Protokoll der Sitzung vom 18.09.2008

Diese gewaltige Gesamtzahl hilft selbstverständlich auch gegen den Unterrichtsausfall. Man kann nur sagen: Würden die ach so sozialen Sozialdemokraten und die angeblich so bildungsgerechten Grünen reagieren, dann gute Nacht! Dann müsste das Komma beim Unterrichtsausfall heute wohl eher eine Stelle nach hinten rücken.

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

Meine Damen und Herren, besonders erfreulich ist es, dass tatsächlich über alle Schulformen hinweg eine weitere deutliche Verbesserung zu beobachten ist. Keine einzige Schulform überschreitet die Dreiprozentmarke beim Unterrichtsausfall. Damit können wir allen Eltern und Schülern glaubhaft zeigen, dass es keine ideologischen Lieblingskinder oder bevorzugten Schulformen gibt, sondern dass wir uns in allen Schulformen für die bestmögliche individuelle Förderung jedes einzelnen Schülers starkmachen.

Ein anderer herausragender Erfolg ist das Ergebnis an den Grundschulen. Ein Wert von 99,1 % beim erteilten Unterricht ist großartig. Er bedeutet eine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr, also nur innerhalb eines einzigen Jahres, um 78 %. Gerade an den Grundschulen ist die Erteilung des Unterrichts besonders wichtig, weil dort viele der Grundlagen gelegt werden, die den Schülern eine erfolgreiche weitere Schullaufbahn ermöglichen.

Die Opposition bemängelt, dass bei Erkrankung eines Fachlehrers nicht jeder Unterricht durch einen entsprechenden anderen Fachlehrer erteilt wird. Dort müssen und werden wir noch Verbesserungen durchführen. Ich frage Sie aber: Ist denn die rotgrüne Pseudolösung des Problems, nämlich blanker Unterrichtsausfall, die bessere Variante für Schüler und Eltern? Doch wohl kaum!

Ich möchte auch auf eine zusätzliche wichtige Möglichkeit hinweisen, mit der wir den Unterrichtsausfall zukünftig noch weiter absenken können. An den Schulen vor Ort kann durch eine verstärkte Kooperation untereinander eine Optimierung des Fachunterrichtes gelingen. Lehrer unterrichten in der Regel zwei Fächer. Die Schulen sind im Bereich einzelner Fachlehrer unterschiedlich ausgestattet. Einige Schulen haben eine großzügige Ausstattung, sogar mit Physiklehrern, andere hingegen verfügen gerade in diesem Bereich über begrenzte Kapazitäten. Den Schulen ist es erlaubt, vor Ort zu kooperieren, sich also in der jeweiligen Unterbesetzung auszuhelfen. Diese Möglichkeiten sollten die Schulen verstärkt nutzen. Die regionalen Bildungsnetzwerke können solchen Kooperationen in Zukunft noch einen ganz kräftigen Schub geben.

Die SPD kritisiert, dass in der vorliegenden Statistik die von Ihnen übrigens bewusst falsch verbreiteten hohen Zahlen zum Ausfall von Stunden durch die Kopfnotenvergabe nicht auftauchen. Wie Sie jedoch

dem Untersuchungszeitraum entnehmen können, fanden zu dieser Zeit zum Beispiel Sprachstandsfeststellungen und schriftliche Abiturprüfungen statt, also ein Zeitraum, in dem ein potenziell hoher Unterrichtsausfall drohen kann. Von bewusstem Beschönigen kann also beileibe nicht die Rede sein.

Auch zeigt sich, dass die Sprachstandsfeststellungen inzwischen ohne nennenswerten Ausfall durchgeführt werden können, was den professionellen Umgang vor Ort verdeutlicht.

Es zeigt sich ferner, dass es richtig ist, dass Dienstbesprechungen und Konferenzen eben nicht zulasten des schulischen Unterrichts durchgeführt werden. Frau Beer behauptet ja, es gäbe Druck auf Schulen, auf keinen Fall Unterricht ausfallen zu lassen. Hierzu kann ich nur sagen: Ja, wir stehen dazu, dass wir es für richtig und wichtig halten, dass, wenn irgend möglich, die Schulen den Unterricht lückenlos erteilen. Die Schüler und Eltern haben ein Anrecht darauf, und hierfür setzen wir uns ein. Aber selbstverständlich ist es wichtig, den Lehrkräften und den Schulen für ihre Flexibilität und ihr Engagement zu danken, da ohne sie dieses tolle Ergebnis nicht möglich gewesen wäre.

(Beifall von Bernhard Recker [CDU])

Bildungsgerechtigkeit und qualitativer Unterricht werden nicht durch das Räsonieren über ideologische Theorien hergestellt. So banal es klingen mag: Bestmögliche Bildung setzt zunächst einmal die Sicherstellung des Unterrichts voraus. Dass sich ausgerechnet Frau Schäfer, mit jährlich 5 Millionen Stunden ersatzlos gestrichenem Unterricht die Königin des Unterrichtsausfall, nun in der Presse echauffiert, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von der SPD)

Die Bilanz von rot-grüner Bildungspolitik ist auch Ihre Bilanz als damalige Bildungsministerin, Frau Schäfer. Diese Bilanz kann man anhand von zwei Zahlen zusammenfassen: 5 Millionen Stunden Unterrichtsausfall und 16.000 beschlossene zu streichende Lehrerstellen. Das ist Ihre ganz persönliche Bilanz.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, gute Bildungspolitik muss sich sowohl durch gute handwerkliche Arbeit als auch durch konsequentes Tempo bei der Reformfreudigkeit auszeichnen. Die Opposition will sich ja als die bessere Alternative anpreisen. Dazu kann ich nur sagen: Warum sollte man, wenn man einen Porsche haben kann, ein technisch herausragendes Gefährt, nämlich Schulministerin Sommer und die Koalition,

(Lachen von Rainer Schmeltzer [SPD] – Zu- rufe von der SPD)

einen Wartburg wählen, der sich schon früher nur durch mangelnde Zuverlässigkeit und Betriebsschäden ausgezeichnet hat?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist aber nur ein Zweisitzer und kein Familienfahrzeug!)

Für eine solche Wahl gibt es keinen Grund. Die neuesten Daten zum Unterrichtsausfall verdeutlichen noch einmal: Wir sind genau auf der richtigen Spur.

(Beifall von FDP und CDU – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Wo sitzen denn die Schülerinnen und Schüler in dem Porsche? – Marc Jan Eumann [SPD]: Porsche können sich nur wenige leisten! Das ist Ihre Bildungspolitik!)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Für die SPD spricht nun Frau Schäfer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ehrt mich sehr, dass Sie mich zum Thema der Aktuellen Stunde machen, aber wir wollten ja eigentlich über die Statistik sprechen.

(Beifall von SPD und Ralf Witzel [FDP])

Ich rede jetzt mal über die Statistik. An einigen Fakten kann ich Ihnen belegen, dass Sie in der Bildungspolitik Ihre politische Glaubwürdigkeit Zug um Zug verspielen, und das ist jetzt eine ernste Angelegenheit.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Genau! – Zurufe von der CDU: Oh!)

An erster Stelle nenne ich den Ministerpräsidenten, der mit seiner Regierungserklärung und in der anschließenden Landtagsdebatte am 14. Juli 2005 den Menschen in Nordrhein-Westfalen vieles versprochen hat – vieles! –, unter anderem eine schulscharfe Statistik über den Unterrichtsausfall an jeder einzelnen Schule. Ich zitiere:

Damit das in Zukunft auch jedem klar ist und damit Sie sehen, dass diese Koalition keine Angst vor Transparenz in diesem Bereich hat, werden wir eine Statistik über den Unterrichtsausfall erstellen und veröffentlichen, sodass in Zukunft jeder weiß, wie viel Unterricht ausfällt.

Gemeint war hier eine schulscharfe Statistik, die CDU und FDP vor der Regierungsübernahme vehement eingefordert hatten. In der Plenarsitzung am 31. Mai 2006 erneuerte die Schulministerin des Landes das Versprechen – ich zitiere –:

2008/2009 werden wir die erheblichen technischen und organisatorischen Vorbereitungen getroffen haben, um eine flächendeckende Erhebung des Unterrichtsausfalls zu ermöglichen. Wir sind dabei, ein unbürokratisches Verfahren zu entwickeln, um verlässliche Daten aus den Schulen zu erhalten. Der Einsatz modernster computergestützter Erhebungsverfahren garan

tiert, dass der Aufwand in den Schulen so gering wie möglich gehalten wird. Eine regelmäßige Veröffentlichung solcher Daten erfolgte durch die Vorgängerregierung nicht.

Das ist Ihr Versprechen gewesen. Auch ich kann in alten Protokollen nachlesen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Und so alt sind die nicht!)

In diesem Jahr kassiert nun die Ministerin das Versprechen des Ministerpräsidenten und ihre eigenen vollmundigen Ankündigungen sang- und klanglos ein und erklärt stattdessen, das Stichprobenverfahren, vom MP, von der CDU und von der FDP vorher heftigst kritisiert – von mir aus durchaus verteidigt, gar keine Frage, aber doch von Ihnen kritisiert! –, werde im nächsten Jahr auf die fünf Bezirksregierungen ausgeweitet. Nichts mehr zu hören von schulscharfer Statistik!

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Hört, hört!)

Ich sage an dieser Stelle in der Sprache von Herrn Stahl – er ist gerade nicht anwesend –: Frau Sommer, Sie haben damit dem gebrochenen Versprechen des Ministerpräsidenten ein Gesicht gegeben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Helmut Stahl [CDU]: Sie haben Ihr Gesicht schon lange verloren! Haben Sie überhaupt noch ein Gesicht? Sie haben gar kein Gesicht mehr! – Gegenrufe von der SPD)

Da sind Sie ja, Herr Stahl. Ja, ich habe ein Gesicht. Das verstecke ich auch nicht. Aber hören Sie doch erst einmal zu!

Es geht weiter mit der Frage, wie glaubwürdig die uns von Ihnen angebotene Unterrichtsausfallstatistik ist. Sie rechnen ja die Zahlen von 300 Schulen in Nordrhein-Westfalen auf alle Schulen dieses Landes hoch und wollen damit belegen, dass sich der Unterrichtsausfall seit 2005 halbiert hat. Ihre Rechnung, dass der Unterrichtsausfall um 55 % zurückgegangen ist, hört sich auch erst einmal ganz gut an.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Aber bei Ihrer Hochrechnung müssen Sie schon die 1 Million Stunden berücksichtigen, die aufgrund der Vergabe von Kopfnoten ausgefallen sind.

(Lebhafter Beifall von der SPD – Lachen von der CDU)

Lachen Sie mal nicht so! Ihre Regierung hat den Schulen zwei Tage freigegeben, um sich mit der Vergabe von Kopfnoten zu beschäftigen! Das sind 1 Million Stunden Unterrichtsausfall zusätzlich! Ihre Regierung, Herr Recker!

(Beifall von der SPD)

Und bei einer Hochrechnung für ein Jahr gehört das wohl dazu.

(Zurufe von CDU und FDP)

Sie verschweigen das einfach. Wenn man das aber hinzunimmt, ist man schon bei 3 Millionen Stunden Unterrichtsausfall. Und das hört sich dann schon wieder anders an.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, der Ihnen gar nicht gefallen wird. Es wird nämlich ziemlich spannend, wenn man diese Unterrichtsausfallstatistik genau liest. Richtig interessant wird es auf Seite 6. Unterrichtsausfall hat ja etwas mit der Ausstattung von Lehrern und Lehrerinnen an den Schulen zu tun, und infolgedessen gibt es in Ihrer Statistik auch eine Gegenüberstellung, aus der hervorgeht, wie viele Lehrer in der Schule sein sollen und wie viele dort wirklich sind. Frau Ministerin und auch Frau Pieper-von Heiden, mit Zahlenakrobatik – das haben wir gerade wieder gehört – kennen Sie sich ja gut aus. Laut Ihrer Haushaltsplanung stellen Sie dar, dass wir in Nordrhein-Westfalen im Lehrerbereich eine Versorgungsquote von insgesamt 104 % haben.

(Ralf Witzel [FDP]: Richtig!)

Herr Witzel, seien Sie mal nicht so voreilig! Haben Sie die Stichprobe gelesen? Haben Sie sich die Zahlen angeschaut? Haben Sie gesehen, was Ihnen diese Stichprobe bescheinigt?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Man darf den Wit- zel nicht überfordern!)

Diese Stichprobe besagt, dass an den Schulen in Nordrhein-Westfalen in Wirklichkeit 4 % weniger Lehrer und Lehrerinnen beschäftigt sind, als Sie es den Menschen im Land draußen weismachen wollen.