Protokoll der Sitzung vom 04.12.2008

Vor gut zwei Jahren, im Juli 2006, hat die Bundeskanzlerin den Bonner UN-Campus als neuen Dienstsitz der Vereinten Nationen an den damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan übergeben.

Ich selbst hatte im Juli dieses Jahres die Möglichkeit, den jetzt amtierenden UN-Generalsekretär Ban Ki Moon für die Landesregierung in Bonn zu empfangen und ihn in dieses Gebäude zu führen.

Dabei konnte man etwas erleben, was man wahrscheinlich nicht in vielen Hauptstädten erlebt, nämlich die besondere Atmosphäre, mit der die Bonnerinnen und Bonner ausländische Gäste begrüßen. Wir erinnern uns noch daran, dass in der Zeit der Bonner Republik zahlreiche Staatsgäste auf dem Bonner Marktplatz zu den Menschen gesprochen haben. Das gibt es in Berlin in dieser Form nicht. In Berlin laufen solche Besuche sehr anonym ab.

Ban Ki Moon wurde in Bonn mit großer Herzlichkeit empfangen. Gerade Koreaner, aber auch andere haben ihn dort mit einem Willkommensgruß versehen.

Eine solche Emotionalität, die in internationalen Fragen auch sehr wichtig ist, ist in Bonn ganz anders vorhanden. Deshalb ist Bonn ein sehr guter Standort für internationale Konferenzen und für internationale Institutionen.

Bonn entwickelt sich immer mehr zum Standort wichtiger internationaler Konferenzen. Zuletzt haben wir die Metropolis-Konferenz und im Mai 2008 die große Konferenz zur Biodiversität erlebt. Nicht zu vergessen: Mit dem neuen World Conference Cen

ter wird Anfang 2010 ein Bau begonnen, der bis zu 3.500 Teilnehmern Raum bieten kann. Beim Richtfest am 19. September 2008 konnte man merken, dass die ganze Stadt hinter der Internationalität und diesem Konferenzort steht. Auch das wird ein erneuter Gewinn für Bonn und Nordrhein-Westfalen sein.

Ob die deutsche Bewerbung erfolgreich sein wird, hängt auch von der Bereitstellung einer geeigneten Immobilie ab. Die Immobilienverwaltung des Bundes verfügt über kein geeignetes Objekt. Das Land hingegen kann eine von der Lage her besonders geeignete Immobilie anbieten, nämlich die frühere Landesvertretung Nordrhein-Westfalens in unmittelbarer Nähe zum UN-Campus und zum Kongresszentrum.

IRENA will beim Bau des neuen Gebäudes den Zielen gerecht werden, denen sie sich selbst verpflichtet fühlt: der Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien. Dazu wird wohl ein völlig oder zumindest teilweiser Neubau nach dem sogenannten Green Building Standard nötig sein.

Das Land ist bereit, das Grundstück im früheren Regierungsviertel an den Bund zu verkaufen und ihm das bestehende Baurecht zu übertragen. Zur Ermittlung des genauen Kaufpreises soll ein Gutachten erstellt werden. Außerdem ist das Land bereit, Städtebaumittel in Höhe von bis zu 3 Millionen € für das Projekt bereitzustellen – Geld, das zur Verbesserung der Energieeffizienz und für den Einsatz erneuerbarer Energien im Gebäude genutzt werden kann.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Das Land hat die Initiative ergriffen, um die deutsche Bewerbung um IRENA nach Kräften zu unterstützen. Wir tun das in der festen Absicht, Bonn als erstklassigen internationalen Standort weiter zu profilieren. Dieses von uns angebotene Gelände liegt unmittelbar neben dem alten Bundeskanzleramt, dem heutigen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie dem internationalen Konferenzzentrum.

Deshalb sollten wir alle hoffen, dass es gelingt, die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien nach Bonn, nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Die Landesregierung ist dem Landtag sehr dankbar, dass das über alle Parteigrenzen hinweg heute so signalisiert worden ist.

(Beifall von CDU, FDP und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir zur Abstimmung kommen können.

Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag Drucksache 14/7953 – Neudruck – zustimmen möchte, den bitte

ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

8 UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen konsequent in der Bundesrepublik umsetzen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7958

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Steffens das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der UN-Konvention aus dem Jahr 2006, die sich mit den Rechten von Menschen mit Behinderung befasst, ist auf internationaler Ebene ein wirklicher Paradigmenwechsel vollzogen worden: weg vom medizinisch defizitorientierten Modell von Menschen mit Behinderung, in dem das individuelle Problem beim Behinderten gesucht wurde, hin zu einem sozialen Modell, das die Menschen mit Behinderung als Personen mit Menschenrechten und die Behinderung, die Defizite, eher kollektiv in der Gesellschaft sieht. Dieser Paradigmenwechsel ist international wirklich ein Meilenstein und mehr als zu begrüßen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Problem, dessentwegen wir den Antrag vorgelegt haben, liegt darin, dass in der nächsten Bundesratssitzung darüber entschieden wird und auf Bundesebene eine Denkschrift vorliegt, die genauso wie die Übersetzung der UN-Konvention ins Deutsche ganz wesentliche und grundlegende Fehler beinhaltet. Der Paradigmenwechsel ist in seiner Bedeutung und Dimension nicht übersetzt worden. Das will ich an ein paar Beispielen klar machen. Meine Kollegin Beer wird das später noch für den Bildungs- und Schulbereich ausführen.

Im Original der Konvention findet sich der Begriff der Inklusion, das Beinhalten, der Grundgedanke dieser sozialen Inklusion. Er ist in der Übersetzung überhaupt nicht mehr enthalten, sondern wird immer als „wir müssen innerhalb der bestehenden Strukturen etwas für die Menschen tun“ wiedergegeben, nicht aber als „wir müssen das System, die Struktur, ändern“.

Das ist der völlig falsche Ansatz. Wir können nicht innerhalb unserer bestehenden Systeme kleine Bausteine wie Brosamen anbieten, sondern müssen ganz grundlegend Strukturen ändern, um genau diese Inklusion herzustellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber auch der Begriff der Selbstbestimmung ist nicht wirklich, sondern eher im Sinne einer unabhängigen Lebensführung übersetzt worden. Unabhängige Lebensführung ist etwas anderes als wirklich selbstbestimmt zu entscheiden, wie ich mein Leben leben will.

Auch die Barrierefreiheit wird nicht so übersetzt. Davon ist überhaupt keine Rede. Es wird durchgängig über Zugänglichkeit geredet. Zugänglich bedeutet aber nicht barrierefrei.

Auch in Bezug auf den gesamten Bereich der Zwangsunterbringung von psychisch kranken Menschen ergibt sich aus der UN-Konvention ein klarer Auftrag, der in keiner Weise umgesetzt und auf den nicht eingegangen wird.

Deswegen glauben wir, dass nicht ausreicht, was in der Denkschrift steht und was auf Bundesebene von den Koalitionsfraktionen eingebracht worden ist. Es geht in die falsche Richtung und wird dem Konsens auf internationaler Ebene nicht gerecht. Daher möchten wir, dass Nordrhein-Westfalen schnell aktiv wird und Minister Laumann, der sich häufig im Interesse der Menschen mit Behinderung geäußert hat, klar aktiv wird, sodass wir eine neue Übersetzung bekommen, damit die Fehler, die gegen die Interessen der Menschen mit Behinderung laufen, korrigiert werden. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächste Rednerin hat für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Monheim das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist der dritte völkerrechtliche Vertrag auf der Ebene der Vereinten Nationen. Ziele sind die Förderung von Teilhabe und die Vermeidung von Diskriminierung von Menschen mit Behinderung.

Der heute debattierte Antrag von Bündnis 90/Die Grünen hat recht mit der Feststellung, dass wir in Deutschland und vor allem in Nordrhein-Westfalen viel getan haben, um den Paradigmenwechsel, der sich in den letzten Jahren mehr und mehr in der Behindertenpolitik vollzogen hat, in den konkreten Alltag umzusetzen. Wir alle wissen, dass dieser Prozess kein Selbstläufer ist, sondern dass er ständiger Anstrengung und ständiger Unterstützung durch die Politik bedarf. Auch auf Landesebene ist die UN-Konvention ein erneuter und sehr nachdrücklicher Impuls. Auch bei dieser Einschätzung stimme ich dem vorliegenden Antrag ohne Einschränkung zu.

Worum geht es? Der Konvention liegt die Erkenntnis zugrunde, dass bereits bestehende und klar formulierte Menschenrechte bislang nur unzureichend die konkrete und sehr unterschiedliche Lebenssituation von Menschen mit Behinderung erreichen. Einige der in der Präambel genannten 25 Bereiche, die sehr dezidiert dargestellt und aufgeführt werden, sind im Antrag unter II zitiert; ich brauche sie deswegen nicht zu wiederholen.

In der Tat ist es ein sehr ambitioniertes Programm. Wenn man aber die Reichweite im Blick hat und wenn man etwa an China denkt, wo wir aufgrund der Special Olympics die Situation von behinderten Menschen sehr nah miterleben konnten, ist diese UN-Konvention mit Sicherheit für Millionen von Menschen eine Vision. Aber für uns ist sie ein ambitioniertes Programm, das zur Umsetzung gewaltiger Anstrengungen bei uns und vor allen Dingen weltweit bedarf.

Ich habe die Bundestagsdrucksache 16/10808 mit großem Interesse gelesen. Dem Anspruch, der in der Konvention festgeschrieben ist, wird der vorliegende Antrag leider nicht gerecht. In den Forderungen konzentriert er sich im Wesentlichen auf die Korrektur von – ich zitiere – zentralen Übersetzungsfehlern von Begriffen, die im deutschen Sprachraum zwischen Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein unter Beteiligung der Behindertenverbände so abgesprochen worden sind.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Die Verbände nicht! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Die Verbände protestierten ja!)

So wurden die Begriffe „inclusive education“ mit „integratives Bildungssystem“, „living independently“ mit „unabhängige Lebensführung“ und „accessibility“ mit „Zugänglichkeit“ übersetzt. – Genau diese Übersetzungen werden kritisiert.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Aber von den Verbänden!)

In der Tat sind das – das will ich überhaupt nicht bestreiten – zentrale Aspekte in der Debatte um Teilhabe für Menschen mit Behinderung. Aber Ihre Aussage, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, die deutsche Übersetzung und die dazugehörige Denkschrift – jetzt zitiere ich aus Ihrem Antrag – würde die „Fortentwicklung der Rechte für Menschen mit Behinderungen, so wie sie in der UNKonvention formuliert wurde“, behindern, reduziert die großen Möglichkeiten dieser Konvention auf eine Debatte, die nach meiner Erfahrung weit von der Alltagswirklichkeit der Menschen mit Behinderungen und ihrer Familien entfernt ist.

Nehmen wir doch den Begriff „accessibility“, dessen Übersetzung mit „Zugänglichkeit“ Sie als einengend kritisieren und für den Sie den Begriff „Barrierefreiheit“ fordern.

Frau Kollegin Monheim, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Steffens?

Ja, gerne.

Bitte schön, Frau Kollegin Steffens.

Frau Monheim, sind Ihnen in diesem Zusammenhang die Stellungnahmen einzelner Menschen mit Behinderungen, von Verbänden und von Frau Prof. Dr. Theresia Degener aus Bochum aus der öffentlichen Anhörung bekannt, in denen die Kritik, die wir in unserem Antrag geäußert haben, von den Betroffenen selbst formuliert worden ist?

Mir liegen andere Informationen vor, nach denen die Behindertenverbände bei diesen Übersetzungen durchaus gefragt worden sind.

(Kopfschütteln von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wenn das falsch ist, müssen wir uns darüber unterhalten.

Ich komme auf den Begriff „accessibility“ zurück. Dass der Begriff „Zugänglichkeit“ uneingeschränkt gemeint ist, zeigt sich, wenn man Art. 9 etwas weiter liest. Dort findet man einige Zeilen später, dass es sich um Beseitigung von Zugangshindernissen und Zugangsbarrieren jeder Art handelt. Damit ist deutlich, dass dieser Begriff nicht eingeengt, sondern in seiner Gesamtheit gemeint ist.

Richtig ist, dass der Begriff „Inklusionskonzept“ in die internationale Menschenrechtsdebatte Eingang gefunden hat. In der UN-Konvention wird er bei der Bildung besonders eingesetzt.