Protokoll der Sitzung vom 08.12.2020

Und nun noch ein Wort zur Kulturpolitik: Die Theater, die Kinos und die Museen - die Kulturstätten - waren keine Treiber der Pandemie. Das sieht man schon allein daran, dass die Gesundheitsämter zumeist überhaupt keinen Einblick in die Gästelisten für die Veranstaltungen nehmen mussten. Oder denken Sie an die Salzburger Festspiele:

76 000 Besucher, 110 Aufführungen, keine einzige gemeldete Corona-Infektion! - Viele Spielstätten haben die Corona-Hilfen aus dem Bundesprogramm „Neustart Kultur“ genommen und sie um eigene Mittel angereichert, um etwa aufwendige Filteranlagen für die Herbstspielzeit anzuschaffen. Und dann wurde die Kultur ohne evidenzbasierte Grundlage in einen zweiten Lockdown versetzt. Die Kulturschaffenden in Niedersachsen leisten also ebenso wie die Spielstätten einen solidarischen Beitrag zum Erhalt der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, und sie leisten einen solidarischen Beitrag für den Erhalt des wirtschaftlichen Lebens in Niedersachsen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer diese Solidarität in Niedersachsen zeigt, der hat auch Respekt und die finanzielle Unterstützung der Landespolitik verdient.

(Beifall bei der FDP)

Und gerichtet an die Landesregierung: Wer mit der Kultur eine Hauptschlagader unserer Gesellschaft lahmlegt, der braucht vor dem Hintergrund dieses im Kulturbereich nicht stattfindenden Infektionsgeschehens zukünftig bessere Argumente, um diese Szene lahmzulegen. Unsere Kultur verdient eine Strategie für den Exit aus dem Lockdown. Mit dem letzten Beschluss aus der Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten werden die Kulturministerinnen und -minister auch explizit beauftragt, eine solche Exitstrategie vorzulegen. Aber eine solche Exitstrategie ist vom zuständigen Landesminister bisher nicht vorgelegt worden. Also haben wir Freie Demokraten unmittelbar nach den Beschlüssen im Kanzleramt kurzfristig eine Kleine Anfrage auf den Weg gebracht, die Zeitpunkte, Schritte und Auflagen einer solchen Exitstrategie für den Kulturbereich einfordert. Denn Stillstand geht sofort, aber der Neustart braucht Vorbereitung, und hier ist die Landesregierung in Verzug.

(Beifall bei der FDP)

Abschließend: Katharina Thalbach sagte vor Kurzem, dass es möglicherweise gesünder sei, in ein Theater zu gehen, das sich ein ausgefeiltes Hygienekonzept überlegt habe, als sich zu Hause in Gruppen den Alkohol hinter die Binde zu kippen,

(Wiard Siebels [SPD]: Das hat auch niemand vorgeschlagen!)

über Bill Gates zu philosophieren und vielleicht auch mit den falschen Leuten herumzuknutschen. Dem habe ich eigentlich wenig hinzuzufügen. Wir erwarten jedenfalls im Wissenschafts- und Kultur

bereich von der Landesregierung erstens eine neue Hochschulfinanzierung, die in US

amerikanischen Dimensionen denkt, und zweitens für die Kultur eine Exitstrategie, die der Kunstfreiheit in unserem Land endlich wieder Rechnung trägt.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP sowie Zustimmung bei den Grünen)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Alt. Es gibt eben ganz unterschiedliche Schwerpunktsetzungen bei den Vorlieben zur Freizeitgestaltung.

(Heiterkeit)

Aber das wollen wir auch weiterhin jedem selbst überlassen.

Ja, meine Damen und Herren, nun hat sich Herr Minister Thümler für die Landesregierung zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Wiard Siebels [SPD]: Jetzt kann er zu dem Thema „Knutschen und Alkohol hinter die Binde gießen“ noch etwas sagen!)

- Ich gucke mal nach links.

(Heiterkeit - Jörg Bode [FDP]: Alkohol oder Theater? Was kommt jetzt?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die COVID-19-Pandemie hat unser gesellschaftliches Leben und den öffentlichen Diskurs in diesem Jahr in herausragender Weise geprägt und tut es, wie wir alle merken, immer noch. In unseren Familien, im Berufsleben, aber auch hier im Niedersächsischen Landtag haben wir um die besten Lösungen gerungen und angemessene Maßnahmen und finanzielle Hilfe diskutiert. Dabei ging es manchmal auch hoch her. Einig waren wir uns jedoch in einem Punkt: Unser Handeln muss von der Wissenschaft geleitet sein.

Und Herr Alt, was Sie zu dem Thema Wissenschaft - ich komme da gleich einmal drauf - gesagt haben, könnte man in vielen Punkten gut unterschreiben. Aber wenn Sie im letzten Teil Ihrer Rede zur Kultur gerade genau diesen zentralen Satz „Unser Handeln muss von der Wissenschaft geleitet sein!“ wieder dermaßen ins Gegenteil verkeh

ren, bleiben wir im Grunde genommen auf dem falschen Fuß stehen. Warum sind denn alle Einrichtungen heruntergefahren worden? - Doch nicht, weil irgendjemand der Kultur vorwirft, sie sei sozusagen der Hotspot der Corona-Pandemie, sondern sie sind heruntergefahren worden, weil es um das Social Distancing geht. Die Göttinger Hochschule sagt es seit Anfang der Pandemie immer wieder: Social Distancing ist das Gebot der Stunde. Egal, ob die Leute zu Hause rumknutschen oder sich etwas hinter die Binde kippen - alles das soll eben gerade nicht stattfinden, weil es darum geht, sich weniger zu treffen. Das ist das Kernproblem.

Deswegen hatten wir ja im November die Situation, dass der Lockdown sozusagen wieder greifbar nahe war, weil man eben nicht - - -

(Sebastian Zinke [SPD]: Unglaublich! Dass wir nicht mal mehr knutschen dürfen! Das ist ein Eingriff in die Frei- heitsrechte! - Gegenruf von Jörg Bode [FDP]: Eigentlich wolltest du doch trinken! - Glocke des Präsidenten)

- Bitte?

Herr Kollege, Sie dürfen das sicher, aber hier auf keinen Fall.

(Heiterkeit)

Herr Minister hat das Wort. Bitte schön!

Herr Zinke kann ja knutschen, mit wem er will. Viel Spaß!

(Ulrich Watermann [SPD]: Ich glaube, wir müssen heute zum Ende kom- men!)

- Ja, auch das.

Aber ganz im Ernst: Das war das Problem im November, als die Kanzlerin gesagt hat, wir brauchen einen Lockdown, aber man sich eben nicht für einen totalen Lockdown entschieden, sondern gesagt hat, wir müssen auf verschiedene Sachen Rücksicht nehmen. Zu dem Zeitpunkt konnten wir 75 % der Infektionswege schon nicht mehr nachverfolgen. Noch einmal: Das ist das Kernproblem, mit dem wir es jetzt immer noch zu tun haben.

Nun kann man natürlich sagen: „Es ist blöd, dass die Kultur darunter leidet. Das wäre doch gar nicht

nötig; denn die haben ja vernünftige Hygienekonzepte.“

(Johanne Modder [SPD]: Wie Gast- stätten auch!)

- Wie Gaststätten auch.

Aber das ist völlig wurscht, weil wir bei 75 % der Infektionen nicht wissen, woher sie kommen. Es weiß keiner, ob es nicht im Theater übertragen worden ist - oder eben in der Gastronomie -, und das ist doch genau der Gefahrenpunkt. Denn Corona ist kein Spaß! Das kann man sich auf den Intensivstationen und bei denen anschauen, die an der ECMO liegen, und auch bei denen, die zwar wieder genesen, aber immer noch nicht richtig gesund sind.

Das ist genau das Kernproblem, und deswegen bleibe ich dabei: Das Handeln muss wissenschaftlich geleitet sein. Das vergessen wir immer wieder, weil natürlich viele auf uns einflüstern oder einwirken und uns sagen, was wir alles tun müssten.

Deswegen ist Politik an dieser Stelle auch so schwierig. Sie muss den richtigen Weg finden und austarieren, was man der Bevölkerung gerade noch zumuten kann, damit es nicht zu einem solchen Eingriff in die Freiheitsrechte kommt, dass beispielsweise das Knutschen verboten werden muss. Das kann man übrigens auch schlecht kontrollieren, aber Sie verstehen, was ich damit sagen will. Deswegen muss es wissenschaftsgeleitet sein.

Ich würde mir wünschen, man würde einmal auf die Forscherinnen und Forscher hören. Nehmen Sie z. B. Frau Priesemann aus Göttingen. Sie bringt es in den Diskussionen klar auf den Punkt, und das macht sie nicht, weil sie die Menschen nicht mag, sondern sie macht es aus Verantwortung.

(Zuruf von Christian Grascha [FDP])

- Herr Grascha man muss sich das nur einmal erklären lassen: Wenn das Infektionsgeschehen auf einem so hohen Niveau ist und nicht sinkt und der Lockdown trotzdem nicht fortgeführt wird, geht das Niveau wieder nach oben und die dritte Welle ist vorhersehbar. Wenn wir so weitermachen, können wir sie Ostern erwarten.

Das ist doch das Kernproblem, über das die Menschen in diesem Land diskutieren. Das muss verstanden werden.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das erklären Sie mal Ihrem Ministerpräsi- denten!)

- Liebe Frau Hamburg, das hat mit dem Ministerpräsidenten nichts zu tun. Auch der Ministerpräsident ist nur einer von vielen Politikerinnen und Politikern:

(Heiterkeit - Jörg Bode [FDP]: Einer von vielen!)

- Ja, wirklich.

Und die Entscheidungen, die in den Ministerpräsidentenkonferenzen gefällt werden müssen, sind doch nicht einfach. Da besteht doch eine Einflussnahme von vielen Menschen, der auf ihnen lastende Druck ist groß. Da ist die Wirtschaft, das Herunterfahren, alles das muss man doch einmal sehen. Das ist doch kein Spaß.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Dan- ke für die Belehrung!)

Und dass wir zu Kürzungen kommen, ist doch keine Herzensangelegenheit der Regierung. Das ist auch keine Herzensangelegenheit der Regierungsfraktionen in diesem Hause, sondern das ist eine der Notwendigkeiten, denen wir uns stellen müssen, weil es nicht anders geht.

Liebe Frau Viehoff, da Sie das angesprochen haben: Wenn Sie wenigstens die globalen Minderausgaben aus Ihrem Antrag ausgebucht hätten, dann wäre es nett gewesen. Das haben Sie aber nicht.