Protokoll der Sitzung vom 04.12.2008

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner ist Kollege Sagel, fraktionslos, gemeldet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich kann die klaren Worte meiner Kollegin Steffens nur unterstützen. Ich finde auch, dass Sie Ihre Politik gegen arme Menschen in diesem Land gnadenlos fortsetzen. Die Menschen müssen sich wehren können. Sie wollen ihnen diese Möglichkeiten nehmen. Sie haben es in Nordrhein-Westfalen mit der Abschaffung der Sozialberatungsstellen schon getan.

Jetzt sollen die sozial Bedürftigen auch noch für die Unfähigkeit der Bundesregierung zahlen. Der Zugang zur Rechtsberatung für Bedürftige soll nach dem Willen des Bundesrats künftig schwerer werden.

Das ist die Politik, die Sie hier machen: eine unsoziale und – wie gerade schon zu Recht gesagt – eine zynische Politik.

Das Beratungshilfegesetz in seiner bisherigen Form sieht vor, dass außergerichtliche Rechtsanwaltskosten für Menschen mit geringem Einkommen sowie Sozialhilfeempfänger und Arbeitslosengeld-II-Bezieher bis auf einen Eigenanteil von 10 € vom Staat übernommen werden. Das Vorhaben der fünf Bundesländer, zu denen auch Nordrhein-Westfalen gehört, sieht nun vor, die Beratungsgebühr um weitere 20 € zu erhöhen.

Das zeigt erneut, wie weit sich die Regierungspolitik von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt hat. Das zeigt auch, wie weit Sie davon weg sind. Eine Eigenbeteiligung von 30 € bedeutet für die Bezieher von ALG II oder Sozialhilfe, dass sie an anderen Stellen ihres ohnehin viel zu knappen Budgets sparen oder auf Rechtshilfe verzichten müssen. Das ist die Konsequenz aus Ihrer Politik.

Das heißt, Sie nehmen ihnen auch die rechtlichen Möglichkeiten, und all dies nur, weil der Gesetzgeber mit einem verwirrenden, für viele Menschen kaum durchschaubaren Regelwerk und Antragsverfahren den Antragstellern von vornherein ein Gefühl der Unsicherheit vermittelt sowie durch in der Vergangenheit tausendfach falsch berechnete Leistungsbescheide ein enormes Misstrauen unter den Betroffenen geschaffen hat.

Als Linker weise ich diese Schlechterstellung der sozial Bedürftigen zurück und fordere die Abschaffung der Beratungsgebühr sowie eine umfassende Vereinfachung und Überarbeitung der Sozialgesetzgebung. Das ist dringend notwendig. Das ist das, was passieren muss.

Wie gesagt: Sie machen hier eine gnadenlose Politik gegen die Armen im Land. Sie werden dafür die Rechnung zu bezahlen haben. Ich hoffe, dass Sie sie sehr bald kriegen.

(Parl. Staatssekretär Manfred Palmen: Popu- listischer Quatsch!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. –

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Das ist eine Frechheit von der Regierungsbank!)

Den Zwischenruf haben wir gerade nicht gehört. Zwischenrufe von der Regierungsbank sind hier ungern gehört. Darüber gibt es auch eine entsprechende Diskussion und Auseinandersetzung.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Von Herrn Pal- men!)

Wir sind am Ende der Beratung.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Herr Palmen hat gerufen! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Zurufe von der Regierungsbank sind nicht zugelas- sen! – Parl. Staatssekretär Manfred Palmen: Das ist nicht verboten! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Ich darf darum bitten, dass wir uns wieder beruhigen. Kollege Palmen ist hinreichend darüber im Bilde, wie er seine Aufgaben hier wahrzunehmen hat. Als Abgeordneter in diesem Hohen Hause hat er von seinem Platz aus auch das Recht zu Zwischenrufen. Auf der Regierungsbank gibt es da eine etwas differenziertere Regelung.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, müssen wir über diesen Tagesordnungspunkt noch abstimmen. Der Ältestenrat hat empfohlen …

(Zuruf von Parl. Staatssekretär Manfred Pal- men – Rainer Schmeltzer [SPD]: Hoffentlich wird er einmal richtig aufgeklärt! Das wird lang- sam Zeit! Unglaublich! Es darf nicht wahr sein, was sich der Staatssekretär hier erlaubt! – Wei- tere Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU)

Ich nehme zum Teil zur Kenntnis, weil es nicht immer hörbar ist, dass es hier Auseinandersetzungen gibt. Wir werden das noch einmal ansprechen, …

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Verfahrensver- weis! – Zuruf von der SPD: Vom Abgeordne- tenplatz können Sie Zurufe machen! – Minis- ter Karl-Josef Laumann: Machen Sie das we- gen Sagel? – Rainer Schmeltzer [SPD]: Nein, nicht wegen Sagel, wegen Herrn Palmen, ich bitte da zu differenzieren! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN – Minister Karl-Josef Laumann: Freunde suchen sich, und Freunde finden sich! – Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Ist die Diskussion jetzt beendet, oder muss ich sie beenden?

(Beifall von CDU und FDP)

Ich möchte noch einmal deutlich darauf hinweisen: Von der Regierungsbank aus – da gibt es doch eine eindeutige Vereinbarung – sind Kommentierungen in der Art, wie sie jetzt zum Teil auch wieder erfolgt sind, an sich nicht zulässig. Wir haben uns miteinander darauf verständigt. Sie haben das Recht, an das Pult zu treten, übrigens zu jeder Zeit, wenn Sie es anmelden. Ich möchte darum bitten, dass wir es auch bei dem Punkt belassen. Sie wissen, dass Sie Ihr Recht als Abgeordneter aus dem Saal heraus jederzeit wahrnehmen können.

Ich darf jetzt darum bitten, zur Abstimmung zu kommen, und bitte um entsprechendes Verhalten. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7949 an den Rechtsausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist das einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

3 Handeln statt Stillschweigen: Die Landesregierung muss die NRW-Interessen gegenüber dem Bund und der Bahn AG bei der Umsetzung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sicherstellen und durchsetzen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7956

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Becker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der etwas sperrige Begriff „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung“ lässt nicht auf Anhieb deutlich werden, dass es bei dieser Vereinbarung zwischen Bund und Bahn um eine wesentliche Angelegenheit geht, die auch die Länder und die Fahrgäste in Nordrhein-Westfalen betrifft.

Es geht um die Frage, ob bei einer privatisierten Bahn – die möglicherweise in Teilen verkauft werden oder an die Börse gehen soll – sanktionsbewehrte Kriterien angewandt werden können, um festzustellen, ob die Leistung der Bahn insbesondere beim Netz, aber auch bei den Bahnhöfen, den Trassen, den Weichen und Signalen etc. insgesamt erbracht wird. Wird diese Leistung so erbracht, wie sie für das Geld erbracht werden müsste, das der Bund auch in Zukunft der Bahn jedes Jahr gibt? Es geht um 2,5 Milliarden €, die neben den Investitionen auch in den Unterhalt gehen sollen.

Zunächst einmal ist danach zu fragen, wie die Angelegenheit zu messen ist. Der Bund und die Bahn vereinbaren, dass es in Zukunft nicht mehr um Einzelnachweise gehen soll, sondern allgemeine Qualitätskriterien angewandt werden sollen. Ich will es zunächst einmal bei einem dieser Qualitätskriterien belassen, die in Zukunft angewandt werden sollen. Das ist der sogenannte theoretische Fahrzeitverlust, der sich im Übrigen nur auf die Hauptstrecken, aber nur sehr abgemindert auf die Nichthauptstrecken bezieht. Das ist übrigens auch deshalb wichtig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Bahn genau auf den Nebenstrecken in den letzten Jahren

die Qualität deutlich abgebaut hat, weil sie diese Nebenstrecken nicht instand gehalten hat.

Der theoretische Fahrzeitverlust, der sich gut anhört, macht sich in der Praxis überhaupt nicht gut, weil er zu folgendem Problem führt: Wer sich ein bisschen mit der Bahn und damit auskennt, wie es in den letzten Jahren gelaufen ist, der weiß, dass es eine Reihe von Nadelöhren gibt, und der weiß auch, dass der Bahnverkehr in diesen Nadelöhren immer so lange funktioniert, wie er absolut störungsfrei durch Verspätungen an anderen Stellen durchlaufen kann.

Sobald es nur zu den geringsten Verspätungen kommt, nützt einem der theoretische Fahrzeitverlust überhaupt nichts mehr, weil er in der Praxis durch einen ganz realen Fahrzeitverlust immer überholt wird. Das ist genau das, was wir feststellen. Wir haben es also mit einem Messinstrument zu tun, das in der Praxis nicht geeignet ist.

Wie sehen die Sanktionen aus? – Die Sanktionen führen tatsächlich nicht dazu, dass die Bahn ein Interesse daran haben muss, diesen Fahrzeitverlust zu vermeiden, von dem ich eben dargelegt habe, dass er nur ein theoretischer Wert ist. Vielmehr sind die Sanktionen so, dass es sich die Bahn letztlich erlauben kann, in der Zukunft Sanktionen zu bezahlen, aber nicht ins Netz zu investieren. Dass das so ist, will ich Ihnen anhand zweier Zitate deutlich machen, und zwar zum einen an einem Zitat des hessischen Verkehrsministers, der bekannterweise kein Grüner, sondern ein Mitglied der CDU ist. Der schreibt Anfang November dieses Jahres an die Bundestagsfraktion:

Ohne eine Anreizregulierung werden die Trassenpreise steigen. Für die Bürgerinnen und Bürger droht somit eine Verteuerung des Nahverkehrs, in Konsequenz sogar Streckenstilllegung. Die Länder können den Kostendruck durch steigende Trassenpreise ohne Abbestellungen nicht auffangen. Diese Abwärtsspirale lässt sich vermeiden, wenn heute die richtigen Steuerungsinstrumente eingeführt werden.

Er kritisiert, dass das nicht der Fall ist.

Zum anderen hat der Bundesrechnungshof Anfang November noch einmal darauf hingewiesen, dass die Qualitätskriterien und die fehlende Anreizregulierung deutlich dazu führen, dass das Geld des Bundes und damit der Steuerzahler zwar an die Bahn durchgereicht wird, aber nicht dazu führt, dass die Strecken und Trassen tatsächlich instand gehalten werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wer all das sowie die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung in ihrer deutlichen Übersichtlichkeit sieht, der weiß, dass es dabei um ein Instrument geht, das eigentlich eingeführt gehört, aber in der Art und Weise, wie es jetzt

eingeführt wird, den Ländern, den Fahrgästen und insbesondere dem Land Nordrhein-Westfalen nicht nützt. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Lorth das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihrem heutigen Antrag unternehmen Bündnis 90/Die Grünen sozusagen fünf Minuten nach zwölf den untauglichen Versuch, über die in der Endberatung im Deutschen Bundestag befindliche Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für das Schienennetz der Deutschen Bahn zu diskutieren.

Nehmen Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, einfach einmal zur Kenntnis, dass zum Beispiel gestern, am 3. Dezember, das Hearing dazu im Bundestag stattgefunden hat und die Billigung dieser Leistungsvereinbarung im Haushaltsausschuss des Bundestages unmittelbar bevorsteht.

(Horst Becker [GRÜNE]: Gegen die Stimmen von drei Fraktionen!)

Nun fordern Sie hier im Landtag uns und die Landesregierung dazu auf, diese Vereinbarung zu verändern und zu diesem Zweck eine Initiative gegenüber dem Bundestag und der Bundesregierung zu starten. Unseriöser geht es einfach nicht.

Sie wissen sehr genau, dass es sich bei dieser Leistungsvereinbarung verfassungsrechtlich um ein Finanzierungsinstrument des Bundes handelt. Sie kennen auch sehr genau das Beteiligungsverfahren für die Bundesländer. Sie wissen sehr genau, dass diese Vereinbarung außerhalb der Mitzuständigkeit der Bundesländer liegt. Und Sie wissen auch, dass diese Vereinbarung nicht zustimmungspflichtig durch den Bundesrat ist. Trotzdem legen Sie diesen Antrag vor. Der Landtag ist also wieder einmal die falsche Adresse.

Nun haben Sie einen langatmigen und sehr ins Detail verliebten Antrag vorgelegt, dessen Verfasser wir noch nicht genau zu ermitteln wissen. Sie präsentieren hier ganz bewusst einen überzogenen und unerfüllbaren Forderungskatalog. Deshalb verwundert es uns nicht, dass Sie die Landesregierung nicht eindeutig auffordern, eine Bundesratsinitiative zu starten. Kurzum: Es handelt sich wieder einmal um einen Schaufensterantrag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle wissen aus den Beratungen im Fachausschuss, dass die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für das deutsche Schienennetz der Bahn zwischen dem Bund und nicht den Ländern und der Deutschen