von daher werden sich hieraus - im Übrigen auch zum Schutz der digitalen Infrastruktur des Landes - auch zahlreiche Aspekte ergeben können, wie wir unser Datennetz noch besser vor Angriffen von außen schützen können. Die Zuständigkeit dafür liegt am Ende sicherlich beim Innenministerium, das für den Schutz der digitalen Infrastruktur der Landesverwaltung in Gänze verantwortlich zeichnet. Aber hier arbeiten wir eng, bestens und vertrauensvoll zusammen.

Vielen Dank, Herr Dr. Althusmann. - Für die SPDFraktion hat nun Frau Kollegin Dr. Dörte Liebetruth eine Zusatzfrage.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Frage ist: Welche Rolle können die Zukunftslabore des Zentrums für digitale Innovationen und die Start-upZentren spielen, um kleinen Unternehmen in Mittelstand und Handwerk den Zugang zu IT-sicherheitsrelevanten Erkenntnissen zu erleichtern und etwaige Zweifel am Kosten-Nutzen-Verhältnis auszuräumen?

Herr Minister wird Ihnen antworten.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Liebetruth.

Es besteht ein sehr großes Interesse des CISPA - das haben der Wissenschaftsminister und ich mit CISPA besprochen, als wir die Verträge gemeinsam in einer denkwürdigen Digitalsitzung geschlossen haben; ich weiß nicht, ob Sie das Video im Internet angesehen haben -, mit lokalen Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammenzuarbeiten und gemeinsame Projekte zu realisieren. Die Zukunftslabore gemeinsam mit den Startup-Zentren können also künftig auf fachkundige Unterstützung für das als Querschnittsthema sehr relevante Thema der Fragen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes bauen.

Das CISPA ist sehr aktiv in den Bereichen der sicheren KI in der Medizin, aber auch in Cyber Physical Systems. Im Übrigen bietet die lokale Start-up-Infrastruktur darüber hinaus spannende ergänzende Anknüpfungspunkte für den schon bestehenden CISPA-Inkubator und neue IT-Sicherheit-Start-ups vor Ort.

Die Schwerpunkte des CISPA sind sehr kurzen Innovationszyklen unterworfen. Zwischen dem Stand der Forschung und dem Stand der Technik liegt nicht selten weniger als ein Jahr. Von daher sind die Fragen der Kosten-Nutzen-Effekte für den Bereich der niedersächsischen Wirtschaft, für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, aus unserer Sicht eindeutig positiv zu beantworten.

Die Zweifel, die hier und da daran geäußert werden, sind aus meiner Sicht unberechtigt.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister Althusmann.

Wir haben jetzt keine weiteren Nachfragen mehr. Die Landesregierung hat nach der Beantwortung der Zusatzfragen ein Zeitkontingent von minus 5:21 Minuten, sodass sich die Redezeit der Fraktionen auf 9:30 Minuten erhöhen könnte.

Der erste Wortbeitrag zur Aussprache kommt vom Kollegen Detlev Schulz-Hendel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat sich bestätigt, dass wir heute nicht mehr erfahren, als schon in der Pressemitteilung, die bereits veröffentlicht worden ist, steht.

Es ist eine gute Sache, dass das Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit und die Universität Hannover nun bei der Forschung zu Cybersicherheit und Datenschutz kooperieren und gemeinsam forschen. Es ist auch gut, dass das Land dafür 10 Millionen Euro investiert. Es wäre allerdings schön, wenn beim Thema Digitalisierung in allen Facetten dieses umfassenden digitalen Transformationsprozesses unserer Gesellschaft und Wirtschaft das Land so beherzt vorgehen würde. Aber da, muss ich Ihnen leider sagen, mangelt es an der einen oder anderen Stelle noch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Die digitale Transformation produziert Gewinner und Verlierer. Die Corona-Pandemie beschleunigt diesen Prozess, der schon vorher in Gang war, um ein Vielfaches. Während Internetgiganten wie Amazon verkaufen wie nie zuvor, leidet der regionale Handel. Insolvenzen werden angemeldet und Innenstädte drohen zu veröden. Nach über 100 Jahren musste jüngst in Hannovers bester Einkaufslage das Traditionsgeschäft Karstadt schließen. Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Folge von Digitalisierung bzw. Folge von fehlender Gestaltung der Digitalisierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Von den digitalen Möglichkeiten profitieren nicht alle Unternehmen gleichermaßen. Jenseits allzu naiver Technikgläubigkeit müssen wir in der Politik den Blick für das Ganze wahren. Wir müssen klären, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Und wir müssen den Rahmen dafür entwickeln, dass z. B. nicht nur Giganten unermessliche Gewinne abschöpfen, die noch dazu keine oder kaum Steuern fürs Gemeinwohl bei uns zahlen, sondern dass möglichst viele gerade auch kleine und mittelständische Unternehmen nicht vom digitalen Fortschritt abgehängt werden und eine faire Chance auf dem Markt erhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir dürfen dabei auch nicht vergessen, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen, Handwerksbetriebe und der regionale Handel bei uns in Niedersachsen einen großen Teil unseres wirtschaftlichen Rückgrats bilden. Kleine und mittelständische Unternehmen in Niedersachsen schaffen immer wieder Zehntausende neuer sozialversicherungspflichtiger Stellen. Außerdem beteiligen sich Mittelstand und Handwerk bei uns im bundesweiten Vergleich überproportional an der Ausbildung: Mehr als 75 % aller Auszubildenden werden in kleinen und mittelständischen Betrieben ausgebildet.

Wenn wir uns also heute darüber austauschen, wie Forschungserkenntnisse in die Wirtschaft transferiert werden, dann müssen wir aus einem Eigeninteresse heraus unsere kleinen und mittleren Unternehmen in den Mittelpunkt unserer Debatte stellen. Welche Nachteile und Probleme können ihnen aus der Digitalisierung erwachsen? Wie können wir angesichts der übermächtigen Konkurrenz der Global Player für einen fairen Wettbewerb sorgen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Fragen, die für mich handlungsweisend sind. Unsere Betriebe, gerade auch im ländlichen Raum, brauchen unsere Unterstützung, und sie brauchen vor allem pragmatische Lösungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich gehört das Thema Sicherheit ganz oben auf die Agenda: Die Sicherheit im Netz und auch der Datenschutz sind Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben. Cyberattacken, Spionage und Manipulation gehören leider immer mehr zum Alltag auch von kleinen und mittleren Unternehmen. Während Großunternehmen eigene Abtei

lungen und Firmen mit IT-Sicherheitslösungen beauftragen, haben kleinere Unternehmen keinen vergleichbaren Zugang zu regelmäßigen Updates. Vielen fehlt schlicht und ergreifend auch das Geld dafür.

IT-Sicherheit ist die zentrale Voraussetzung für den digitalen Wandel. Durch extrem unsichere digitale Infrastrukturen und Geräte, erhebliche Abhängigkeiten von einigen wenigen Anbietern sowie eine fehlende Rechtssicherheit für Verbraucher wie auch für Unternehmen leisten wir es uns allerdings, dass das Vertrauen in den digitalen Wandel verspielt wird. Hier müssen wir also noch stärker ansetzen. Wir bitten Sie bei aller Wertschätzung für die Forschung, die auch wir unterstützen, den Fokus noch mehr auf die Betriebe zu legen, die ich gerade genannt habe; denn sie sind für die wirtschaftliche Zukunft in Niedersachsen entscheidend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollege Schulz-Hendel. - Für die FDP-Fraktion hat sich der Kollege Jörg Bode zur Aussprache gemeldet.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Minister Althusmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Landtagsfraktion, herzlichen Dank für das Thema der eingereichten Fragestunde.

Ich will durchaus anerkennen, dass Sie - Landesregierung wie auch CDU-Fraktion - sich mit dem Thema der Künstlichen Intelligenz und der sich ergebenden Möglichkeiten und Chancen wirklich auseinandersetzen wollen. Sie haben auch erkannt, dass Künstliche Intelligenz etwas ist, das für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sehr wichtig ist.

Wenn ich aber die Debatte, die Antworten, die Aussagen mal Revue passieren lasse, dann wird deutlich, dass Sie alle ziemlich nahe an der Oberfläche kratzen, ohne auf das Thema und die damit verbundenen Chancen vertieft einzugehen.

Herr Minister Althusmann, das Ausgeben von Laptops und der Zugang - vielleicht auch mit VPNTunneln - zum Landesnetz stellt zwar ein stärker digital geprägtes Arbeiten als vorher dar, hat aber nichts mit Künstlicher Intelligenz zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren. Null! Es ist auch

nicht so, dass ich fordere, die Landesmitarbeiter durch Computer zu ersetzen, die allein arbeiten. Gar nicht! Aber Künstliche Intelligenz ermöglicht lernende Systeme, die aufgrund der sich ergebenden Ereignisse und der vorhandenen Daten Schlüsse zieht und vielleicht Vorschläge für weitere Entscheidungen trifft. Somit werden Arbeitsschritte beschleunigt und tatsächlich erleichtert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch der Einheitliche Ansprechpartner ist nicht künstlich intelligent. Er ist digital, das will ich gerne zugestehen, aber nicht künstlich intelligent.

Dass Ihnen ein Punkt spontan nicht eingefallen ist, an dem Sie durchaus auch auf Künstliche Intelligenz setzen, hat mich etwas erschrocken. Beim System SORMAS zur Kontaktnachverfolgung im Zuge der Corona-Pandemie - darüber haben wir heute schon gesprochen - wird derzeit Künstliche Intelligenz zumindest teilweise eingesetzt. Wenn das System noch weiterlernen könnte und würde, welche Rückschlüsse sich aus Infektionsketten etc. bilden, könnte man noch weitere Punkte erhalten.

Überhaupt könnte uns Künstliche Intelligenz bei der gesamten Corona-Debatte wesentlich weiter bringen, nämlich auch beim Erkennen und Identifizieren von Erkrankungen etc. All das wären Chancen, die man tatsächlich wahrnehmen sollte, wenn man tiefer in das Thema geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der FDP haben wir schon vor einigen Jahren in einem Diskussionsprozess zu „new work“ angefangen, das Thema etwas tiefer zu betrachten. Natürlich haben Künstliche Intelligenz und die entsprechenden Systeme eine Auswirkung auf die Arbeitswelt. Natürlich fallen Prozesse und Arbeitsschritte dann weg, weshalb Beschäftigte durchaus neue Aufgaben brauchen und qualifizierend weitergebildet werden müssen. Das ist nicht wenig!

Wir reden hierbei jetzt übrigens nicht vom Pförtner, vom Logistiker, vom Kraftfahrer oder auch nicht vom Pfleger. Ganz im Gegenteil! Das sind Bereiche, die man nicht digitalisieren kann. Beispielsweise bei einigen Tätigkeiten des Arztes sieht es anders aus. Wie es beim Minister aussieht, weiß ich nicht. In der Tat: In anderen Bereichen kann Künstliche Intelligenz deutlich effektivere Prozesse und Produkte auslösen. Deshalb muss man über die Frage, wie wir eigentlich mit den Beschäftigten im Hinblick auf Qualifizierungsmaßnahmen umgehen sollen, sprechen. Aus unserer Sicht bräuchte man deshalb dringend Forschungsinstitute, die über erforderliche Qualifizierungsanforderungen

nachdenken und Wege aufzeigen, wie wir uns schon heute auf den Weg begeben können, damit diese arbeitsplatzrelevanten Auswirkungen vorher abgefangen werden, sodass es nicht nur für die Systeme, sondern auch für die Arbeitsplätze eine Zukunft gibt. Aber davon war heute hier leider nichts zu hören.