Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Noch vor 50 Jahren waren Erwachsene, die Weiterbildungsseminare besuchten, mit der Frage konfrontiert: Hast du das nötig? Weiterbildung war gewissermaßen das Eingeständnis eines Kompetenzdefizits. Heute müssen sich Erwachsene, die sich nicht weiterbilden, fragen lassen: Du hast es wohl nicht nötig? Sie werden gewissermaßen wegen Lernunfähigkeit schief angesehen. Lebenslanges Lernen hat sich nicht nur als Idee und als Konzept, sondern auch praktisch, sozial und politisch zu einem selbstverständlichen Teil des menschlichen Lebens entwickelt.

Seit einigen Jahren erfährt in diesem Zusammenhang in Deutschland die Third Mission zunehmend mehr Aufmerksamkeit im Hochschulbereich. Bereits seit 2011 werden hierfür Hochschulen gefördert, die sich außerhalb der Kernmissionen Lehre und Forschung engagieren. Unter anderem mit dem Wettbewerb „Mehr als Forschung und Lehre!

Hochschulen in der Gesellschaft“ wurden Hochschulen aufgefordert, darzustellen, wie sie sich in die Gesellschaft einbringen. Wie auch unter dem Begriff des lebenslangen Lernens finden sich in der Third Mission viele Begriffe wieder, die die Themenfelder wissenschaftliche Weiterbildung,

Technologietransfer und Innovation unter einem Oberbegriff vereinen. Dies sind also jene Aspekte, die nicht vollständig durch die erste oder zweite Mission der Hochschulen abgedeckt werden.

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, die grundsätzliche Richtung des hier vorliegenden Entschließungsantrages können wir als Fraktion durchaus befürworten. Um die Digitalisierung und weitere gesellschaftliche Veränderungen angemessen gestalten zu können, ist es aus wirtschaftlicher Sicht zunehmend wichtig, dass nach einer Phase der Ausbildung weitere hochschulische Bildungsangebote bereitstehen, um ein lebenslanges Lernen zu ermöglichen.

Positiv hervorgehoben werden kann hierbei mit Blick auf die Nr. 1 des Antrags, dass die Landesregierung mit dem Bund-Länder-Programm „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“, der Richtlinie zum Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Öffnung von Hochschulen, aber auch mit eigenen Ausschreibungen wie „Innovation plus“, „Qualität plus“ oder zu Open Educational Resources (OER) den Hochschulen Möglichkeiten zur Entwicklung von digitalen Lehr- und Lernformaten gegeben hat. Eine Weiterentwicklung und Verwendung im Rahmen von Weiterbildungsangeboten ist grundsätzlich möglich und erwünscht.

Die einzige Problematik an Ihrem Antrag sehe ich in den Punkten zur Querfinanzierung. Die Querfinanzierung der Aktivitäten im Kontext der Weiterbildung durch den Bereich Lehre würde das Beihilferecht berühren. Die Weiterbildung an Hochschulen befindet sich in einem Spannungsfeld, da sie einerseits sinnvoll und politisch gewollt ist, andererseits aber aufgrund des bestehenden Weiterbildungsmarktes mit privaten Anbietern EU-beihilfekonform realisiert werden muss. Im Niedersächsischen Hochschulgesetz ist eindeutig geregelt, dass für alle Studierendenangebote außer für grundständige Bachelorstudiengänge und konsekutive Masterstudiengänge verpflichtend kostendeckende Gebühren zu erheben sind.

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, dass der Antrag viele durchaus begrüßenswerte Punkte

enthält, jedoch die Notwendigkeit der Finanzierung wieder nicht zu Ende gedacht worden ist. Aber wir wollen nicht streng sein; denn, wie eingangs schon erwähnt, die Möglichkeit des lebenslangen Lernens ist auch auf diesem Gebiet durchaus gegeben.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und danke Ihnen ebenfalls für Ihre Aufmerksamkeit. Bleiben Sie gesund!

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ehbrecht. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die SPD-Fraktion hat sich nun die Kollegin Dr. Silke Lesemann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrtes Präsidium! Meine Damen, meine Herren! Der Antrag der FDP greift ein wichtiges Thema auf. Wie wir alle wissen - das ist hier vorhin schon einmal formuliert worden -, reicht das in der Schule Gelernte nicht als Vorrat für ein ganzes Leben. Für viele Menschen werden der Alltag und auch das Berufsleben zunehmend komplexer. Um hier erfolgreich bestehen oder am politischen Meinungsbildungsprozess teilnehmen zu können, sind Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten insbesondere in sich stetig verändernden Gesellschaften wesentlich. So verstanden, ist lebensbegleitendes Lernen eine wichtige Voraussetzung für Chancengerechtigkeit, für soziale Teilhabe und damit auch für unsere Demokratie.

Ja, meine Damen und Herren, auch Wissen gehört demokratisiert. Neue Erkenntnisse aus Forschung und Lehre sollen selbstverständlich ihren Weg in die Gesellschaft und in die wirtschaftliche Anwendung finden. In diesem Bereich sind die Hochschulen schon länger unterwegs und in letzter Zeit verstärkt im Sinne einer Third Mission tätig. Wir haben dazu auch schon einmal hier im Parlament einen Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen eingebracht und darüber debattiert; mein Kollege hat das eben ausgeführt.

Das Niedersächsische Hochschulgesetz benennt die Weiterbildung als zentrale Aufgabe der Hochschulen. Damit die Angebote wirken können, müssen die Bedürfnisse der Weiterzubildenden natürlich im Blick behalten werden. Die Stichworte lauten hier: Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Bil

dung ermöglichen. Das gelingt in erster Linie durch zeitlich und räumlich flexible Angebote.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, können wir in Niedersachsen in dieser Beziehung auf eine schon ganz lange Tradition zurückblicken: Seit mehr als 30 Jahren gibt es an der Leibniz Universität hier in Hannover das berufsbegleitende Weiterbildungsstudium Arbeitswissenschaften.

Nun einige Anmerkungen zum FDP-Antrag:

Unter Nr. 1 wird ein Programm zur Förderung digitaler Angebote und von Blended-Learning-Formaten der Fort- und Weiterbildung an Hochschulen angeregt. Das macht Sinn, zumal die Weiterbildungsstudiengänge und einzelne Angebote bei Förderprogrammen „Innovation plus“ und bei den Open Educational Recources für den Hochschulbereich explizit ausgenommen waren, soweit ich das übersehe.

Unter Nr. 2 wird die Kooperation mit Kammern zur Öffnung der Weiterbildungsangebote für berufstätige Nichtakademiker gefordert. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, sofern die Kooperation mit den Kammern nicht eine Engführung auf die dualen Ausbildungsberufe impliziert. Die Sozial-, Heil- und Pflegeberufe wären dann nämlich nicht berücksichtigt. Das sind aber gerade die Berufe, in denen sich aktuell eine Akademisierung vollzieht. Das heißt, hier wäre es besonders wichtig, die Durchlässigkeit für beruflich Qualifizierte zu erhöhen. Alle Qualifikationsebenen sollen in Zukunft auch in der akademischen Weiterbildung Anknüpfungsmöglichkeiten finden.

Unter Nr. 3 geht es um die Nutzung der studienrelevanten Infrastruktur für die Teilnehmenden an Weiterbildungsmodulen. Damit das möglich ist, brauchen sie einen Status im NHG. Diese Anregungen können wir gerne bei der bevorstehenden Novelle des NHG diskutieren. Der Gesetzestext ist ja gerade zur Verbandsbeteiligung versandt worden und liegt auch uns allen vor.

Unter Nr. 4 wird eine landesweite Plattform gefordert; das sagte die Kollegin Schütz gerade. Diese landesweite digitale Plattform gibt es mit der Koordinierungsstelle Studieren in Niedersachsen bereits. Gegebenenfalls müsste hier nachjustiert werden.

Auch in weiteren Punkten finden sich durchaus diskussionswürdige Anregungen, z. B. zum Ausbau der Alumnikultur. Aber hierzu gibt es bereits einen Vorschlag im Gesetzentwurf zur NHG

Novellierung. Wie gesagt, er ist bereits zur Verbandsanhörung verschickt worden.

Die unter Nr. 7 angeregte Heranziehung des Lehrdeputats einzelner Professuren für die Neukonzeption oder die Umstrukturierung einzelner Weiterbildungsstudiengänge lässt die geltende Lehrverpflichtungsverordnung bereits jetzt zu. Aber vielleicht ist ja auch hier genaueres Hinsehen lohnenswert.

Gleiches gilt für die Aspekte Kapazitätsverordnung, Rentabilitätsfragen und Umgang mit Vollkostenrechnung. Gleichwohl handelt es sich gerade hier um ein sehr komplexes Thema im Spannungsfeld steuerlicher Rahmenbedingungen, von EU-Beihilferecht und Hochschulautonomie, sodass einfache Lösungen nicht auf der Hand liegen.

In unserer Ausschussberatung sollten wir aber auf jeden Fall die jüngsten Empfehlungen des Wissenschaftsrats von 2019 zur hochschulischen Weiterbildung als Teil des lebenslangen Lernens einbeziehen. Auf diesen 130 Seiten sind sehr viele Anregungen versammelt, die auch Handlungsempfehlungen für die Politik, die Hochschulen etc. zulassen. Dort sollten wir reingucken: Dort finden wir garantiert interessante Anregungen.

Auch wenn in Niedersachsen schon vieles auf einem guten Weg ist - denn wir können hier eine Tradition fortsetzen -, lohnt es sich vielleicht, auch bei uns die Rahmenbedingungen zu verbessern oder weitere strategische Anregungen, Ansätze und Anreize zu entwickeln, um die hochschulische Weiterbildung umfassender als Teil des lebenslangen Lernens zu etablieren.

Die in der Weiterbildung liegenden Chancen umschreibt das Zitat der Schriftstellerin George Eliot sehr schön: „Es ist nie zu spät, das zu werden, was man hätte sein können.“ Und in diesem Sinne würden sich auch unsere Anstrengungen lohnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Lesemann. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Eva Viehoff das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist es ja toll, wenn man als Letzte zu einem Tagesordnungs

punkt sprechen kann. Hier und heute stehe ich jetzt und könnte sagen: Es ist alles schon gesagt, nur noch nicht von mir.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Das klingt aber nach einem „Aber“!)

Deshalb versuche ich, mich jetzt - auch in Anbetracht der Zeit - ein bisschen kurz zu fassen.

Grundsätzlich gibt es von uns für diesen Antrag, der die akademische Bildung als eine Aufgabe der Hochschulen noch mal ins Auge fasst, natürlich Zustimmung.

Ich glaube, aus unseren eigenen Erfahrungen können Susi und ich wenig beanstanden, weil inzwischen nach dem NHG viele Möglichkeiten bestehen, um sogar ohne Abitur zu studieren. Das sehen wir im § 18 des noch geltenden Niedersächsischen Hochschulgesetzes. Und einiges des im Antrag Genannten - das wurde auch schon gesagt - können wir in die Novellierung ja noch einbeziehen.

Wir als Grüne halten viele der Forderungen für sicherlich umsetzbar. Bei einigen bleiben für uns aber noch Fragen.

Ich frage mich auch, warum jedes Portal immer neu erfunden werden muss. Mit dem Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung an der LUH haben wir ja schon ein Institut, das sich sehr stark mit beruflicher Fort- und Weiterbildung auf digitalem Weg beschäftigt. Hier kann man sicherlich das eine oder andere übernehmen.

Einiges muss eben - das ist hier auch schon gesagt worden - in der Beratung durch das Ministerium oder den GBD geklärt werden. Das ist die Nr. 7, also die Frage, wieweit Lehrdeputate auf die Weiterbildungsstudiengänge angerechnet werden können. Auch der ganze Bereich der Finanzierung ist für mich unklar. Dazu habe ich die Frage: Sollen die Hochschulen jetzt besser aufgestellt werden, oder sollen doch lieber die privaten Anbieter bevorteilt werden?

Deshalb bin ich sehr auf die Beratung im Ausschuss gespannt und freue mich auf sie.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Viehoff. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Landes

regierung hat Herr Minister Thümler das Wort. Bitte schön, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit Frau Viehoff nicht Gefahr läuft, das letzte Wort zu haben, dachte ich mir, habe ich das heute mal.

(Jörg Bode [FDP]: Ich dachte, es gibt noch Tagesordnungspunkte!)

Nein, Spaß beiseite.

In der Tat ist ja fast alles gesagt, aber eben auch noch nicht von jedem, also auch noch nicht von mir.