Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, der „Material, im Übrigen Sach- und Rechtslage“ lautet. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die sehe ich nicht. Damit wurde der Änderungsantrag abgelehnt.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses, die

„Sach- und Rechtslage“ lautet. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die sehe ich nicht. Damit ist mehrheitlich „Sach- und Rechtslage“ beschlossen worden.

Meine Damen und Herren, damit verlassen wir den Tagesordnungspunkt 37 und machen weiter mit dem

Tagesordnungspunkt 38: Erste Beratung: Reform des Sanierungs- und Insolvenzrechts - Zuständigkeit der Amtsgerichte für Insolvenzverfahren im Flächenland Niedersachsen erhalten! - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/7830

Für die Einbringung hat sich die Abgeordnete Wiebke Osigus aus der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Osigus!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz - so der Arbeitstitel eines Bundesgesetzes, das letztlich den Anlass für diese Rede bzw. den Entschließungsantrag liefert und in dessen Gelingen wir uns als Koalitionäre hier in Niedersachsen einmischen möchten.

(Unruhe)

Frau Osigus, würden Sie ganz kurz warten! Ich glaube, wir müssen Sie noch etwas lauter stellen, aber dafür muss der Geräuschpegel auch etwas sinken. - Ich bitte alle, die sich jetzt stehend unterhalten, sich hinzusetzen oder die Gespräche außerhalb des Plenarsaals fortzuführen.

So, Frau Osigus, ich glaube mit etwas mehr Verstärkung klappt es jetzt.

Mit ein bisschen mehr Verstärkung, okay.

Meine Damen und Herren, worum soll es gehen? - Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz ist dabei, das Insolvenzrecht zu reformieren mit Auswirkungen auf die niedersächsische Justizlandschaft. Konkret geht es um die Anzahl

der Gerichte, die Unternehmerinsolvenzen bearbeiten sollen. Das BMJV möchte Insolvenzgerichte schließen, um genau zu sein: 22 von 33. Und um es gleich vorwegzunehmen: Das findet meine Landtagsfraktion falsch.

Meine Damen und Herren, wir als SPD-Landtagsfraktion möchten das nicht, ebenso wenig wie unser Koalitionspartner.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Mehr noch: Wir halten diesen Teil der Reform für höchst unsensibel. Das Flächenland Niedersachsen hat eine gewachsene Gerichtslandschaft mit insgesamt 80 Gerichten. 33 hiervon bearbeiten derzeit Insolvenzen - zum Teil, weil Niedersachsen sie dazu ermächtigt hat. Der Bundesgesetzgeber möchte diese Ermächtigung nunmehr streichen. Wir als Koalitionäre haben auf dieser Grundlage einen Antrag geschrieben.

Wir möchten weiterhin für Niedersachsen die Berechtigung erhalten, in diesem Bereich selbstständig Zuständigkeit mitzubestimmen und kleinere Standorte für zuständig zu erklären. Wir stehen hinter unseren kleineren Amtsgerichten. Wir halten es für gut und richtig, dass der Insolvenzverwalter ebenso wie der Gerichtsvollzieher seinen Bezirk und in den meisten Fällen auch seine Schuldner persönlich kennt. Wir wollen nicht, wie auf Bundesebene vorgesehen, zum 1. Januar nächsten Jahres 22 Geschäftsbereiche auf 11 Bestandsgerichte aufteilen.

Meine Damen und Herren, uns als Fachpolitikern ist bewusst, wie organisatorisch, personell und auch technisch an unseren Gerichten in Niedersachsen gearbeitet wird. Wir wissen um die Strukturen der Gebäude. Wir wissen um die Ausstattung. Wir sehen auch, unabhängig von Corona, die Bedarfe und erfahren diese auch im regelmäßigen Austausch mit allen Ebenen der Justiz und dem Niedersächsischen Justizministerium. Und wir kennen auch die Kriterien des Landesrechnungshofs.

Aber, meine Damen und Herren, für meine Fraktion ist der Erhalt einer flächendeckenden, dezentralen, bürgernahen Justiz nicht verhandelbar.

(Beifall bei der SPD)

Wir möchten die Bürgernähe, die Atmosphäre, die Nähe zu den örtlichen Gegebenheiten und die damit verbundenen kurzen Wege ebenso wie die Ortskenntnisse.

5 000 Insolvenzverfahren liefen allein im letzten Jahr über die niedersächsischen Richtertische, gerechnet auf 33 Insolvenzgerichte. Selbst wenn man jetzt noch zwischen den Bereichen Verbraucher und Unternehmer unterscheiden würde, hielten wir eine Zentralisierung für falsch. Unsere Gerichte, die wir als eine der großen Säulen unseres Systems achten, leisten hervorragende Arbeit. Und weder die Qualität noch die Quantität gibt Anlass für Einsparungen in der Fläche.

Meine Damen und Herren, unsere Gerichte sind sehr gut ausgelastet. Die Umschichtung von etwa einem Drittel der Insolvenzverfahren von 33 auf 11 Einheiten hätte nicht nur eine erhebliche Mehrbelastung zur Folge. Nein, mehr noch. Es bräuchte Abordnungen von Personal, neue Räumlichkeiten bzw. deren Anmietung und führt damit natürlich zu einer Mehrbelastung an den einzelnen Gerichten bzw. zu längeren Fahrzeiten.

Wir möchten nicht, dass hier künstlich ein Nadelöhr erzeugt wird. Auch in Anbetracht der aktuellen Corona-Situation halten wir eine Umstrukturierung zum 1. Januar 2021 für nicht machbar und lehnen diese ab.

Meine Damen und Herren, Justiz muss in der Fläche sichtbar und damit dezentral aufgestellt sein. Wir möchten eine bürgernahe und nahbare Gerichtsbarkeit, die über ganz Niedersachsen gut aufgestellt ist. Wir möchten, dass Niedersachsen die Standorte mitbestimmen darf und möchten dieses Signal deutlich und vor allem kurzfristig nach Berlin senden.

Aus Sicht der Koalitionäre ist daher heute eine sofortige Abstimmung hierfür der richtige Weg, insbesondere weil der 1. Januar nächsten Jahres naht. Jede Ausschussüberweisung verringert aus unserer Sicht die Chance, unsere Argumente noch mit einfließen zu lassen. Wir wollen für Niedersachsen heute handeln.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Osigus. - Ich erteile jetzt das Wort für die CDU-Fraktion der Abgeordneten Dr. Esther Niewerth-Baumann. Bitte, Frau Kollegin!

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Insolvenz“ kommt von dem lateinischen Wort „insolventia“ und heißt Zahlungsunfähigkeit. Es beschreibt die Situation eines Schuldners, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Gläubigern nicht erfüllen zu können.

Für eine Insolvenz gibt es unterschiedliche Gründe: schlechte Zahlungsmoral, eine schwere Krankheit, eine - wie aktuell - Pandemie, unerwartete Auftragseinbrüche. Es gibt viele Gründe für eine Firmen- oder Privatinsolvenz.

Zuständig sind dann die Insolvenzgerichte. Frau Osigus sagte es bereits, wir haben in Niedersachsen 33 Insolvenzgerichte. Niedersachsen ist ein Flächenland. Wir nutzen die Möglichkeit der Dezentralisierung. Das heißt: möglichst viele Standorte für die Insolvenzgerichte.

Wir nutzen die Möglichkeit, Amtsgerichte auch abweichend von den Landgerichtsbezirken zu Insolvenzgerichten zu machen. Die Insolvenzgerichte arbeiten gut so. Das läuft gut und hat sich sehr bewährt.

Jetzt möchte, wie Frau Osigus bereits ausgeführt hat, das Justizministerium leider etwas ändern. Das Justizministerium möchte für sogenannte Regelinsolvenzen bei Unternehmen nur noch ein Insolvenzgericht pro Landgerichtsbezirk. Das hat die schon beschriebene Auswirkung, dass wir statt 33 Insolvenzgerichten nur noch 11 Insolvenzgerichte hätten.

Deshalb unser Entschließungsantrag und deshalb auch die Bitte an die Fraktionen - ich hörte schon, dass eine Fraktion das nicht mitmachen will -, heute die abschließende Beratung des Antrags vorzunehmen, damit wir beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz noch etwas bewirken können. Das muss ja unser Ziel sein.

Warum wollen wir ein System verändern, das gut funktioniert? Warum gerade jetzt, wo aufgrund der Corona-Krise mehr Insolvenzen zu erwarten sind? Warum wollen wir in ein bewährtes System eingreifen? Die 33 Gerichte in Niedersachsen machen sehr gute Arbeit. Das passt zu solch einem Flächenland, wie Niedersachsen es nun einmal ist.

Man muss bedenken, dass die gute Vernetzung vor Ort für eine gute Zusammenarbeit zwischen Justiz und Insolvenzverwaltern in den Insolvenzverfahren sorgt. Eine gewisse Ortsnähe und die Kenntnis der lokalen Akteure sind sehr sinnvoll

und sehr gut. Das zeigt sich auch bei den vielen Amtsgerichten. Ich kann nur betonen, dass wir diese Amtsgerichtsstandorte - auch kleinere - auf jeden Fall erhalten wollen.

Schon 2011 hat Niedersachsen mit dem damaligen Justizminister Bernd Busemann ein derartiges Ansinnen aus dem Bundesministerium erfolgreich abgewehrt. Wir wollen das jetzt auch erfolgreich abwehren. Wir bleiben dran; wir möchten nämlich diese 33 Insolvenzgerichte behalten.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Eine Wortmeldung liegt aus der FDP-Fraktion vor. Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Dr. Marco Genthe. Bitte, Herr Dr. Genthe!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich ein Stück weit skurril: Der Entschließungsantrag der Großen Koalition in Hannover nimmt einen Gesetzentwurf der Großen Koalition in Berlin auf und kritisiert diesen massiv. Es ist schon sehr erstaunlich und sehr bemerkenswert, wie sehr die Sichtweisen dieser beiden Großen Koalitionen am Ende auseinanderfallen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Jörg Bode [FDP])

Richtig ist, dass es im Insolvenzrecht durchaus Reformbedarf gibt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das sehe ich auch so!)

Richtig ist auch, dass die Änderungen ganz besonders in einem Punkt auch die niedersächsische Justiz betreffen werden. Aus guten Gründen wird in einem Flächenland wie Niedersachsen darauf geachtet, dass die Justiz möglichst breit aufgestellt ist und die Bürger einen möglichst guten Zugang zu den einzelnen Institutionen haben.

Wir als Freie Demokraten haben die flächendeckende Verteilung der Kompetenzen für die Amtsgerichte immer ganz deutlich unterstützt. Die nun durch CDU und SPD in Berlin geplante Zusammenziehung der Regelinsolvenzverfahren auf die Landgerichtsbezirke wird zu einer ungewollten Konzentration dieser Verfahren führen. Hinzu kommt das Problem, dass es zu einer Trennung

von Zuständigkeiten bei zusammenhängenden Verfahren kommen wird. Das halten wir nicht für sinnvoll. Dass die Landesregierung insoweit in Berlin tätig und vorstellig werden soll, halten wir für richtig.

Meine Damen und Herren, der Entschließungsantrag weist zu Recht darauf hin, dass es außerdem verschiedene Anpassungen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie geben wird. Die SPD-Fraktion hat gerade ebenfalls darauf hingewiesen.