Die Landesregierung hält es auch hier mit einer sehr pragmatischen, unaufgeregten Herangehensweise. Der Ministerpräsident hat schon unmissverständlich klargelegt: Wir haben zusätzlich zu den Entlastungen, die beschlossen und umge
setzt sind, nichts zuzusetzen, es sei denn, wir würden weitere Aufgaben aufgeben, wir würden weitere Ausgaben schmerzlich kürzen. Ich will ganz deutlich sagen: Ich bleibe bei dem, was ich in einem Zeitungsinterview gesagt habe: Einfache Steuergesetzgebung ist erstrebenswert. Aber Einfachheit ist kein Selbstzweck. Je einfacher ein Gesetz, desto weniger erfüllt es seine Gerechtigkeitsfunktion. - Das ist seit den Tagen der alten Römer ein Kernsatz. „Summum ius summa iniuria“ haben die Römer vor über 2.500 Jahren formuliert.
(Heiterkeit und Beifall bei SPD und GRÜNEN und einzelnen Abgeordneten der CDU - Ed- gar Moron [SPD]: Ob die Protokollanten das auch stenografieren können?)
Das sollte Dr. iuris utriusque Rüttgers eigentlich auch beherzigen. Für diejenigen, die das lieber auf Deutsch mögen, biete ich Ihnen Goethes Faust an. Goethes Faust lässt zu dem Thema Mephisto zu Wort kommen, indem er sagt: "Aus Recht ward Unrecht, aus Wohltat Plage." - Das beschreibt das schöne Spannungsverhältnis zwischen zu viel Regelung im Interesse einer präzisen Gerechtigkeit und weniger Regelung mit der Gefahr, dass man ungerecht ist.
Meine Damen und Herren, die Welt ist kompliziert. Wir sollten nicht versuchen, sie mit populistischen Forderungen einfacher zu machen, als sie ist. Wir haben eine Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger, für die Menschen, die uns in unsere Ämter entsandt haben. Dazu gehört auch, mit dem uns zur Verfügung stehenden Geld verantwortungsvoll umzugehen. Die Landesregierung hat hierzu einen Vorschlag gemacht, den der Landtag in sehr vielen und anstrengenden Beratungen diskutiert hat.
Ich denke, wir haben ein Ergebnis, das beidem gerecht wird - dem unabweisbaren Ziel, die öffentlichen Finanzen zu konsolidieren ebenso wie dem Ziel, die Kraft zum Arbeiten, die Kraft zum Atmen in diesem Land nicht abzuschnüren. Von daher bin ich voller Zuversicht, wenn ich sage: Die Landesregierung bittet Sie, dem Haushaltsplan 2004/2005 in der Fassung der Ausschussberatung zuzustimmen. - Vielen Dank.
mich zunächst herzlich bei den Koalitionsabgeordneten bedanken, die pünktlich zu dem Zeitpunkt, zu dem ich das Rednerpult ergriffen habe, wieder hereingekommen sind.
Ich hatte schon geahnt, dass sie diesen Redebeitrag noch gerne hören möchten. Mit der Gewissheit war ich vor fünf Minuten noch nicht ausgestattet. Inzwischen strömen auch die Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion. Wenn gleich abgestimmt wird, meine Damen und Herren, sind alle da.
Aber, meine Damen und Herren, das ist der letzte Doppelhaushalt, den diese rot-grüne Regierung in den Landtag eingebracht hat, der nun in kaum veränderter Form von den Koalitionsparteien verabschiedet wird. Mit 100 Milliarden € sind die Schulden doppelt so hoch wie die Höhe des Haushaltsplanes. Herr Moron hat von einem Haushaltsplan der Konsolidierung gesprochen. Bei 9 Milliarden € neue Schulden in zwei Jahren, meine Damen und Herren, ist das eine bemerkenswerte Aussage.
"Wir sind auf dem richtigen Weg", haben uns die Koalitionsabgeordneten schon bei der zweiten Lesung zugerufen und es gebetsmühlenhaft vorgetragen. Diese Aussage, meine Damen und Herren, höre ich seit Anfang der 80er-Jahre, wenn es um die Haushaltspläne geht. Auch die Reden der Fraktionsvorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion von Dieter Haak über Herrn Denzer bis zu Herrn Moron sind, was die Grundmelodie angeht, austauschbar.
Die Kombination mit dem Slogan "Wir in Nordrhein-Westfalen" war sicherlich wahltaktisch geschickt; die Politik ist dann aber sehr zweischneidig und trügerisch gewesen. Es wurde und wird verstanden als Ausweis der Größe und des Einrichtens in Nordrhein-Westfalen: Es wird ja immer wieder gut gehen. - Seit 20 Jahren, meine Damen und Herren, hören wir dies.
Wenn kritische Töne eingebracht wurden, wenn es kritische Nachfragen gab, wurde und wird jemand dargestellt, als wenn er nicht richtig dazugehört, so wie das ein früherer SPD-Abgeordneter einmal über einen kritischen Beitrag des "Westdeutschen Rundfunks" gesagt hat: "Die lieben unser Land nicht." Auch das ist heute ein Stück Me
lodie, wenn kritische Töne laut werden. Dann wird gesagt: Erstens haben sie keine Alternative und zweitens lieben sie unser Land nicht.
Meine Damen und Herren, "Wir in NordrheinWestfalen" hat keinen Aufbruch erbracht, sondern hier haben sich viele zulasten dieses Landes eingerichtet. Und auch das können wir heute feststellen: Zehn Jahre, nachdem die Grünen in dieser Landesregierung sind und diesen letzten Haushaltsplan der rot-grünen Landesregierung eingebracht haben,
ist nichts besser geworden in NordrheinWestfalen. Der Mut zu kleinen Einheiten, was eigentlich einmal zur Programmatik der Grünen gehörte, wird nicht praktiziert, sondern allein im Hause Höhn wird vorgeführt, dass das Land möglichst viel selber machen will. Nicht Subsidiarität wird in Nordrhein-Westfalen praktiziert, sondern möglichst viel Staat. Das gehört eigentlich nicht zur Grundprogrammatik der Grünen, wie wir gerade bei der Landesforstverwaltung festgestellt haben.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Politik der Landesregierung der letzten Jahre - das muss beim letzten Haushaltsplan dieser Regierung noch einmal gesagt werden - ist: NordrheinWestfalen wird bei gleich bleibendem Wirtschaftswachstum im internationalen Vergleich bis zum Jahr 2012 von Rang 14 auf Rang 17 zurückfallen. Auch dem Jahreswirtschaftsbericht, der in den letzten Tagen von Herrn Schartau vorgelegt worden ist, war zu entnehmen, dass das Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen auch im Jahre 2004 deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegen wird.
Dies ist in all den Jahren, meine Damen und Herren, mit den hohen Schulden begründet worden. Die mussten gemacht werden, um dieses Land voranzubringen. Wenn Sie sich einmal die Ausgabe der "Wirtschaftswoche" etwas näher ansehen, in der vor einigen Wochen die Bundesländer miteinander verglichen wurden, müssen Sie schon die Frage stellen: Wo sind die Gelder geblieben? Sie haben das Land NordrheinWestfalen nicht vorangebracht.
Bei den Schulden liegen wir an siebter, bei der inneren Sicherheit an zwölfter, bei der Frage der Steuerlast an 13. Stelle, und jetzt kommt noch die Wassersteuer hinzu. Bei den Lehrstellen liegen wir an achter und bei der wirtschaftlichen Dynamik an elfter Stelle. Meine Damen und Herren, das ist
die Situation. In keinem der entscheidenden Politikbereiche liegt Nordrhein-Westfalen im ersten Drittel. Wir kennen diese Debatte aus der Schuldiskussion. Im wirtschaftlichen Bereich ist es aber genauso.
Es gibt inzwischen genügend Untersuchungen darüber - wie sie auch gerade von McKinsey gemacht worden sind -, wo die Problematik in Nordrhein-Westfalen liegt. Nur diese Regierung, meine Damen und Herren, das macht dieser Haushaltsplan wieder deutlich, ist nicht in der Lage, zu einer Wende in Nordrhein-Westfalen zu kommen.
Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren, braucht einen Neuanfang, um die Herausforderungen des weltweiten Wettbewerbs, des technischen Fortschritts, der demographischen Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die soziale Sicherung zu bestehen. Dazu braucht das Land eine andere Politik. Sie muss auf Freiheit und Verantwortung setzen, statt den Staatssektor auszudehnen. Das ist ganz wichtig.
Herr Dieckmann, wenn Sie eben gesagt haben, dass alle gesellschaftlichen Gruppen durch diesen Haushaltsplan gleich behandelt werden, ist das einfach nicht wahr.
Ich möchte das noch einmal am Beispiel des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes deutlich machen. Bei meiner örtlichen Schule in freier Trägerschaft bedeutet es eine zusätzliche Belastung von 110.000 € im Jahr. Die zwei großen Schulen - eine Realschule und ein Gymnasium - wissen nicht, wie sie dies aufbringen sollen.
Sie muten ihnen zusätzliche Belastungen zu. Aber in den Bereichen, in denen es die Koalition für opportun hält, sind die Ansätze, die noch im Haushaltsplanentwurf standen, wieder eingesammelt worden.
Es gibt einen Brief der Fraktion der Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen an die sehr geehrten Freunde in Nordrhein-Westfalen, in dem noch einmal dezidiert nachgewiesen wird, dass gerade in dem Bereich der Gesundheitspolitik und der Sozialpolitik die Kürzungen zurückgenommen werden und dass im Bereich der Bekämpfung der Suchtgefahren der Gesamtansatz im Jahre 2004 um 2,1 Millionen € auf 12,5 Millionen € und im Jahre 2005 von 4,1 Millionen € auf 12,5 Millionen € erhöht wird.
Meine Damen und Herren, in all den Bereichen, in denen die grüne Fraktion - ich will das jetzt nicht sachlich bewerten - politische Prioritäten gesetzt hat, bis zu den Biostationen im Zuständigkeitsbereich von Frau Höhn, gibt es im Grunde keine richtigen Kürzungen, sondern lediglich kleine Absenkungen. Dort, wo sie im Haushaltsplanentwurf noch standen, sind sie in den letzten Wochen durch Anträge auf die gleiche Höhe gesetzt worden.
Ich komme noch einmal auf das Thema Ersatzschulfinanzierung zu sprechen: Wenn 30.000 junge Menschen vor dem Landtag gegen die Schulpolitik und gegen die Kürzungen demonstrieren, meine Damen und Herren, dann machen die das nicht, um der CDU-Landtagsfraktion einen Gefallen zu tun,
Man kann das ja sagen: Die Bischöfe hatten zunächst Probleme, gemeinsam mit der CDULandtagsfraktion dieses Thema aufzugreifen, weil sie Liebesentzug durch die Koalitionsfraktionen fürchteten und Sorge hatten, ihre alten Ansätze zu verlieren. Aufgrund dieses Haushaltsplans gibt es in Nordrhein-Westfalen die große Sorge, dass die soziale und kulturelle Infrastruktur in diesem Bundesland zusammenbricht.
Wenn sich Herr Dieckmann vorgenommen hat, nach der Verabschiedung dieses Haushaltsplanes durch das Land zu gehen und zu erklären, die CDU würde in den Bereichen Hochschulen und Steuerverwaltung Stellen streichen, so kann ich Ihnen nur sagen: Das ist völlig falsch. Lesen Sie sich einmal den Antrag der CDU-Landtagsfraktion durch, in dem sowohl für die Hochschulen als auch für die Steuerverwaltung klare Aussagen gemacht werden, dass es nicht zu einer Stellenkürzung kommt.
Ich rate Ihnen für den Rest der Amtszeit - es ist ja der übliche Reflex, Anträge der Opposition abzulehnen -, sich diesen Antrag der CDULandtagsfraktion anzusehen. Wir kennen das ja aus früheren Jahren, dass zunächst alle Anträge der CDU abgelehnt werden. Das steht ja auch in Ihrem Koalitionsvertrag. Deswegen ist es ja so albern, wenn Sie von uns fordern, Anträge zu stellen. Sie haben ja in Ihrem Koalitionsvertrag schriftlich niedergelegt, dass alle Anträge der Opposition abgelehnt werden.
Ich rate Ihnen, sich diesen Antrag anzusehen, wenn Sie Anregungen für den Rest Ihrer Amtszeit bekommen wollen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben sich heute wieder an Ihrer eigenen Rhetorik berauscht. Wir kennen diese Auftritte bereits aus Ihrer Zeit als Finanzminister. Bereits damals haben Sie sich an Ihrer Rhetorik berauscht. Auch heute als Ministerpräsident haben Sie sich an Ihrer Rhetorik berauscht.
In jedem dritten Satz sagen Sie "Ich bin weit davon entfernt". Sie sind immer weit entfernt. Aber ich sage Ihnen: Bei dieser Politik, Herr Ministerpräsident, sind Sie auch weit entfernt von den Menschen in Nordrhein-Westfalen. Wenn heute die "Rheinische Post" in einer Überschrift schreibt "Die NRW-SPD ist entsetzt über die Berliner Politik. Die Bundes-SPD ist alarmiert über den Zustand der SPD in Nordrhein-Westfalen", dann sind das keine demagogischen Ansätze der CDULandtagsfraktion, sondern das beschreibt die politische Debatte in Nordrhein-Westfalen, die sich, Herr Ministerpräsident, nach Verabschiedung dieses Haushaltsplanes so weiter entwickeln wird.
Die CDU wird bei den Umfragen weiter zulegen, die FDP wird sich stabilisieren, die Grünen werden sich stabilisieren, und die sozialdemokratische Partei wird bei den Umfragen weiter verlieren. Dieser Haushaltsplan ist die Grundlage dafür. Das ist für das nächste Jahr absehbar, weil Sie mit Ihrer Politik und mit diesem Haushaltsplan die Menschen in Nordrhein-Westfalen nicht mehr mitnehmen. Das, meine Damen und Herren, ist der entscheidende Grund, weshalb meine Fraktion den Doppelhaushaltsplan 2004/2005 ablehnt.