Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die neue Landesregierung laut Ihres Berichts über die Europäischen Strukturfonds vom 22. August dieses Jahres die bevorstehende Änderung der Förderkulisse zum Anlass nehme, die Strukturförderung für alle Regionen zu öffnen. Wie kommen Sie dazu? Mit Verlaub: Lesen Sie doch genau, was hier bislang vorgegeben wurde.
In Nordrhein-Westfalen muss auch weiterhin ein regionaler Schwerpunkt beim Ruhrgebiet liegen. Die EU-Mittel sollen genutzt werden, um die strukturellen Defizite dieser Region zu beseitigen, die Mittelstandslücke, die hier besonders deutlich ausfällt, zu schließen und das Ruhrgebiet zu einer innovativen Modellregion zu machen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, worum geht es hier eigentlich heute Morgen? Da steht doch alles drin. Ich weiß gar nicht, was Sie haben.
Darüber hinaus sage ich Ihnen heute in aller Ruhe und Sachlichkeit: Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt selbstverständlich und ausdrücklich, dass die Landesregierung im Hinblick auf die neue Förderperiode beabsichtigt, die zur Verfügung stehenden Fördermittel in ihrer Struktur regional und thematisch stärker zu streuen. Die europäischen Fördermittel für 2007 bis 2013 müssen nach unserer Ansicht landesweit im Wettbewerb um die besten Ideen und Konzepte eingesetzt werden. Hier müssen auch benachteiligte ländliche Regionen eine stärkere Berücksichtigung finden.
Wir machen keine Klientelpolitik. Wir machen Politik für die Menschen in allen Regionen NordrheinWestfalens.
Im Übrigen muss ich Ihnen ehrlich sagen: Es steht ja noch gar nicht fest, wie die Strukturmittel von 2007 bis 2013 aussehen werden. Die britische Ratspräsidentschaft hat signalisiert, dass sie bis zum Ende des Jahres zu einem Ergebnis kommen will. Man konnte auch lesen, dass die Strukturmittel gekürzt werden sollen, dass sie zukünftig vor allen Dingen in Forschung, Innovationsprojekte und Mittelstandsförderung gegeben werden sollen und dass man die Mittel für den Landwirtschaftsbereich kürzen will. Das konnten wir alles lesen. Aber wie das nun in Zukunft ganz genau aussehen wird, das wissen wir alle noch nicht.
Sie können ganz sicher sein, dass sich der zuständige Minister Michael Breuer in Brüssel jetzt schon ganz engagiert mit den zuständigen Kommissaren dafür einsetzt, dass für NordrheinWestfalen auch wieder die uns zustehenden Mittel fließen werden. Er wird Ihnen das gleich auch in aller Deutlichkeit sagen.
Weil Sie mich eben so freundlich zitiert haben, erinnere ich an meine Kleine Anfrage vom 23. September 2003 an die damalige Landesregierung. Darauf haben Sie mir wie folgt geantwortet:
Für die CDU-Fraktion ist hingegen ganz klar: Die europäischen Strukturfördermittel für NordrheinWestfalen müssen angesichts knapper Kassen effizient neu ausgerichtet werden.
Ich empfehle Ihnen die Lektüre - Sie haben sie ja teilweise eben schon mit genannt - unserer Anträge aus der alten Legislaturperiode.
Ich sage Ihnen noch einmal: Wir springen nicht auf einen fahrenden Zug auf, sondern wir werden das, was wir seinerzeit gefordert haben, Zug um Zug umsetzen. Ich kann Ihnen nur raten: Bitte arbeiten Sie konstruktiv mit - zum Wohle unseres Landes. Dann wird alles gut. - Danke.
Danke schön, Frau Keller. - Als Nächste hat Frau Löhrmann für die Fraktion Bündnis 90/Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei aller Differenz im Detail und auch bei aller Notwendigkeit, sich auseinander zu setzen, meine ich, dass die zukünftige Mittelzuweisung der EU-Strukturfonds keine Frage ist, bei der wir uns parteipolitisch zu sehr auseinander differenzieren sollten,
weil wir nämlich sonst hinterher alle miteinander weniger Mittel für wichtige Aufgaben in unserem Land haben. Wir haben große gemeinsame Interessen. Wir haben auch Differenzen. Wir sollten versuchen, diese Differenzen im weiteren Prozess vielleicht in möglichst große Konsense zu gießen, damit wir möglichst erfolgreich unsere Leute nach Brüssel schicken können, um das weiter auszuhandeln. Das ist mir ganz wichtig an dieser Stelle, und Sie wissen, ich streite in der Regel gern.
NRW erhält in der laufenden Förderperiode Strukturfondsmittel in einer Gesamthöhe von 1,85 Milliarden €, unter anderem 970 Millionen € im Rahmen des laufenden Ziel-2-Programms und 770 Millionen € im Rahmen der Ziel-3-Förderung.
Damit liegt NRW sowohl bei den Ziel-2-Mitteln als auch bei den Ziel-3-Mitteln auf Platz 1 der nationalen Rangliste. Diese Spitzenposition ist kein Qualitätsmerkmal, auf das wir stolz sein sollten. Sie macht allerdings deutlich, wie gewaltig und in dieser Dimension einzigartig der strukturelle Wandel ist, den speziell unser Bundesland in der Vergangenheit zu bewältigen hatte und zukünftig noch zu bewältigen haben wird.
Mithilfe der Mittel aus den Strukturfonds konnten grundlegende wirtschaftliche, ökologische und soziale Aufhol- und Umstrukturierungsprozesse initiiert und die Situation vieler strukturschwacher Regionen deutlich verbessert werden. Die Infrastruktur konnte modernisiert, die Entwicklung und Anwendung neuer Technologien unterstützt und die Gründung beziehungsweise das Wachstum von Unternehmen beschleunigt werden.
Ich nenne beispielhaft die Entwicklung des ehemaligen Stahlwerks in Duisburg-Rheinhausen zum Logport Logistik Park, die Schaffung eines Clusters Medizintechnik im östlichen Ruhrgebiet mit dem Biomedizinzentrum in Bochum und dem Kompetenzzentrum in Dortmund, die Einrichtung des Zentrums für Brennstoffzellentechnologie in Duisburg und die Umwandlung der alten Schachtanlage Zeche Zollverein in eine Aktionsstätte für Kunst, Kultur, Design und Tourismus, ein Projekt, das vielleicht mehr als jedes andere den tief greifenden Wandel dieser vormals ausschließlich montanindustriell geprägten Region symbolisiert.
Ich will einen Punkt ansprechen, bei dem wir uns ja auch erfreulicherweise einig sind. Die Veränderungen gerade im kulturellen Bereich des Ruhrgebiets, die durch die EU mit angeschoben worden sind, wären ohne diese Strukturfonds nicht möglich gewesen. Auch die Bewerbung Essens mit der Region zur Kulturhauptstadt Europas wäre nicht möglich gewesen. Umso mehr empfehle ich, hier auf die Konsense zu gucken.
Und auch der Zukunftswettbewerb Ruhr, über den viel versprechende Projekte zur Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft gefördert werden, wäre ohne Ziel-2-Mittel vermutlich nicht möglich gewesen. Diesen Wettbewerb zu erwähnen ist mir deshalb wichtig, weil die Frage des Technologietransfers - also die Umwandlung von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte - eine der Schlüsselfragen für den
Hinzu kommt - und auch das möchte ich unterstreichen -, dass die Adressaten dieses Wettbewerbs mittelständische Unternehmen sind und er damit der Erkenntnis Rechnung trägt, dass der Strukturwandel gerade von den kleinen und mittleren Unternehmen vorangetrieben wird.
Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist es unverzichtbar, dass auch zukünftig Mittel aus den europäischen Strukturfonds nach Nordrhein-Westfalen fließen; das ist das Wichtige an dieser Stelle. Denn die wirtschaftsschwachen Regionen in Nordrhein-Westfalen, insbesondere das Ruhrgebiet als größte Industrieregion Europas, haben den Prozess des strukturellen Wandels zwar schon sehr weit vorangetrieben, aber bei weitem noch nicht abgeschlossen.
Ein Wegfallen der Mittel zum jetzigen Zeitpunkt würde die weitere Modernisierung der wirtschaftlichen Strukturen in diesen Regionen massiv gefährden. Das gilt insbesondere für die EmscherLippe-Region, deren Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner nur wenig oberhalb der aktuellen Ziel1-Förderschwelle von 75 % des EU-Durchschnitts liegt.
Gerade hier zeigt sich, dass der Wandel von einer Montanregion zu einer Region, die neben Chemie und Energiewirtschaft vor allem auf neue Technologien und Dienstleistungen setzen will, eine Generationenaufgabe ist und nicht im Jahr 2006 beendet sein wird.
Insofern - und das sollten Sie auch anerkennen, wenn Sie uns zum weiteren konstruktiven Agieren einladen - hat sich die rot-grüne Landesregierung im Sinne des von ihr verfolgten proaktiven Ansatzes frühzeitig in die Debatte über die Zukunft der EU-Strukturpolitik eingeschaltet und deutlich gemacht, dass Nordrhein-Westfalen auch über 2006 hinaus substanziell an der EU-Strukturfondsförderung partizipieren muss; das sollten Sie anerkennen.
Und: Die Anstrengungen der alten Landesregierung waren erfolgreich. Der im Juli 2004 von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf eines Strukturfonds trägt den Anliegen Nordrhein-Westfalens Rechnung. So sollen - wie im vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion zutreffend erläutert - für die aus der Perspektive Nordrhein-Westfalens im Vordergrund stehende neue Priorität 2 - „Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ - knapp 58 Milliarden € bereitgestellt werden.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion steht an dieser Stelle uneingeschränkt hinter dem Entwurf der Kommission und unterstützt die dort vorgesehene 78/18/4-Verteilungsgewichtung. Denn nur im Zuge einer solchen Verteilungsgewichtung wird Nordrhein-Westfalen über 2006 hinaus Mittel aus den EU-Strukturfonds erhalten. Wir sind froh, dass sich jetzt auch die SPD nach einer Phase der Unentschlossenheit zu dieser Position durchgerungen hat.
Dieser damit nunmehr bestehende breite Konsens dürfte die Verhandlungsposition bei der zu einem späteren Zeitpunkt anstehenden nationalen Aufteilung der Mittel erheblich verbessern.
Unsere ausdrückliche Unterstützung findet auch die Einbeziehung der bisherigen Gemeinschaftsinitiative „URBAN“ in die Mainstream-Förderung. Damit wird sichergestellt, dass die innovativen Ansätze, die speziell in Nordrhein-Westfalen in Bezug auf eine Förderung von Stadtteilen mit besonderen Problemlagen entwickelt wurden, fortgeführt und unter dem gemeinsamen Programmdach ausgebaut werden können. Hier wäre es möglich, die Programme, die insbesondere der Kollege Vesper früher angestoßen - „Soziale Stadt“ und anderes - im Sinne des Landes voranzubringen.
Nicht einverstanden sind wir mit der im Verordnungsentwurf der Kommission innerhalb der neuen Priorität 2 vorgesehenen Ausweisung eines eigenständigen Fördersegments für die so genannten Phasing-in-Regionen, also für jene Regionen, die in der aktuellen Förderperiode noch einen besonderen Entwicklungsrückstand aufweisen. Eine solche Mittelreservierung - immerhin fast 10 Milliarden € - wäre inhaltlich nicht gerechtfertigt und würde zu einer erheblichen Reduzierung der für Nordrhein-Westfalen potenziell zur Verfügung stehenden Mittel führen.
Meine Damen und Herren, eine Frage, die sehr wichtig sein wird, ist die der horizontalen Ausrichtung der Förderprogramme mit Blick auf die deutlich knappen Mittel. Auch das ist vom Ansatz her durchaus unterstützenswert. Nur: Die Leitplanken, die die EU-Kommission in ihrem Verordnungsentwurf diesbezüglich einzieht, sind unzureichend. Aus unserer Sicht kann und darf es nicht sein, dass die einzelnen Mitgliedstaaten die Regionen, in die die Priorität-2-Förderung gehen soll, auf der Basis irgendwie gearteter thematischer Erwägungen vorab bestimmen können. Diese Grundle
gung ist nicht akzeptabel und widerspricht der Grundphilosophie der Kommission, die Strukturfondsförderung noch stärker auf die strukturschwächsten Regionen zu konzentrieren.