Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Damit sind wir jetzt auch bei der Abstimmung. Es können nämlich keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, weil eigentlich alle ihre Redezeit überzogen haben. Ich darf darum bitten, das im weiteren Verlauf der Debatten nicht weiter zu tun,

sondern wieder zu den vereinbarten Redezeiten zurückzukehren, um mit Blick auf unseren heutigen Parlamentarischen Abend in der Zeit zu bleiben.

Erstens stimmen wir über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Schule und Weiterbildung ab. Der Ausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/9085, den Gesetzentwurf Drucksache 14/7961 in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD und Grüne sowie der fraktionslose Kollege Sagel. Damit ist diese Empfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen und damit der Gesetzentwurf in zweiter Lesung verabschiedet.

(Beifall von der CDU)

Zweitens kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9176. Wer stimmt dieser Entschließung zu? – Die SPD. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Drittens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/9201 ab. Wer ist für diesen Antrag? – Grüne und SPD. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Enthält sich jemand? – Herr Sagel. Damit ist auch dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Damit sind wir am Ende von TOP 2 und kommen zu:

3 Altersrücklage von SGB-II-Beziehenden wirklich schützen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/9064

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und

der Fraktion der FDP Drucksache 14/9202

Entschließungsantrag

der Fraktion der SPD Drucksache 14/9203

Ich eröffne die Beratungen und erteile für die Fraktion der Grünen Frau Kollegin Steffens das Wort.

Die Kollegen, die den Saal verlassen, darf ich bitten, das leise zu tun, damit wir hier in der Tagesordnung fortfahren können und Frau Steffens Gelegenheit hat, ihren Redebeitrag an die Ohren der Kolleginnen und Kollegen zu bringen. – Bitte schön, Frau Steffens. Das Mikrofon ist auf.

Danke schön. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns im Moment in einer Wirtschaftskrise, die auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Für viele Beschäftigte stellt sie nicht nur eine große Verunsicherung in Bezug auf ihren realen Lebensunterhalt dar; für immer mehr Menschen steht auch die Bedrohung im Raum, dass durch Erwerbslosigkeit, die jetzt eintreten kann, und damit verbundene Kürzungen des Einkommens Altersarmut auf sie zukommt. Wir sind nun einmal in der Situation, dass immer mehr Menschen auch durch unstete Erwerbsverläufe Probleme haben. Sie sind immer wieder phasenweise von Arbeitslosigkeit bedroht und haben dann die Schwierigkeit, dass sie nach der derzeitigen rechtlichen Lage ihre Altersrücklage angreifen müssen.

„Altersrücklage von SGB II Beziehenden wirklich schützen“ heißt unser heute vorliegender Antrag – zu dem es mittlerweile zwei Entschließungsanträge gibt, auf die ich gleich auch noch eingehen werde –; denn gerade die Bedrohten und die Betroffenen brauchen Sicherheit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es bedarf einer Reihe von Maßnahmen. Darüber sind sich wohl auch alle hier im Raum noch einig. Wie man nicht zuletzt den unterschiedlichen Anträgen entnehmen kann, gibt es aber schon in der Frage, welche Schritte zur Vermeidung von Altersarmut notwendig sind, sehr große Differenzen. Deswegen haben wir uns hier auf einen Punkt, nämlich das Schonvermögen, beschränkt.

Schon an anderer Stelle haben wir ja immer wieder die Debatten über andere Sicherungsmechanismen bezüglich der Altersarmut angemahnt. Wir brauchen ohne Frage eine andere Rentenreform, nämlich eine Garantierente. Dafür stehen wir als Grüne. Das können wir hier und heute aber weder gemeinsam beschließen, noch werden wir Einigkeit darüber erreichen. Deswegen überlassen wir diese Debatte auch im Folgenden dem Bundestag.

Auch zu anderen Gründen, die zur Altersarmut führen – ich nenne die Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie die stark angestiegene Niedriglohnbeschäftigung –, haben wir hier schon viele Anträge eingebracht. Wir könnten zwar gerne auf diese Punkte eingehen, aber uns ist klar, dass wir an dieser Stelle keine Mehrheit bekommen werden. Deswegen finden sie sich hier nicht wieder. Natürlich ist es für eine dauerhafte und nachhaltige Sicherung des Alterseinkommens wichtig, andere Rentenformen, einen Mindestlohn und eine bessere Altersabsicherung einzuführen.

Heute findet aber die Diskussion über das Schonvermögen statt. In der Vergangenheit haben sich sowohl der Ministerpräsident als auch der Arbeitsminister mehrfach dazu geäußert.

Schon im Mai 2006 hat unser Bundestagsabgeordneter Markus Kurth bei der Debatte über das SGB-II-Optimierungsgesetz darauf hingewiesen, dass es schön wäre, wenn die CDU/CSU-Fraktion die von Herrn Minister Laumann in NRW vertretene Aufstockung des zu schonenden Altersvermögens auf 700 € pro Jahr übernehmen und dies auch im Bundestag diskutieren und beschließen würde. Das ist bisher nicht der Fall gewesen.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Doch! Antrag der Linken!)

Außer Willensbekundungen vonseiten der CDU/CSUFraktion gab es im Bundestag – und auch im Landtag – keine weiteren Initiativen.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Doch!)

Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt, dass das Land Nordrhein-Westfalen im Bundesrat und auf allen anderen Ebenen aktiv wird, um zu versuchen, diese Forderung, bei der ja Konsens besteht, umzusetzen.

Trotzdem erscheint uns der Entschließungsantrag der CDU Fraktion nicht in allen Teilen zustimmungswürdig. Der erste Punkt enthält einen ganz wesentlichen Satz, nämlich:

Wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss eine Rente in einer Höhe oberhalb der Grundsicherung erhalten.

Das ist wieder die Grundannahme eines Erwerbsverlaufs der normalen, durchschnittlichen Erwerbsbiografie der Vergangenheit: 45 Jahre arbeiten, Vollzeitbeschäftigung. Das kann es nicht sein. In diesem Punkt stimmen wir Ihnen nicht zu, sondern wir meinen, dass man nicht nur den Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, im Alter eine Rente in einer Höhe von oberhalb der Grundsicherung zukommen lassen muss, sondern dass man ein Rentensystem braucht, das den unsteten Erwerbsverläufen gerecht wird und gerade die Dimension und die Problematik von Frauen berücksichtigt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Von daher können wir natürlich dem zweiten Teil zustimmen, möchten aber den ersten Teil getrennt abgestimmt sehen.

Und dann kam eben ziemlich unerwartet ein Antrag von der SPD-Fraktion auf den Tisch.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ja, die haben es jetzt auch begriffen!)

Ich muss sagen: Ich bin nicht nur darüber erstaunt, sondern ich bin zutiefst enttäuscht, weil das ein „Geisterfahrerantrag“ ist, der einen Nebenschauplatz aufmacht, der teilweise inhaltlich völlig falsch ist – darauf können wir gleich noch eingehen – und der vor allem die Dimension der Frauen und ihre Altersarmut bezüglich dieses Schonvermögens komplett verkennt,

(Beifall von den GRÜNEN)

indem er einfach sagt: Das ist ein kleiner Nebenpunkt, der nicht wichtig ist. – Für Frauen ist das natürlich ein ganz zentraler Punkt. Wir haben seinerzeit schon einmal mit CDU, FDP und Grünen einen Brief an Frau Merkel und an die Minister dazu geschrieben.

Das Problem von Frauen ist, dass sie ihre Altersrückstellungen oft über irgendwelche Sparverträge und über Vermögen sichern und dass sie nicht in die Rentenversicherung eingezahlt haben. In dem Moment, wo Frauen mit ihren unsteten Erwerbsverläufen arbeitslos werden, wird das Schonvermögen von ihnen angegriffen. Das kann es nicht sein, das darf es nicht sein. Da kann man Rentenreformen immer wieder fordern, da kann man versuchen, den Niedriglohn auszumerzen und ihn durch einen Mindestlohn zu ersetzen – aber für die Frauen, die unstet in die Rentenversicherung eingezahlt haben, ist es ein Problem und wird es ein Problem bleiben. Deswegen wollen wir an der Stelle, dass es gerade für die Frauen eine Veränderung gibt und dass das Schonvermögen für sie höher gestellt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da drückt sich die SPD vor der Antwort, weil sie einen Minister im Bund hat, der das nicht will. Ich bin davon wirklich sehr enttäuscht, weil ich dachte, dass zumindest die SPD in Nordrhein-Westfalen ein Stück weiter wäre und den Menschen in diesem Land in diesem Punkt wirklich helfen will.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens.- Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Wilp.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist richtig: Seit Inkrafttreten des SBG II wird in der politischen Auseinandersetzung über die Höhe des Schonvermögens bei der Altersvorsorge gestritten. Nach den zurzeit geltenden Bestimmungen werden SGB-II-Beziehern geldwerte Ansprüche der Altersvorsorge bis zu 250 € pro Lebensjahr bis maximal 16.250 € nicht angerechnet.

Diese Obergrenze zwingt vor allem ältere Langzeitarbeitslose dazu, Vermögenswerte der Altersvorsorge oberhalb dieser Grenze zunächst aufzulösen und für den Lebensunterhalt zu verwenden, bevor Leistungen nach dem SGB II bezogen werden können. Zu den Vermögenswerten zählen dabei unter anderen auch die klassischen Lebensversicherungen.

Ich will deutlich sagen, dass ich – und das habe ich in zahlreichen Veranstaltungen und Diskussionen zum Ausdruck gebracht – von Anfang an die bis jetzt geltende Regelung für nicht sachgerecht gehal

ten habe. An dieser Stelle hat das Gesetz einen Geburtsfehler.

(Günter Garbrecht [SPD]: Ihr wart ja beteiligt!)

Ich beziehe die eigene Fraktion durchaus ein. Ich sage: Daran sollten alle denken, die an der damaligen Gesetzgebung beteiligt waren.

Obwohl es bisher schon eine Reihe von Gesetzesänderungen zum SGB II gegeben hat, ist dieser Punkt bisher nur minimal novelliert worden. So ist der Vermögensfreibetrag von ursprünglich 200 € auf 250 € pro Lebensjahr angehoben worden, allerdings mit Absenkung des allgemeinen Freibetrages auf 200 €. Hinzu kommt – das muss man fairerweise sagen –, dass die sogenannte Riesterrente bei der Anrechnung des Schonvermögens zur Altersvorsorge außen vor bleibt. Das heißt, sie wird nicht einbezogen und nicht angerechnet. Davon profitieren ältere Langzeitarbeitslose allerdings nur in geringem Maße.

Ich möchte nun darauf eingehen, warum ich die jetzt geltende Regelung hinsichtlich der Höhe des Schonvermögens zur Altersvorsorge für unsachgerecht und auch für ungerecht halte. Gerade im Zuge der Rentenreform hat die Politik die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer wieder aufgefordert, in die private Altersvorsorge zu investieren.

(Beifall von Bernhard Recker [CDU])