darüber hinwegzugehen nach dem Motto „20 €, was soll das denn?“ und zu verkennen, dass hier für Hilfesuchende die Hürden erhöht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gipfel des Zynismus ist es dann, in der Begründung des Gesetzentwurfs vom Missbrauch der Beratungshilfe als Lebenshilfe zu sprechen.
Sie sollten sich einmal fragen: Warum gehen denn die Leute zur Beratungshilfe unter Umständen auch noch mit 25 anderen Problemen, die dort wahrscheinlich gar nicht hingehören? Das ist doch kein Missbrauch der Hilfe. Sie sollten sich einmal überlegen, was gegen den Abbau der anderen Hilfestrukturen getan werden kann,
damit diese Leute auch da wieder die Hilfe finden, die sie an anderer Stelle nicht finden, sodass die Probleme in der Beratungshilfe auf den Tisch gelegt werden, wo sie unter Umständen nicht hingehören. Sie sollten sich einmal überlegen, wie dem Abbau von Hilfsangeboten begegnet werden kann, statt den Rechtsschutz abzubauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz wird der Zugang zu den Sozialgerichten für Einkommensschwache erschwert. Sie tun dies wissend – wir haben das oft im Rechtsausschuss diskutiert, Frau Ministerin – um die steigenden Verfahrenszahlen bei den Sozialgerichten, die eindeutig belegen, dass bei den Behörden nicht nur Verunsicherung herrscht, sondern die Behörden auch fehlerhafte Entscheidungen treffen, die auch zu steigenden Eingangszahlen bei den Sozialgerichten führen. Die Zahlen haben im Rechtsausschuss auf dem Tisch gelegen.
Sie können der Überlastung der Gerichte nicht mit Rechtsschutzabbau begegnen, sondern Sie müssen mehr Richter einstellen. Das wäre die richtige Antwort der Justizministerin auf die fehlenden Möglichkeiten der Menschen, Hilfe zu finden.
Hinzu kommt – es ist vom Kollegen Garbrecht schon gesagt worden –, dass Sie auch noch bei den Arbeitslosenzentren kürzen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Zugang zu professioneller Rechtsberatung muss für jeden Bürger unseres Landes gesichert sein.
Aber die Gewährung von Beratungshilfe ist an gewisse Prämissen zu knüpfen. Zunächst ist darauf zu achten, dass die Rechtsangelegenheit für den Betroffenen ein gewisses Gewicht hat. Es geht nicht an, jeden Bagatellfall zum Anlass zu nehmen, um auf Kosten des Steuerzahlers unentgeltlichen Rechtsrat einzuholen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der Rechtsschutz des Betroffenen nicht schon auf andere Weise gesichert ist. Ferner ist zu überlegen, auf welche Weise Missbräuchen entgegengewirkt werden kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das stammt nicht von mir, sondern das sagte der sozialdemokratische Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Diether Posser, am 10. März 1975 zu Überlegungen zur Einführung von Hilfen für außergerichtliche Rechtsberatung.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: 30 Jahre vor In- krafttreten von Hartz IV! 30 Jahre vor SGB II! So weit konnte selbst der Justizminister nicht denken!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die drei Kernbotschaften des Antrags der SPD-Fraktion lassen sich dagegen wie folgt zusammenfassen:
Drittens. Die SPD will, dass derjenige, der Beratungshilfe in Anspruch nimmt, mit dem Geld der Allgemeinheit weniger sorgfältig umgeht, als er es mit eigenem Geld tun würde.
Unser Reformbemühen wird von der großen Mehrheit aller 16 Bundesländer mitgetragen. Im Rechtsausschuss des Bundesrates hat allein das Land Rheinland-Pfalz dagegen votiert. Die drei Kernbotschaften der Reform lassen sich wie folgt auf einen Nenner bringen:
Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Schutz des Rechtsstaats“ titelt der Antrag der SPDFraktion. Mit „Schutz des geistigen Eigentums“ möchte ich es überschreiben; denn mit Verwunderung habe ich zur Kenntnis genommen, dass die SPD-Fraktion ihre Antragsbegründungen neuerdings aus der Tagespresse abschreibt.
Dort wurde vor Kurzem knapp und falsch der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Reform des Beratungshilferechts dargestellt. Die SPD hat ungeprüft und im Wortlaut die Behauptung übernommen, nach dem Gesetzentwurf sollten sich sozial Schwache in Zukunft nicht mehr ohne Weiteres von einem Rechtsanwalt beraten lassen dürfen; sie sollten zunächst andere Möglichkeiten der Beratung ausschöpfen.
Lassen Sie mich lieber eine andere Pressemitteilung zitieren, deren Urheberin sich mit dem Beratungshilferecht weitaus gründlicher auseinandergesetzt hat. Darin heißt es: Der Gesetzentwurf ist ausgewogen und passt die lückenhaften Regelungen an die Bestimmungen einer modernen Justiz an.
Diese Worte hat die bereits zitierte sozialdemokratische Justizministerin des Landes Sachsen-Anhalt am 19. September dieses Jahres gewählt.
Das in Sachsen-Anhalt SPD-geführte Justizressort hat im Frühjahr 2006 überhaupt erst den Anstoß zur Reform des Beratungshilferechts gegeben. Meine Damen und Herren von der SPD, der von Ihnen so heftig gescholtene aktuelle Gesetzentwurf besteht damit in weiten Teilen aus roter Tinte.
Warum gibt es aber diese unterschiedlichen Bewertungen aus den Reihen der SPD? – Die Antwort ist einfach. Die einen haben den Gesetzentwurf gelesen und sich sorgfältig mit dem Beratungshilferecht befasst. Die anderen setzen auf Politisierungen und spielen die vermeintlich soziale Karte.
Auf die unausgewogenen und zum Teil sachlich falschen Ausführungen in dem Antrag der SPD sei daher Folgendes erwidert: Unser Gesetzentwurf sieht keine einschneidenden Verschlechterungen der Rechtsberatung für SGB-II-Leistungsbezieher vor. Er präzisiert lediglich das bereits geltende, aber nicht konsequent angewandte Recht.
Unser Ziel ist die Sicherung der korrekten Rechtsanwendung, nicht hingegen die Verschärfung des Beratungshilferechts zum Nachteil der Rechtsuchenden.
Dass nicht ich für die Anwendung zuständig bin, sondern unabhängige Richter, wissen Sie. Dass das Gesetz dafür eine Leitlinie geben muss, wissen Sie ganz sicher auch, Herr Sichau.
Der Antrag der SPD verkennt weiter, dass sich bedürftige Rechtsuchende wie SGB-II-Leistungsbezieher schon nach derzeitiger Rechtslage nicht ohne Weiteres von einem Rechtsanwalt beraten lassen dürfen. Vielmehr wird Beratungshilfe ihrem subsidiären Charakter nach nur gewährt, wenn andere Möglichkeiten für eine Hilfe nicht zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist und die diejenigen, die ihre Anwaltskosten selbst zu tragen haben, in der Regel in Anspruch nehmen, bevor sie einen Anwalt aufsuchen.