Protokoll der Sitzung vom 16.01.2009

dass man sich mit Ihnen auseinandersetzt.

(Beifall von der CDU)

In der Rede war – mit Verlaub gesagt – in der Sache nichts enthalten, mit dem man sich auseinandersetzen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von SPD und GRÜNEN – Lachen von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir sind immer noch in der Entstehungsphase der Konjunkturreaktionen. Eben ist bereits mit Recht darauf hingewiesen worden, dass sich Bundestag und Bundesrat im Februar mit diesen Themen beschäftigen werden, der Bundesrat in einer Sondersitzung wahrscheinlich am 20. Februar. In der jetzigen Situation geht es natürlich darum, noch zu diskutieren, ob es an der einen oder anderen Stelle vielleicht Weiterentwicklungen beim Programm gibt oder ob es bei der Konkretisierung Sachen gibt, die für uns in Nordrhein-Westfalen wichtig sind.

Dass es natürlich auch – ich will jetzt nicht über das Superwahljahr philosophieren – unterschiedliche Auffassungen, auch Parteiauffassungen, gibt, ist in einer Demokratie normal. Nur, meine Damen und Herren, das muss man irgendwann überwinden.

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

Herr Papke, ich finde es gut und richtig, dass Sie das, was Ihr Bundesvorsitzender in Berlin gesagt hat, hier wiederholt haben: dass die FDP den Versuch machen will, noch Veränderungen in diesem Paket durchzusetzen, dass Sie aber keine Blockadehaltung einnehmen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich finde, das ist eine wichtige Aussage. Sie ist deshalb wichtig, weil man darüber diskutieren muss, was das konkret bedeuten wird. Sie haben in Ihrer Rede, Herr Papke, sehr auf die konjunkturelle Wirkung von Steuersenkungen Bezug genommen. Wir hatten an anderer Stelle schon Gelegenheit, von Ihnen und auch vom Kollegen Pinkwart zu hören, wie Sie sich die Steuersenkungen konkret vorstellen. Ich will das nicht wiederholen; das ist öffentlich bekannt.

Kollege Pinkwart hat gesagt, dass das Volumen der Vorstellungen, wenn es optimal umgesetzt werden könnte, nach Ihrer Auffassung 25 Milliarden € beträgt. Ich möchte Sie bitten, Folgendes zu bedenken: Das Konjunkturpaket II hat insgesamt ein Volumen von 25 Milliarden € pro Jahr. Das entspricht 1 % des Bruttoinlandsprodukts.

Es ist bestimmt Auffassung aller Fachkundigen und aller Verantwortlichen auch in diesem Hause, diese Summe – 1 % des Bruttoinlandsprodukts – nicht zu überschreiten; denn in der Addition mit den anderen Maßnahmen, die bereits beschlossen sind und umgesetzt werden, wollen wir die Verschuldungsgrenze von 3 % einhalten, die im Maastricht-Vertrag im Hinblick auf unsere Währung, den Euro, eingesetzt worden ist.

Ich halte diese Auffassung für richtig. Man muss sich nur einmal vorstellen, was los wäre, wenn wir den Euro nicht hätten, und in welchen Schwierigkeiten wir in dieser Krise wären, wenn wir 16 verschiedene Währungen in Europa hätten.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn wir, Herr Kollege Papke, aber gemeinsam dafür eintreten, ein – diesen Vorschlag habe ich im Dezember auf einer Veranstaltung in Duisburg gemacht –, wenn Sie so wollen, kommunales Investitionspaket zu schultern, müssen wir diese beiden Forderungen in Übereinstimmung bringen. Denn entweder gibt es eine Steuersenkung in Höhe von 25 Milliarden €, aber kein kommunales Investitionsprogramm, oder es muss Übergänge geben. Die Frage, wann eine Steuerstrukturreform überhaupt geschultert werden kann, wird sich nach meiner Auffassung in dieser Legislaturperiode nicht mehr stellen. Sie sollte mit einer anderen Mehrheit in einer neuen Legislaturperiode angepackt werden.

Herr Papke, ich möchte gern einen zweiten Punkt ansprechen. Sie haben die Entlastung der Familien in diesem Konjunkturpaket als – wörtlich – lächerlich

gering bezeichnet. Ich möchte Ihnen widersprechen.

(Demonstrativer Beifall von Marc Jan Eu- mann [SPD])

Wenn Sie etwa bei einer Familie mit zwei Kindern, in der der Vater 36.000 € brutto nach Hause bringt, die Entlastung aufgrund dieses Pakets berechnen, kommt mit der Senkung von Einkommensteuer und Abgaben sowie mit dem Kinderbonus im Jahre 2009 eine Entlastung von insgesamt 427 € netto zustande. Das sind 36 € pro Monat. Die Einschätzung „lächerlich gering“ finde ich deshalb falsch. Ich kenne sehr viele Familien, für die 36 € im Monat ein erheblicher Betrag sind.

(Beifall von CDU und SPD)

Ich habe mir, Frau Kraft, Ihren Entschließungsantrag vom 16. März, den Sie auch begründet haben, noch einmal angeschaut. Ich möchte Sie bitten, eine Korrektur vorzunehmen,

(Hannelore Kraft [SPD]: Haben wir schon, Herr Ministerpräsident! – Marc Jan Eumann [SPD]: Ist schon passiert!)

weil Sie Ihre Forderung nach Investitionen on top – das war einer der zentralen Vorwürfe und eine der zentralen Forderungen – mit der Aussage versehen haben, dass Nordrhein-Westfalen in der Regierungszeit von CDU und FDP seine eigenen Investitionen kontinuierlich von 4,3 Milliarden € im Jahre 2006 auf 3,6 Milliarden € im Jahr 2008 heruntergefahren hat. Diese Aussage ist falsch. Sie haben wohl netto mit brutto verwechselt.

(Hannelore Kraft [SPD]: Nein, haben wir nicht! – Heiterkeit von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Es mag Regierungsmit- glieder geben, die Euro mit D-Mark verwech- seln!)

Im Jahre 2006 lag die Investitionssumme netto bei 3,2 Milliarden €, im Jahre 2008 bei 3,6 Milliarden €. Brutto sind die Zahlen 4,3 und 4,9. Das, Frau Kraft, darf auch einer Opposition nicht passieren, netto und brutto zu verwechseln, schon gar nicht bei Ihrer Parteigeschichte.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich will noch einen zweiten Punkt aufnehmen, weil er in Ihrer gesamten Rededramatik der zentrale Punkt war, mit dem Sie diese Sitzung und die Vorwürfe, die Regierung handele zu langsam, begründet haben: Es müsse jetzt ganz schnell gehandelt werden, damit die Kommunen in die Lage versetzt würden, sofort – es war wohl irgendwo von März die Rede – zu investieren. – Ihr Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, Frank Baranowski, ein ehemaliger Kollege, hat nach Zeitungsangaben heute mitgeteilt, dass er mit den ersten Maßnahmen nach der Sommerpause beginnen will. So viel zu Ihrer Forderung

und den Realitäten bei Ihren Oberbürgermeistern, meine Damen und Herren!

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Umsetzung von Maßnahmen! Sie verwechseln wieder Äpfel mit Birnen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich sage das deshalb – und das muss auch gesagt werden –, weil ich es schlichtweg nicht für seriös halte, so zu tun, als ob man in den Kommunen innerhalb von Wochen in der Lage sei, dieses Riesenmilliardenpaket umzusetzen.

(Beifall von der CDU)

Ein bisschen mehr Sorgfalt, ein bisschen mehr Klarheit und vor allen Dingen ein bisschen mehr Absprache helfen, dass schneller investiert werden kann.

(Demonstrativer Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Natürlich!)

Es kann natürlich sein, dass Sie sich einfach geärgert haben, dass sich die kommunalen Spitzenverbände gestern noch mit der Landesregierung zusammengesetzt und festgehalten haben, dass im Kern weitgehend Übereinstimmung zwischen kommunalen Spitzenverbänden und Landesregierung zum Konjunkturprogramm II herrscht.

(Beifall von der CDU)

Dort heißt es in der abgestimmten Erklärung wörtlich:

Die Teilnehmer an dem Gespräch waren sich einig, dass möglichst schnell die Voraussetzungen geschaffen werden, nach Klärung aller noch offenen Punkte auf Bundesebene die Programme unverzüglich in Angriff zu nehmen.

Vielleicht sollten Sie mit Ihren Oberbürgermeistern und Landräten über die Praxis reden.

(Beifall von CDU und FDP – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Deswegen haben wir die heutige Sitzung anberaumt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Frage, was wir jetzt konkret tun müssen und tun wollen, muss man zwei Ebenen unterscheiden.

Die eine Ebene ist die des Bundes. Ich glaube, dass sich das politische System der Bundesrepublik Deutschland in dieser Krise bisher bewährt hat. Wir haben, was sich keiner hat vorstellen können, in kürzester Zeit das Finanzmarktstabilisierungsgesetz verabschiedet. Es war auch möglich, weitere Schritte zu fahren.

Wir haben zwischen den Jahren eine Phase gehabt, in der es ein wenig schwierig war, den Überblick zu behalten, wer was wo wann vorschlägt. Wenn es richtig ist, was ich zu Beginn meiner Ausführungen gesagt habe, dass diese Krise vor allen Dingen eine Vertrauenskrise ist und deshalb Klarheit und Ziele erforderlich sind, dann ist es notwendig, dass sich

eine Bundesregierung, die von einer Großen Koalition getragen wird, auf ein Paket verständigt und den Menschen im Land sagen kann: Das ist das Instrumentarium, mit dem wir durch die Krise gehen wollen. – Da kann man immer über Einzelheiten reden, es kann auch immer die Situation eintreten, etwas anpassen zu müssen, aber damit glauben wir in der Bundesrepublik Deutschland gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen.

Ich halte die Entscheidungen dieser Woche für so qualitativ, dass man ihnen das Etikett „Gesamtpaket“ zusprechen kann. Es ist das Finanzmarktstabilisierungsgesetz mit dem entsprechenden Fonds. Es ist das Konjunkturpaket I, mit dem vor allen Dingen die Nachfrage gestützt worden ist.

Meine Damen und Herren, auch da will ich sagen: Egal, was der Grund für die Entscheidungen war, Stichwort Pendlerpauschale – Urteil des Bundesverfassungsgerichts – oder Stichwort Kindergeld – Urteil des Bundesverfassungsgerichts –, ist es richtig, dass die Gelder bei den Menschen ankommen und bei ihnen, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, über 10 Milliarden € an zusätzlicher Kaufkraft entstanden sind.

Deshalb ist es auch in der Logik, dass sich das Konjunkturpaket II, über das wir Anfang der Woche diskutiert haben, vor allen Dingen auf Investitionen bezieht: Investitionen in Bildung, Investitionen in Innovationen, Investitionen in Infrastruktur, das heißt: vor allen Dingen kommunale Investitionen.

Dass es, um in der Großen Koalition zu einer Übereinstimmung zu kommen, notwendig war, auch über steuerliche Erleichterungen zu reden und Einvernehmen über Veränderungen und Erleichterungen im Beitragsbereich beim Gesundheitsfonds zu erzielen, wissen wir. Wenn man sich einigen muss, ist es notwendig – das weiß jeder von uns –, Kompromisse zu machen. Das ist gelungen. Das ist wahrscheinlich das Größte und Wichtigste, was an dem Tag passiert ist. Ich könnte jetzt über manche Maßnahmen diskutieren, die ich persönlich für zu teuer oder für überflüssig oder sonst was halte – andere werden das genauso tun –, aber jetzt ist es, wie es ist, und es ist gut, dass es diese Einigung gibt.

Es ist wichtig, dass dabei über das Investitionspaket und die Steuerfragen hinaus noch zwei weitere Punkte angesprochen worden sind.

Zum einen wurden Beschlüsse zur Veränderung beim Kurzarbeitergeld gefasst. Wir werden mehr Arbeitslose bekommen. Daher ist es wichtig, alle Arbeitsmarktinstrumente zu nutzen und sie auch für diese Situation zu schärfen, um die Leute möglichst lange im und am Betrieb zu halten und sie nicht in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Deshalb war es auch richtig, das Kurzarbeitergeld auf 18 Monate zu verlängern.

Zum anderen wurde beschlossen – auch das ist richtig –, dass die Unternehmer, die bisher über den

Daumen 35 % übernehmen müssen, nämlich die Sozialkosten, was gerade bei längerer Dauer problematisch ist, zur Hälfte und bei einer Verbindung mit Weiterbildung sogar zu 100 % davon entlastet werden. Mit dieser Maßnahme können wir übrigens gestärkt aus der Krise hervorgehen, weil die Facharbeiter anschließend noch da und sogar auf dem neuesten Stand der Technik sind. Deshalb ist es gut, dass dies so beschlossen worden ist.