Protokoll der Sitzung vom 26.10.2005

Uns geht es darum, alle innovativen Technologien gleichsam zu unterstützen und nicht den einen Bereich völlig und über alle Maßen zu subventionieren. Vor allem vor dem Hintergrund der allgemein steigenden Energiepreise können wir uns diese weitere Verteuerung nicht leisten. Genau dies aber soll nach Ihrer Vorstellung offenbar passieren.

Nun zum Dieselrußfilter! Es ist unbestritten, dass ein langfristiges Gesamtkonzept zur Reduzierung von Feinstaub notwendig ist. Hier muss gemeinsam mit Bund, Ländern und Gemeinden, aber vor allen Dingen - und dies ist in erster Linie gefordert - mit der Automobilwirtschaft ein Konzept entwickelt werden; dabei spielt die Finanzierbarkeit der gemeinsamen Umsetzung eine bedeutende Rolle. Unbedingt notwendig ist es, eine aufkommensneutrale Ausgestaltung zu erreichen. Auch hier gilt: Obacht, nicht wieder mit zu starken Regulierungen und Vorschriften in den Markt eingreifen!

Vielmehr muss mit den beteiligten Parteien eine annehmbare Lösung gefunden werden. Ich bin sicher, dass dies mit allen Beteiligten gelingen wird, und freue mich in diesem Sinne auf die Beratungen im Ausschuss. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Droste. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Schulze das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Gestatten Sie mir ebenfalls eine Vorbemerkung: Frau Höhn, ich möchte Ihnen auch im Namen der SPD-Fraktion alles Gute für Ihre Arbeit in Berlin wünschen und Ihnen ganz herzlich für das danken, was Sie die letzten 15 Jahre für und in NRW geleistet haben. Wir haben Sie als eine sehr engagierte Frau kennen gelernt. Sie haben es uns nicht immer einfach gemacht. Aber wir wissen, dass Sie mit Spaß und Engagement dabei sind.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Deswegen sind Sie sicherlich auch eine engagierte und sachkundige Bereicherung für das Parlament in Berlin.

Nun zum Antrag! Der Ministerpräsident hat uns verkündet, dass er nach der Personalentscheidung von Frau Merkel jetzt die Freiheit habe, sich an den Interessen Nordrhein-Westfalens zu orientieren. Eigentlich sollte das für den Ministerpräsidenten des größten Bundeslandes eine Selbstverständlichkeit sein. Aber schön, wenn Sie nach über 100 Tagen Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen jetzt endlich einmal die Interessen Nordrhein-Westfalens in den Blick nehmen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Noch schöner wäre es allerdings, wenn Sie auch Ihre Fachminister dazu überreden könnten, einmal die Interessen von Nordrhein-Westfalen bei dem, was Sie in Nordrhein-Westfalen tun, in den Blick zu nehmen. Es geht nämlich um dieses Land hier. Es geht darum, wie wir hier Rahmenbedingungen für zukünftige Arbeitsplätze schaffen. Und dazu ist es notwendig, sich den Realitäten in Nordrhein-Westfalen zu stellen.

Ich weiß: Ideologie kann auch Nestwärme erzeugen. In der Politik ist es manchmal schwierig mit dem kalten Wind draußen. Aber wer den nicht ertragen kann, der sollte sich dem erst gar nicht aussetzen. Ideologische Nestwärme reicht auch in einem Energieland wie Nordrhein-Westfalen nicht aus, um ein Bundesland zu regieren.

Sie zeichnen hier Zerrbilder von NordrheinWestfalen, die mit der Realität nichts zu tun haben. Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen.

Das erste ist das Märchen von den Windkraftmonstern. Angeblich ist Nordrhein-Westfalen verspargelt mit Windkrafträdern, die die Bewohner belästigen, Steuergelder verschlingen und überall auf den heimischen Hügeln herumstehen. Der Bauminister wirft sich heldenhaft diesen Monstern entgegen und sagt in einem großen Interview in der „Zeit“: Das machen wir platt. - Aber was möchte denn Minister Wittke da platt machen?

NRW ist im Maschinenbau für Windkraftanlagen führend. Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen sehr viele Firmen im Bereich der Windkrafttechnik. Einige davon sind quasi schon Symbol für einen erfolgreichen Strukturwandel.

Da ist z. B. Bosch Rexrodt in Witten, da ist die Eickhoff-Maschinenfabrik in Bochum, da ist die Hanning+Kahl GmbH in Oerlinghausen, da ist HAWE Hydraulik in Hennef, da ist Windenergy in Voerde, um nur ein paar wenige zu nennen. Diese Firmen sind stark im Export, natürlich. Um da führend zu bleiben, brauchen sie aber hier verlässliche Rahmenbedingungen. Die haben wir auf Bundesebene mit dem EEG bisher aufgezeigt. Wollen Sie das wirklich alles platt machen? Soll Ideologie zukunftsfähige Arbeitsplätze vernichten, statt nachhaltige Entwicklungen auch für den ländlichen Raum aufzuzeigen? Ist das wirklich Ihre Zukunftsperspektive für Nordrhein-Westfalen?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das zweite Beispiel ist meines Erachtens das Märchen von der Befreiung der Bauern. Auch in diesem Bereich zeichnen Sie ideologische Zerrbilder von NRW. Neben den Windkraftmonstern findet die neue Landesregierung eine ganze Bevölkerungsgruppe angeblich in Gefangenschaft vor. Das sind ihres Erachtens die Bauern: Getriezt mit Verordnungen fristen die Bauern ein klägliches Leben in Nordrhein-Westfalen. Deswegen tut es hier nicht einfach nur ein Fachminister, sondern da braucht man dann einen Bauernbefreier.

Statt die erfolgreichen Programme des Ökolandbaus und der Regionalvermarktung weiterzuführen und auszubauen, werden hier nur noch Großlandwirte in den Blick genommen und dem ländlichen Raum keine Perspektiven mehr aufgezeigt.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Wie kann man nur so wenig Ahnung haben?)

Statt den Weg von der Produktion anonymer Massenware mit ständig sinkenden Preisen zu verlassen und auf hochwertige Produkte aus der Region zu setzen, wird wieder die antiquierte

Landwirtschaftspolitik à la Heereman gemacht: „Wachse oder weiche!“

Statt endlich eine Politik für den ländlichen Raum zu formulieren und zu gestalten - leider wieder nur Märchen, Ideologie und Zerrbilder! Schade eigentlich!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir als SPD setzen auf ein integratives Konzept. Wir wollen lebendige ländliche Räume mit wettbewerbsfähigen Betrieben. Wir wollen sanften Tourismus und nachhaltige Energieversorgung. Und wir wollen, dass die Interessen der Verbraucher an gesunden und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln aus einer intakten Umwelt berücksichtigt werden und nicht nur ein Absenken von Standards. Sie bieten in dem Bereich gar nichts.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Rüttgers, Sie haben sich am 5. März dieses Jahres auf dem CDU-Landesparteitag noch zugetraut, 1 Million Arbeitsplätze zu schaffen.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Das ist einfach unwahr!)

Lesen Sie Ihre Rede nach! Darin steht: Sie trauen es sich zu, 1 Million Arbeitsplätze zu schaffen.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Das ist unwahr! - Zurufe von der CDU)

Im Interesse von Nordrhein-Westfalen sollten Sie jetzt endlich einmal damit starten, sich um diese Arbeitsplätze zu kümmern. Ideologische Kämpfe und Märchen helfen an diesem Punkt einfach nicht weiter.

(Beifall von der SPD)

Deshalb freue ich mich darauf, die Debatte im zuständigen Fachausschuss weiterzuführen. Wir warten gespannt auf Ihre Konzepte. - Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Schulze. - Für die FDP-Fraktion spricht Herr Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen Ihrer Abschiedsrede: Sehr geehrte Frau Ministerin a. D. Höhn! Ich habe den Antrag der Fraktion der Grünen „Zukunftsfähige Arbeitsplätze für NRW nicht blockieren“ gelesen und mich dann gefragt: Habe ich hier eine Erscheinung?

(Heiterkeit und Zurufe von der FDP)

Ich frage mich: Wer blockiert denn hier? Diese Koalition ist angetreten und hat im Gegensatz zu Rot-Grün gesagt: Vorfahrt für zukunftsfähige Arbeitsplätze. - Ich erinnere nur einmal an die Diskussion um die leidige Hamsterfrage. Dabei ging es nicht nur um Aachen-Heerlen, es ging auch um die Frage, ob Hamster den Kraftwerksneubau Grevenbroich-Neurath behindern. Frau Höhn hat hier mit treuem Augenaufschlag gesagt: Wir werden das überhaupt nicht behindern. Das läuft völlig glatt.

Und was ist Tatsache? In einer Pressemitteilung des BUND ist zu lesen, dass gegen die Entscheidung der Bezirksregierung geklagt wird.

„Letztendlich ungelöst, so der BUND, ist nach wie vor auch das so genannte ‚Hamsterproblem’, wodurch das Vorhaben bundesweit Schlagzeilen machte. Die Einrichtung der Baustelle hat bereits einen nachgewiesenen RestLebensraum dieser streng geschützten Art zerstört, obwohl der rechtlich erforderliche Nachweis der Allgemeinwohldienlichkeit des Vorhabens nicht erbracht werden konnte.“

Meine Damen und Herren, das, was von den Grünen hier betrieben worden ist, ist geistige Brandstifterei, die der BUND jetzt in parteipolitische Fundamentalopposition umsetzt.

(Beifall von der FDP)

Das haben die Grünen zu verantworten, ebenso wie die Gefährdung der Arbeitsplätze. Nur so viel will ich zu dem Antragstext sagen.

Man könnte natürlich auch sagen, dass dieser Antrag der Grünen eine Vielzahl anderer krauser grüner Anträge zusammenfasst, und ihn insofern für einen Recyclingantrag halten. Diese Bezeichnung passt aber deshalb nicht, weil mit dem Begriff „Recycling“ die Begriffe „Wiederverwendung“ und „Wertstoff“ verbunden sind. Dieser Antrag ist aber nichts wert, es sei denn, man würde es als Wert ansehen, dass hier eine ideologisch geprägte Wahrnehmung der Realität mit staatlichem „Subventionismus“ deutlich wird. Aber so lassen wir Ihnen das nicht durchgehen.

Es ist mir fast unangenehm, wieder auf die Windkraft zu kommen. Frau Höhn, dieser neue Windkrafterlass - das wiederhole ich jetzt bestimmt schon zum vierten Mal - ist kein Verhinderungs- oder Blockadeerlass. Er dient vielmehr der sachgerechten Abwägung unterschiedlicher Rechtsgüter. Das machen wir anders als Sie. Sie empfinden das als Verhinderung, weil es nicht in Ihre Ideologie passt.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, es ist doch eine Mähr, wenn laufend behauptet wird, dass Windkraft zusätzlich Arbeitsplätze schaffen würde. Es streitet niemand ab, dass Windkraft auch Arbeitsplätze schafft. Aber wegen Ihres monokausalen Denkens fehlt Ihnen die gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise.

Das Bremer Energieinstitut hat im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, die der FDP doch nun sicherlich nicht nahe steht, herausgefunden, dass die Gesamtbeschäftigungseffekte für etliche Technologien, die erneuerbare Energieformen wie Wind, Photovoltaik, Biogas, große Wasserkraft, kleine und große Geothermik nutzen, negativ ausfallen werden. Allein für das Jahr 2002 gibt dieses Institut 19.000 Arbeitsplätze an. In diesem Zusammenhang sprechen Sie allen Ernstes davon, dass zukunftsorientierte Arbeitsplätze geschaffen werden?

Man könnte ja auch an das EEG bzw. Ressourcen- und Klimaschutz denken. Aber dem steht die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirates beim Bundeswirtschaftsministerium entgegen, der bislang nicht unbedingt durch FDP oder CDU geprägt war. Er kommt zu dem Schluss, dass das EEG zwar zur Reduktion von CO2 beitrage, der Gesamteffekt dieses Gesetzes auf die Reduktion der CO2-Emmissionen aber nach der Implementierung des Lizenzmarktes gleich null sein werde. Wörtlich stellt der wissenschaftliche Beirat fest:

„Es wird dann zu einem ökologisch nutzlosen, aber volkswirtschaftlich teuren Instrument und müsste konsequenterweise abgeschafft werden.“

(Beifall von FDP und CDU)