Protokoll der Sitzung vom 26.10.2005

Der erste Punkt ist der Verbraucherschutz. Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine andere Art von Landwirtschaftspolitik und eine andere Art von Verbraucherschutz gemacht. Dies hat sowohl auf Bundesebene als auch auf EU-Ebene abgefärbt.

Nehmen Sie einmal den Fleischskandal in Bayern. Die Menschen sind sehr beunruhigt, weil 600 t nicht genießbaren Fleisches in den Handel gelangt sind. Wenn Sie das auf jeden Menschen in der Bundesrepublik Deutschland umrechnen, sind das 30 g pro Person. Das ist keine Kleinigkeit mehr. Die Firma hat so lange gearbeitet, und keiner ist dahinter gekommen.

In Nordrhein-Westfalen ist insofern einiges besser gelaufen als in Bayern, als das Informationsfreiheitsgesetz uns die Möglichkeit eröffnet, Namen von Unternehmen, die so gearbeitet haben, ins Netz zu stellen und der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen. Dadurch ist eine zusätzliche Kontrolle gegeben, die dazu beiträgt, dass solche Skandale in diesem Land möglichst nicht mehr passieren und wenn, dann schneller aufgedeckt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist ein großes Verdienst dieses Landtags.

Aber es gilt auch, gerade in der Landwirtschaft, die Arbeitsplätze verliert, neue Potenziale zu fördern. Das gilt auch für den Ökolandbau. Wir haben durch den Ausbau dieses Bereichs mehrere Tausend Arbeitsplätze in diesem Land gesichert. Wenn man Arbeitsplätzen Vorrang einräumt, muss man so etwas tun. Es ist gut, wenn wir auf diesem Weg weiter voranschreiten.

Dass auch die CDU/CSU gelernt hat, sieht man daran, dass Herr Seehofer zum neuen Landwirtschaftsminister ernannt wird. Er ist kein ausgewiesener Experte für Landwirtschaft und kein ausgewiesener Vertreter der Bauern, aber - so behaupte ich - wenn man reine Lobbypolitik macht, nützt es am Ende den Bauern auch nichts,

(Beifall von den GRÜNEN)

weil sich damit die notwendigen Veränderungen nicht einleiten lassen.

Der nächste Punkt, der mir wichtig ist, ist die Umweltwirtschaft. Dabei denke ich vor allem an die Arbeitsplätze, die wir in diesem Bereich geschaffen haben. Wenn Sie, Frau Freimuth, sagen: „Arbeitsplätze gehen über alles; Freiheit für Arbeitsplätze“, dann entgegne ich: Endlich Freiheit für die Windkraft, Herr Papke! Denn die Blockade der Windkraft, die Sie betreiben, bedeutet Verlust von Arbeitsplätzen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Bisher habe ich es noch nie erlebt, dass ein Minister, Herr Wittke, der auch für die Windkraft zuständig ist, einen gesamten Wirtschaftsbereich verunsichert und diskreditiert. Das gefährdet am Ende Arbeitsplätze in diesem Land. Das merken sogar die anderen Bundesländer. Dass ein Exportschlager in diesem Land in andere Bundesländer abwandert, hätten Sie, insbesondere Herr Papke, der gerade weggeht,

(Dr. Gerhard Papke [FDP] ist soeben von seinem Platz aufgestanden, geht zu den o- beren Sitzreihen und winkt der Rednerin zu.)

durch Ihre Politik zu verantworten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dabei geht es beim Thema Energie nicht nur um die Riesenpotenziale, die wir bei der Biomasse haben - Stichwort: biogene Kraftstoffe -, und um die Stromerzeugung, die ja nicht nur über Windkraft erfolgt, sondern auch um Technologien anderer Bereiche. Es geht um die Membrantechnologie im Wasserbereich und um die Abfalltechnologie. Da melden sich Städte aus Kanada und Großbritannien und fragen: Wie macht ihr das eigentlich? Diese Technologie wollen wir von euch kaufen.

Deshalb ist es gerade für ein Land wie NordrheinWestfalen mit großer Exportlastigkeit wichtig, dass wir diesen Ausbau in Nordrhein-Westfalen forcieren. Mittlerweile arbeiten 1,5 Millionen Menschen im Umweltbereich. Umwelttechnik hat Zukunft. Das bedeutet, Sie schaffen keine Arbeitsplätze, wenn Sie die Umweltstandards senken, Sie schaffen diese Arbeitsplätze nur mit guten und starken Umweltstandards in diesem Land.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Der dritte Bereich, den ich ansprechen will, ist ein einzelnes Projekt, das mir besonders viel Spaß gemacht hat. Das ist der Nationalpark Eifel. Mit diesem Nationalpark Eifel haben wir es geschafft, eine Region zu begeistern. Wir haben es geschafft, dass in einer Region, die bisher vernachlässigt war, neue Arbeitsplätze und eine neue Perspektive entstanden sind, und wir haben es geschafft, Nordrhein-Westfalen ein neues Gesicht zu geben.

Deshalb: Vertun auch Sie, liebe CDU und FDP, die Chancen für einen solchen Nationalpark für OWL nicht! Denn es ist eine Chance für neue Arbeitsplätze, und es würde diesem Land Nordrhein-Westfalen gut tun, wenn Sie in diesem Sinne in OWL weiterarbeiten würden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich sehe mit einer gewissen Gelassenheit, dass auch der neuen Regierung das Regieren nicht immer leicht fällt. Auch Sie machen Fehler. Wenn ich an die Schlagzeilen denke, haben Sie in den letzten Wochen eine Zeit von Pleiten, Pannen und Pech erlebt. Sie haben in dieser Debatte sehr viel über den Sommer gesprochen. Sommer, Sand und Sonne gehören zusammen. Wenn man das überträgt, müsste man sagen: Die liebe Ministerin Frau Sommer steht im Regen wie dieser Sommer, der viel Regen hatte. Es ist leider Sand im Getriebe, und ein Platz an der Sonne neben Frau Merkel in Berlin ist Ihnen, Herr Rüttgers, leider auch nicht gestattet worden - anders als Herrn Koch. Das ist die Bilanz des ersten Sommers dieser Regierung.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber bei allem Streit finde ich es wichtig, dass wir auch zu Gemeinsamkeiten kommen. Denn wir merken es ja, die FDP weiß gar nicht mehr wie sie reagieren soll. Sie ist einmal in der Regierung und einmal in der Opposition. Die große Koalition in Berlin macht deutlich, dass auch Partner, die sich im Wahlkampf hart bekämpft haben, zusammengehen müssen.

Deshalb mein Appell an Sie alle: Wir werden bei der Bevölkerung nur dann Vertrauen in die Politik erreichen, wenn wir Gemeinsamkeiten hervorheben und gemeinsam an einem Strick ziehen. Es müsste doch unser gemeinsames Ziel sein, gegen Politikverdrossenheit anzugehen; denn sie schadet uns allen, weil sie am Ende die Demokratie gefährdet.

Meine Damen und Herren, mir hat die Arbeit hier in diesem Landtag Spaß gemacht. Abschließend will ich nur noch eines sagen. Es waren für mich 15 wichtige Tage meines Lebens.

(Heiterkeit - Zurufe: Tage?)

- Nicht nur 15 Tage, sondern 15 Jahre; aber sie sind so schnell vergangen wie 15 Tage. - Ich habe eine Menge gelernt. Ich habe auch viel von Ihnen gelernt, weil Sie mir durch eine harte Opposition geholfen haben, Fehler in der Regierung zu erkennen und zu korrigieren. Deshalb: Alles Gute für dieses Land! Ich wünsche Ihnen allen, zunächst der Regierung, aber - Sie werden mir verzeihen - auch der Opposition, insbesondere den Grünen: Machen Sie Ihre Arbeit gut! Ich werde Sie beobachten und ab und zu meine Kommentare abgeben. - Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit.

(Allgemeiner Beifall - Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers geht zu Frau Höhn und schüttelt ihr die Hand. Hannelore Kraft [SPD] und Dr. Michael Vesper [GRÜNE] schließen sich an, während Bärbel Höhn [GRÜNE] zu ihrem Platz geht.)

Vielen Dank, Frau Höhn. - Ich darf Ihnen auch im Namen des Hohen Hauses für Ihre künftige Aufgabe im Deutschen Bundestag alles Gute wünschen - auch im Interesse unseres schönen Landes NordrheinWestfalen. Alles Gute für Sie!

(Allgemeiner Beifall)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Dr. Droste das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie auch mir, dass ich mich kurz in einer Vorbemerkung Ihnen, Frau Höhn, widme. Ich darf Ihnen auch im Namen meiner Fraktion persönlich alles Gute in Ihrem neuen Wirkungsfeld wünschen. Vor allen Dingen wünsche ich auch den Menschen, mit denen Sie jetzt im Deutschen Bundestag zu tun haben, eine gute Unterhaltung mit Ihnen, die wir hier auch gehabt haben. In diesem Sinne alles erdenklich Gute!

Nun zu dem Antrag: Das wichtigste Ziel jedes politischen Handelns in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik Deutschland ist - darüber dürfte kein Zweifel bestehen - die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Derzeit liegt die Arbeitslosenquote in Nordrhein-Westfalen bei 11,8 %. Das sind zur Stunde - Stand: gestern - 1.041.426 Menschen ohne Arbeit - Menschen, die, wenn Politik und Wirtschaft nicht binnen kurzer Zeit entschlossen handeln, zu Hunderttausenden in eine Zukunft ohne Perspektive gehen. Vor dem Hintergrund dieser erdrückenden Zahl ist die Schaffung von Arbeitsplätzen oberstes Gebot, dem sich jedes politische Aufgabenfeld anpassen muss. Jeder - das sage ich ausdrücklich auch zu Ihrem Antrag -, der hierzu einen Beitrag leisten kann und möchte, ist herzlich willkommen, an dieser Mammutaufgabe mitzuwirken.

Aber die Beiträge müssen konstruktiv sein. Sie müssen sich den wirklichen Ursachen von Arbeitslosigkeit zuwenden. Das heißt, Arbeitsplätze müssen sich aus den Mechanismen des Marktes ergeben, aus Angebot und Nachfrage entstehen, eine Produktivität für sich entfalten, die in erster Linie einen realen volkswirtschaftlichen Hintergrund hat. Es kommt nicht allein darauf an, dass Menschen Beschäftigung finden, sondern mit die

ser Beschäftigung muss im Ergebnis auch etwas erwirtschaftet werden; andernfalls wird wirtschaftliche Realität vorgegaukelt und die Behebung der Ursachen von Arbeitslosigkeit auf den SanktNimmerleinstag vertagt.

Das, was Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, heute hier vorstellen, ist ein Beispiel dafür, wie man es gerade nicht machen sollte. Sie sprechen in Ihrem Antrag von der Erhaltung zukunftssichernder Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen. Schon bei der Überschrift „zukunftsfähige Arbeitsplätze“ bestehen erhebliche Zweifel. Sie fordern heute ein - Frau Höhn, Sie haben das gerade eindrucksvoll gemacht -, Ihre bisherige Politik, die Sie in dem zurückliegenden Landtagswahlkampf akzentuiert als Ihren arbeitsmarktpolitischen Zukunftsentwurf zur Wahl gestellt haben und mit dem Sie bei dieser Wahl gescheitert sind, beizubehalten, und Sie wollen weiterhin - daran kann kein Zweifel bestehen - im großen Stil Subventionen verteilen.

Ihre Vorstellung, möglichst viele Arbeitsplätze durch Transferzahlungen künstlich zu schaffen und diese dauerhaft zu erhalten, muss von uns mit aller Deutlichkeit abgelehnt werden. Das kann schon mit Blick auf die dramatische Haushaltslage weder der Weg noch das Ziel sein, Arbeitslosigkeit auf Dauer effektiv zu bekämpfen.

Dass Subventionen schnell zu Besitzständen werden, die man nur mit erheblichen Problemen wieder beseitigen kann, müsste Ihnen doch aus den vergangenen Legislaturperioden, die Sie in diesem Landtag arbeiteten, hinlänglich bekannt sein. Es kann nicht sein, dass durch Subventionen und durch zunehmende Regulierung weiterhin Wettbewerb verhindert wird. Uns geht es vielmehr darum, zukunftssichere, wirkliche Arbeitsplätze zu schaffen, die sich im Wettbewerb behaupten können. Dies kann nur gelingen, wenn alte Verkrustungen endlich aufgebrochen werden und man wieder zum freien Spiel der Kräfte am Markt zurückfindet.

In diesem Zusammenhang empfehle ich dringend die Lektüre des Herbstgutachtens des Sachverständigenrates. Hierin wird noch einmal ganz deutlich hervorhoben, dass staatliche Eingriffe zugunsten von mehr marktwirtschaftlichen Elementen dringend zurückgeführt werden müssen. Auch die Bedeutung der Setzung von geeigneten Rahmenbedingungen wird immer wieder betont. Hiernach kann sich der Staat nicht für alle Ziele verantwortlich fühlen und diese selbst umsetzen, sondern er muss sich darauf reduzieren, den Ordnungsrahmen vorzugeben. Das ist im Übrigen auch die Politik dieser Landesregierung: weniger

Regelung, mehr Ordnung. Nur wer diese Rollenverteilung verinnerlicht, kann effiziente Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik betreiben.

Nun zur Energiepolitik! Energie ist und bleibt ein elementarer Produktions- und Kostenfaktor, der erheblich zur Konkurrenzfähigkeit unserer heimischen Wirtschaft beiträgt. Die bisher durchgeführte Liberalisierung des Strommarktes hat zu Preissenkungen von 7,5 Milliarden € geführt. In Ihrem Antrag unterstellen Sie, dass wir die Schaffung von Arbeitsplätzen vor allem im Bereich der Windenergie blockieren. Ich hätte mir an Ihrer Stelle gerade diesen Bereich nicht ausgesucht, denn Sie sprechen fälschlicherweise von 60.000 Arbeitsplätzen, die in der Windkraftindustrie hierzulande geschaffen worden seien. Richtig ist hingegen - es ist wichtig, dass man die Zahlen genau analysiert -, dass Sie systematisch nur den kleinsten Zulieferer von Windenergieanlagen mit seiner kompletten Belegschaft in diese Zahl hineingerechnet haben. Sie unterscheiden bei den Zulieferern nicht nach Unternehmensteilen zur Windenergie, sondern Sie rechnen die Arbeitsplatzzahlen künstlich hoch; daran besteht kein Zweifel.

Wenn man diesen Buchhaltertrick herausrechnet, kommt man in Nordrhein-Westfalen gerade einmal auf 4.000 Arbeitsplätze in der Windenergie, die real bestehen. Dazu kommt, dass jeder einzelne dieser 4.000 Arbeitsplätze von den Stromkunden zurzeit nach dem EEG mit mehr als 33.000 € im Jahr gefördert wird. Diese Abschöpfung fehlt zur Stunde im Haushalt, sie fehlt für Investitionszwecke, sie steht dort nicht mehr zur Verfügung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, ich sage es ohne Umschweife: Sie bewirken mit dieser Form der Einstellung, mit dieser Politik nichts anderes als eine Umschichtung von der Steinkohlesubvention in die Subvention für die Windkraft.

(Beifall von der CDU - Zuruf von Helmut Stahl [CDU]: Jawohl!)

Es ist auch der Hinweis geboten, dass durch den explosionsartigen Anstieg der Anzahl von Windrädern - zurzeit mehr als 2.300 Anlagen in Nordrhein-Westfalen - die Kapazitäten der Landschaft in Nordrhein-Westfalen längst erschöpft sind. Trotzdem liegt die Stromproduktion bei gerade einmal 2 % - die Zahl ist offenkundig - der nordrhein-westfälischen Produktion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schon erwähnt worden: In Berlin verhandeln in diesen Stunden CDU und SPD darum, in erster Linie gigantische Haushaltsdefizite auszugleichen,

und sie ringen darum, das den Menschen zu vermitteln. Angesichts dieses Schuldenstandes in Land und Bund sage ich Ihnen heute noch einmal klipp und klar: Wir sind nicht länger bereit, Wirtschaft und Verbraucher mit völlig überzogenen Preisen zu belasten, um weiterhin eine Ideologie zu finanzieren. Wir werden die Verteuerung von Energie durch staatliche Eingriffe beenden. Ich sage eindeutig: Das gilt vor allem für die Windkraftenergie. Es steht übrigens im Herbstgutachten, dass dieser Effekt - neben der ohnehin bekannten konjunkturell dämpfenden Wirkung von steigenden Energiepreisen insbesondere bei Öl - bei anderen Energieträgern wie Erdgas mit einer zeitlichen Verzögerung von einem Jahr genauso eintreten wird.

Niemand in diesem Hause will zukunftsfähige Arbeitsplätze im Bereich der Windenergie blockieren. Es ist aber auch klar, dass wir mit unseren 2 % Windenergie gegenüber einem Preisanstieg der anderen 98 % der Energiequellen kaum eine Chance haben, uns dieser Entwicklung zu entziehen.

Ich fordere Sie nochmals dringend auf, sich dieser Tatsache nicht zu verschließen; sonst gehen Sie an der Wirklichkeit dieses Landes gerade im Bereich der Energiepolitik schnurstracks vorbei.

Uns geht es darum, alle innovativen Technologien gleichsam zu unterstützen und nicht den einen Bereich völlig und über alle Maßen zu subventionieren. Vor allem vor dem Hintergrund der allgemein steigenden Energiepreise können wir uns diese weitere Verteuerung nicht leisten. Genau dies aber soll nach Ihrer Vorstellung offenbar passieren.