Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Sehr geehrte Frau Kollegin Walsken, wir brauchen an dieser Stelle keine neue Neiddebatte, sondern die Diskussion über ein Steuergesetz, welches handhabbar sein muss.

Ich kann mir gut vorstellen, wie zerrissen die nordrhein-westfälische SPD sein muss. Gestern noch gab es Sympathiebekundungen für den hessischypsilantischen Schlingerkurs zur Anbiederung an

die Linke, heute gibt es den Versuch, eine Neiddebatte loszutreten, und morgen wird es vermutlich das Einlenken des SPD-Bundesfinanzministers sein, um ein administrierbares Gesetz auf den Weg zu bringen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe die Hoffnung, dass wir wieder zu einer sachlichen Diskussion kommen können. Lassen Sie uns diese konstruktiv und nicht ideologisch führen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Krückel. – Für die FDP spricht nun Herr Kollege Dr. Orth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann im Prinzip nahtlos an meinen Vorredner anschließen.

(Zuruf von der SPD: Um Gottes Willen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Nun hören Sie mir doch erst einmal zu!

Sie von der SPD sind doch wirklich eine von Neid zerfressene Partei.

(Beifall von der FDP – Gisela Walsken [SPD]: Schauen Sie einmal in den Spiegel! – Weite- re Zurufe von der SPD)

Wenn Sie sich so an den 200 Quadratmetern aufhängen und Herr Börschel von Großgrundbesitzern redet, dann zeigen Sie damit, dass Sie in Wahrheit überhaupt keine Vorstellung davon haben, was es eigentlich bedeutet, wenn mehrere Generationen unter einem Dach leben. Sie leben wahrscheinlich alleine in der Isolation. Was ist denn, wenn mehrere Generationen zusammen leben: die Oma, der Opa, drei Kinder, Mann und Frau? – Am Ende des Lebens sind alle irgendwann weg; nur noch eine Person ist über. Sind 200 Quadratmeter dann eine Großgrundbesitzereinheit? Nein, das sind sie nicht.

(Beifall von FDP und CDU)

In Wirklichkeit diskriminieren Sie Menschen, die soziale Verantwortung tragen und kinderreich sind.

(Zuruf von der SPD)

Eines muss hier auch noch einmal ganz klar betont werden: Alles, was bei der Erbschaftsteuer versteuert wird, wurde schon einmal versteuert. Indem Sie den Menschen an das Ersparte gehen, schüren Sie Misstrauen. Sie berühren das Grundvertrauen der Bevölkerung in den Staat. Der Sparsame wird bestraft. Derjenige, der Ressourcen spart, wird bestraft. Umgekehrt müsste es sein, meine Damen und Herren.

Das Betriebsvermögen soll versteuert werden. Dazu haben Sie gesagt, die Leute erben viel. Wie sieht es denn in der Realität im Mittelstand aus? Wir reden jetzt nicht von Daimler-Benz oder dergleichen. Im Mittelstand arbeiten doch mehrere Generationen im Unternehmen mit. Sie schaffen Werte. Die Wertschöpfung liegt doch nicht alleine bei demjenigen, der gerade die Anteile hält. Irgendwann macht der Inhaber dieser Anteile die Augen zu. Das Unternehmen geht dann an die Kinder über. Ich finde es nur legitim, dass man diese Erben privilegiert. Ich jedenfalls habe dabei vor allem den Mittelstand im Auge.

Sie gehen davon aus, dass Arbeitsplätze zehn Jahre und mehr gehalten werden sollen. Denken Sie doch nur einmal an Ihre eigenen rot-grünen Projekte. Was ist nach zehn Jahren von den Trickfilmstudios in Oberhausen übrig? Nichts. Was ist nach zehn Jahren Förderung noch von Nokia über? Nichts. Daran sehen Sie, diese Zeiträume sind einfach zu lang.

Ich bin überrascht, dass Sie vonseiten der SPD nur das nachbeten, was Ihnen die Bundesregierung vorgibt. Ich habe das Gefühl, zwischen Sie und Münte passt nie etwas. Sie exekutieren auch hier das, was Münte Ihnen vorgibt. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für eine Partei, die auch im Land eigene Verantwortung übernehmen müsste.

(Beifall von der FDP)

Insofern kann ich auch nur betonen, für Liberale kommt diese Erbschaftsteuerreform so nicht in Frage. Sie diskriminiert vor allen Dingen auch eingetragene Lebenspartnerschaften. Sie benachteiligt Geschwister. Mit uns wird es keine Zustimmung hierzu geben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Orth. – Nun spricht Herr Abgeordneter Remmel von den Grünen.

Herr Präsident! Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Orth, ich habe immer den Eindruck, die Redner der Koalition reden bewusst so, um vom Kern der Sache abzulenken.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Um was geht es eigentlich? – Wir reden über 1,5 %, 4 Milliarden € von 400 Milliarden €. Das ist die Erbschaftssumme, die es derzeit in der Bundesrepublik gibt. Es geht um 1,5 %. Im Sinne von Gerechtigkeit könnten wir – um ganz ehrlich zu sein – auch über 3 % oder 4 % reden. Aber wir reden doch nicht über Omas Klein-Häuschen. Das, was Sie hier aufbauen, ist doch ein potemkinsches Dorf.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich habe noch nirgendwo von einer Werthaltigkeit von Omas Klein-Häuschen gelesen, die bei einer halben Milliarde € liegt. Das müssten Sie mir vielleicht einmal beibringen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Es geht Ihnen darum, davon abzulenken, dass Sie diese Gerechtigkeitssteuer überhaupt nicht wollen. Das ist Ihr Ziel. Dann sollten Sie es auch so klar sagen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie wollen den Staat einer wesentlichen Einnahme berauben, insbesondere die Länder, weil die Erbschaftsteuer – tendenziell auch die Vermögensteuer – den Ländern zufließt.

Noch eine Zahl, die in diesem Zusammenhang vielleicht wichtig ist: Die Bundesrepublik zählt im Staatenvergleich – wenn wir einmal nach England oder in die USA schauen – zu den Staaten, die Vermögen derzeit am geringsten besteuern: In der Bundesrepublik liegt die Vermögensbesteuerung nur bei 0,9 %. In Zeiten knapper Kassen – die werden kommen – muss es doch an uns allen sein, zu überlegen, wie diese Gerechtigkeitslücke geschlossen werden kann.

Wir reden in der Tat nicht über die kleinen Einkommen, den kleinen oder mittleren Mittestand, sondern es geht darum, dass wir keine weiteren Entlastungen für Millionäre und Villenbesitzer wollen. Wir halten eine solche Politik für grundfalsch. Deshalb auch unser klares Signal: Wir sind in der Folge auch für eine Wiederbelebung der Vermögensteuer.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

In einer gewissen Weise war es schon beeindruckend, wie der Kollege von der CDU Frau Wagenknecht ins Spiel gebracht hat. – Darum geht es doch gar nicht! Ich hatte den Eindruck, dass Frau Wagenknecht ein bisschen zur politischen Domina wird und er ganz gerne in ihr Studio kommt, weil das zumindest in der politischen Debatte einen kleinen Kitzel verspricht.

(Lachen von der SPD)

Konzentrieren Sie sich doch auf die Sache, um die es geht – 1,5 %! –, und die Frage der Gerechtigkeit.

Dann gab es in der Tat auch noch den Finanzminister. Ich habe zwar nicht in der Zeit damals gelebt, aber so ähnlich muss es gewesen sein – ich fühlte mich an einen mittelalterlicher Wanderprediger erinnert –: Glaube und Zuversicht! Es wird schon alles gut werden! Eigentlich sind wir dagegen! Es gibt noch viel Bürokratie! – Das ist doch sowohl diesem Parlament als auch der Regierung des größten Bundeslandes unwürdig.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Warum sagt ein Finanzminister zum jetzigen Zeitpunkt vor diesem Parlament, er habe überhaupt

keinen Gesetzentwurf, der liege ihm überhaupt nicht vor? Was ist das denn für diesen Finanzminister für ein Armutszeugnis, wenn er noch nicht einmal weiß, wie der Gesetzentwurf aussieht? Sie müssten doch eigentlich nahe dran sein.

(Gisela Walsken [SPD]: Kennt nix! Hört nix! Weiß nix!)

Dann gab es auch noch den Hinweis auf die Bürokratie. In der Tat wird das Gesetz sehr viel Bürokratie verursachen und die Finanzämter erheblich belasten. Die Strecke ist doch klar vorgezeichnet: So wie dieses Gesetzgebungsverfahren angelegt ist, wird das Gesetz kurz vor Weihnachten in der Hoffnung darauf verabschiedet, dass es wieder Klagen geben wird, dass wieder das Bundesverfassungsgericht beschäftigt wird. Dann wird es eine neue Geschichte und wieder eine neue Geschichte geben. Mich erinnert dieses Verfahren an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Genauso werden wir uns zur Erbschaftsteuer wiederfinden. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und einzelnen Abge- ordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Jetzt hat der fraktionslose Abgeordnete Sagel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die NRW-Regierungskoalition ist chaotisch, die SPD unsozial. Das zeigt diese Reform. Reiche bleiben reich. Das ist die Konsequenz Ihrer Erbschaftsteuerreform, die Sie in Berlin gemacht haben. Ohne eigene Leistung entscheidet auch zukünftig die Geburt in die richtige Familie, ob jemand arm oder reich ist, und zwar dauerhaft.

Von CDU/CSU war ehrlich gesagt nichts anderes zu erwarten. Die Rolle der SPD zeigt aber, wie unsozial sie in Berlin agiert. Ich bin wirklich ein bisschen verwundert darüber, dass Sie das auch noch hier im Landtag dokumentieren und zum Thema einer Aktuellen Stunde gemacht haben.

Der finanzpolitische Skandal geht zulasten der Länder und damit auch Nordrhein-Westfalens.