Wir hatten 2007 eine Anhörung im Landtag, bei der es um den Übergang von der Schule zur Hochschule ging; es gab damals viele Anregungen. Was ist seitdem eigentlich bei der Studienberatung für Schülerinnen und Schüler auf den Weg gebracht und verbessert worden?
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Boos, auch wenn Ihre Ergänzungsfrage von der eigentlichen Fragestellung in erheblicher Weise abweicht, fällt es mir leicht, sie zu beantworten, weil ich wiederholt Gelegenheit hatte, Ihnen in den Ausschüssen sowie in Beratungen im Plenum darzulegen, dass sich erstmals die jetzige Landesregierung der Verbindung von Berufs- und Studienberatung angenommen hat und dass wir in enger Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit sowie mit den Hochschu
len daran arbeiten, die Studienberatung zu einem integralen Bestandteil der Berufsberatung zu entwickeln.
Herr Minister Pinkwart, Sie haben zu Recht bemerkt, dass es im Hinblick auf die Studierlust in Nordrhein-Westfalen nicht allein um die Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger, sondern um die Studierendenquote geht. Darauf bezog sich auch die Kritik von Frau Dr. Boos sowie der von ihr zitierten Studie des Fibs.
Ich kann Ihnen die genauen Zahlen nennen, und meine Frage ist, ob Sie sich die Studierendenquote nicht schönrechnen. Für 2005 gehen Sie von 78,3 % aus, für 2006 von 68,8 %, für 2008 von 67,8 %, und jetzt gibt es einen leichten Anstieg auf 70,3 %. Insgesamt ist das aber eine deutliche Tendenz nach unten. – Rechnen Sie sich die Studierendenquote in Nordrhein-Westfalen schön, Herr Minister Pinkwart?
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Seidl! Meine Damen und Herren! Ich kann nur meine Eingangsantwort wiederholen, Frau Seidl. Ich habe Ihnen die Gründe ganz klar dargelegt. Dass wir im Vergleich zum Bundesdurchschnitt bezogen auf die Hochschulzugangsberechtigten insgesamt noch eine ausbaufähige Übergangsquote haben, liegt ausschließlich in der noch nicht hinreichenden Übergangsquote der Fachhochschulzugangsberechtigten begründet.
Sie müssen sich mit folgendem Phänomen intensiv auseinandersetzen, weil es die Zeit Ihrer Regierungsverantwortung betrifft: Nordrhein-Westfalen hatte schon seinerzeit für Sie anhand der Zahlen erkennbar einen überproportionalen Anteil an Hochschulzugangsberechtigten, die eine Fachhochschulzugangsberechtigung besaßen. Bei den allgemein Hochschulzugangsberechtigten liegt NordrheinWestfalen in etwa in dem Bereich wie alle anderen großen Flächenländer wie Bayern und Baden-Württemberg auch.
Erheblich überproportional ist unser Anteil der Fachhochschulzugangsberechtigten. Wir als sehr großes Bundesland haben folgende Relation vorgefunden: 75 % aller Studienplätze wurden von der Vorgängerregierung an Universitäten vorgehalten und nur 25 % an Fachhochschulen. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg und Bayern hatten schon immer und haben immer noch einen
deutlich geringeren Anteil an Fachhochschulzugangsberechtigten. Trotzdem werden dort 40 % aller Studienplätze an Fachhochschulen und 60 % an Universitäten vorgehalten. Obgleich diese Länder also einen geringeren Anteil an Fachhochschulzugangsberechtigten haben, ist der Anteil an Fachhochschulstudienmöglichkeiten sehr viel größer als bei uns. In Nordrhein-Westfalen war es genau umgekehrt. Es wurden im Bundesvergleich sehr viele Fachhochschulzugangsberechtigte hervorgebracht, aber es gab einen erheblich unterproportionalen Anteil an Fachhochschulstudienplätzen.
Sie haben jungen Menschen also zunächst schulisch eine Karriereperspektive eröffnet, die Sie ihnen dann aber durch ein mangelndes Angebot an Hochschulstudienplätzen gleich wieder verbaut haben. Diese Situation haben wir vorgefunden. Wir haben das Problem sofort aufgegriffen und gesagt, dass wir die Fachhochschulen ausbauen müssen. Insofern haben wir im Hochschulpakt I nicht 25 % der zusätzlich geschaffenen Studienanfängerplätze als Fachhochschulstudienplätze ausgewiesen, sondern 50 %, um zu einer neuen Struktur zu kommen. Außerdem haben wir gegen Ihre anfängliche erhebliche Kritik neue Fachhochschulen gegründet und bestehende um neue Abteilungen erweitert, um mit insgesamt 11.000 Studienanfängerplätzen an Fachhochschulen die Lücke schrittweise zu schließen und damit bessere Studiermöglichkeiten für Fachhochschulzugangsberechtigte zu schaffen.
Indem wir das tun, wird auch schrittweise die Übergangsquote bei den Fachhochschulzugangsberechtigten steigen und damit auch der Durchschnittswert, der sich aus den allgemeinen Hochschulzugangsberechtigten und den Fachhochschulzugangsberechtigten bildet. Das ist unsere Politik. Hätten Sie das frühzeitiger angelegt oder durch die seinerzeitige Umwandlung der Gesamthochschulen in Universitäten nicht verschlechtert, hätte sich das Problem in der Weise gar nicht entwickelt.
Um das noch einmal festzuhalten: Die Zahl derjenigen, die eine Studienberechtigung haben, steigt, aber die Zahl derjenigen, die mit ihrem Studium beginnen, steigt nicht in dem Maße. Sie begründen das jetzt mit „Fachhochschule“. Ich finde die Frage, wie man denn eigentlich den Übergang besser gestalten kann, berechtigt. Die Antwort, die ich bekommen habe, war mir etwas unkonkret. Was ist denn nun wirklich passiert, wenn Sie sagen, Sie seien die erste Landesregierung, die an der Stelle etwas macht?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Boos, es sind vielfältige Maßnahmen notwendig, wie ich es Ihnen dargelegt habe. Erstens müssen wir die Studienberatung mit der Berufsberatung verbinden, um hier auch frühzeitig auf Entwicklungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen.
Zweitens müssen wir das Angebot erweitern. Das tun wir gerade, indem wir mehr Fachhochschulstudienplätze schaffen.
Drittens müssen wir die Möglichkeiten durch duale Studienangebote verbessern, indem wir die berufliche und akademische Ausbildung miteinander verbinden, weil wir wissen, dass die jungen Menschen, die über einen Fachhochschulzugang verfügen, den Schritt an die Hochschule weniger leicht zu gehen bereit sind, als es jene junge Menschen tun, die über eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung verfügen.
Wir haben darüber hinaus das Problem, dass junge Menschen aus Nichtakademikerhaushalten seit Jahrzehnten in Deutschland eine geringe Übergangsneigung zu Hochschulen verspüren. Deswegen müssen wir die Hochschulen auch so organisieren, dass die Studienangebote, was Studienerfolg und Studiendauer anbetrifft, planbarer werden. Deswegen haben wir uns in Nordrhein-Westfalen unter anderem dazu entschieden, die Hochschulen mit mehr Mitteln auszustatten und zusätzlich die Möglichkeit zur Einführung von Studienbeiträgen zu geben, damit gezielt die Übergänge erleichtert werden. Durch die Studienbeiträge ist es möglich, dass jetzt Mentoren- und Tutorenkonzepte flächendeckend angeboten werden, dass etwa die Bibliotheksöffnungszeiten sowie die Vereinbarkeit von Familie und Studium, Beruf und Studium verbessert werden.
Wir fördern massiv die Möglichkeit des Verbundstudiums und haben gestern noch im Landeskabinett über einen Call entschieden, den wir gezielt an die FernUniversität in Hagen richten, um auch ihre Möglichkeiten in Zukunft noch zu verbessern, die Fernstudienbedingungen auszubauen und die Verbindungen von beruflicher und akademischer Bildung miteinander zu verschränken. Wir wissen, dass es für die Menschen, die diesen Hintergrund haben, wie ich es eben beschrieben habe, erforderlich ist, dass wir die Übergänge erleichtern und die soziale Mobilität gezielt verbessern. Hier gibt es erheblichen Handlungsbedarf, und wir haben vielfältige Anstrengungen hierzu unternommen, um diese Potenziale für die Hochschulen zu erschließen.
Darüber hinaus – das haben Sie verfolgt – arbeiten wir auch daran, die Anerkennung beruflicher Abschlüsse als Startvoraussetzung für die Aufnahme eines Hochschulstudiums zu verbessern. Wir haben uns dafür auch in der KMK eingesetzt, damit wir die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen
konnten. Auch das wird dazu beitragen, dass wir in Zukunft eine höhere Bereitschaft erwarten können, ein Studium aufzunehmen.
Ich möchte aber noch einmal hervorheben, dass sich die Zahlen für Nordrhein-Westfalen insgesamt sehr erfreulich entwickelt haben. Dies betrifft die Studienanfängerzahlen wie auch die Akademikerquote, die im Zeitraum 2005 bis 2007 um 25 % gestiegen ist, was deutlich macht, dass offensichtlich auch die zusätzlichen Anstrengungen bereits ihre positiven Wirkungen finden.
Frau Präsidentin! Herr Minister, Sie haben in Ihrem ersten Statement die Überschrift der Anfrage von Frau Dr. Boos, dass die Studierneigung abnehme, bestritten. Wenn man sich den Begriff „Studierneigung“ etwas genauer anschaut und sich fragt, was er bedeutet, dann heißt das ja nicht, dass die Studienanfängerzahlen betrachtet werden, sondern dass die Neigung abnimmt, das heißt, dass die Quote derjenigen, die die Berechtigung haben und sich entscheiden, ein Studium aufzunehmen, geringer wird. Diese Zahl ist nicht zu bestreiten. Das haben Sie im Prinzip selbst eingeräumt.
Sie haben darauf hingewiesen, dass die Ursache dafür darin zu suchen sei, dass die Umstellung der Gesamthochschulen hin zu Volluniversitäten zu einem Abbau an Studienplätzen im Fachhochschulbereich geführt habe. Die Entscheidung für die Studienplätze bezogen auf die Gesamthochschulen – den Hintergrund hat eben Frau Kollegin Seidl dargelegt – ist längst vor 2005 getroffen worden. In 2005, als Sie die Regierung übernahmen, hatten wir eine deutlich höhere Quote. Und in Ihrer Regierungszeit sind die Zahlen, wie gesagt, von 78,5 % gesunken. Wie erklären Sie sich das denn?
Das kann ich ganz einfach erklären. Sie haben Übergangsregelungen geschaffen, die ein schrittweises Auslaufen dieser Studiengänge an den ehemaligen Gesamthochschulen zum Gegenstand hatten und weil es nicht parallel dazu bei steigenden Absolventenzahlen, die Sie ja auch schon im Blick hatten, zu einem Aufwuchs von entsprechenden Fachhochschulstudienplätzen gekommen ist. Deswegen haben wir den Einbruch nicht bei der Übergangsquote der Abiturienten. Da liegen wir mit 89 % deutlich über dem Bundesdurchschnitt von etwa 85 %. Wir haben diese erhebliche Verschlechterung in dem Bereich, in dem wir sehr viele Zugangsberechtigte
haben, aber eine Verknappung der Studienplätze. Da gilt es, dieses Nadelöhr entsprechend aufzulösen.
Frau Gebhard, darüber hinaus ist es mir wichtig, Ihnen noch einmal zu sagen, dass die Studienanfängerquote – anders als es in der Anfrage zum Ausdruck kommt – im Vergleich der Flächenländer in Nordrhein-Westfalen deutlich überproportional ausfällt. Wir liegen sogar über dem Bundesdurchschnitt. Wenn dann in der Anfrage von „hinterem Mittelfeld“ gesprochen wird, bekomme ich das statistisch nicht ganz sortiert, liegen wir doch über dem Bundesdurchschnitt und an der Spitze der Flächenländer. Wie soll man sich angesichts dessen im hinteren Mittelfeld befinden?
Herr Minister Pinkwart, Fakt ist, dass die Studienanfängerquote im Zeitraum von 2005 bis 2006 besonders deutlich von 78 auf 68 % sinkt. Das sind fast 10 % weniger. Die Statistik liegt mir vor.
Vor diesem Hintergrund kann Ihre Argumentation in Bezug auf die Fachhochschulen überhaupt nicht richtig sein. Das Fibs nennt die Studiengebühren als einen Grund für die Flucht in gebührenfreie Länder und für die sinkende Studierneigung. Meinen Sie, dass nicht das viel eher der Grund ist, gerade wenn man an dieses Jahr und diesen Zeitraum denkt?
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Seidl! Meine Damen und Herren! Ich kann nur sagen: Durch die Wiederholung einer Frage wird sich meine Antwort nicht ändern. Meine Antwort gründet nämlich auf die statistischen Daten, die Sie auch Ihrer Frage zugrunde legen, sowie den völlig eindeutigen Aussagen, die wir für Nordrhein-Westfalen treffen können.
Frau Seidl, da Sie keinerlei Studie vorlegen können, die einen eindeutigen Zusammenhang belegt, müssten Sie sich doch fragen: Warum sind die Studienanfängerzahlen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr um 7,3 % gestiegen und in anderen Bundesländern, in denen es keine Studienbeiträge gibt, rückläufig gewesen? Wenn Ihre nicht belegte These nur ansatzweise richtig wäre, müsste sich doch alleine an diesem Fall zeigen, dass die Dinge genau invers liegen. Das ist aber nicht der Fall.
Und weil das nicht der Fall ist, ist auch der Bundesbildungsbericht, der von allen Kultusministern Deutschlands und auch der Bundesbildungsministerin vorgelegt und von unabhängigen Gutachtern erarbeitet worden ist, zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinen empirisch gesicherten Zusammenhang zwischen Studienbeiträgen und Studierneigung junger Menschen gibt.
Frau Präsidentin! Herr Minister! Einmal von den Prozentsätzen weg: Eigentlich zählen die absoluten Zahlen. Darauf werden wir bei Gelegenheit noch zurückkommen.
Ich hätte ganz gerne von Ihnen gewusst, welche Quelle Sie für die Feststellung heranziehen, dass es in Baden-Württemberg 60 % Universitätsstudienplätze und 40 % Fachhochschulstudienplätze gibt. Beziehen Sie dabei die Möglichkeit der Ausbildung an Berufsakademien ein?
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Schultheis! Meine Damen und Herren! Letzteres beziehe ich mit ein und begründe das auf die allgemeine Hochschulstatistik. Die Gleichwertigkeit der Berufsakademien, wie sie in Baden-Württemberg besteht, mit unseren Fachhochschulen ist Fakt. Insofern können Sie das als einen gleichwertigen Zugangsweg beschreiben.
Die bundesweite Hochschulstatistik, die sich aus den Länderstatistiken speist. Ich kann Ihnen die Zahlen noch einmal zukommen lassen.
Wir sind mit dieser Frage durch, weil es keine weiteren Nachfragen gibt. Herzlichen Dank, Herr Prof. Pinkwart.