Ich finde es gut, dass wir quer über die Bänke diskutieren. Das zeigt, dass Ihnen allen bewusst ist, wie herausragend und wichtig dieses Thema ist, meine Damen und Herren. Es besteht bei allen vier Kollegen, die vor mir gesprochen haben, kein Zweifel daran, dass die europäische Strukturpolitik für NordrheinWestfalen von herausragender Bedeutung ist und bleiben wird.
Dementsprechend widmet die Landesregierung diesem Thema auch besondere Aufmerksamkeit. Wir haben uns zum Ziel gesetzt - ich denke, mit Unterstützung des ganzen Hauses -, einen hohen
Wir wollen die europäischen Fördermittel dann gemeinsam mit den Landesmitteln, die wir hinzufügen, effizient einsetzen. Es wird natürlich im Zusammenhang mit der Kofinanzierung - Frau Löhrmann, Sie haben das angesprochen - auch Fragen geben, die wir noch diskutieren und beantworten müssen. Das ist ein harter Prozess. Wenn Sie die Presseberichterstattung der letzten Tage und auch die Berichterstattung von Experten über die Haushaltssituation in Nordrhein-Westfalen gelesen haben, dann muss man sich diesen kritischen Diskussionen stellen. Wir müssen überlegen, wie wir es gemeinsam hinbekommen, dass wir möglichst viele europäische Fördermittel erhalten, aber auch die Fragen der Kofinanzierung für alle Beteiligten vernünftig und angemessen lösen. Aber das ist ein Problem, das uns die Haushaltssituation der letzten Jahre mit auf den Weg gegeben hat. Daran beißt die Maus auch keinen Faden ab.
Im Jahr 2006 endet die Förderperiode des laufenden Ziel-2-Programms. In der jüngsten Vergangenheit hat die Landesregierung einen besonderen Schwerpunkt auf die Förderung einzelner Wachstumsbranchen im Ruhrgebiet gelegt, beispielsweise in den Bereichen IT, Life Science, Mikrostrukturtechnik, Logistik, Energietechnologien und Tourismus. Das ist auch im Bericht der Wirtschaftsministerin im Einzelnen zum Ausdruck gekommen. Es ist solide, dass man anspricht, dass es in Einzelfällen wirklich vernünftige Projekte gab. Herr Eumann hat das aus dem Bericht der Wirtschaftsministerin vorgetragen. Ich freue mich über jeden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, der aufgrund solcher Maßnahmen in Lohn und Arbeit steht.
Aber: Der Erfolg im Einzelnen kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass uns die Strukturentwicklung im Ruhrgebiet in den letzten Jahren nicht zufrieden stellen kann.
Der RVR beschreibt - Sie können das lesen, ich gebe Ihnen das gerne herüber - die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 1978 bis 2003. Alle Regionen starten gemeinsam beim Index 100, und das Ruhrgebiet nimmt bei der Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten stetig ab und geht weiter nach unten -
während die anderen Gebiete von NordrheinWestfalen eine relativ stabile Entwicklung im Vergleich zum Bund haben. Wir können doch nicht so tun, als ob durch Projekte, die im Einzelnen erfolgreich sind, die Entwicklung im Ruhrgebiet - und damit im wesentlichen Teil Nordrhein-Westfalens - zufrieden stellend ist. Nein, sie ist nicht zufrieden stellend.
Ich glaube, dass wir das Erkenntnisdefizit, was eventuell bei einigen Vorrednern vorhanden war, noch in die Herzen und Köpfe bringen müssen. Wenn wir über falsche Voraussetzungen sprechen, dass die Strukturpolitik der letzten zwei, drei Jahrzehnte erfolgreich war, und so tun, wie Sie in Ihrem Antrag insinuieren, als ob wir nur so weitermachen müssten, damit es wieder aufwärts geht, dann ist das ein falsches Signal für die Menschen im Ruhrgebiet, meine Damen und Herren.
Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission und dem Kompromissvorschlag auf dem bisher, Frau Löhrmann, leider gescheiterten luxemburgischen Gipfel am 16./17. Juni für den zukünftigen EU-Finanzrahmen und die Verteilung der Strukturmittel auf die einzelnen Ziele, kann das Land auch nach 2006 mit einem signifikanten Zufluss von europäischen Mitteln rechnen. Aber: Noch sind die Verhandlungen in vollem Gange. Die Landesregierung setzt sich deshalb gegenüber Berlin und Brüssel mit Nachdruck dafür ein, dass Nordrhein-Westfalen auch zukünftig auf ähnlichem Niveau wie heute Unterstützung aus den europäischen Strukturfonds erfährt.
Aber auch die beihilferechtlichen Rahmenbedingungen müssen stimmen. Im Zuge der Neugestaltung der europäischen Strukturpolitik darf sich das Fördergefälle in der Europäischen Union nicht noch weiter verschärfen. Ein wesentliches Thema in diesen Auseinandersetzungen wird sein, ob wir zulassen, dass mit europäischen Geldern Arbeitsplatzverlagerungen beispielsweise aus NordrheinWestfalen in das europäische Ausland gefördert werden. Ich sage Ihnen an dieser Stelle deutlich: Es kann mit uns in der Landesregierung - ich hoffe auch mit der Bundesregierung - nicht sein, dass wir mit Fördermitteln auch noch Arbeitsplatzverlagerungen innerhalb der Europäischen Union zulasten unserer Region, zulasten NordrheinWestfalens, unterstützen.
Was die Ausrichtung der zukünftigen Strukturpolitik betrifft, so soll nach den Vorschlägen der Europäischen Kommission an die Stelle der derzeitigen Ziel-2-Förderung das neue Teilziel „Regionale Wettbewerbsfähigkeit“ treten. Anders als bisher will die Europäische Kommission hier zukünftig auf eine kleinteilige Abgrenzung von Fördergebieten verzichten und den horizontalen, das heißt landesweiten, Einsatz von Fördermitteln zulassen. Die Europäische Kommission stellt damit neben die ausgleichspolitische Zielsetzung der Strukturpolitik eine stärkere Wachstumsorientierung. Das begrüßen wir, und darauf müssen wir uns auch einstellen.
Der Europäische Rat hat im März 2005 auch für die Kohäsionspolitik eine stärkere Ausrichtung auf die Zielsetzung der Lissabon-Strategie beschlossen. Die Lissabon-Strategie soll dabei zukünftig insbesondere auf Forschung, Entwicklung und Innovation konzentriert werden. Ich finde, es ist ein richtiger Ansatz, dass wir uns auf Forschung, Entwicklung und Innovation konzentrieren. Das sollten wir an dieser Stelle auch deutlich machen.
Zweiter thematischer Schwerpunkt wird der Mittelstand sein. Frau Löhrmann, Sie haben es angesprochen. Ich begrüße, dass Sie sich aus Sicht der Grünen verstärkt dem Mittelstand widmen. Wir wollen den Mittelstand mit einem zielgerechten Angebot an Finanzierungs- und Beratungshilfen unterstützen.
Drittens. Die Landesregierung überlegt als weiteren Schwerpunkt der Strukturförderung nach 2006, die spezifischen Probleme der großen Städte anzugehen. Dieser Themenbereich bietet gerade für das Ruhrgebiet besondere Anknüpfungspunkte. Wir wissen, dass der Strukturwandel im Ruhrgebiet auch über 2006 hinaus besondere Anstrengungen erforderlich macht.
Deshalb beabsichtigt die Landesregierung, auch nach 2006 den regionalen Schwerpunkt der Strukturförderung im Ruhrgebiet zu setzen. Die Förderung von wirtschaftsnaher Infrastruktur und des Brachflächenrecyclings soll ausschließlich im Ruhrgebiet möglich sein. Dafür werben wir. Dafür werden wir auch entsprechende Summen vorsehen.
Wie die Europäische Kommission hält auch die Landesregierung eine horizontale thematische Förderung, etwa von Innovationen, für erforderlich und weiterführend. Dafür wollen wir einen Teil der Mittel vorsehen. Und diese Mittel - das hat Herr Brockes eben angedeutet - sollen nach dem Wettbewerbsprinzip vergeben werden, denn die
besten Ideen und Projekte sollen gefördert werden. Das ist ein richtiger Ansatz. Den unterstützt die Landesregierung nachdrücklich.
Wir wollen damit die Stärken des Landes stärken und vorhandene Wachstums- und Innovationspotenziale in Nordrhein-Westfalen unterstützen. Die davon ausgehenden Wachstumsimpulse werden auch zu mehr Wachstum und Beschäftigung im Ruhrgebiet und anderen strukturschwachen Regionen des Landes führen.
Wir nehmen die Lissabonner Zielsetzung ernst. Deswegen müssen wir auch unsere Wachstumslokomotiven, unsere Stärken, besser unterstützen. Ich bin sicher, dass das Ruhrgebiet dabei mit seinen Stärken, mit seinen guten Ideen und nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet viele Projekte auf sich ziehen kann.
Wir helfen dem Ruhrgebiet mehr, wenn wir auf diese Weise seine eigenen Kräfte wecken, als wenn wir ihm ohne allzu große Voraussetzungen Mittel zuteilen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können aber das Fell des Bären nicht verteilen, bevor der Bär erlegt ist. Alle Pläne für die Gestaltung der neuen Strukturfondsprogramme nach 2006 stehen unter dem Vorbehalt der abschließenden Einigung über die finanzielle Vorschau. Es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass noch in diesem Jahr unter britischer Ratspräsidentschaft ein Durchbruch in den Verhandlungen erzielt wird.
Heute hat der britische Vorsitz zu einem informellen EU-Sondergipfel eingeladen. Dort soll vor allem eine strategische Diskussion über die aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen in der Europäischen Union stattfinden. Kommissionspräsident Barroso hat Vorfeld versucht, mit neuen Vorschlägen die Debatte über die europäischen Finanzen wieder in Gang zu bringen. Nach diesen Vorschlägen soll über die Hälfte der Strukturmittel zukünftig direkt in Wachstums- und Beschäftigungsbranchen investiert werden.
ordnung dieses Sondergipfels. Damit soll sich nach dem Willen der Briten erst wieder der europäische Gipfel im Dezember wieder befassen. Premierminister Blair will dazu im November einen Vorschlag vorlegen.
Ich hoffe sehr, dass im Dezember erste Fortschritte in Richtung einer Einigung erfolgen. Denn spätestens in der nächsten Ratspräsidentschaft unter dem Vorsitz Österreichs sollen die Pflöcke eingeschlagen werden. Dies ist wichtig, damit wir auch hier in NRW an die konkreten Vorbereitungsarbeiten für die nächste Förderperiode noch intensiver gehen können.
Abschließend: Wir können in Brüssel erfolgreich sein mit Unterstützung der Institution, die für uns federführend verhandelt - namentlich der Bundesregierung -, wir können erfolgreich sein, wenn wir uns darauf einlassen, dass wir uns in diesen wichtigen Fragen nicht innerhalb der Parteien auseinander dividieren lassen und - das ist für mich ein ganz wichtiger Beitrag - dass wir nicht die Regionen in Nordrhein-Westfalen gegeneinander ausspielen. Denn wir brauchen alle, damit wir in Brüssel erfolgreich sind. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion hat diesen Antrag „Strukturförderpolitik für NRW 2007-2013 - Den Strukturwandel weiter erfolgreich gestalten“ in den Landtag eingebracht, um die Kontinuität der alten Landesregierung auf dem Gebiet der regionalen Strukturförderung zu erhalten.
Gerade vor dem Hintergrund der Debatte heute ist dieser Antrag enorm wichtig. Mit großer Sorge sehen wir das Verhalten der neuen Landesregierung und seiner Minister in der Frage: Wie sieht Strukturförderpolitik für NRW nach 2006 aus? Auf die widersprüchlichen Äußerungen der Landesregierung möchte ich gleich noch genauer eingehen.
Meine Damen und Herren, um es in einer Deutlichkeit zu sagen: Die Zukunft der regionalen Strukturförderpolitik in NRW steht auf dem Spiel - nicht mehr, aber leider auch nicht weniger.
Die regionale Förderpolitik der alten Landesregierung kann mit Fug und Recht als erfolgreich bezeichnet werden. In weiten Teilen des Ruhrgebiets sind unter anderem neue Arbeitsplätze und neue Technologien entstanden, die den Strukturwandel erst möglich machten. Dies war in den vergangenen Jahren nur mit Mitteln der Ziel-2Förderung und der begleitenden erfolgreichen Strukturpolitik der alten Landesregierung möglich. Zwischen Dortmund und Duisburg sind Erfolgsgeschichten neuer Wirtschaftsideen entstanden.
Diese Förderprogramme sind nicht nur überlebenswichtige Strukturförderung, sondern auch erfolgreicher Strukturwandel. So wächst beispielhaft in meiner Heimatstadt Gelsenkirchen die Wirtschaft so stark wie in keiner anderen Stadt unseres Landes. Trotz solcher Wirtschaftsdaten wie das Bruttoinlandsprodukt, das über dem Landesdurchschnitt liegt, ist der Strukturwandel noch lange nicht bewältigt. Hohe Arbeitslosigkeit und Probleme, die aus einer über hundertjährigen Industrialisierung stammen, kann man nicht mal eben abstellen.
Wer glaubt, man müsse nur den Hebel umlegen und der Strukturwandel sei erfolgreich bewältigt, der irrt. Wer mehr Wettbewerb unter den Regionen in NRW fordert, der muss erst einmal die gleichen Startbedingungen aller Regionen gewährleisten.
Wer, wie im Wahlkampf geschehen, den Menschen in unserem Land sagt, es sei nur eine Frage von mehr Wettbewerb, eine erfolgreiche Wirtschafts- und Strukturpolitik in unserem Lande zu gestalten, der irrt gewaltig. Dieses Versprechen war und ist genauso abenteuerlich wie das Versprechen des damaligen Bundeskanzlers von „blühenden Landschaften“ im Osten der Republik. Dies entbehrt jeglicher Sachkenntnis.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, vielleicht haben Sie es noch nicht verstanden: Regieren heißt handeln und einmischen! Das bedeutet nicht, dass eine Regierung die Hände in den Schoß legen soll - wobei Ihr Politikstil mich, mit Verlaub, eher an eingeschlafene Füße als an eine ruhige Hand erinnert;