Protokoll der Sitzung vom 08.12.2020

Lassen Sie mich vorweg auf ein aktuelles Thema zu sprechen kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. In den hannoverschen Zeitungen war heute zu lesen, dass die Einigung bei der HannoverMesse auf der Kippe steht. Wir alle sind uns einig, wie wichtig der Erhalt des Messestandortes Hannover für Hannover, aber auch für Niedersachsen ist. Insbesondere deshalb muss unser Fokus darauf liegen, die Insolvenz, die dort droht, zu verhindern.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Herr Ministerpräsident Weil, als ehemaliger Oberbürgermeister wissen Sie um die massive Rolle der Messe AG, und es ist unangemessen, dass Sie hier an dieser Stelle kein Machtwort sprechen.

(Zurufe von der SPD)

Auf der einen Seite reisen Ihre Landtagsfraktion und Ihr Stadtrat zur Messe AG und erzählen hinterher, dass betriebsbedingte Kündigungen für die Einigung ein absolutes No-Go sind. Auf der anderen Seite, Herr Ministerpräsident, ist es Ihr Finanzminister, der der Messe AG die Daumenschrauben anlegt. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich fordere Sie auf: Er klären Sie die Messe AG zur Chefsache - hier und heute -, und sorgen Sie für eine Einigung im Sinne der Messe AG und im Sinne der Beschäftigten!

(Beifall bei den GRÜNEN - Wiard Sie- bels [SPD]: Wer ist denn gerade Oberbürgermeister?)

Die Corona-Krise hat, wie unser gesamtes Leben, auch diese Haushaltsberatungen ordentlich durcheinandergewirbelt. Die Corona-Krise ist eine massive Wirtschaftskrise, eine soziale Krise und eine Gesundheitskrise. Wir haben in diesem Haus häufiger darüber gesprochen.

Gleichzeitig haben wir eine massive Klimakrise, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das dritte Dürrejahr in Folge, Hochwasserschäden, Unwetterschäden in den letzten Jahren: Alles das betrifft Niedersachsen, und die Auswirkungen sind immens - auf die Gesundheit, auf die Erträge der Landwirtschaft, auf die Natur und auf die Artenvielfalt.

Ich habe in der letzten Minute häufig das Wort „Krise“ gesagt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Ganz im Gegenteil. Wir sind ein wirtschaftlich kräftiges Land, und deshalb müssen wir mit aller Kraft gegensteuern und die Krisen zusammendenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Niedersachsenfonds, den der DGB auf den Weg gebracht und in die Debatte gebracht hat, ist ein schlagkräftiges Instrument, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wir mit unserem Haushaltsänderungsantrag umsetzen. Wirtschaft und der Konjunktur nützen hier keine Strohfeuer. Hier nutzen nur langfristige und verlässliche Zusagen, und die müssen wir als Haushaltsgesetzgeber dieses Landes Niedersachsen geben.

Niedersachsen hat einen erheblichen Sanierungsstau. Sie alle sind vor Ort unterwegs. Sie kennen den Zustand unserer Schulen, unserer Polizeidirektionen, unserer Kliniken und nicht zuletzt der Hochschulen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wer hier an Investitionen spart, der bringt Schulden für die Zukunft. Es ist nicht in Ordnung, dass Sie Ihre Bilanz damit schönen, dass Sie Sanierungen und Investitionen nicht vornehmen. Das ist einfach nur eine Rechentrickserei, und das ist mitnichten eine generationengerechte Maßnahme.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gleichzeitig müssen wir die Energie- und Wärmewende mit Kraft voranbringen, nicht nur, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, nicht nur, um dem Pariser Klimaabkommen Genüge zu tun, nein, auch im Interesse unseres Industriestandortes Niedersachsen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, VW und Salzgitter-Stahl investieren doch Milliarden, während wir unsere Hausaufgaben am Ende nicht machen. Wir müssen doch die Energieinfrastruktur in Niedersachsen vorhalten, und dafür müssen wir Geld in die Hand nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass TUI jetzt die dritte Finanzspritze in Folge kriegen soll und dass 400 Millionen Euro des Landes hier als Blankoscheck an TUI gehen sollen, ist absurd. Wo ist das tragfähige Geschäftsmodell der TUI? Worin besteht der Grund, dass TUI das dritte Mal in Folge Staatsleistungen kriegen muss? Wo sind Ihre Antworten für die kleinen Reiseunternehmen? Und was ist mit den Bonizahlungen und den Dividendenausschüttungen bei der TUI? Sie merken, wir haben viele Fragen, und die werden wir morgen im Haushaltsausschuss auch stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun müssen wir deutlich sagen, auch die letzten Haushaltsberatungen der Großen Koalition waren weder visionär noch voller Tatkraft. Das gebe ich gerne zu. Aber ich sage Ihnen deutlich: Sie hatten lediglich Kitt für Ihre Koalition, Streit wurde mit viel Geld zugeschaufelt, auch das sieht dieses Jahr düster aus. Der Corona-Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Sie vorlegen, ist bitter.

Ich sage Ihnen deutlich: Es verbietet sich in diesen Zeiten, bei sozialer Infrastruktur, bei politischer Bildung, beim Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus oder Bildung zu sparen. Lassen Sie den Rotstift hier in der Tasche. Das ist ein fatales Signal. Sie haben dieses Mal nachgesteuert. Aber ich möchte die Regierung auch für künftige Zeiten auffordern: Finger weg von Bildung, sozialer Infrastruktur und dem Kampf gegen Rechtsextremismus.

Auch die Einsparungen bei den Hochschulen, liebe Kolleginnen und Kollegen - da wird es besonders plastisch -, sind gravierend. Ganze Studiengänge sind gefährdet, und der Wirtschafts- und Lehrstandort Niedersachsen ist in Gefahr.

Sie, Herr Minister Thümler, haben keine Exzellenzstrategie, sondern sind offensichtlich exzellent im Kaputtsparen, und damit werden Sie offensicht

lich in die Geschichte eingehen - zulasten unseres Hochschulstandortes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich ein paar Worte zur Klima-Milliarde sagen. Wissen Sie, Herr Lies und Herr Althusmann, wir bestehen nicht auf grünes Copyright, da kennen Sie uns gut genug. Aber wenn Sie von uns abschreiben, dann doch bitte richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es braucht zusätzliches Geld. Einfach nur bestehende Projekte zusammenzurechnen und zu hoffen, dass man auf eine Milliarde kommt, wird dem Klimaschutz wenig nützen. Mehr Geld und beherztes Handeln sind hier gefragt. Das fordern wir ein, und das legen wir mit unserem Änderungsantrag vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber, lassen wir mal gelten, dass Sie so viel Geld in die Corona-Krise und in die Abfederungen der Auswirkungen investieren, dass Sie für andere Dinge kein Geld mehr haben. Daher möchte ich Sie einmal fragen: Wo sind denn Ihre Gelder für die Sicherung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum? Wo sind denn Ihre Gelder für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege? Was soll Ihr Bericht der Enquetekommission bewirken, wenn Sie gar kein Geld für die Umsetzung der Maßnahmen in den Haushalt einstellen? Das ist doch absurd. Gerade den Bereich „Pflege und Gesundheit“ müssen wir besonders groß schreiben, und Ihr Haushalt hat da Leerstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch für die Kommunen sehen Sie im kommenden Jahr kein zusätzliches Geld vor. Dabei sind doch viele von Ihnen Kommunalpolitikerinnen und -politiker. Sie führen doch gerade alle die Haushaltsverhandlungen vor Ort. Sie wissen, wie riesig die Gewerbesteuerausfälle in den nächsten Jahren noch sein werden, Sie wissen, dass jetzt wieder die Schwimmbäder zur Disposition stehen, die soziale Infrastruktur und die kulturellen Einrichtungen zur Disposition stehen. Es ist doch entscheidend, dass wir jetzt die kommunale Handlungsfähigkeit erhalten und den Kommunen zusichern, dass sie nicht wegen der Corona-Krise sparen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen lassen Sie uns vorsorglich zusätzliche Mittel für die Kommunen zur Verfügung stellen und nicht erst wieder dann agieren, wenn das Kind am

Ende in den Brunnen gefallen ist; denn dann ist es zu spät.

Auch die Menschen, die seit Monaten unter der Corona-Krise leiden, durch Maßnahmen eingeschränkt sind und nicht arbeiten können, fallen durch alle Hilfsfonds, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aus der Novemberhilfe wird mittlerweile eine Januarhilfe, der Unternehmerlohn ist vom Tisch, und was machen Sie in Ihrem Haushalt? - Richtig. - Nichts. Auch da fordere ich Sie auf: Handeln Sie! Machen Sie einen Unternehmer*innenlohn! Nehmen Sie sich ein Beispiel an Baden-Württemberg, an Berlin! Nehmen Sie Geld in die Hand und geben Sie den Menschen, die derzeit durch alle Raster fallen, endlich Planungssicherheit und finanzielle Sicherheit, damit die Kultur hier weiter arbeiten kann!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann kündigt der Wirtschaftsminister an, dass er 265 Millionen Euro des Corona-Sondervermögens für das Jahr 2022 zurückbehalten möchte. Ehrlich gesagt: Das setzt dem Ganzen doch die Krone auf. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Geld wird doch jetzt gebraucht und nicht 2022 in Ihren Wahlkampfkassen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber das zeigt mal wieder eines der Probleme, die die Große Koalition hat. Die Haltung ist: Die Regierung soll es halt richten. Dann geben wir der Regierung riesige Sondervermögen, und die soll dann entscheiden. Bloß wir haben damit am Ende nichts zu tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen das deutlich anders, wir sind der Haushaltsgesetzgeber, und deswegen bringen wir einen umfangreichen Änderungsantrag ein, um auf der einen Seite in Niedersachsen zu investieren, wie es der DGB heute gesagt hat, um Niedersachsen zu stärken, und auf der anderen Seite Niedersachsen ökologisch und klimagerecht umzubauen, die soziale Infrastruktur zu stärken, deutliche Schwerpunkte zu setzen, und ich sage Ihnen was: Wir setzen sogar das eine oder andere Ihrer Wahlversprechen in unserem Änderungsantrag um.

Deswegen freue ich mich auf die weiteren Haushaltsberatungen der nächsten zwei Tage.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hamburg. - Es folgt jetzt für die SPD-Fraktion die Fraktionsvorsitzende. Frau Modder, bitte! Sie haben das Wort, und alle anderen darf ich um Aufmerksamkeit bitten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Gleich zu Beginn meiner Rede eine kleine Anmerkung, Frau Kollegin Hamburg. Ich denke, wir stimmen überein, dass die Messe AG nicht nur für Hannover, sondern deutschlandweit eine besondere Wichtigkeit hat. Ich will an der Stelle nur ganz vorsichtig darauf hinweisen: Der Vorsitzende des Aufsichtsrates ist der jetzige Oberbürgermeister von Hannover, Ihr Kollege Belit Onay.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die diesjährigen Haushaltsberatungen für das Haushaltsjahr 2021 standen und stehen, wie könnte das anders sein, ganz unter dem starken Eindruck der Corona-Pandemie. Die Auswirkungen dieser Pandemie, deren Bekämpfung, aber vor allem auch die finanzpolitischen Folgen werden uns, glaube ich, noch viele Jahre begleiten. Das steht schon einmal fest.

Die Pandemie hat dramatische medizinische und gesundheitliche, aber auch gravierende soziale und vor allem auch wirtschaftliche Folgen. Auch wenn wir im internationalen Vergleich aktuell noch glimpflich durch die Krise kommen, sind sowohl die medizinischen als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Pandemie gewaltig. Deutschlandweit haben sich mehr als 1,2 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert, allein in Niedersachsen sind nach heutigem Stand 1 296 Menschen an diesem Virus verstorben, und auch jetzt, zur Stunde, kämpfen etliche Menschen um ihr Leben.

Zahlreiche Menschen sind in Kurzarbeit oder arbeitslos geworden. Viele Betriebe kämpfen ums Überleben, Existenzen sind bedroht und Unternehmen müssen ihr bisheriges Geschäftsmodell überdenken und vielleicht auch komplett neu strukturieren. Unser Handeln in der Krise ist darauf ausgerichtet, Infektionen zu vermeiden, das Gesundheitssystem stabil zu halten und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen so gut es eben geht abzumildern. Diese Ziele, meine Damen und Herren, werden auch auf absehbare Zeit das Handeln der Landespolitik weiterhin bestimmen.

Bei der Bekämpfung der Pandemie haben wir durch schnelles und konsequentes Handeln durch den ersten Nachtragshaushalt mit einem Volumen von 4,4 Milliarden Euro und den zweiten Nachtragshaushalt mit einem Volumen von 8,4 Milliarden Euro deutlich unter Beweis gestellt, dass das Land jederzeit handlungsfähig war und ist.

Also hier so zu tun, Frau Kollegin Hamburg, als hätten wir nichts gemacht, geht völlig ins Leere.

(Beifall bei der SPD - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)