Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Minister Laumann. Bitte schön, Herr Minister.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen wird ein Maßstab gesetzt, der weltweit Geltung beansprucht und an dem jeder Staat in Zukunft gemessen wird. Wie es sich für eine moderne Behindertenpolitik gehört, stellt das Übereinkommen den Menschen in den Mittelpunkt. Es enthält deshalb Definitionen, Grundsätze und allgemeine Verpflichtungen, Rechte der Menschen mit Behinderungen und Pflichten für den Staat. Bundestag und Bundesrat müssen durch ein
eigenes Gesetz erst noch beschließen, dass Deutschland dem Übereinkommen beitritt, damit es für uns geltendes Recht wird.
Für die Landesregierung hat die Verabschiedung dieses sogenannten Ratifizierungsgesetzes Vorrang. Wir haben dieses Ratifizierungsgesetz deshalb in der letzten Woche im Bundesrat unterstützt. Damit ist der erste Schritt zu einer Gesetzgebung getan. Ich gehe davon aus, dass dieses Gesetz am 1. Januar 2009 in Kraft tritt.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, internationales Recht in deutsches Recht umzusetzen. Man kann Umsetzungsleistungen schon vor der Ratifizierung erbringen. Man kann sie im Anschluss daran ergreifen oder sie zum Zeitpunkt der Ratifizierung einleiten. Die Bundesregierung plant den Umsetzungsprozess unmittelbar im Anschluss an die Ratifizierung. Der Prozess soll in der nächsten Wahlperiode in einen nationalen Aktionsplan münden.
Der hohe politische Stellenwert, den Behindertenpolitik bei uns genießt, ist allgemein bekannt. Unser erfolgreiches Programm „Teilhabe für alle“ und zuletzt das an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtete neue Wohn- und Teilhabegesetz belegen dies eindeutig.
Selbstverständlich haben wir uns auch unverzüglich mit dem neuen Übereinkommen befasst. So haben wir gerne den dritten Landesbehindertentag am 5. Mai 2007 ermöglicht, der sich bereits zwei Monate nach deutscher Zeichnung des Übereinkommens schwerpunktmäßig mit dem neuen Recht beschäftigte. Wir haben schon vor Monaten – am 13. Mai 2008 – eine interministerielle Arbeitsgruppe mit allen Ressorts eingerichtet. Die Federführung liegt natürlich beim MAGS.
Meine Fachabteilung bereitet zurzeit den Umsetzungsprozess in Nordrhein-Westfalen vor. Wir wollen ab 2009 jeden Artikel der Konvention mit allen gesellschaftlichen Kräften durchgehen und festhalten, was noch zu tun ist. Ich behaupte, die politischen Konsequenzen im Einzelnen für Deutschland kann noch niemand konkret benennen. Es muss erst einmal ausgearbeitet und aufgeschrieben werden. Das wird ein spannender Prozess, auf den ich mich freue.
Selbstverständlich wollen wir den geplanten nationalen Aktionsplan mitgestalten. Politik für behinderte Menschen muss verlässlich sein. Deshalb ist mir eine breite und sorgfältige Diskussion über eine passgenaue Umsetzung wichtig. Schnellschüsse sind mit mir aber nicht zu machen.
Wenn ich mir die vielen genauen Regelungen des UN-Abkommens, die schon laufenden Fachdiskussionen, die geplanten Maßnahmen und dann Ihren Antrag ansehe, muss ich feststellen: Ihr Antrag enthält in Wahrheit nichts Neues. Er enthält keine konkreten Umsetzungsvorschläge.
Er weckt den Eindruck, dass Fragen der Übersetzung schon mit Feststellungen für die Umsetzung verbunden sind.
Das ist falsch. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass weniger um Begriffe gerungen werden sollte. Es muss vielmehr darum gehen, dass die Sachfragen ordentlich diskutiert werden. Anknüpfungspunkt ist unser geltendes Recht.
Sich an der oben genannten Denkschrift abzuarbeiten führt überhaupt nicht weiter. Die Denkschrift ist eine Erläuterung ohne eigene Rechtsqualität. Sie enthält keine Aussagen über die Umsetzungsmaßnahmen. Schließlich kann sie im Bundesrat nicht durch Anträge geändert werden.
Ich vermisse Ihre Sorge für die Menschen, die auf unser geltendes System angewiesen sind und es weiter nutzen wollen. Das Beispiel Schule zeigt: Es kann nicht um ein Entweder-oder gehen. Wir haben einerseits die Tradition, behinderte Kinder mit mehr Personal als üblich in eigenen Schulen zu fördern. Wir sind aber auch der Überzeugung, dass mehr Integration in allgemeinen Schulen möglich ist. Es ist wichtig, dass sich die Betroffenen hier zwischen einem Sondersystem und der Teilnahme an einem Integrationssystem entscheiden können, je nachdem, welche Form für den Einzelnen richtig ist.
Das UN-Übereinkommen ist mir wichtig. Was die einzelnen Artikel des Übereinkommens für uns in Deutschland bedeuten können, muss aber schlicht und ergreifend noch geprüft werden. Ich habe mich nicht vorher festgelegt. Wenn Dinge geändert werden müssen, ist es wichtig, auch andere davon zu überzeugen.
Ich möchte alle Fraktionen des nordrheinwestfälischen Landtags herzlich einladen, hieran in den kommenden Monaten und Jahren mitzuwirken. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Kollege Killewald das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ihr Antrag, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, greift einen wichtigen und inhaltlich weitestgehend richtigen Sachverhalt auf, der behandelt werden muss. Aber nach den Worten der Kollegin Veldhues müssen wir auch ein paar kritische Anmerkungen an Sie richten.
Erstens. Wir müssen uns die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, einem vor allem bundespolitischen Geschehen hier so großes Gewicht beizulegen. Ich verweise darauf, dass Sie auf Bundesebene nicht allein stehen. In allen Fraktionen gibt es kritische Stimmen zu den Übersetzungen. Auch die FDP hat auf Bundesebene sehr deutliche Worte gesprochen. Aber auch die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen sagte an dem Tag, an dem der Kabinettbeschluss gefasst wurde: Unter anderem in den Bereichen „Inklusion und Bildung“, „Arbeitsmarkt“ und „Ausbau ambulanter Unterstützungsstrukturen“ gibt die Konvention uns noch eine Reihe von Hausarbeiten auf.
Insofern glaube ich, dass in der Bundesregierung und wohl auch in allen Fraktionen, die die Bundesregierung tragen, durchaus der Eindruck besteht, dass noch etwas nachgearbeitet werden muss.
Frau Monheim, Kollegin Steffens fragte vorhin ganz gezielt nach den Einwendungen von Frau Prof. Theresia Degener aus Bochum. Wer diese Dame, die Contergan-geschädigt ist, einmal erlebt hat und weiß, dass sie zur deutschen Delegation gehörte, die diese UN-Konvention erarbeitet hat, muss folgende Überlegung anstellen: Wenn diese Dame sagt und inhaltlich begründet, dort und dort haben Fehlinterpretationen, Fehlübersetzungen stattgefunden, muss sich dann nicht auch eine Bundesregierung aus CDU und SPD fragen, ob sie daran nicht weiterarbeiten und eine Überarbeitung vornehmen muss?
Ich gebe dem Minister recht: Man sollte nicht das Inkrafttreten oder die Umsetzungsphase 1. Januar 2009 gefährden – auf keinen Fall. Ich habe den grünen Antrag nicht so verstanden, dieses Szenario außer Kraft setzen und verzögern zu wollen. Vielmehr wollen die Grünen ein Verfahren nach Inkrafttreten oder nach Scharfschaltung anstoßen, parallel zu Umsetzungsschritten zu überlegen, wo defizitär übersetzt worden ist. Deswegen kann die SPD diesem Antrag auch zustimmen, weil wir uns nicht davor scheuen, uns zu fragen, was vielleicht fehlerhaft übersetzt worden ist. Wir kritisieren aber, ob es sinnvoll ist, hierzu mit einem Landtagsantrag zu kommen.
Zweitens. Folgende Kritik kann ich Ihnen nicht ersparen: Ist es sinnvoll, die Bemühungen zum Beispiel der Enquetekommission „Chancen für Kinder“ im Bereich „Inklusion und Bildung“ zu ignorieren. Dort kann man, wenn man es gut meint, im Forderungskatalog 11 nachlesen, dass Ansätze zur Inklusion auf eine breitere Basis als bisher gestellt wurden. Da muss man sich fragen, ob man sich einen Gefallen tut, hier eine Entscheidung herbeizuführen.
Drittens. Ich greife den Inhalt des Wohn- und Teihabegesetzes auf. Diese Kritik kann ich Ihnen nicht ersparen. Vor acht Wochen ging die heiße Phase der Verhandlungen zwischen den Fraktionen hier im Landtag um das Wohn- und Teilhabegesetz in die Endphase. Die CDU hat netterweise durch die Referentin der Fraktion allen anderen Fraktionen – auch den beiden Fraktionen der Opposition – die Inhalte zur Verfügung gestellt. Es lag also an ihnen, sich auch einzuschalten.
Wir haben uns eingeschaltet und dort die Diskussion um § 1 geführt, der dazu geeignet gewesen wäre, für den Zweck des Gesetzes die UN-Konvention oder Inhalte daraus aufzunehmen. Das Gesetz, das WTG, ist vor dem Kabinettbeschluss beschlossen worden. Aber uns allen ist klar, dass die Übersetzung schon lange im Voraus bekannt war. Insofern hätten wir erwartet, dass Sie sich wegen der Glaubwürdigkeit einschalten. Wir haben das getan.
Wir werden dem Antrag trotzdem zustimmen, weil wir glauben, dass ein weiterer Diskussionsprozess auf Bundesebene stattfinden muss. – Ich danke Ihnen.
Meine Zwischenfrage, Herr Killewald, lautet: Ist Ihnen bekannt, dass ich im Ausschuss den Vorschlag gemacht hatte, dass sich alle Fraktionen zusammensetzen und gemeinsam versuchen sollten, beim Wohn- und Teilhabegesetz einen Konsens zu finden, und dass ist ein Terminangebot gemacht habe? Die SPD-Fraktion ist alleine auf die Position der CDU-Fraktion eingegangen und hat versucht, Gespräche ohne uns zu führen. Es lag also nicht an unserer Fraktion, sondern daran, dass man uns bewusst nicht bei gemeinsamen Gesprächen dabeihaben wollte.
Frau Steffens, um darauf zu antworten, der erste Sachverhalt war folgender: Die CDU war es, die es den anderen Fraktionen ermöglicht hat, durch die Veröffentlichung ihrer Position innerhalb der Fraktionen einzugreifen. Wir haben daraufhin der CDU unseren Katalog zugeschickt. Die Ursprungsmail kam von der CDU.
derfrau brauchen, die SPD oder Norbert Killewald heißt, damit man etwas gemeinsam machen kann, halte ich für abwegig. Wir haben unseren Teil gemacht und der CDU unsere Verhandlungsposition zur Verfügung gestellt und dann die Diskussion geführt. Ich kann Ihnen eines sagen: Wir hatten Änderungsvorschläge zu § 1, die genau in Richtung UN-Konvention gingen. Wir haben keine Mehrheit gefunden – das ist nicht schlimm –, aber wir haben es zumindest versucht.
Vielen Dank, Herr Killewald. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen, oder? – Frau Beer. Bitte schön, Frau Beer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Killewald, wir haben jetzt einen Bereich, der es sehr wohl hergibt, dass wir heute in Nordrhein-Westfalen über die Konvention diskutieren. Es ist nämlich das originäre länderpolitische Feld, die Bildungspolitik, und die berührt die Konvention im Zentrum. Dann können wir es ja besser machen. Wir wollen einmal schauen, wie wir da gemeinsam vorankommen.
Deswegen will ich gerne Ihren Impuls aufnehmen und einen Kollegen aus der CDU zitieren, und zwar ist es der Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe, der behindertenpolitische Sprecher der CDUFraktion. Er führt zur Konvention aus:
Dass heute Schüler mit Behinderungen von Regelschulen ferngehalten werden, widerspricht eindeutig der Konvention. In der Denkschrift der Bundesregierung zur UN-Konvention sieht es so aus, als wenn schon alles geregelt sei und sich eigentlich nur der Rest der Welt ändern müsste.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir haben in der Tat hier einen ganz enormen Regelungsbedarf, um die UN-Konvention in Nordrhein-Westfalen wirksam werden zu lassen. Deswegen müssen wir uns auch dieser Problematik stellen.
Herr Hüppe hat nämlich offensichtlich einen wesentlich weiteren Erkenntnisgewinn, als ihn die Kollegen und Kolleginnen aus der CDU und auch aus der FDP in Nordrhein-Westfalen haben.
Die PISA-Gewinnerländer zeigen mit einer integrativen Strategie, dass behinderte Kinder die Entwicklung nicht behinderter Kinder nicht etwa hemmen, sondern fördern…