Protokoll der Sitzung vom 22.10.2008

Wir haben morgen die wunderbare Chance, Frau Kraft, über ein Anti-Rezessionsprogramm zu diskutieren. Ich freue mich schon.

Zum Mikrodarlehen nur noch ein Hinweis. Herr Eiskirch, Sie könnten uns helfen.

(Zuruf von der SPD)

Jeder kriegt noch eine zweite und dritte Chance. So bin ich ja gar nicht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie nicht!)

Die Gewährung von Mikrodarlehen hat deshalb so lange gebraucht, weil der Landesrechnungshof uns daran hindern wollte, für die Unternehmen etwas Sinnvolles auf den Weg zu bringen. Wir brauchten die Zustimmung des Finanzministers, uns über die Einwendungen des Landesrechnungshofes hinwegzusetzen. Seitdem funktionieren die Darlehen. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Versetzung gefährdet, Frau Tho- ben!)

Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Börschel.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Thoben, wir

haben im alltäglichen parlamentarischen Geschäft nicht so furchtbar viel miteinander zu tun. Ich beginne, mich darüber zu freuen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sei froh!)

Im Übrigen kann ich, wenn ich Ihren Beitrag höre, sehr gut verstehen, dass der Ministerpräsident es vorzieht, heute lieber am Bildungsgipfel als an der Parlamentsdebatte teilzunehmen.

(Heiterkeit und Beifall von SPD und GRÜ- NEN)

Ich hoffe sehr, Frau Ministerin, dass der Ministerpräsident einige Erkenntnisse für sein Kabinett mitbringt. Das wäre nämlich vonnöten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist insbesondere dann vonnöten, wenn sich Mitglieder des Parlaments hier von einer Ministerin in einer schulmeisterlichen Art und Weise maßregeln lassen müssen, die absolut unangemessen ist und was erst recht Ihnen nicht zusteht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zur Sache selbst. Ich glaube, dass die Debatte heute vieles, aber vor allem eines gezeigt hat, nämlich dass es gut war, die Regierung in der letzten Woche zu zwingen, dass sie zur Finanzmarktkrise und ihren Auswirkungen Stellung nimmt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Denn es entspricht zum einen dem Selbstverständnis des Parlamentes, vor Inkrafttreten von Regelungen über Einzelheiten informiert zu werden und nicht erst hinterher, wie Sie das vorgehabt haben. Und zum anderen hat dieses Hohe Haus heute die seltene Möglichkeit, zu beurteilen, was Sie als Landesregierung erreichen wollten und was Sie als Landesregierung erreicht haben.

(Beifall von der SPD)

Spätestens hier tritt Ernüchterung ein – dieser Erkenntnis können wir uns alle nicht entziehen –; denn Ihr Hauptziel, den Risikoschirm für die WestLB anrechnen zu lassen, haben Sie gerade nicht erreicht. Das muss man hier sagen, und das müssen Sie auch einräumen, ohne alles schönreden zu wollen.

Sie wollen das Paket, insofern zu Recht, als richtig und alternativlos bezeichnen. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, Herr Minister Linssen, zuzugeben, dass CDU/CSU maßgebliche Teile bis zuletzt verhindern wollten. Sie hätten erwähnen können, dass zum Beispiel die Deckelung von Gehältern von Bankmanagern auf 500.000 € gerade nicht Ziel von CDU/CSU war und dass Ihre Parteifreunde bis zuletzt dagegen waren.

(Beifall von der SPD)

Jetzt haben wir also das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, und das ist auch gut so. Wenn ich das richtig gehört habe, begrüßen das auch so gut wie

alle im Hohen Haus. Aber die entscheidenden Fragen für eine Debatte, die sich an eine Unterrichtung der Landesregierung über die Konsequenzen und über die finanzwirtschaftliche und allgemeinwirtschaftliche Lage anschließt, lauten doch: Was folgt jetzt daraus? Was ist noch zu tun? Wie kann man die wirtschaftliche Lage und die finanzielle Lage weiter stabilisieren? – Und da, mit Verlaub, sind beide Minister in ihren jeweils doppelten Wortbeiträgen so gut wie alles schuldig geblieben. Sie haben viel geredet, aber so gut wie nichts gesagt.

(Beifall von der SPD)

Erstens. Ziel muss doch sein, dass nun alle Banken, die Hilfe benötigen, diese auch annehmen. Da ist es absolut kontraproduktiv und schädlich, wenn Herr Ackermann preisgibt, man müsse sich schämen, ein solches Paket und die Hilfsmaßnahmen überhaupt in Anspruch zu nehmen. Das ist skandalös. Herr Minister Linssen, von Ihnen hätte ich mir in Ihrem Beitrag deutlichere Worte gewünscht, als nur ein bisschen zu lamentieren, dass das eine oder andere schädlich gewesen sei. Das war falsch, kontraproduktiv, und es ist Ihre Pflicht, das auch laut zu sagen.

(Beifall von der SPD)

Zweitens. Zu diesem Ziel gehört auch die Klärung der Ratingrelevanz bei Inanspruchnahme des Pakets. Das haben Sie, Herr Minister Linssen, gerade zumindest angedeutet. Es bleibt aber die Frage offen: Was ist eigentlich Ihr Beitrag zur Lösung dieses Problems? Was unternehmen Sie dagegen, dass Ratingagenturen, die weiß Gott ihren eigenen Anteil an dem Schlamassel haben, jetzt über Erfolg oder Misserfolg des Rettungspakets der Bundesregierung mitentscheiden? – Das ist doch endlich einmal ein Handlungsfeld, bei dem Sie Aktivität zeigen könnten, bislang aber alles andere als Aktivität zeigen.

Drittens. Wo ist Ihr Beitrag zur Konsolidierung des Landesbankensektors? Der ist hier schon viel diskutiert, schon viel besprochen und schon viel eingefordert worden. Sie wissen ganz genau, dass die derzeitige Finanzkrise hier noch einmal ein Fenster öffnen könnte. Was fällt Ihnen dazu ein? – Nichts, Herr Minister, aber auch gar nichts,

(Beifall von der SPD)

bis auf Beschimpfungen der Kolleginnen und Kollegen aus Baden-Württemberg, was natürlich die Stimmung auch nicht gerade verbessert.

Viertens. Da wende ich mich besonders Frau Ministerin Thoben zu. Was ist Ihr Beitrag zu einer guten wirtschaftlichen Entwicklung? Gibt es nun Aktivitäten des Landes für die Konjunktur oder gibt es keine? Herr Finanzminister Linssen hält hier ein flammendes Plädoyer gegen Keynes – so habe ich es jedenfalls eben gehört – und übersieht dabei geflissentlich, dass der Obermöchtegern-Keynes in sei

ner eigenen Landesregierung sitzt, nämlich als Ministerpräsident mit seinem AntiRezessionsprogramm.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Was gilt denn nun? Wo ist Ihre Linie? Nichts davon sehen wir.

Fünftens. Was ist jetzt eigentlich Ihr Beitrag gegen eine drohende mögliche Kreditklemme? Es ist doch völlig zweitrangig, ob wir uns darüber streiten: Gibt es eine Kreditklemme schon? Steht sie bevor? Haben wir sie? Hatten wir sie? Oder was ist damit? Viel entscheidender ist doch, dass 20 % der Mittelständler nach Umfragen über Kreditschwierigkeiten in der Frage des Ob oder bei den Konditionen berichten. Sie sagen: 80 % haben keine Probleme. Das ist doch gut. – Ich sage Ihnen: 80 % haben noch keine Probleme. Deswegen muss man hier etwas tun.

Wenn Sie negieren wollen, dass sich hier eine Problemlage auftut, dann müssen Sie sich doch nur die allgemein zugänglichen Daten, zum Beispiel der Deutschen Bundesbank, endlich einmal zu Gemüte führen und daraus die nötigen Rückschlüsse ziehen. Noch die August-Zahlen haben doch gezeigt, dass im Vorjahresvergleich die Kreditinanspruchnahmen des Mittelstands dramatisch zurückgegangen sind, und das in einer Zeit, in der die Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft noch gar nicht so sehr durchgeschlagen ist. Trotzdem gibt es schon einen deutlichen Rückgang der Kreditversorgung des Mittelstands.

Darauf geben Sie keine Antworten. Sie lamentieren hier nur, negieren, dass es ein solches Problem gibt oder geben könnte, und versuchen, Ihre eigene Verantwortung vor der Tür des Hohen Hauses abzugeben.

Entscheidend ist aber doch auch, dass Ihr einziger Beitrag, den Sie in dieser Frage leisten, derjenige ist, diejenigen, die mit ihrem Geschäftsmodell auf den Mittelstand ausgerichtet sind, nämlich die Sparkassen, unter Beschuss zu nehmen und sie daran zu hindern, dass die endlich und weiterhin ihrer Aufgabe folgen können.

(Minister Armin Laschet: Unsinn! Das ist doch Unsinn!)

Ziehen Sie endlich dieses verflixte Sparkassengesetz zurück! Hören Sie mit dem Großangriff auf die Sparkassen auf! Dann haben wir wenigstens eine Säule, die auch weiterhin mit Stabilität und Gewissenhaftigkeit den Mittelstand mit Krediten versorgen kann.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sechstens und letztens. Was ist Ihr Beitrag zur Änderung von Bilanzierungsregeln, die die Krise verstärken können? Auch hier höre ich nur, dass Sie das Problem analysieren – das haben Sie eben

angedeutet –, aber Sie sagen keinen einzigen Satz zur Lösung dieses Problems, keinen einzigen Satz zu einem Beitrag, den Sie bei diesem Problem leisten wollen.

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Das ist es nicht, Frau Ministerin Thoben, und das wissen Sie auch ganz genau.

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

In all diesen Fragen, Frau Ministerin Thoben, Herr Minister Linssen, erleben wir eine Regierung der Untätigkeit, eine Regierung des Zauderns und eine Regierung, die sich lieber über angeblich mangelnde Unterstützung der Sozialdemokratie hier in Düsseldorf und in Berlin beklagt und darüber lamentiert – übrigens mit einem bezeichnenden Bild auf Ihren Einfluss im Konzert der 16 Bundesländer und gegenüber der Bundesregierung, nämlich dass Sie lieber lauthals darüber weinen, was die SPD hier oder in Berlin an Rückendeckung gibt oder nicht gibt, statt selbst kraftvoll zu agieren.

Aber ich bin sicher, eine Chance steckt in alldem drin. Wenn Sie schon die Hände in den Schoß legen und untätig sind, dann appelliere ich ganz, ganz dringend an Sie: Nutzen Sie diese Zeit wenigstens zur Besinnung! Denn die Krise hat doch eines gezeigt: Alle, die Politik ideologisch nach dem Motto „Privat vor Staat“ machen, oder alle, die mit ihren marktradikalen Leipziger Beschlüssen den Westerwelles dieser Welt hinterher gelaufen sind, sind auf dem Holzweg und gescheitert. Ich bitte Sie ganz dringend und eindringlich: Erkennen Sie das endlich! Ziehen Sie daraus die notwendigen Schlüsse!