In den eigenen vier Wänden wird aber jeden Tag digitalisiert und konsumiert, und zwar immer mehr, immer grausamer und mit immer jüngeren Opfern.
2007 auf 11.357 gestiegen. 11.357 Kinder, die in eindeutigen Sexualpraktiken fotografiert und gefilmt, sexuell missbraucht und für ihr ganzes Leben stigmatisiert sind. Dabei haben sich die Fälle des Tatortes Internet innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Und noch erschreckender: Der Anteil der Kinder unter sechs Jahren hat um 25 % zugenommen. Mehr als 1.800 Kinder unter sechs Jahren werden sexuell für diese Taten missbraucht. Das ist unglaublich.
Blickt man zurück, so stellt man fest, dass die Problematik erst mit den modernen Medien eine Dimension angenommen hat, die uns heute mehr als entsetzt. Es war Anfang der 90er-Jahre die Videotechnologie, die zur Strafbarkeit des Besitzes kinderpornografischer Machwerke geführt hat, zu einer Zeit, in der Kinderpornografie noch in dunklen Ecken stattfand. Heute ist das nicht mehr der Fall. Heute werden diese widerwärtigen Bilder nicht mehr in Hinterhofbuchhandlungen unter dem Ladentisch ausgetauscht. Wir wissen, dass heute Internetforen und Tauschbörsen ein Tummelplatz für Pädosexuelle bieten. Kommuniziert wird dort passwortgeschützt und verschlüsselt; teilweise erfolgt der Versand versteckt in anderen Bilddateien.
Kinderpornografie ist nach wie vor ein Wachstumsmarkt, obwohl das Sexualstrafrecht verschärft, die internationale Zusammenarbeit verstärkt und sicherheits- und kriminalpolizeiliche Maßnahmen intensiviert wurden. Wir haben es heute zu tun mit einer ungeheuren Bandbreite von eher ängstlichen gelegentlichen Nutzern über schon etwas versierteren Sammlern und Tauschern bis hin zu regelrechten Zirkeln und Anbietern, die wie ein organisierter Vertrieb agieren. Denn Kinderpornografie bedeutet nicht nur sexuelle Ausbeutung, sondern auch deren ökonomische Verwertung. Es ist die Nachfrage, die den Markt schafft. Wenn wir Straftaten mit Kinderpornografie bekämpfen wollen, müssen wir auf der Nachfrageseite ansetzen. Wir müssen die Nachfrage unterbinden. Das ist unsere Aufgabe im Sinne der Kinder.
Am 27. August haben wir, die Rechtspolitiker der SPD-Fraktion, ein Gespräch, das wir zwei Monate zuvor vereinbart hatten, mit dem Roten Keil geführt. Das ist ein kleiner, aber aktiver Verein aus Senden – übrigens auf Vermittlung von André Stinka, dem ich dafür noch einmal danke –, der sich eines zur Aufgabe gemacht hat, nämlich Kinderpornografie zu geißeln. Das Ergebnis dieses Gespräches war, dass wir im Rechtsausschuss um einen Bericht der Landesregierung gebeten haben. Im Übrigen veröffentlichte am gleichen Tag, als wir uns mit dem Roten Keil trafen, das BKA diese grausamen und wirklich erschütternden Zahlen.
Im Rechtsausschuss am 24. September war die Berichterstattung – ich will es einmal so formulieren – eher dürftig. Was ohnehin fehlte, war die Antwort auf
die Frage, wie man mit der Forderung des Bundeskriminalamtes umgeht, gesetzliche Regelungen zu schaffen, um Kinderpornoseiten zu blockieren. Dies hat uns zu dem heutigen Antrag veranlasst.
Umso dringender gilt es nun, die in unserem Antrag formulierten Forderungen umzusetzen, die ich noch einmal kurz darstellen möchte. Es sind ja gar nicht so viele. Was fordern wir eigentlich?
Erstens die Aktualisierung einer Broschüre aus dem Jahre 1997. Wer will das denn ernsthaft ablehnen? Denjenigen, die sich die Broschüre nicht angeguckt haben, möchte ich daraus berichten. In dem Entschließungsantrag, der uns heute als Tischvorlage von CDU und FDP verteilt wurde, wird die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung gelobt. Das können Sie doch nicht ernsthaft meinen, Herr Giebels. Ich kann es mir zumindest nicht vorstellen.
Auf Seite 5 heißt es: Angeboten wird Kinderpornografie überwiegend in Anzeigen. Und weiter: Ein gewinnorientierter Handel mit Kinderpornografie wird bisher nicht festgestellt. – Das ist genau der Kernpunkt dessen, was verbreitet wird, nämlich Geld damit zu verdienen, nichts anderes!
Auf der folgenden Seite heißt es, eine Broschüre könne man gegen eine Schutzgebühr von 3 DM bestellen. Nehmen Sie es mir nicht übel: Wer das verändert haben will, der hat den Euro zumindest verstanden und der wird unseren Antrag nur ernsthaft unterstützen können.
Die Broschüre gibt es heute noch immer. Schauen Sie einfach mal rein! Dann kann man die Broschüre doch aktualisieren, statt sich hier laut zu beschweren. Alte Sachen müssen raus.
Mehr als peinlich ist, diese Broschüre auch noch hervorzuheben. Dass Sie das machen, ist noch viel peinlicher.
Was fordern wir noch mit unserem Antrag? Wir fordern, eine Initiative des BKA zu unterstützen, Provider gesetzlich zu verpflichten, kinderpornografische Seiten zu sperren. Was soll denn daran falsch sein? Acht andere Länder in Europa machen dies. Viele Provider in anderen Ländern machen es freiwillig. Wir wollen, dass man Kinderpornoseiten nicht aufrufen darf.
Diese gesetzliche Regelung, Frau Ministerin – das sagen Sie zu Recht –, wollen Sie auch. Sie haben das bei „Westpol“ gefordert. Im Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP steht kein Wort dazu, kein Wort zu gesetzlichen Regelungen. „Versprochen und gebrochen“ will ich deutlich sagen. Lesen Sie sich den Antrag durch! Vielleicht hatten Sie heute Morgen noch keine Zeit. Sie werden sehen: keine gesetzlichen Regelungen.
Die letzte Forderung, die wir in unserem Antrag erheben! Wir schreiben: Stellt geeignete sachliche und personelle Ressourcen zur Verfügung. – Da heißt es im Entschließungsantrag, die seien schon da. Ich freue mich auf die weitere Beratung in den Ausschüssen. Dann werden wir das überprüfen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das derzeit nicht der Fall ist.
Unser Antrag, den wir in der weiteren Ausschussdiskussion mit Ihnen in Zusammenhang mit Ihrem Entschließungsantrag fröhlich diskutieren werden, zielt darauf ab, dass wir eines nicht vernachlässigen, was häufig passiert, nämlich auf die Opfer zu schauen. Auf deren Situation will ich noch einmal hinweisen. Die allgemeine Empörung über Kinderpornografie, die Fassungslosigkeit oder das Entsetzen über bekannt gewordene Fälle, die Skandalisierung in den Medien – das ist alles wichtig und hat auch seinen Sinn. Aber diese öffentliche Erregung ebbt schnell wieder ab. Danach spricht keiner mehr darüber.
Umso wichtiger ist es, ein wirkliches Einfühlungsvermögen dafür zu entwickeln, was die Opfer erleben und was sie für ihre Zukunft prägt. Es ist wenig hilfreich, die Täter zu dämonisieren. Besser wäre es, ihre Vorgehensweise zu analysieren und daraus Maßnahmen gegen erneuten Missbrauch zu entwickeln. Professor Amend von der Universität Bremen hat gesagt: Es scheint nur ein Danach mit der Forderung nach harten Strafen zu geben, aber ein kaum erkennbares Davor zum Zwecke der Vorbeugung.
Wir fordern die Landesregierung auf: Sorgen Sie dafür, Vorbeugung zu betreiben und die Täter von diesen Taten abzuhalten! Ich danke hier ausdrücklich den ganzen ehrenamtlichen Vereinen, die diese Arbeit betreiben, wie beispielsweise dem Rote Keil in Senden.
Weitere Dinge stehen an, auch für diese Landesregierung. Am 28. November findet in Rio de Janeiro der 3. Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern statt. Heute ist eine gute Gelegenheit, ein Signal aus Nordrhein-Westfalen zu setzen, dem größten Bundesland in der Bundesrepublik.
Frau Müller-Piepenkötter, Sie stellen sich nach meiner Auffassung – Sie haben gleich Gelegenheit dazu – an die Seite der Opfer. Kämpfen Sie für diese ebenso engagiert, wie Sie es beim Thema Wiederaufnahmeverfahren oder bei der Begrenzung der Prozesskostenhilfe oder bei der Änderung der Juristenausbildung tun: denn die Opfer des Kindesmissbrauchs haben es am meisten verdient. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Jarzombek. Nicht? – Sie wechseln ja öfter, dann spricht eben der Abgeordnete Giebels. Ursprünglich war Herr Jarzombek als Redner vorgesehen, dann jetzt wieder Herr Giebels. Offenbar wissen Sie nicht, in welcher Reihenfolge.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Stotko, es ist interessant, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass die alte, SPDgeführte Landesregierung ihr Informationsangebot von 1997 bis 2005 – also acht Jahre lang – nicht aktualisiert hat.
Aber, ich denke, wir sollten eines doch einmal feststellen: Dieses Thema sollte sich nicht für einen Parteienstreit eignen.
Denn Kinderpornografie war und ist ein abscheuliches und abstoßendes Verbrechen, und das Internet mit all seinen Möglichkeiten hat für diesen Bereich der Kriminalität neue Möglichkeiten geschaffen und zugleich auch die Verfolgung erschwert. Zu den Erscheinungsformen, den technischen Möglichkeiten, der Verbreitung und der Unterbindung der Kinderpornografie im Internet wird mein Kollege Thomas Jarzombek gleich berichten.
Der dieser Beratung zugrunde liegende Antrag der SPD-Fraktion datiert vom 4. November 2008. Herr Kollege Stotko, Sie haben vorhin die Gesetzeslage angesprochen. Wenn Sie sich einmal das Bundesgesetzblatt vom 4. November 2008 anschauen – offensichtlich haben Sie das nicht getan –, dann werden Sie dort das „Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie“ finden. Dieses Gesetz ist am 31. Oktober dieses Jahres im Deutschen Bundestag beschlossen worden – mit
letztem Beschluss am 20. Juni 2008 und am 19. September 2008 abschließend im Bundesrat. Das alles war Ihnen offensichtlich nicht bekannt, wie man auch gerade an Ihrem Beitrag gemerkt hat.
Im Jahre 1973 wurde der 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches vollständig neu gestaltet und mit „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ überschrieben. Durch die Paragrafen 184 ff. Strafgesetzbuch, die 1993 noch einmal grundlegend überarbeitet wurden, sind bereits bestimmte Formen der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes pornografischer Schriften, denen auch Ton- und Bildträger sowie Datenträger gleichstehen, unter Strafe gestellt.
Mit dem zitierten Gesetz, das im Bundesgesetzblatt vom 4. November 2008 veröffentlicht worden ist, wird nicht nur ein Rahmenbeschluss der europäischen Ebene umgesetzt, sondern auch die Systematik der Straftatbestände gegen die sexuelle Selbstbestimmung – speziell im Bereich der Pornografie – neu geordnet. Auch der Anwendungsbereich der Strafvorschriften gegen „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften“ wurde auf pornografische Schriften, die sexuelle Handlungen von Jugendlichen zum Gegenstand haben, erweitert.
Ebenso wurde das „Bestimmen eines Kindes zum aufreizenden und geschlechtsbetonten Posieren“ unter Strafe gestellt und die „Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften“ jeweils in einer eigenen Vorschrift mit unterschiedlichen Strafdrohungen geregelt. Der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde auf „sexuelle Handlung von, an oder vor“ Kindern erweitert und eine Erweiterung des Kataloges nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 der Strafprozessordnung zur Telekommunikationsüberwachung sichergestellt.
Sie erkennen hieran, dass der Gesetzgeber auf der Bundesebene gehandelt hat, und zwar sinnvoll, maßvoll und auch zielgerichtet. Das Gesetz ist jetzt seit acht Tagen in Kraft. Wir müssen beobachten, wie es wirkt, und es dann auswerten.
Doch losgelöst von den neuen gesetzlichen Bestimmungen sind Polizei und Justiz in NordrheinWestfalen gut aufgestellt und aktiv in der Bekämpfung der Kinderpornografie. Das Landeskriminalamt ist mit zehn zusätzlichen Stellen für diesen Bereich verstärkt worden. Alle Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen verfügen über die erforderlichen technischen Voraussetzungen für Ermittlungen im Bereich der Kinderpornografie im Internet. In alle Polizeibehörden in NordrheinWestfalen stehen Beamte auch für Ermittlungen im Internet zur Verfügung.
Bei jeder Staatsanwaltschaft im Lande NordrheinWestfalen gibt es gesondert zuständige, auf die Bekämpfung der Kinderpornografie spezialisierte
Staatsanwälte. Bei der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf ist eine Zentralstelle zur Bekämpfung von Kinderpornografie eingerichtet, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Vielleicht ist Ihnen das so alles nicht bekannt.