Alles das, was schlecht läuft, das sind die Bürokraten, das sind die Menschen, die weit entfernt sind von der Wirklichkeit; und was toll läuft, das haben alles wir hier gemacht. – Viele von uns vergessen dabei, dass wir sowohl in der Europäischen Kommission als auch im Europäischen Rat mit den Stimmen der jeweils beteiligten Länder bestimmten Maßnahmen zugestimmt haben.
Zum Schluss Punkt 6: Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren, wir müssen Europa auch mehr mit dem füllen, was man Herz nennt. Wir brauchen eine Vision, müssen Europa eine Seele geben. Die Friedensdividende, die die Menschen früher bewegt hat, ist uns weitgehend verlorengegangen, weil Frieden selbstverständlich geworden ist. Dennoch, es schadet nie, wenn man sagt: Europa ist und bleibt die größte und erfolgreichste Friedensbewegung, die die Welt je gesehen hat.
Von meinen vier unmittelbaren Vorgängergenerationen hat das jeweilige Familienoberhaupt, der Vater, an einem Krieg teilgenommen. Ich – und viele von uns, von Ihnen –, nach 1950 geboren, gehöre zur ersten Generation, die nicht mehr an einem Krieg teilnehmen muss. Diese friedenssichernde Wirkung ist auch nach wie vor wichtig. Schauen Sie auf die Schlagzeilen von heute: Auch bei uns sind Rechtsradikalismus und Faschismus keine Dinge von gestern, sondern eine ständige Gefahr.
Das Zweite in diesem Zusammenhang: Ich behaupte gerne – damit kann man auch ein bisschen Herz, Vision und Emotion wecken –, Europa ist die größte Bürokratieabbauorganisation, die die Welt je gesehen hat. Da schreit jeder sofort: Wie kann das denn sein? Das stimmt doch nicht, das ist doch völlig
dummes Zeug, das Gegenteil ist der Fall! – Überlegen Sie einmal, wenn wir noch Zollgrenzen hätten, wenn wir noch Grenzzäune hätten, wenn wir keine gemeinsame Währung hätten, wenn wir keine gemeinsamen Standards im Maschinenbau, im Verkehrsbereich, für Steckdosen hätten, wie teuer das alles den Bürger kommen würde.
Von daher: Europa ist es wert, dem Bürger nahegebracht zu werden – mit dem Ziel, die Wahlbeteiligung sehr zu steigern. Wir werden uns im Hauptausschuss darüber unterhalten. Ich fände es gut, wenn wir, meine Damen und Herren, zu einem gemeinsamen Text kommen würden. Wir haben das im Vorfeld der heutigen Debatte probiert. Die andere Seite hat leider nicht reagiert, was ja nicht heißt, dass ihr dagegen seid. Vielleicht kommen wir im Hauptausschuss zu einem gemeinsamen Text zu dieser Thematik. Ich würde mich sehr freuen und freue mich auf die Debatte im Hauptausschuss. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Bundesland NordrheinWestfalen ist die europäische Drehscheibe für Wirtschaft, Handel, Verkehr und Begegnung. Die Beziehungen und Verflechtungen mit anderen europäischen Staaten wie beispielsweise den Beneluxstaaten, Frankreich, Großbritannien oder Polen sind so eng wie noch nie zuvor. Allein die nordrheinwestfälische Wirtschaft wickelt fast 70 % ihres Außenhandels mit den Staaten der EU und der Europäischen Freihandelszone, EFTA, ab. Bürger und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen erfahren die Erfolgsgeschichte Europas tagtäglich. Dabei geht es nicht nur um freies Arbeiten und Reisen.
Meine Damen und Herren, ich möchte daran erinnern, dass es gar nicht so lange her ist, dass wir am Schlagbaum zu unseren Nachbarn – bei mir in direkter Nähe, fünf Kilometer entfernt – erst einmal unseren Personalausweis vorlegen mussten. Dies alles ist Gott sei Dank vorbei, dies ist nicht mehr notwendig. Wir haben Schüler- und Studentenaustausche und ein gemeinsames Zahlungsmittel.
Nordrhein-Westfalen profitiert als wichtige Industrieregion und starker Wirtschaftsstandort insbesondere durch die Gewinnung ausländischer Investoren, die Erschließung neuer Märkte und die Intensivierung des Wissens- und Kulturaustausches vom Erfolg des europäischen Integrationsprozesses. Gerade in Zeiten einer weltweiten Finanzkrise wird die wichtige Funktion der Europäischen Union mit einer starken gemeinsamen Währung für die Wirtschaft deutlich.
Meine Damen und Herren, auch wenn die überwiegende Mehrheit der Deutschen die europäische Einigung als positiv empfindet: Jüngste Umfragen, etwa das Eurobarometer oder eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung, müssen uns als Europapolitiker fraktionsübergreifend staunen und aufschrecken lassen. Angesichts der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise sehen die Bürger in der EU zwar einen Stabilitätsfaktor. 61 % der Befragten wünschen sich einen größeren Einfluss der EU als heute, um in zehn Jahren wirtschaftlich und politisch besser dazustehen. Dagegen denken nur 32 %, dass weniger Einfluss besser wäre. Gleichzeitig erwarten die Bürger auch generell eine wachsende Bedeutung der EU. Von den Befragten nehmen 47 % an, dass Europa in den kommenden zehn Jahren noch enger zusammenwachsen wird in Richtung Vereinigte Staaten von Europa. 40 % erwarten zur heutigen Situation keine substanzielle Veränderung. Nur 11 % nehmen an, dass die einzelnen Mitgliedstaaten wieder wichtiger werden als heute.
Dennoch, meine Damen und Herren, wissen vier Monate vor dem Wahltermin 69 % der Deutschen nicht, dass in diesem Jahr das Europaparlament gewählt wird. Auch dies ergaben die Umfragen. Wie die Stiftung Anfang Februar mitteilte, konnten nur 9 % den Juni als Monat der Wahl richtig angeben. Nur 9 % können den Monat Juni als Zeitraum der Wahl angeben! Vor allem jüngere Bürger bis 39 Jahre sind zu rund 80 % nicht darüber unterrichtet, meine Damen und Herren.
Trotz der Unwissenheit hätten 43 % der Befragten angegeben, mit Sicherheit an der Wahl am 7. Juni teilzunehmen. 24 % schließen dies kategorisch aus und wollen wahrscheinlich nicht wählen. 31 % könnten sich eine Teilnahme vorstellen. Hingegen lassen zwei Drittel der Bürger ihre Bereitschaft erkennen, sich selbst für Europa zu engagieren.
Meine Damen und Herren, hier haben wir alle in diesem Hohen Hause die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, uns mit aller Kraft positiv einzubringen, um dies zu ändern und gezielt für die Teilnahme an der Europawahl am 7. Juni zu werben.
Das Europafest am Europatag, dem 9. Mai, ist neben den vielen anderen Terminen in der Veranstaltungsreihe sicherlich eine gute Möglichkeit, überparteilich auf die Europawahl aufmerksam zu machen. Die Abgeordneten des Europaparlaments gehen erstmals mit einem gemeinsamen Motto „Europawahl 2009 – Deine Entscheidung“ für alle 27 Mitgliedstaaten in den Wahlkampf.
In Deutschland wird eine aus dem Haushalt des Europaparlaments finanzierte 18 Millionen € teure Kampagne von Anfang Mai an laufen. Klar ist aber, dass hierdurch nur ein Teil der Bürgerinnen und Bürger unmittelbar erreicht werden kann. Deshalb, meine Damen und Herren, sind insbesondere die
Medien, Institutionen, Verbände, Kammern und Unternehmen in NRW aufgerufen, in den kommenden Monaten bei ihren Zuschauern, Mitgliedern, Mitarbeitern und Kunden für das Erfolgsmodell Europa und dessen Vorzüge überparteilich zu werben und den Termin der Europawahl populär zu machen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Abschluss. – Die Notwendigkeit des gemeinsamen Handelns sollte endlich auch hier in diesem Hause greifen. Insofern hätten wir uns sehr gefreut, wenn im Vorfeld ein gemeinsamer Antrag entstanden wäre. Ich appelliere insbesondere an die beiden Oppositionsparteien, sich einer solchen gemeinsamen Initiative nicht weiter zu verschließen.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Die Debatte geht weiter. Für die SPDFraktion wird jetzt der Abgeordnete Töns das Wort ergreifen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, dass wir uns bei allen unterschiedlichen Meinungen über die konkrete Ausgestaltung der Politik in Europa – gerade in sozialen und wirtschaftlichen Fragen – darüber einig sind: Europa ist immer noch eine faszinierende Idee.
Die Geschichte der friedlichen Vereinigung Europas ist ein historisch einmaliger Prozess – darüber sind wir uns einig –, an dem es sich lohnt, ständig weiter zu arbeiten. Gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise ist eine starke europäische Union mit einem starken Europäischen Parlament von ganz besonderer Bedeutung.
Der Vertrag von Lissabon stärkt die Rechte des Europaparlaments und stärkt auch die Rechte der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union und somit auch die Rechte der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands und Nordrhein-Westfalens. Gerade deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass sich die demokratischen Kräfte in unserem Land für eine hohe Wahlbeteiligung bei der Europawahl am 7. Juni einsetzen. Die Frauen und Männer, die wir nach Brüssel schicken, brauchen eine hohe Legitimation durch ihre Wählerinnen und Wähler.
eingehen. Natürlich bin ich auch nicht in allen Punkten mit dem vorliegenden Ergebnis zufrieden – das wird für andere auch so gelten –, aber mir ist jeder Schritt in Richtung eines demokratischen Europas mit stärkerem Parlament wichtig und lieber als der jetzige Status quo, der zur Europaskepsis beiträgt.
Ganz klar – nach meiner Meinung – ist, dass ein Teil der Kritik an Europa durch den LissabonVertrag ihre Grundlage verlieren wird. Dann wird aber auch deutlich, dass viele der Kritiker im Grunde diesen ganzen europäischen Einigungsprozess ablehnen. Hier sollten wir als Landtag ganz klar gemeinsam eine Grenzlinie ziehen.
Meine Damen und Herren, ich begrüße ausdrücklich die europafreundliche Position von CDU und FDP in diesem Antrag. Gerade die CDU hebt sich hier erfrischend von der Position ihrer Schwesterpartei CSU ab. Wir brauchen keine Europaskeptiker und schon gar nicht eine totale Ablehnung des europäischen Einigungsprozesses durch eine Regionalpartei.
Ich will an dieser Stelle auch noch deutlich machen: Darüber hinaus brauchen wir das auch nicht am linken Rand, wo man sich sozialistisch nennt und häufig engstirnig national auftritt.
Aber, lieber Kollege Werner Jostmeier – das kann ich Dir nicht ersparen –, will ich auch noch ein paar kritische Bemerkungen machen. Du hast richtig gesagt: Wir sollen Europa nicht schlechtreden. – Ja, das ist so. Aber die zu erwartenden politischen Reflexionen, wenn Ende dieses Monats beispielsweise eine Frau Kroes in Brüssel der Landesregierung und der WestLB sagt „Ihr müsst zurückzahlen, Ihr müsst das anders machen“, die kann ich mir gut vorstellen; ich kann mir gut vorstellen, wie im politischen Raum – auch bei der Landesregierung und bei Deiner Partei – Reflexionen entstehen, die uns nicht lieb sind. Es schürt auch Europaskepsis, wenn man dort nicht ehrlich miteinander umgeht.
Ja, Du hast recht: Wir brauchen auch eine europäische Seele, Europa braucht auch ein Herz, und da muss man mit Herz herangehen. Auch das findet unsere Unterstützung.
Meine Damen und Herren, wie Sie meinen Worten entnehmen können, ist es ausdrücklicher Wunsch meiner Fraktion, hier zu einem gemeinsamen Votum aller Fraktionen zu kommen. Deshalb nehme ich das Angebot gerne an und gebe es zurück. Wir werden in den nächsten Tagen, denke ich, auch an diesem gemeinsamen Votum arbeiten können.
Ich möchte noch ein paar Anmerkungen machen und Anregungen geben, die aus unserer Sicht bei einer Wahlaufrufkampagne bedacht werden sollten.
Zum einen bestehen leider bei vielen Bürgerinnen und Bürgern noch Wissenslücken über die Wahl an sich. Man muss stärker vermitteln, dass hierbei ein Parlament über eine Liste gewählt wird, es sich um eine Listenwahl handelt. Und zu einer Information über die Wahl gehören auch klare Erläuterungen über Wahlmodus sowie Funktions- und Arbeitsweise des Parlaments vor und nach Lissabon.
Zweitens. Die neuen Grundrechte müssen noch stärker vermittelt werden. Wir brauchen ein Übersetzungsinstrument. Jeder sollte darüber Bescheid wissen. Vielleicht lässt sich sogar der gesamte Vertrag so anschaulich darstellen, dass er verständlicher wird – auch im Schulalltag.
Drittens. Ich halte es für eine sehr gute Idee, einen Wahl-O-Mat, den die Landes- und Bundeszentrale für politische Bildung schon einmal hatte, auch zur Europawahl durchzuführen, damit wir herausstellen können, worüber wir in Europa in den nächsten fünf Jahren entscheiden, worüber wir mit der Stimmabgabe am 7. Juni entscheiden.
Wir sollten uns, wie gesagt, in den nächsten Tagen zusammensetzen und diese und eventuell weitere Punkte prüfen und zu einem gemeinsamen Antrag kommen. Ich glaube, dass uns das gelingen wird. – Ein herzliches Glückauf!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir müssen uns klarmachen – ich hoffe, dass das auch die Antragsteller so sehen –, dass ein Antrag, der positiv dafür wirbt, die Wahl ernst zu nehmen, die Wahl zu beachten, die Wahl bekannt zu machen, noch keinen europapolitischen Sommer in NordrheinWestfalen auslöst.
Wir müssen uns vielmehr fragen, was in der Vergangenheit vielleicht falsch gelaufen ist, wenn Sie jetzt beklagen, dass die Menschen Europa skeptisch und nicht so positiv sehen, wie wir uns das wünschen. Dazu trägt auch bei, dass wir nicht immer alle – ich will das parteipolitisch nicht ausdifferenzieren – den europäischen Geist mit Verve, Leidenschaft und Herzblut vorantreiben.
Im Moment haben wir aber vielleicht eine Situation, die sich zum Positiven wandelt, weil die Menschen erkennen, dass große globale Krisen nicht von einem Nationalstaat oder einem Bundesland – auch wenn es ein großes Bundesland ist – gelöst werden können. Die Menschen in Europa und auch bei uns
sehen vielmehr, dass wir die großen globalen Herausforderungen – Klimakrise, Energiesicherheit, Weltfinanzkrise und soziale Gerechtigkeit – nur im europäischen, wenn nicht sogar im weltweiten Kontext werden lösen können. Das gilt gleichermaßen für die Herausforderung durch internationale Kriminalität und Terrorismus. Wir müssen sagen, welch unschätzbares Gut die Europäische Union und die Zusammenarbeit ist.
Die EU hat an Ausstrahlung verloren – das ist schon gesagt worden –, weil sie immer noch in erster Linie als Wirtschaftsgemeinschaft denn als Gemeinschaft von Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen wird. Zu viele Regeln und Entscheidungen der EU setzen einseitig auf wirtschaftliche Interessen und verlieren das soziale Europa aus den Augen.