Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

(Beifall von der CDU)

Zudem ist Nordrhein-Westfalen bislang das einzige Bundesland, das sich mit dem Thema Altersdiskriminierung auseinandersetzt und es aktiv in der Politik begleitet. Dabei verfolgen wir eine Gesamtstrategie unter dem Titel „Sichtbarmachung, Beseitigung und Verhinderung von Altersdiskriminierung“. Wie Sie vielleicht verfolgt haben, hat es bereits zwei Tagungen im Dezember 2005 und im Februar 2007 gegeben, bei denen wir uns auch mit dem Thema Altersdiskriminierung befasst haben und es in unsere politische Arbeit haben einfließen lassen.

Meine Damen und Herren, wo stehen wir denn heute in Sachen Altersdiskriminierung in NordrheinWestfalen? Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt zum Beispiel fest, dass in landesrechtlichen Rechtsvorschriften oft eine Altersdiskriminierung vorherrscht. Das war richtig, denn mittlerweile ha

ben wir einige Rechtsvorschriften überprüft und geändert. Sie erinnern sich: So wurde die Altershöchstgrenze für die Wählbarkeit von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern bei der Novellierung der Gemeindeordnung von uns ersatzlos gestrichen.

Altersgrenzen von Schöffen und Schiedspersonen sind auch keine absoluten Altersgrenzen mehr, denn es heißt hier: In der Regel sollte die Person nicht über 70 Jahre alt sein. – Auch bei Finanzdienstleistern sind wir seit Sommer 2007 aktiv geworden und haben eine Vereinbarung mit den Banken und Sparkassen gegen Altersdiskriminierung geschlossen.

Sie sehen also, dass wir eine negative und ungerechtfertigte Beurteilung und Behandlung von Personen aufgrund ihres Alters ernst nehmen und für Abhilfe sorgen. Denn darin sind wir uns einig: Wer ältere Menschen missachtet, verletzt die Menschenwürde und verhält sich unsozial.

Natürlich gibt es immer noch negative Altersbilder und negativ gefärbte Selbstbilder älterer Menschen. Aber in der Politik haben gerade wir in NordrheinWestfalen lange den Fokus darauf gelegt, dass ältere Menschen wieder eine gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bekommen und wir ihre wertvollen Ressourcen zu schätzen wissen.

Auf Bundesebene hat Markus Grübel zusammen mit Kollegen von CDU und CSU vor einigen Tagen ein seniorenpolitisches Positionspapier ausgearbeitet. Hier sollen zum Beispiel die Altersgrenzen für die Arbeitswelt auf den Prüfstand gestellt werden. Denn wir alle wissen: Immer mehr ältere Menschen sind gerne bereit, länger im Berufsleben zu bleiben.

Sie sehen, meine Damen und Herren: Ihr Antrag enthält leider keinerlei neue Forderungen und auch keine neuen Ideen.

(Zustimmung von Manfred Kuhmichel [CDU])

Er ist von unserem Antrag abgeschrieben worden und somit wirklich zu vernachlässigen.

(Widerspruch von Andrea Asch [GRÜNE])

Denn das Thema Altersdiskriminierung behandelten wir schon lange, bevor Sie wach geworden sind. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Doppmeier. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Koschorreck das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen dürfen aufgrund ihres Alters nicht diskriminiert werden. Wir sind uns alle sicherlich darin einig, dass das eine Selbstverständlichkeit ist.

Leider sieht die Wirklichkeit aber noch anders aus. Einige Fortschritte sind zwar in den letzten Jahren erzielt worden, aber die Landesregierung hat im Kampf gegen Altersdiskriminierung vieles versäumt. Wir müssen uns mit diesem Thema beschäftigen und dafür sorgen, dass diese Selbstverständlichkeit Wirklichkeit wird. Liebe Frau Doppmeier, dazu reicht es nicht aus, schöne Broschüren herauszugeben. Es muss umgesetzt werden. Das ist in der Tat nicht der Fall.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist daher zu begrüßen. Er beschreibt viele Einzelaspekte richtig. Die daraus abzuleitenden Maßnahmen sind aus Sicht der SPD-Fraktion jedoch nicht weitgehend genug. Deshalb kündigen wir an, dass wir für die Beratung in den Fachausschüssen einen Entschließungsantrag stellen werden.

Altersdiskriminierung befindet sich erst seit gut 15 Jahren im politischen Bewusstsein. Angesichts des demografischen Wandels und vor allem der Herausforderungen älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt hat sie zunehmend an Brisanz gewonnen. Jeden Tag leiden ältere Menschen unter negativen Altersbildern, der Ausgrenzung aufgrund von defizitgeleiteten Vorurteilen und der mangelnden Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben. Wie das konkret aussieht, mache ich gerne an einigen aktuellen Beispielen deutlich:

Beim Bahnsozialwerk mit Sitz in Duisburg darf der ehrenamtliche Seniorenbeauftragte aus Altersgründen nicht mehr tätig sein – geschehen am 25. Februar 2009. Die AOK lehnt eine Reha trotz positiver Prognosen für eine ältere Frau ab – geschehen am 28. Januar 2009. Die evangelische Telefonseelsorge in Köln nimmt ehrenamtliche Helferinnen und Helfer nur bis Mitte 60 – am 22. Dezember 2008. Das sind alles noch sehr aktuelle Situationen. Dies ist nur eine kleine Auswahl, zusammengestellt vom Büro gegen Altersdiskriminierung. Die Dunkelziffer ist jedoch hoch. Denn wer sich gegen Altersdiskriminierung wehrt, gibt gleichzeitig auch zu, alt zu sein – ein Teufelskreis also, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir dürfen den Kampf gegen Altersdiskriminierung nicht nur den Betroffenen überlassen. Er geht uns alle an. Wir kennen viele Zusammenhänge noch nicht: Welche Formen der Altersdiskriminierung gibt es? Wer ist betroffen? Wie groß ist das Ausmaß? Dies sind nur einige Fragen, auf die wir dringend eine Antwort haben müssen, um daraus wirkungsvolle Maßnahmen ableiten zu können. Hier liegt eines der größten Versäumnisse der Landesregierung vor. Schon Ende 2005 ist auf einer Fachtagung, die gemeinsam vom Kuratorium Deutsche Altershilfe, der Landesseniorenvertretung und dem Landespräventionsrat durchgeführt wurde, eindringlich erheblicher Forschungsbedarf angemahnt worden.

Minister Laschet hat zu Beginn der Tagung freundliche Worte gefunden. Konsequenzen wurden jedoch kaum aus dem dort verabschiedeten Positionspapier gezogen. Fünf verschiedene Themenbereiche mit dringendem Handlungsbedarf wurden dort aufgeführt: Arbeit, Gesundheitswesen, Banken und Versicherungen, soziales Leben und Medien.

Chancengleichheit von Jung und Alt lobt Minister Laschet die Anstrengungen seines Hauses auf einer weiteren Tagung im Jahre 2007. Das Thema Altersdiskriminierung sei keine Nebensache. Es sei ein wichtiges Thema. Die Aufgabe, die nun zu bewältigen sei, lautet, konkrete Schritte gegen Altersdiskriminierung zu entwickeln, unter anderem präventive Maßnahmen in den Kommunen, neue Konzepte in der Öffentlichkeitsarbeit, verbesserte Angebote für die Beratung und Unterstützung der Betroffenen sowie die weitere Vernetzung, Kooperation und Qualifizierung der Akteure. Das sind alles gute und notwendige Vorstellungen.

Jetzt aber sind wir mehr als zwei Jahre weiter und stellen fest, dass die Landesregierung immer noch nichts Konkretes unternommen hat. Die massive Unterstützung der interdisziplinären Altersforschung hat nicht stattgefunden. Auch aus den mittlerweile vorliegenden Qualitätszielen, die gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden entwickelt wurden, hat die Landesregierung keinerlei Initiativen entwickelt.

Herr Minister Laschet kündigt vieles an, aber er tut viel zu wenig. Es sind keine Anstrengungen der Landesregierung erkennbar, in ihrem Verantwortungsbereich Altersdiskriminierung zu vermeiden. Die Landesregierung hat nichts getan, um die Beratung und Unterstützung der Betroffenen zu verbessern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin gespannt auf die Beratungen in den Ausschüssen. Wir werden dann hoffentlich etwas mehr von der Landesregierung erfahren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Koschorreck. – Jetzt hat Herr Lindner für die FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann überhaupt kein Zweifel bestehen, dass jede Form von Altersdiskriminierung abzulehnen ist und dass wir gemeinsam in der Politik, aber auch in der Gesellschaft in der Verantwortung stehen, uns gegen Altersdiskriminierung zu wenden.

Neben dieser grundsätzlichen Einschätzung unterscheidet sich die Perspektive, die wir und die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf dieses Thema haben. Denn in Nordrhein-Westfalen passiert in diesem Bereich seit 2005 bereits eine

ganze Menge. Sowohl der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes als auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bilden bereits jetzt einen wirksamen Rechtsrahmen zum Schutz vor altersbedingter Diskriminierung.

Über diese allgemeinen bundespolitischen Rechtsgrundsätze hinaus hat in Nordrhein-Westfalen die Landesregierung begonnen, dieses Querschnittsthema mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen im Sinne einer Gesamtstrategie zu bearbeiten. In Vertretung des Fachministers wird Frau Sommer das gleich darstellen. Ich möchte mich nur auf einige wenige Schlaglichter konzentrieren.

Ich greife die Rede von Frau Asch auf, die gesagt hat, dass es etwa Höchstgrenzen bei bestimmten Aufgaben gibt, zum Beispiel bei den Schöffen. Wir haben da, wo es landesgesetzlich möglich ist, bereits eine Altersgrenze aufgehoben. Sie haben als rot-grüne Landesregierung für das Bürgermeisteramt eine Altersgrenze von 67 Jahren vorgesehen. Diese Altersgrenze haben wir aufgehoben. Man kann jetzt auch als erfahrener Verwaltungsmann oder Kommunalpolitiker in ein solches Amt gewählt werden. Es ist richtig, dass das in dieser Weise verändert worden ist.

Frau Asch hat auf Probleme hingewiesen, die es etwa im Kreditwesen gibt. Auch da, liebe Frau Asch, müssen Sie sich anhören, dass die Landesregierung bereits mit der Finanzwirtschaft vor einiger Zeit eine Vereinbarung gegen Altersdiskriminierung getroffen hat. Das betrifft insbesondere die Frage des Zugangs zum Beispiel zu Kreditkarten, ECKarten und auch Krediten. Insofern hat die Landesregierung das, was Sie in Ihrer Rede eingefordert haben, bereits seit einiger Zeit umgesetzt.

Ich könnte vieles andere hinzufügen, das SeniorExperten-Programm, das Modellprojekt Partizipation im Alter in den Städten und Gemeinden Nordrhein-Westfalens und so weiter und so fort.

Ich sage zum Schluss: Sie sprechen ein wichtiges und richtiges Thema an. Dieses Thema wird indessen in Nordrhein-Westfalen schon mit großer Energie bearbeitet. Deshalb ist ihr zusätzlicher Antrag für die Debatte nicht erforderlich gewesen. Er bietet lediglich noch einmal einen guten Anlass, das darzustellen, was hier im Land schon erfolgreich gemacht wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Jetzt hat für die Landesregierung Frau Kollegin Sommer das Wort. Sie vertritt Herrn Minister Laschet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Minister Laschet

weilt zurzeit auf dem Forum „Demografischer Wandel“ des Bundespräsidenten. Zu diesem Forum hat Nordrhein-Westfalen mit seinen Erfahrungen bei der Gestaltung des demografischen Wandels nicht unerhebliche Impulse geliefert.

Der vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die Grünen erweckt indes den Eindruck, als stünde unser Land in Fragen des demografischen Wandels und des damit eng verbundenen Problems der Altersdiskriminierung noch ganz am Anfang. So fordert der Antrag die Landesregierung dazu auf, Strategien einer aktiven Antidiskriminierungspolitik zu entwickeln und dabei alle gesellschaftlichen Akteure einzubinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, was Sie hier fordern, tun wir längst, nämlich die Lebensbedingungen älterer Menschen in NordrheinWestfalen zu verbessern, wo immer es möglich ist. Mehr noch: Der Kampf gegen Altersdiskriminierung ist seit dem Regierungswechsel 2005 ein Schwerpunkt der Seniorenpolitik des Landes. Unsere Strategie dabei lautet: erstens Altersdiskriminierung sichtbar machen, zweitens ihr vorbeugen und drittens sie überall dort beseitigen, wo sie auftritt.

Die Landesregierung handelt entsprechend: Erstens. Wir machen Altersdiskriminierung sichtbar. Dazu tragen wir das Thema in die Öffentlichkeit. So haben sich auf zwei Tagungen im Dezember 2005 und Februar 2007 ältere Menschen ebenso mit dem Thema Altersdiskriminierung auseinandergesetzt wie auch Verantwortliche aus Politik und Seniorenarbeit.

Zweitens. Wir beugen Altersdiskriminierung vor, beispielsweise in der Wohnumfeldgestaltung. Die meisten älteren Menschen wollen dort alt werden, wo sie ihr bisheriges Leben verbracht haben, und nicht an einem Ort, wo sie isoliert von anderen Generationen leben müssen. Die Landesregierung unterstützt das, und zwar gemeinsam mit den Kommunen. Deshalb fördern wir drei Modellprojekte in Mönchengladbach, Erkrath und Duisburg, bei denen es darum geht, die jeweiligen Quartiere attraktiver zu machen und es zu erleichtern, dort bis ins hohe Alter wohnen zu bleiben.

Wir sind davon überzeugt, meine Damen und Herren: Solche Ansätze tragen dazu bei, dass ältere Menschen in ihrer angestammten Umgebung bleiben können. Sie erleichtern die Fortführung bestehender Kontakte und ermöglichen den Zugang zu wichtigen Produkten und Dienstleistungen des täglichen Lebens.

Drittens und schließlich bekämpfen wir die verschiedenen Formen von Altersdiskriminierung. So überprüfen wir derzeit die landesrechtlichen Vorschriften auf diskriminierende Altersgrenzen; das ist eine der Forderungen aus dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen.

Ein konkretes Ergebnis unseres Handels ist die Abschaffung der Altersgrenze für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Auf Initiative der Landesregierung wurde diese Grenze bei der Novellierung der Gemeindeordnung ersatzlos gestrichen. Andere Altersgrenzen waren Gegenstand eines von uns in Auftrag gegebenen Gutachtens von Herrn Prof. Dr. Alenfelder, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Altersdiskriminierungsrecht und Rechtsexperte des Deutschen Antidiskriminierungsverbandes.

Auch die Geschäftsordnung der Landesregierung und das Abgeordnetengesetz unseres Landes wurden untersucht. Das Ergebnis: Es wurden keine offenkundigen diskriminierenden Altershöchstgrenzen in der Landesgesetzgebung festgestellt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch ein weiteres wichtiges Beispiel nennen. So haben wir mit den Banken und Sparkassen in Nordrhein-Westfalen eine Vereinbarung gegen Altersdiskriminierung geschlossen. Darin haben die Kreditinstitute zugesagt, dass niemand aufgrund seines Alters von Finanzdienstleistungen wie Krediten, EC-Karten usw. ausgeschlossen wird, nur weil er oder sie eine gewisse Altersgrenze überschritten hat.

Nach der Veröffentlichung dieser Vereinbarung haben sich einzelne ältere Menschen ans Generationenministerium gewandt und sich über konkrete Fälle von Benachteiligung durch Banken beklagt. Das Ministerium ist jedem einzelnen Anliegen nachgegangen. Das Ergebnis war: Lediglich ein konkreter Fall konnte tatsächlich als Altersdiskriminierung gewertet werden. – In diesem Fall hat die zuständige Bank zwei Tage nach dem Anruf des zuständigen Referenten des MGFFI den erbetenen Kredit gewährt und sich entschuldigt.